40. Wärme
Als Marlena gemeinsam mit Ismira und ihrer Mutter aus dem Zwielicht des Waldes trat mussten sich ihre empfindlichen Augen erst an den strahlenden Sonnenschein gewöhnen, der das Tal erfüllte.
Noch bevor die junge Halbling wieder klar sehen konnte spürte sie schon die angenehme Wärme der Sonnenstrahlen auf ihrem Rücken. Das Bild was ich ihr einige Sekunde später bot vereinte sich mit dieser wohligen Wärme zu einem unvorstellbares harmonischem ganzen.
Das Herrenhaus der Adelsfamilie des Palancartals hatte sich nicht wesentlich verändert. Noch immer schmiegte es sich an einen sanft ansteigenden Hügel und gewährte überblicken über die Stadt Carvahall. Das ehemalige Dorf erfüllte inzwischen das Tal in seiner ganzen Breite aus und war gekennzeichnet durch ausgedehnte Felder, Weideland für Nutzvieh sowie ausgedehnte Gruppen von Obstbäumen. Landwirtschaft wurde in diesem Tal im hohen Maß betrieben. Die Felder und Bäume waren zwar noch nicht ganz bereit zur Ernte aber das Wachstum der sich bildenden Früchte ließ auf eine reiche Ernte hoffen.
Graf Rorans Pferdezucht hatte sich weiterhin prächtig entwickelt und Marlena kann nicht umhin die ausgedehnten Koppeln und Stallanlagen zu bewundern. Was ihr besonders an der Tierhaltung ihres Onkels gefiel war, dass der Graf sich wohl nicht gegen den Einfluss gewährt hatte, den eine Elfe in seiner Familie hatte. Die Stallanlagen waren großzügig gebaut und man hatte darauf geachtet, die Pferde artgerecht zu halten. Zwar fehlten für diese Annahme fundierte Beweise aber Marlena war überzeugt, dass die Zufriedenheit der Tiere ihren Teil dazu beigetragen hatte, dass dieses Gestüt so erfolgreich war.
Etwas verlassen wirkte das Nebengebäude indem, so wusste Marlena von Ismira, die alte Magd Anna und ihr Mann Alberich lebten.
Die langwierige Dienerin der Familie sowie der Freund und Haushofmeister von Graf Roran hatten sich gemeinsam mit ihrem Sohn Markus auf den Weg nach Ilirea gemacht um an der Beerdigungen Königin Nasuadas teilzunehmen. Gerne hatte die Herrschaft ihnen dafür frei eingeräumt und natürlich war die kleine Familie noch nicht wieder aus der fernen Hauptstadt zurückgekehrt. Drachen überwanden Distanzen nun einmal schneller als Pferdekutschen.
Marlena schloss auch nicht aus, dass noch einige Tage vergehen würden bis die Familie wieder hier eintreffen würde. Schließlich würde sich eine große Menge an Gästen nach Abschluss der Trauerfeierlichkeiten auf den Rückweg machen wollen und es würde nicht leicht sein eine Kutsche zu finden.
Marlenas Aufmerksamkeit wurde nun aber völlig von den bekannten Gesichtern beansprucht, die aus dem Haus der Adelsfamilie auf die Wiese traten, über die sie gerade mit Katrina und Ismira Schritt.
Zum einen war da natürlich ihr Onkel Roran selbst. Der Graf Hammerfaust wirkte immer noch rüstig wenn sich allerdings, genau wie bei seiner Gattin das Alter am äußeren Erscheinungsbild deutlich bemerkbar machte. Seine Haare waren fast völlig weiß geworden und der ehemalige Held der Varden stützte sich auf einen handgeschnitzten Gehstock dessen Knauf an den Kopf eines Hamas erinnerte. Marlena vermutete, dass dieses Hilfsmittel ein Geschenk der dankbaren Untertanen des Grafen war und sie mit den besonderen Schnitzereien an seine Heldentaten erinnern wollten.
Das ihr Onkel Roran jedoch nicht vollständig abhängig war von dieser Gehhilfe demonstrierte er indem er den Neuankömmlingen mit dem Stock zu winkte und trotzdem sicher auf seinen Beinen stand.
Neben ihm trat nun der Rest der Adelsfamilie ans Tageslicht. Marlena erkannte sofort ihre Cousins Garrow und Cadoc. Die beiden Söhne von Roran und Katrina hatten das Mannesalter erreicht als Marlena gerade ihren achten Sommer gesehen hatte. Doch gut erinnerte sich die junge Halbling an die Feierlichkeiten wie sie mit ihren Eltern besucht hatte. Die beiden Männer waren nun mittleren Alters und unterstützten ihren Vater immer noch bei der Bewirtschaftung der Ländereien ihrer Familie.
Beide hatten schon vor einigen Jahren Frauen gefunden mit denen sie ihr Leben teilten. Als erstes war Garrow in den Hafen der Ehe eingelaufen. Seine auserwählte hatte für einiges an Aufsehen gesorgt. Marlena erinnerte sich, dass selbst ihr Vater damals in die Ereignisse mit hineingezogen worden war. Eragon hatte seinen Einfluss geltend machen müssen um den Adel etwas zu beruhigen.
Garrows Auserwählte gehörte nämlich denselben Volk an wie auch Königin Nasuada. Den Nomaden der Wüste. Ihre dunkle Hautfarbe verriet dies ganz deutlich. Die beiden hatten sich kennen gelernt als die fahrenden Händler Carvahall besuchten. Der Vater der jungen Frau, ihr Name war Aschru, hatte als die Karawane das dort erreichte unter einer schweren Lungenentzündung gelitten. Es war für ihn unmöglich gewesen die Wanderung seiner Karawane weiterhin zu begleiten und Graf Roran hatte ihm und seiner Tochter damals Quartier angeboten. Die beiden hatten ein Jahr bei der Adelsfamilie des Palancartals verbracht um sich bei der Rückkehr der Karawane wieder ihren Landsleuten anzuschließen. Es war dann allerdings alles ein wenig anders gekommen. Dieses eine Jahr hatte Aschru und Garrow gereicht um sich ineinander zu verlieben. Der Adel war von dieser Liebe natürlich nicht eben angetan gewesen. In vielen konservativen Kreisen Genossen die Nomaden der Wüste nicht unbedingt hohes Ansehen. Zwar waren die Schmuckstücke welche die Nomaden aus ihrem Gold herstellten eine beliebte Handelsware, trotzdem brachte man den Nomaden nicht viel Respekt entgegen. Schließlich hatten sie praktisch keinen Landbesitz und galten daher, trotz ihres Wohlstandes, als etwas niedrigeres. Die Nachricht, dass der Sohn des Kriegshelden Roran Hammerfaust die Tochter eines dieser Vagabunden heiraten wollte hatte hohe Wellen geschlagen. Nicht wenige Adlige, die es gern gesehen hätten, wenn ihre Töchter in eine so wohlhabende und angesehene Familie eingeheiratet hätten, protestierten aufs schärfste.
Glücklicherweise hatte sich die junge Liebe zu sowohl auf die Unterstützung von Roran und Katrina als auch auf den Einfluss von Eragon Schattentöter stützen können. Als dann auch noch Nasuada, ebenfalls ein Kind der Wüstennomaden und jetzt Königin von Alagaesia, ihren Segen erteilte musste sich auch der starrsinnigste Adlige mit den Tatsachen abfinden.
Weitere ähnliche hohe Wellen hatte die Wahl von Cadoc geschlagen der erst einige Jahre nach seinem Bruder sein Herz verloren hatte.
Der jüngere der beiden Brüder war ein etwas unruhigerer Geist als sein älterer Bruder. Cadoc hatte es stets genossen auf Handelsreisen zu gehen. Mit den schönsten Pferden der Zucht seines Vaters hatte er sich, zunächst in Begleitung von Graf Roran und später auch allein, auf Reisen durch das Land gemacht und die Tiere, die auf dem Gestüt seiner Familie aufgewachsen waren mit großem Erfolg verkauft.
Seine Gattin war ihm bei einer Reise nach Gil'ead begegnet. Es handelte sich dabei um die derzeitige Herzogin der Stadt die den einige Jahre zuvor verstorbenen Herzog Aurast beerbt hatte. Kara, so der Name der junge Adligen, erfreute sich bei der Bevölkerung der ehemaligen Garnisonsstadt großer Beliebtheit. Ihr Talent besonders die finanziellen Angelegenheiten in ihrem Einflussbereich zu regeln hatte sie offenbar von ihren Großeltern mütterlicherseits geerbt. Beide waren Kaufleute gewesen und hatten sich erst später, als Herzog Aurast die eigentlich illegitim gezeugte Tochter seines Sohnes Tjurin zu seiner Erbin machte, in die nördliche Stadt umgezogen.
Aus dem Volk jedoch störte sich niemand an der Tatsache, dass der junge Herzog und die Mutter von Herzogin Kara nicht verheiratet gewesen waren. Aurast Sohn Tjurin war ohnehin ein Thema über das die Leute nur ungern sprachen. Marlena kannte die genauen Zusammenhänge nicht aber der Sohn des alten Herzogs war beim Volk wohl aus verschiedenen Gründen nicht beliebt gewesen. Ganz im Gegensatz jedoch zu seiner Tochter.
Kara hatte den Antrag von Cadoc gerne angenommen und so verbrachte das junge Ehepaar viel Zeit auf Reisen. Noch immer regelte die Herzogin die Geschäfte von Gil'ead durch eine rege Korrespondenz mit dem von ihr eingesetzten Stadthalter und besuchte ihr Herrschaftsgebiet wann immer es möglich war. Meist tat sie dies während Cadoc auf Handelsreisen war.
Natürlich waren die Ehen der beiden Söhne von Katrina und Roran nicht ohne Kindersegen geblieben.
Marlenas Blick flog über die jüngsten Mitglieder der Gruppe, die sie vor dem Herrenhaus erwartete.
An der etwas dunkleren Hautfarbe konnte man deutlich erkennen, dass Garrow und seine Gattin mit zwei Kindern gesegnet worden waren. Ihre erst geborene war ein Mädchen gewesen mit Namen Reianna. Die junge Frau war nun in ihrem 20. Sommer. Der zweitgeborene Sohn der beiden war nach einem alten Freund von Rorans Familie benannt worden. Horst war ein kluger junger Mann der Mitte nächsten Sommer ebenfalls ins Mannesalter überwechseln würde.
Ein alter, welches der Sohn von Cadoc und Kara bereits vor einem Jahr erreicht hatte. Marlena erinnerte sich noch genau wie gerührt ihr Vater gewesen waren als sein Neffe und seine Gattin beschlossen hatten ihren bisher einzigen Kind den Namen Brom zu geben.
Inzwischen hatten die beiden Drachenreiterinen und die alte Gräfin das Herrenhaus erreicht und einmal mehr wurde Marlena von der Herzlichkeit ihrer Verwandten regelrecht überwältigt. Umarmungen prasselten auf sie einen genau wie Fragen über die Gesundheit ihrer Eltern und die eigenen Ziele. So viele wollten gleichzeitig etwas von der jungen Halbling wissen, dass sie kaum nachkam Rede und Antwort zu stehen.
Marlena konnte gar nicht anders als in das herzliche Lachen und schwatzen um sie herum mit einzustimmen.
- "Na? Fühlst du dich jetzt endlich wieder etwas besser kleine Halbling?" -
Alonvys Frage plötzlich durch ihre Gedanken hallte veranlasste Marlena dazu genau über diesen Punkt nachzudenken.
Ja, es ging ihr besser. Anders war das in dieser Umgebung auch gar nicht möglich.
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