Die Versammlung
Am Rand des zentralen Platzes hatten die Dorfbewohner ein Podium errichtet auf dem sich Marlena, mit den anderen Drachenreiter und den Mitgliedern des Ältestenrates der Gemeinschaft versammelte. Neben Siskar, Narna und Tocram gehörten dem Rat noch Ajeschas, ihre Drachendame Lenjara und ein weiteres Mitglied an. Hierbei handelte es sich um eine weitere Frau, die etwa in Narnas Alter war. Sie stellte sich den Drachenreitern als Kiska vor.
Auf dem Podium war ein langer Tisch aufgestellt an dem auch die Gäste der Dorfgemeinschaft Platz fanden. Links außen Namen Ajescha Platz und erklärte, dass Lenjara der Unterhaltung durch ihre Augen beiwohnen würde. Dies wurde von der Gemeinschaft und Widerspruch akzeptiert und war offenbar nichts ungewöhnliches. Neben Ajescha ließ sich Murtagh nieder, ihm folgte Siskar, dann Narna, Tocram und schließlich Kiska. Marlena und Keanai fanden rechts außen am Ratstisch Platz während sich Irucan zwischen seinem Reiter und der Halbling ein rollte.
Marlena konnte von ihrem Platz aus dem ganzen Versammlungsort überblicken. Sie war sich nicht sicher ob sie es genoss vor allem auf dem Dorfplatz beobachtet zu werden aber sie er zitierte es als ihre Pflicht als Drachenreiterin. Außerdem hatte die erhöhte Position auch ihre Vorteile. Marlena konnte alle Anwesenden überblicken und bemühte sich die Stimmung der Menschen anhand der Gesichter die zu ihr aufblicken einzuschätzen.
Abermals erregte ihr elfischer Erbe Aufmerksamkeit. Eine große Anzahl an neugierigen Blicken galt ihren fremdartigen Gesichtszügen. Allgemein hatte die junge Halbling den Eindruck, dass Neugier und Hoffnungen bei den Dorfbewohnern dominierte. Sie beschloss dies als ein gutes Zeichen zu werten. Eine ihre Befürchtungen war es gewesen, dass die Gemeinschaft alles ablehnen würde was von außerhalb kam.
"- Wenn du es mit dem Menschen zu tun hättest, die einst an diesen Ort geflohen sind wäre die Stimmung wohl auch eine völlig andere." - mutmaßte Alonvy. - "Du darfst nicht vergessen, dass diesen Leuten zwar von Galbatorix und seinen Verrätern berichtet wurde aber sie die tatsächliche Bedrohung vor der sie sich verstecken nie gesehen haben. Hätten sie erlebt wie das Leben ihrer Eltern gleich einer Kerze in einem Ortkhan erlosch, wären sie wesentlich misstrauischer." -
Marlena musste ihrer Drachendame Recht geben. Niemand verbrachte sein Leben gerne in Angst. Die allgegenwärtige Vorsicht der Dorfgemeinschaft war im Grunde nicht weniger als ein Ausdruck von Furcht die über Generationen weitergegeben worden war. Vermutlich hofften die Einwohner, dieses Kapitel nun hinter sich lassen zu können.
- "Sei aber vorsichtig kleine Halbling. Über Generationen gehegtes Misstrauen verschwindet nicht über Nacht. Die Eindrücke wie du und Murtagh hier hinterlast werden darüber entscheiden wie sich diese Gemeinschaft gegenüber den Rest von Alagaesia in Zukunft verhalten wird." -
Mit diesen warnenden Worten zog sich Alonvy fürs erste zurück und Marlena konzentrierte sich auf das Geschehen im Hier und Jetzt. Ajescha hatte das Wort ergriffen und die Gäste der Dorfgemeinschaft vorgestellt. Gerade erklärte sie welche Krankheit, nach Meinung des Ordens Felder der Siedlung überfallen hatte. Als sie auf die einzige Möglichkeit den Pilzbefall zu besiegen zu sprechen kam regte sich deutlicher Unmut.
"Wir sollen die ganze Ernte verbrennen? Das gefällt mir ganz und gar nicht. Bei dem befallenen Getreide seh ich es ja vielleicht noch ein aber warum müssen wir auch das vernichten, was von dem schwarzen Fluch überhaupt nicht berührt wurde?"
Es war Murtagh der dem jungen Mann aus der wartenden Menschenmasse antwortete:
"Weil auch die scheinbar gesunden Pflanzen bereits einzelne Sporen dieses Pilzes in sich tragen können. Außerdem würde durch die Zerstörung der offensichtlich befallenen Pflanzen die Sporen aufgewirbelt und weiter über die Felder verteilt werden. Wenn man nicht alles vernichtet bricht die Erkrankung jedes Mal wenn man die Felder wieder bestellt aufs neue aus."
"Nun gut, ich denke das ist nachvollziehbar." äußerte sich Siskar. "Was sich aber noch nicht verstehe Herr Murtagh ist warum wir die Felder ein Jahr lang brach liegen lassen müssen. Wenn das Feuer die Sporen vernichtet hat müssten jedoch bereits in der nächsten Wachstumsperiode wieder sähen können?"
Allgemeines zustimmendes Gemurmel war die Reaktion auf die Äußerung des Ratsmitgliedes. Murtagh hatte mit dieser Frage gerechnet und die Aufzeichnungen über die Krankheit studiert.
"Nun, dies ist erforderlich weil die Sporen sehr widerstandsfähig sind. Selbst nach dem niederbrennen der Felder können sie sich in der Erde verstecken und die nächste Generation von Pflanzen wieder befallen. Die einzige Möglichkeit das zu verhindern wäre die oberen 4 Zoll des Bodens abzutragen."
"Das ist keine Möglichkeit Herr Drachenreiter. Sondern lächerlich."
Ein gut genährter Mann mittleren Alters hatte diesem Zwischenruf eingeworfen. Es ärgerte Marlena etwas, dass dieser Mann in einem so spöttischen Ton sprach doch sie hielt sich zurück, als sie sah, dass ihr Onkel in das allgemeine Gelächter mit einstimmte.
"Sehr richtig." lachte Murtagh und nickten dem Mann in der Menge überraschend freundlich zu. "Ihr versteht was vom Ackerbau oder?"
"Allerdings!" der Unbekannte schien um einige Zentimeter zu wachsen. "Ich habe die Oberaufsicht über die nördlichen Felder."
"Dann können wir diesen Punkt kurz halten." sagte der dunkelhaarige Drachenreiter. "Erde ist nicht gleich Erde. Wenn man diesen Plan folgt, trägt man auch die Erde mit ab die sich für den Ackerbau eignet. Das was man dann unter diesen 4 Zoll an Boden findet eignet sich nicht den Anbau von Feldfrüchten. Außerdem ist es absolut möglich, dass Sporen des Pilzes aufgewirbelt und weiter verbreitet werden während man die Erde abträgt. Die Sporen sind wie gesagt sehr widerstandsfähig und können eine lange Zeit überleben aber nicht unbegrenzt. Deshalb muss man die Felder ein Jahr brach liegen lassen. Erst dann ist sichergestellt, dass die noch verbliebenen Sporen eingegangen sind und keine Gefahr eines neuen Ausbruchs der Fäule besteht."
Wieder breitete sich Murmeln in der Menge aus. Jeder schien über das gehörte nachzudenken und Marlena ließ ihren Blick schweifen und zu erkennen was die Worte ihres Oheims bewirkt hatten. Dabei entdeckte sie ein Gesicht in der Menge welches aus dem Rahmen fiel. Allgemein warfen sich die versammelten Menschenblicke zu und sprachen untereinander das Gehörte. Eine junge Frau jedoch mit langen, zu einem Zopf geflochtenen schwarzen Haaren blickte weiter zur Tribüne hinauf und suchte offenbar Blickkontakt mit Keanai. Zu Marlenas Überraschung schien der junge Drachenreiter eben diesem vermeiden zu wollen. Die Unbekannte war jedoch hartnäckig und schließlich gelang es ihr den Blick von Irucans Reiter zu erhaschen. Mit einem strahlenden Lächeln winkte sie ihm zu. Keanai hingegen schien die Sache eher unangenehm zu sein und er erwiderte die Geste nur halbherzig. Fast augenblicklich glitt der Blick des jungen Mannes zu Marlena und diese hatte den Eindruck, dass sich Keanais schlimmste Befürchtungen bestätigten als er erkannte, dass die junge Halbling diesen Vorfall offenbar mitbekommen hatte.
In diesem Moment jedoch ergriff Narna wieder das Wort.
"Gut, die Reiter haben uns ihre Meinung mitgeteilt aber zwei Dinge scheinen mir noch von Bedeutung zu sein. Seid Ihr Herr Murtagh und Jungfer Marlena denn sicher, dass es sich tatsächlich um diese Krankheit handelt? Bisher hat sie die Felder ja noch nicht selbst in Augenschein genommen."
"Da habt Ihr recht." bestätigte Dorns Reiter. "Bisher ist alles eine Vermutung. Und natürlich werden wir, eurer Erlaubnis vorausgesetzt, die Felder zu erst untersuchen bevor wir Maßnahmen ergreifen die sich unter Umständen nicht mehr umkehren lassen."
Diese Aussage des dunkelhaarigen Mannes schien viele Dorfbewohner zu beruhigen. Siskar erkannte diese Stimmung und griff den Punkt auf:
"Dann würde ich folgendes als vorübergehenden Entschluss empfehlen. Der Rat wird gemeinsam mit unseren Gästen die Felder untersuchen und das Ergebnis dieser Untersuchung der Gemeinschaft mitteilen. Dann werden wir gemeinsam entscheiden ob wir den Empfehlungen unserer Gäste folgen. Ist die Gemeinschaft damit einverstanden?"
Allgemeine Zustimmung war die Reaktion auf Siskar es Frage. Offenbar war es diesen Menschen sehr wichtig, dass nichts über ihren Kopf entschieden wurde. All die Opfer waren diese gebracht hatten, waren schließlich dem Bestreben geschuldet ihre Freiheit zu erhalten. Dies konnte Marlena gut nachvollziehen und hielt deshalb den Moment für gekommen auch etwas zu Unterhaltung beizutragen.
"Mit deiner Erlaubnis Onkel Murtagh und dem Einverständnis des Rates würde ich auch noch gerne eine Botschaft meines Vaters, Arget Un Eragon, übermitteln."
Als kein Widerspruch erfolgte versuchte bemühte sich Marlena den hinderlichen Kloß, der sich in ihrer Cale gebildet hatte, herunter zu schlucken und fuhr fort:
"als mein Vater und der Ältestenrat der Drachenreiter von dieser Siedlung erfuhr hat sich Eragon mit den einzelnen Herrschern in Alagaesia in Verbindung gesetzt. Er hat uns bereits mitgeteilt, dass er das von ihm angestrebte Ziel erreicht hat. Die einzelnen gekrönten Häupter Alagaesias sind damit einverstanden eurer Siedlung als ein unabhängiges Reich zu sehen. Niemand kann von euch erwarten das ihr nach so langer Zeit plötzlich der Herrschaft eines Monarchen zustimmt, der euch nicht kennt und die Herausforderungen die das Leben hier an euch stellt wohl möglich gar nicht begreifen kann. Einfach ausgedrückt hat mein Vater erreicht, dass kein anderes Volk in Alagaesia einen Anspruch auf dieses Tal erheben wird. Es steht auch für die anderen Völker unverrückbar fest, dass dies eurer Heimat ist und nur eure Gesetze hier gelten."
Zum ersten Mal, seit die Beratung begonnen hatte erhob sich Applaus. Deutlich war allen Anwesenden Erleichterung anzusehen.
"Jetzt haben wir gerade beschlossen dich zu mögen, Mädchen." sagte Narna in ihrer schroffen Art welche für eine allgemeinen Welle der Erheiterung sorgte.
"Ja, das haben wir wohl." warf Siskar lachend ein. "Ihr habt gerade eine der größten Sorgen entkräftet, die uns auf der Seele lag."
Marlena lächelte leicht verlegen und zog den Beutel hervor, der seit dem Tag an dem er ihr übergeben worden waren zu einem ständigen Wegbegleiter der jungen Halbling geworden war.
"Um zu unterstreichen, dass wir eure Gemeinschaft tatsächlich als unabhängig anerkennen möchte auch der Orden der Drachenreiter ein Zeichen setzen."
Marlena öffnete die Verschnürung des Beutels und präsentierte das goldene Drachenei.
"Eure Gemeinschaft ist aus dem Schmerz des Verrats von Galbatorix geboren worden um ein neues Band der Freundschaft zum Orden der Reiter zu knüpfen hat unser Ältestenrat mit dieses Drachenei anvertraut und mir den Auftrag erteilt, sollte dies eurer Zustimmung finden, in eurem Dorf eine Reiterprüfung durchzuführen."
Zunächst war atemlose Stille die Folge von Marlenas Aussage. Sprachlos betrachteten alle Anwesenden das goldene Drachenei. Schließlich durchbrach donnernder Applaus und freudiger Ausrufe die fast andächtige Stille.
- "Gut gemacht." - lobte Alonvy. - "Das diplomatische Talent hast du von deiner Mutter geerbt." -
Doch während Marlena über die Worte ihrer Drachendame schmunzelte ergriff Narna erneut das Wort: "nun, das ist in der Tat eine Überraschung und eine Ehre für uns. Sicher hat man uns mit Gruselgeschichten über Galbatorix geradezu überhäuft als sie noch Kinder waren aber auch die Erzählungen über den einstigen Ruhm der Reiter haben überlebt. Jedoch macht diese Ehrung den zweiten Punkt den ich ansprechen wollte umso entscheidender."
Erneut kehrte Stille ein und alle Anwesenden lauschten den Worten des angesehenen Ratsmitgliedes.
"Wie jede Gemeinschaft hat auch die unsere feste Regeln auf die sie gegründet ist. Eine unserer wichtigsten ist, dass niemand der sich in unserer Mitte bewegt mehr erhalten darf als ein anderer. Das bedeutet aber auch, dass wenn jemand mehr gibt als jeder andere unweigerlich eine Schuld entsteht. Ihr tut sehr viel für uns. Ihr wollt uns helfen unsere Felder wieder fruchtbar zu machen und uns in der Zeit in der wir nichts anbauen können hat sich euer Orden bereit erklärt unser Tal zu versorgen. Nun auch noch dieses Drachenei. Wie sollen wir unsere Schuld euch gegenüber die begleichen können?"
Die Worte der alten Frau ließen die Stimmung erneut umschlagen. Unsicherheit dominierte nun. Daher kämpfte Marlena ihren ersten Impuls nieder einfach zu betonen, dass eine Wiedergutmachung nicht nötig sein. Ihr Instinkt sagte ihr, dass sich die Dorfgemeinschaft dadurch eher beleidigt gefühlt hätte. Offenbar war es in der Tat eine wichtige Grundregel ihres Zusammenlebens die hier angesprochen worden war.
Etwas hilflos blickte die junge Halbling zu ihrem Onkel der daraufhin das Wort ergriff.
"Nun, was das Drachenei betrifft so ist es nicht nötig irgend eine Form von Wiedergutmachung zu leisten. Es ist eingesetztes Ordens, das jedes Volk in Alagaesia das Recht hat an einer Reiterprüfung teilzunehmen. Bereits seit einigen Sommern werden diese Prüfungen wieder abgehalten und euch ist diese Chance bisher nicht eingeräumt worden. Dies ist nur deshalb nicht geschehen der wir nichts von eurer Siedlung wussten. Im Grunde leisten wir also hier nur Wiedergutmachung indem wir nun eine Prüfung abhalten die allein eurer Gemeinschaft vorbehalten ist."
Allgemeines zustimmendes Gemurmel war die Folge. Murtagh sprach weiter:
"Was unsere übrige Hilfe betrifft: Zu helfen ist die Aufgabe des Ordens. Daher erwarten wir keine außerordentlichen Belohnungen. Ich habe mich auch gegenüber dem Ältestenrat des Ordens verpflichtet die Ausbildung von Ajescha und ihrer Drachendame Lenjara abzuschließen damit beide die höchste Meisterschaft als Reiter und Drache erlangen. Wenn ihr mir und Dorn Unterkunft und Verpflegung stellt betrachten wir uns als vollständig entlohnt. Vor dem Hintergrund eurer Gesetze hoffen wir, dass ihr die Ausbildung die wir den Reitern eures Tals ermöglichen als hinreichendes Gegengewicht für unsere Versorgung erachtet. Immerhin sind wir Gäste und haben als solche bisher noch keinen Beitrag zur Sicherung eures Überlebens geleistet."
Alle Aufmerksamkeit richtete sich auf Narna deren Meinung was die Auslegung der Gesetze betraf offenbar sehr viel galt.
Die alte Frau lächelte nur.
"Da das nun geklärt ist, was sitzen wir noch herum. Es gibt schließlich einiges zu tun."
Wieder erhob sich Jubel und Applaus und zeugte damit von der Erleichterung aller Dorfbewohner.
"Ja, das heißt dann ja wohl das ihr hier willkommen seid." Schmunzelte Keanai und strich Marlena eine Haarsträne hinter ihre wohlgeformten Ohren. Anschließend legte er seine Hand auf ihre.
Auf die junge Drachenreiterin war erleichtert, dass die Begegnung mit den Dorfbewohnern sichtlich positiv verlaufen war und ließ noch einmal ihren Blick über die sich inzwischen bereits auflösende Menge wandern. Hoffnung, Freude und Neugier auf das Unbekannte schienen jetzt die vorherrschenden Gefühle zu sein. Marlena wollte gerade selbst ihre innere Unruhe abstreifen als ihr Blick bei der jungen Frau hängen blieb, die Keanai vorhin zugewinkt hatte. Der Gesichtsausdruck der unbekannten unterschiedl sich wie Tag und Nacht von dem, was man bei den übrigen Dorfbewohnern sah. Im Blick dieser Frau lag tiefe Ablehnung die offenbar weniger der Gruppe von Gästen als mehr Marlena direkt galt.
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