Das Ende einer Reise
Bereits mit den ersten Sonnenstrahl des neu anbrechenden Tages erschien Gintar auf dem Deck des Schiffes und beobachtete wie die Besatzung das Beiboot zu Wasser brachte. Der Urgal Ushnerk beobachtete die Männer und brüllte gelegentlich Anweisungen.
Während der Überfahrt hatte Gintar bereits gemerkt, dass der Gehörnte im Grunde seine Stimme nicht erheben musste um sich unter den Männern Respekt zu verschaffen. Das er es nun tat war ein Zeichen dass er sehr angespannt war.
Obwohl der Zwerg vor Ungeduld innerlich bebte hielt er sich lieber zurück. Er stand kurz vor dem Ziel und durfte sich jetzt keinen Fehler leisten. Mit den Fingerspitzen tastete er die Innenseite seines Wams unauffällig ab. Die Gegenwart des verzauberten Messers hatte etwas beruhigendes für seine Nerven. Innerlich wie sich der Magier zur Ordnung. Eine unvernünftige, irrationale Stimme in seinem Geist schien der Meinung zu sein, dass er finden würde was er suchte sobald er auch nur einen Fuß auf Vroengards setzte. Gintar bemühte sich zu akzeptieren, dass die Landung auf der Insel zwar ein bedeutender Schritt war aber erst der Beginn einer möglicherweise langen und komplizierten Suche.
Die Überlegungen des Zwergs wurden gestört als ein Mitglied der Besatzung der Ostwind ihm unbeabsichtigt anstieß, sich dann über die Reling warf und sich erbrechen musste.
"Na, na Torben!" Kapitän Mrtanus schritt zu dem Besatzungsmitglied herüber. "Du fährst doch nicht erst seit gestern zur See. Seit wann packt dich denn die Seekrankheit?"
"Ich weiß es nicht Kapitän." Erwiderte der Matrose mit schwacher Stimme. "Normalerweise habe ich einen recht stabilen Magen. Gut, nach einem Landgang am Anfang der Reise wird es auch mir manchmal flau aber das gibt sich nach ein oder zwei Tagen. Das mich am Ende einer Fahrt erwischt wenn wir vor Anker liegen ist in der Tat ungewöhnlich. Fühlt sich auch nicht an wie normale Seekrankheit. Wenn das einen erwischt hat, dann ist einem ständig übel. Das hier ist anders. Von paar Minuten ging es mir noch gut."
"Geht wieder an deiner Arbeit und konzentriere dich darauf. Dann wird es schon werden."
Gintar entging nicht, dass die Stimme des alten Kapitäns nicht wirklich überzeugt klang. Der Mann mochte schon einige Sommer gesehen haben aber sein Verstand funktionierte immer noch gut. Als Kommandant war ihm natürlich nicht entgangen dass verschiedene Besatzungsmitglieder in den letzten Tagen mit plötzlich auftretender Übelkeit zu kämpfen hatten. Gintar wusste natürlich, dass es sich nicht um Seekrankheit handelte. Nein, die unwirklichen Kräfte die Vroengard verseucht hatten waren bereits zu spüren. Diese in Schüben auftretende Übelkeit war ein erstes Anzeichen, dass die unsichtbare Kraft begann die Männer an Bord der Ostwind zu verseuchen. Es war in der Tat seit dem Zwerg das Schiff zu verlassen. Die Stimmung wurde sich früher oder später gegen ihn kehren. Immerhin hatte er den Auftrag zu dieser Reise gegeben und irgend jemandem würde es wohl auch auffallen, dass der Gast an Bord nicht von Übelkeit geklagt wurde.
Gintar hatte sich selbstverständlich vor der unsichtbaren Kraft geschützt. Es war schwieriger als er erwartet hatte. Permanent forderte der magische Schutzwall einen gewissen Tribut seiner Lebensenergie. Der Zwerg wusste, dass seine körperliche Leistungsfähigkeit mehr und mehr sinken würde je länger er sich auf Vroengard aufhielt. Er musste regelmäßig etwas essen und trinken damit ihm seine Kraft nicht völlig verließ.
Unter diesen Umständen war es für den Zwerg noch weit logischer, dass er erst gar nicht den Versuch unternommen hatte auch die Menschen an Bord des Schiffes zu schützen. Das überstieg schlichtweg seine Fähigkeiten und lag auch nicht in seinem Interesse.
"Beiboot klar!"
Die raue Stimme des Urgal schien Gintar mit einem mal der schönste Klang in Alagaesia zu sein. Sofort lenkte der Zwerg seine Schritte zu der Stelle der Reling an der nun eine Strickleiter ausgebracht wurde mit deren Hilfe man in das kleine Ruderboot gelangen konnte welches nun neben dem Schiff auf den Wellen tanzte.
Es überraschte den Magier der Knurlan nicht besonders, dass der Kapitän des Schiffes bereits in das Beiboot hinab stieg. Mrtanus hatte bereits angekündigt, dass er Gintar an Land begleiten würde um den Rest des vereinbarten Preises für die Überfahrt entgegenzunehmen.
Sollte er nur. Wem die Kehle durchgeschnitten wurde und wer im Magen eines Raubfisches landete war dem Zwerg schließlich egal.
Während auch er sich nun über die Strickleiter in das Boot hangelte spürte er das beruhigende Gedicht des Klappmessers welches er in seinem Ärmel versteckte.
Gintar nahm im Bug des Beibootes Platz während sich Kapitän Mrtanus auf der gegenüberliegenden Seite postierte und das Ruder übernahm.
Bruno rückt bei der Zwerg jedoch als er sah, dass sich der Urgal Uschnerk über die Strickleiter zum Beiboot begab.
"Ich habe unseren gehörnten Freund darum gebeten uns zu begleiten." Die Stimme des menschlichen Kapitäns zog Gintars Aufmerksamkeit auf sich. "Zum einen ist unser Uschnerk der beste Ruderer meiner Mannschaft. Bei all den Haien in diesen Gewässern sollten wir möglichst schnell an Land sein. Und wenn uns eins der Fischlein zu nahe kommt, hat unser Freund da auch ein Rezept."
"Allerdings! Das habe ich."
Mit diesen Worten zog der Urgal eine brutal aussehene Keule hervor und platzierte sie griffbereit neben sich während er auf der Ruderbank platz nahm.
"Das Ding hilft immer egal ob es um Fische geht oder um Betrüger die die Heuer nicht bezahlen wollen."
Mit diesen Worten warf der Gehörnte dem Zwerg der ihm gegenüber sah einen drohenden Blick zu.
"Nun, was das betrifft müsst ihr euch keine Sorgen machen." versicherte Gintar und hob den scheinbar prall gefüllten Geldbeutel an.
Mit etwas, das wie eine Mischung aus Knurren und Grunzen klang, stieß der Urgal das Boot ab und begann mit kräftigen Schlägen in Richtung der Insel zu rudern. Es herrschte kein schwerer Seegang und so näherten sie sich schnell der Küste.
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"Und mit denen kann man auch die Zukunft vorhersagen?" nachdenklich betrachtete Selena die Drachenfußknochen die Angela vor ihr ausgebreitet hatte.
Inzwischen hatte die junge Frau akzeptiert, dass ihr Leben um einiges komplizierter geworden war. Es fühlte sich einfach richtig an was Angela ihr erzählt hatte. Selena hatte schlichtweg beschlossen der Angelegenheit eine Chance zu geben und die Herausforderungen einfach jeden Tag aufs neue auf sich zukommen zu lassen. Glücklicherweise hatte sich die merkwürdige Kräuterfrau auch als wesentlich sympathischer herausgestellte als Selena es zunächst befürchtet hatte. Inzwischen mochte sie Angela regelrecht.
"Allerdings Kindchen aber damit wirst du noch etwas warten müssen." erklärte die Lehrerin ihre Schülerin und nahm an der gegenüberliegenden Seite des Tischles Platz. "Blicke in die Zukunft sind etwas, das ich dir erst später beibringen werde. Heute will ich dir verraten warum ich immer ein so gut unterrichtetes Mädchen bin. Es ist nämlich nicht nur möglich mit diesen Wochen in die Zukunft zu blicken sondern man kann auch die Gegenwart studieren."
"Und wo liegt da der Sinn? Ich meine die Gegenwart sehe ich jetzt gerade auch."
Angela lachte und begann den Kopf ihres Werkaters zu kraulen der sich auf ihrem Schoß niedergelassen hatte.
"Ja, stimmt du siehst die Gegenwart. Die Gegenwart hier in der Ostmark aber weißt du, was ich zurzeit beispielsweise bei den wilden Drachen abspielt? Oder in der Festung die sich dein lieber Onkel hat bauen lassen?"
"Ach so! Du meinst man kann die Gegenwart studieren überall in Alagaesia nicht nur hier."
"Kluges Mädchen. Genau gesagt kann man bedeutender Ereignisse erkennen. Natürlich braucht man Übung um die Runen richtig zu interpretieren und wirklich ganz und gar zu verstehen was gegenwärtig im Gange ist. Je weiter man ins Detail gehet desto ungenauer wird das ganze. Es passt auf!"
Angela forderte Solenbum wortlos auf ihrem Schoß zu verlassen was dieser auch widerstrebend Tat. Danach beugte sich über den Tisch, sammelte die einzelnen Knochen in ihren beiden Händen und begann einige Worte in der alten Sprache zu zitieren. Als sie ihre Beschwörung beendet hatte führte sie den Keelch, den ihre Hände bildeten, über eine auf dem Tisch ausgerollte Karte von Alagaesia. Scheinbar zufällig ließ sie einzelne Knochen durch ihre Finger gleiten bis sie schließlich keine mehr in den Händen hielt.
"So, dann würde doch mal sehen was in der großen weiten Welt so geschieht. AHH" Angela lächelte. "Dort in dem kleinen Dorf in Surda wird heute ein Kind geboren, dass vielleicht ein großes Schicksal vor sich hat. Vielleicht ein zukünftiger Drachenreiter. Eine Räuberbanden in der Nähe des Silberwaldes.... na, die Burschen werden kein Glück haben. Das verrät mir dieses Zeichen. Vermutlich sucht bereits eine Gruppe von Soldaten nach ihnen."
"Was bedeutet das hier oben."
Fasziniert beobachtete Selena drei Fußknochen, die direkt nebeneinander auf der Abbildung von Vroengard, der ehemaligen Insel der Reiter lagen. Als sie Angela ansah stutzte sie. Die Kräuterfrau schien mit einem mal recht besorgt zu sein.
"Das könnte noch interessant werden." murmelte sie und richtete dann den Blick auf ihre Schülerin. "Es bedeutet eine Reise endet und zwar mit Tod. Ziemlich viel Tod sogar."
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