Der Morgen
In der kühlen Morgenluft arbeitete sich Marlena durch einige Grundstellungen des Remgar. Es war eine gute Möglichkeit steife Glieder aufzulockern.
- "Es wird dringend Zeit, dass ich mal wieder eine Nacht in einem Bett schlafe." - murmelte die junge Halbling in Gedanken als sie hörte wie ihre Gelenke knackten.
Alonvy schnaubte nur amüsiert.
- "Was sollen wir Drachen denn da sagen. Wir schlafen überhaupt nicht in Betten." -
- "Oh ich erinnere mich da an einen weißen Schlüpfling, der jeden Abend zu seiner Reiterin ins Bett gekrabbelt ist. Besonders bei diesem Gewitter damals......" -
Alonvy erwiderte auf diese Aussage ihrer Reiterin nichts sondern schien plötzlich nur besonders damit beschäftigt zu sein ihren Flügel zurecht zu zupfen.
Marlena lächelte in sich hinein und beließ es dabei. Der gestrige Abend war ohne weitere besondere Vorkommnisse zu Ende gegangen. Aus der Entfernung hatten die beiden Drachenreiterrinnen und Alonvy beobachtete wie Kyra sich mit ihren Eltern unterhielt. Marlena hatte der jungen Reiterin aus dem Norden eingeschärft nicht den Versuch zu machen sich in die Unterhaltung der drei Drachen einzumischen. Dieser Augenblick gehörte allein den blutsverwandten Sculblaka.
Natürlich war Svenaja neugierig und sorgte sich auch etwas um ihre Seelenschwester, da sie deren Aufregung am Rande ihres Bewusstseins spüren konnte aber sie hielt sich an Marlenas Vorgaben.
Die junge Halbling hatte ihr versichert, dass Kyra mit ihr über das Gespräch reden würde sobald sie bereit war. Als der Abend weiter vorangeschritten hatte schließlich die Müdigkeit über die Neugier der beiden Drachenreiterrinnen besiegt und gemeinsam mit Alonvy hatten sie sich zur Nachtruhe begeben.
Dieser endete bereits in den frühen Morgenstunden. Es war das Geräusch, das Kyras Eltern bei ihrem Abflug verursachten, welches die beiden jungen Frauen aufschreckte. Es überraschte Marlena nicht, dass Rahner und seine Partnerin abgeflogen ohne sich zu verabschieden. Saphira hatte der Tochter ihres Reiters während ihrer Ausbildung immer wieder gesagt, dass ein wilder Drachen König des Landes sei welches seine Krallen berühren. Man sollte also nicht zu viel Höflichkeit erwarten.
Kyra entdeckten die Mitglieder der Reisegruppe am Ufer des Sees, den Marlenas Onkel den Namen Stille Freiheit in der Sprache der Elfen gegeben hatte. Das goldene Drachenmädchen hockte am Ufer und beobachtete den Sonnenaufgang.
Svenaja erkundigte sich vorsichtig ob sie ihre Drachendame ansprechen sollte aber Marlena riet ihrer Freundin davon ab. Sie empfahl der jungen Frau sich neben Kyra zu setzen und einfach abzuwarten bis ihre Seelenschwester sie ansprechen würde. Die junge Halbling war sich sicher, dass die Goldene eben das tun würde, wenn sie bereit war.
Marlena beendete ihre Dehnübungen und brachte mit etwas zusätzlichem Holz das Lagerfeuer wieder in Gang. Etwas Rische stellte sie fest, dass es wohl noch eine Weile dauern würde bis die Flammen wieder genug Kraft hatten um darauf ein warmes Essen zu zubereiten.
Alonvy indessen verkündete, dass sie sich nun eine morgendliche Mahlzeiten besorgen würde und schätzte, dass sie in etwa einer Stunde zurück sein würde. Daraufhin breitete sie ihre Flügel aus und stieg in den Morgenhimmel auf.
Zunächst verfolgte Marlena den Flug ihrer Drachendame mit ihren Blicken, verlor schließlich aber den kleinen weißen Punkt in der unendliche Weite des Himmels aus den Augen.
Da das Feuer noch eine Weile brauchen würde, wanderte der Blick der jungen Halbling zu Kyra und Svenaja. Erfreut stellte sie fest, dass das goldene Drachenmädchen ihrer Reiterin nun anblickte und offenbar ein stummes Gespräch im Gange war. Nach kurzem Zögern trat sie zu den beiden um sich zu erkundigen wie es Kyra ging. Die junge Drachendame war schließlich genauso ihre Schülerin wie Svenaja.
"Störe ich euch beide?" erkundigte sie sich bei den beiden Seelenschwestern als sie zu ihnen ans Ufer des Sees trat. Offenbar waren Svenaja und Kyra sehr in ihr Unterhaltung vertieft gewesen, denn sie wirkten beide etwas überrascht als sie die junge Halbling bemerkten.
Svenaja bestätigte mit einem Kopfschütteln, dass ihr Marlenas Anwesenheit nicht unangenehm war und Kyra sandte ein: "Ihr stört nicht Meisterin." in die Gedanken ihrer Reisebegleiterin.
Marlena konnte sich ein überraschtes Blinzeln nicht verkneifen. Sie hatte ihre Aufgabe die beiden jungen Seelenschwestern zu unterrichten zwar sehr ernst genommen aber bisher ein recht lockeres Regiment geführt. Svenaja war ihr vom Alter her zu nah als das Marlena sich bei dem Gedanken wohl gefühlt hätte, Mitmeisterin angesprochen zu werden. Sie betrachtete die junge Frau aus dem Norden lieber als gute Freundin und ließ sich von ihr gerne mit dem Vornamen ansprechen. Eine Verhaltensweise die Kyra bisher ungefragt übernommen hatte.
"Warum nennst du Marlena den plötzlich Meisterin?" erkundigte sich Svenaja. Offenbar war sie über Kyras Ausdrucksweise genauso überrascht wie Marlena selbst.
Kyras Blick wanderte wieder zum Horizont und ihre Stimme war sehr bedacht und von tiefer Ernst erfüllt.
- "Weil ich jetzt verstehe wie viel ihr Vater für mein Volk getan hat." -
"Aber das wusstest Du doch auch schon vorher." Svenajas Stimme offenbarte eine Kombination aus Überraschung, Unverständnis und leichter Nervosität. Marlena konnte das gut nachempfinden. Selbst durch den kurzen geistigen Kontakt hindurch, den sie mit der goldene Drachendame gehabt hatte, war deutlich geworden, dass die gestrige Nacht Kyra tief bewegt hatte. Ihr Verstand befand sich nicht in heller Aufregung. Marlena suchte einen Vergleich für ihre Eindrücke in der Natur und kam zu dem Schluss, dass das beständige Summen eines Bienenstocks dem am nächsten kam, was Kyra im Moment fühlte. Ihre Eltern hatten viel mit ihr geteilt und das Drachenmädchen verarbeitete alles, was die beiden wilden Drachen ihr mit auf den Weg gegeben hatten.
Die junge Halbling kam nicht dazu weiter darüber nachzudenken denn die Goldene antwortete nun ihrer Reiterin:
- "Da hast Du zwar recht. Aber wissen bedeutet nicht unbedingt verstehen. Mein Vater und meine Mutter haben wir gezeigt wie liebevoll Saphira sie aufgezogen hat und außerdem haben sie mir deutlich gemacht wie schwach das Lebenslicht der Kinder des Himmels und des Feuers einst geworden war. Sie haben mir auch Bilder aus der Zeit vor Galbatorix gezeigt. Ein Donner wilder Drachen konnte damals regelrecht den Himmel verdunkeln. Wir sind zwar nicht mehr vom Aussterben bedroht aber unsere Zahl ist noch lange nicht wieder so hoch wie vor dem Fahrrad der 13. Seht mal da drüben." -
Kyra unterstrich ihre Forderung indem sie mit dem Kopf auf einen großen Felsblock wies, der am Ufer des Sees lag. Bei genauerem hinsehen entdeckten die beiden jungen Frauen, einige Spuren an den Felsen als hätte ein Drache hier seine Krallen geschärft.
- "Diese Spuren sind nicht von Dorn oder von einem anderen heute lebenden Drachen. Man erkennt das daran, dass die kannten der Kratz Spuren bereits so abgerundet sind. Wind und Wetter haben bereits ihren Tribut gefordert." -
Kyra senkte den Kopf bis sie mit Marlena auf Augenhöhe war.
- "Ohne deinen Vater, Meisterin Marlena, während diese Kratzspuren alles was von meinem Volk übrig wäre. Und das ist der günstigste Fall. Hätte Galbatorix auf einer bestimmten Ebene seinen willen bekommen......"-
Das goldene Drachenmädchen sprach nicht weiter sondern schüttelte sich nur, dass ihre Schuppen raschelten. Ein tiefes Gefühl von Abscheu stieg in ihr auf als sie daran dachte was der ehemalige Tyrann von Alagaesia für die Zukunft der Drachen geplant hatte.
- "Ich schulde einfach jedem der aus Eragons Blutlinie stammt Respekt." -
Erklärte Kyra entschlossen.
Marlena fühlte sich plötzlich als ob sie mit dem Rücken zur Wand stand. Sie konnte sich nicht wirklich erklären woher dieses Gefühl kam aber es war überwältigend stark. Sie rang sich ein Lächeln ab und ließ Svenaja und Kyra wieder allein damit sie sich in Ruhe unterhalten konnten. Die junge Halbling kehrte zum Feuer zurück und begann mit einem Stock darin herum zu stochern um es weiter anzufachen. Dabei überlegte sie was sie an Kyras Aussage so in Aufregung versetzt hatte. Die Suche nach einer Antwort blieb jedoch erfolglos.
Auch als Anarie spürbar gesättigt von ihrem Jagdausflug zurückkehrte war Marlena immer noch ratlos. Auf die Nachfrage ihrer Seelenschwester hin übermittelte sie ihr die Erinnerungen an das zurückliegende Gespräch.
Alonvy hörte geduldig zu, legte sich anschließend neben ihrer Reiterin und zog sie mit dem Flügel näher an sich.
- "Das Küken hat nicht Unrecht." -
- "Jetzt fangen du nicht auch noch an." maulte Marlena und versuchte unter dem Flügel ihrer Drachendame hervor zu klettern. Alonvy jedoch hielt sie mit sanfter Gewalt zurück.
- "Weist du warum sie das unangenehm ist kleine Halbling?"
Marlena schüttelte nur den Kopf und stellt überrascht fest wie nahe sie im Grunde den Tränen war. Die ganze Sache legte sie noch viel mehr auf als sie sich bisher eingestehen wollte. Alonvy erkannte das ihrer Reiterin einen Moment Zeit brauchte und schwieg. Lediglich ein behaglicher Summton stieg aus ihrer Kehle.
- "Ich weiß ja, was mein Vater geleistet hat und meine Mutter auch. Deshalb verstehe ich nicht wieso es mir so unangenehm ist wenn jemand so darüber redet." -
Alonvy kicherte leise.
- "Nun, zum einen ist der Gedanke nicht angenehm was Galbatorix alles in der Welt angerichtet hat. Der zweite Grund ist aber wohl eher der Ausschlaggebende. Für dich sind die beiden Personen die man Eragon Königsmörder und Schattentöter sowie Arya, die Sturmklinge Sturmklinge nennt, nicht irgendwelche Heldengestalten sondern einfach nur deine Eltern. Du weißt schon, die nicht in den Schlaf gesungen haben, die vieles über die Welt und die Wesen in ihr beigebracht haben und mit dir Kekse gebacken haben. Für dich sind die beiden einfach nur deine Eltern. Keine legendären Gestalten. Legenden haben etwas beruhigendes kleine Halbling. Dort gibt es den Bösen, dessen Niederlage durch die Helden so sicher war wie die Tatsache, dass die Sonne im Osten aufgeht. Da du aber Eragon und Arya einfach nur als deinen Vater und deine Mutter siehst spürst du deutlich dass der Ausgang dieses epischen Ringens um die Macht nicht so eindeutig war wie die Barden es heute verkünden. Natürlich willst Du deine Eltern nicht das Recht absprechen, dass sie für ihre Taten geehrt werden aber dennoch siehst du sie klarer als es vielleicht der ganze Rest von Alagaesia tut." -
- "Ich denke Du hast mal wieder recht meine Große." - murmelte Marlena. - "Im Grunde gibt es uns beide ja auch nur deshalb, weil die Dinge sich so entwickelt haben wie sie es taten. -"
Alonvy schnaubte zustimmend.
- "Vielleicht sollten wir erst morgen weiterreisen kleine Halbling. Ellesméra wird uns nicht davonlaufen und ich glaube wir alle können etwas Zeit gebrauchen um über das nachzudenken was ich gestern ereignet hat." -
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro