33. Vater und Tochter
Marlena saß in der Vorhalle der Reiterunterkünfte unüberprüfte Alonvys Sattel. Im Grunde war es nicht nötig die Nähte und Haltegurte auf ihre Festigkeit zu überprüfen. Selbstverständlich hatte die junge Drachenreiterin vor dem Antritt ihrer Reise peinlich genau darauf geachtet, dass ihr Sattel in bestem Zustand war. Doch die Routine der rein mechanischen Tätigkeit war etwas auf dass sie ihren Geist konzentrieren konnte. Sie würde heute mit ihrer Cousine Ismira Ilirea verlassen. Ein wenig schämte sich die junge Halbling aber sie war froh der Hauptstadt hinter sich lassen zu können. Zwar hatte sie die Trauerfeierlichkeiten als sehr würdevoll empfunden aber dennoch lag ihr Nasuadas Tod wie ein dunkler Schatten auf der Seele. Sie versuchte sich damit zu trösten, dass der Besuch im Palancartal sie etwas aufheitern würde aber so recht wollte sie das nicht glauben. Gerade wünschte sie sich, sie könne mit Alonvy reden. Doch die Weise Drachendame hatte sich gemeinsam mit Anarie auf die Jagd begeben um für den Flug in den Norden gestärkt zu sein.
Ein leises Räuspern ließ die junge Drachenreiterin von ihrer Arbeit aufblicken. Überrascht blickte Marlena ins gütige Gesicht ihres Vaters.
"Weißt du, wenn mein Ziehvater Garrow sorgen hatte, hat er sich immer damit abgelenkt dass er unser Feld pflügte. Du hast gerade genau denselben Gesichtsausdruck wie er."
Eragon nahm gegenüber seiner Tochter Platz und war wie einen aufmunternden Blick zu.
"Er hat also immer das Feld gefügt? Auch wenn dort bereits etwas wuchs?"
Eragon lachte leise.
"Nein, dann hat er Unkraut gezupft aber ansonsten hat er sich nicht davon abhalten lassen den Acker zu Flügen. Nicht mal wenn es geschneit hatte."
"Jetzt flunkerst du aber Vater!"
"Wenn du mir nicht glaubst, frag doch dein Onkel Roran was sein Vater in dem Winter gemacht hat als die fahrenden Händler ihre Preise erhöht haben."
"Du willst mir erzählen, dass er das Feld gepflügt hat?" fragte Marlena halb lachend.
"Mitten in einem Schneegestöber."
Nun mussten sowohl Vater als auch Tochter herzhaft lachen. Marlena genoss die Heiterkeit. Ihr Vater schaffte es immer wieder sie wirklich von Herzen zum Lachen zu bringen. Es war keine Höflichkeit die sie Vergnügen vortäuschen ließ, nein Eragon hatte sie wirklich von ihrem trüben Gedanken abgelenkt.
"Nun aber genug von der Vergangenheit junge Dame. Bevor du anfängst Feldarbeiten zu verrichten sah mir doch lieber was dich noch immer so bedrückt."
"Ich weiß es nicht wirklich." räumte die junge Halbling etwas hilflos ein. "Ich bin einfach etwas unglücklich aber ich kann keinen genauen Grund nennen. Natürlich hat Alagaesia einen schweren Verlust erlitten aber ich habe Königin Nasuada doch gar nicht so gut gekannt. Ich verstehe er selbst nicht warum ich das so mitnimmt."
Eragon rückte seinen Stuhl etwas näher an Marlena heran.
"Hast du nicht mal einen leisen Verdacht"
Ihr Vater musterte sie mit einem so verständnisvollen Blick, dass Marlena das Gefühl hatte, er würde bis ins innerste ihrer Seele blicken. Im Grunde wusste sie, was sie so beschäftigte aber sie schämte sich ein bisschen dafür.
"Ich habe hier gern geholfen. Das ist auch meine Aufgabe als Drachenreiterin." druckste die junge Reiterin schließlich. "Du darfst das was ich jetzt sage aber nicht falsch verstehen!"
Eragon nickte verständnisvoll und wartete darauf, dass seine Tochter weiter sprach.
"Ich fühle etwas was eigentlich gar keinen Sinn macht. Inzwischen bin ich zu der Einsicht gekommen, dass sich Onkel Murtagh wirklich geholfen habe indem ich ihn überzeugt habe hierher zukommen. Und ich bin auch froh, dass ich ihm und seiner Familie damit wohl viel Kummer erspart habe aber...... es ist lächerlich!"
"Kann es sein kleiner Stern, dass du ein wenig Wut auf Nasuada empfindest?"
Marlena Blicke ihren Vater wie vom Donner gerührt an. Eragon hatte den sprichwörtlichen Nagel auf den Kopf getroffen. Die Stimme von Saphiras Reiter hatte neutral geklungen und deshalb bemühte sich die junge Halbling nun an den Gesichtszügen ihres Vaters abzulesen ob er vielleicht wütend oder entäuscht war von ihr.
Eragon jedoch lächelte nur.
"Habe ich recht?" erkundigte er sich schlicht.
Schließlich haben sich Marlena zu einem nicken durch. Es stimmte. Was sie emfand kam Verärgerung auf die verstorbene Königin am nächsten. Sie konnte sich selbst nicht erklären wieso.
"Es ist ganz normal dass du so fühlst Kleines."
Marlena schüttelte entschieden den Kopf.
"Es ist unwürdig so zu fühlen. Nasuada mir nichts getan. Es liegt keine Logik in diesem Gefühl."
Während Marlena fast mit Verzweiflung gesprochen hatte schien ihr Vater sich über irgendetwas zu amüsieren.
"Darf ich fragen was Du für so komisch hälst?!" fragte sie etwas gekränkt als sie sah, dass die Mundwinkel ihres Vaters verdächtigt zuckten.
"Ich habe nur gerade festgestellt dass du auch einige Charaktereigenschaften von deiner Mutter geerbt hast." erklärte Eragon schlicht und fuhr dann fort:
"Natürlich Nasuada wir nicht wirklich etwas getan oder dir schaden wollen aber trotzdem hat das Gefühl das der empfindest durchaus seine Berechtigung. Genauso wie Murtaghs Gefühl eine Berechtigung hatte als er sich mit Nasuada zerstritten hat. Auch er hat damals aus Wut gehandelt. Im Grunde aber war dieses Gefühl eine Flucht. Man könnte auch sagen eine Schutzmaßnahme und genau so ist es nun bei dir. Niemand von uns empfindet gerne Schmerz oder ist gerne traurig. Wut ist dann eine gute Möglichkeit sich von den eigentlichen Gefühlen abzulenken. Ich nehme mal an, dass es bei deiner Wut darum geht, dass du dir deine Reise so ganz anders vorgestellt hast. Wie ein großes, buntes Abenteuer. Ich will damit nicht sagen, dass du kindische Vorstellungen hattest aber zweifellos etwas anderes von deinem Besuch in Ilirea erhofft als Verantwortung, eine schwierige Aufgabe und großer Trauer."
Während sie ihrem Vater zugehört hatte spürte Marlena, wie das Gefühl von Zorn sich wandelte in etwas, das man am ehesten Verzweiflung nennen konnte. Sie spürte wieder Tränen aus den Augen sickerten und wie ein kleines Mädchen, das sich das Knie aufgeschlagen hatte flüchtete sie sich in die Arme ihres Vaters. Dieser gewährte ihr offenbar nur zu gerne Zuflucht. Eine Weile ließ Marlena einfach ihren Tränen freien Lauf.
"Ich hatte es mir wirklich ganz anders vorgestellt." Sagte sie als sie schließlich wieder aufrichtete. "Ich bin hierhergekommen um die Völkerspiele zu erleben und nun das! Das Schlimmste ist, dass sich um mich herum nur noch den Tod sehe. Das war schon so als ich Mirie begrüßt habe. Daraufhin nach Carvahall eingeladen und wir wollen auch heute dorthin aufbrechen. Ich bin nur nicht sicher ob es überhaupt etwas bringt."
"Doch, es wird etwas bringen." sagte Eragon mit einer Sicherheit die ganz unwillkürlich auf Marlena abfärbte.
"Wie kannste dir da so sicher sein?"
Eragons Blick wanderte ein Moment ins Leere und als er wieder zu sprechen begann war seine Stimme von einem tiefen Ernst erfüllt.
"Weil es in so einer Situation gut ist, wenn man etwas zu tun hat. Genau deshalb arbeitest du an deinem Sattel. Als die Ra zac damals Garrow getötet haben hat es mir auch geholfen mich mit Brom auf den Weg zu machen um sie zu verfolgen. Ich denke heute noch manchmal, dass es vielleicht nicht die beste Entscheidung war sie zu jagen. Hätte ich mir nicht lieber mit Brom ein sicheres Versteck suchen sollen? Er hätte mir dort vieles über die Wege der Drachenreiter beibringen können und vielleicht hätten ihn diese dunklen Kreaturen dann nicht getötet. Vielleicht hätte er sogar irgendwann den Mut gefunden mir zu sagen, dass er mein Vater ist. Trotzdem hat es mir damals geholfen mich auf den Weg zu machen. Etwas zu tun, ganz gleich was, bedeutet sich wieder dem Leben zuzuwenden Kleines und das ist jetzt gerade für dich wichtig. Du wirst feststellen, dass die Welt nicht nur aus Verlust und Tod besteht und ich glaube, dass du etwas wesentlich sinnvolleres tust als ich damals. Verwandte zu besuchen ist mit Sicherheit ungefährlicher als die obersten Drachenjäger eines tyrannischen Koenigs."
"Oder mitten im Winter einen Acker zu pflügen." warf Marlena ein und erneut mussten Vater und Tochter lachen.
"Geht es dir etwas besser?" erkundigte sich Eragon schließlich.
Marlena überlegte einen Moment, dann nickte sie. Noch immer emfand sie die Trauer des Verlustes den ganz Alagaesia spürte aber das Gefühl schien sie nicht mehr so völlig auszufüllen und zu paralysieren wie noch vor wenigen Augenblicken.
"Hast du dir denn schon überlegt wodurch deine Reise nach dem Palancartals hinführen soll?" erkundigte sich Eragon.
"Ismira und ich werden erstmal nach Carvahall Reisen." begann die junge Halbling mit neuer Kraft zu erzählen. "Cale reist zunächst mit Murtagh zurück zum Magier Akademie und lässt sich dort in alles einführen was während der Abwesenheit meines Onkels geregelt werden muss. Sobald die beiden das hinter sich gebracht haben haben Onkel Murtagh und ich verabredet, dass wir uns im Palancartals treffen. Ich werde ihn auf seiner Reise in den Norden ein Stück begleiten."
"Murtagh hat dem zugestimmt?"
Diesmal brachte Eragons Gesichtsausdruck seine Tochter zum kichern.
"Onkel Murtagh genauso skeptisch kuckt wie du jetzt als ich ihn darum gebeten habe ein Stück mit dem reisen zu dürfen." lachte die junge Halbling und stellte vergnügt fest, dass sich nun sogar wieder etwas wie Freude auf die bevorstehende Reise bei ihr den Weg bahnte. "Keine Sorge, ich weiß das er zeigte sich braucht aber ich möchte mir gerne mal diesen See ansehen, von dem er immer erzählt hat. Alonvy und ich wollen dann noch ein wenig durch den unerforscht Norden reisen und dann über die Wüste Hadarac zurück zum Beorgebirge. Da wurde dann auch die Heimstätten der Zwerge besuchen. Im Anschluss dachte ich dann, dass wir uns mal wieder zuhause blicken lassen könnten."
"Ach, dachte das gnädige Fräulein das." neckte Eragon. "Nun, bis dahin sollten deine Mutter und ich auch wieder in der Ostmark sein. Wir werden noch etwas in Ilirea verweilen. Zum einen gibt es einige Unstimmigkeiten mit den Zwergen und zum anderen, wird es dem König Jalhod und seiner Gattin bestimmt helfen, wenn die Reiter etwas Flagge zeigen."
Dem konnte Marlena nur zustimmen und mit einem mal viel ihr etwas ein, was sie sich fest vorgenommen hatte ihren Vater bei nächster Gelegenheit zu fragen.
"Vater, hat es eigentlich zurzeit des alten Ordens der Reiter nachkommen von menschlichen Drachenreitern gegeben? Ich meine nicht von menschlichen Reitern die eine Gefährtin bei den Elfen gefunden haben sondern zwischen Menschen?"
"Warum interessiert dich das?"
"Ismira darf nichts davon erfahren, das sich dies mit ihr besprochen habe!" forderte Marlena.
"Versprochen." Schmunzelte ihr Vater.
"Mirie und Cale haben beschlossen zunächst einmal keine Kinder zu haben weil sie befürchten, dass diese sterblich sein würden und eines Tages von ihren Eltern, den unsterblichen Drachenreitern, zu Grabe getragen würden. Ich finde das traurig. Ismira wäre bestimmt eine gute Mutter. Und ich weiß, dass sie sich immer eigene Kinder gewünscht hat."
Eragon nickte etwas betrübt.
"Dein Schwager Cale kam einer mit derselben Frage zu mir. Ich kann dir nichts anderes sagen als auch ihm. Ich weiß nicht ob Kinder von zwei menschlichen Drachenreitern sterblich sein würden. Du musst wissen Marlena als die Menschen in den Pakt aufgenommen wurden haben sich die Ältesten des Drachenreiterordens versammelt und diskutiert welche Auswirkungen dies haben würde. Gerade die Frage ob Nachkommen dieser menschlichen Reiter unsterblich sein würden war Anlass für eine große Kontroverse. Einige der Ältesten waren der Meinung, dass diese Kinder und sterblich sein würden und vom äußeren vielleicht sogar den Elfen ähnlicher. Da ihre Eltern besonders stark von der Magie der Drachen durchdrungen sind besteht die Möglichkeit, dass es sich auch auf die Nachkommen vererbt aber sicher ist es keinesfalls. Leider gibt es auch keine Möglichkeit das im Vorfeld festzustellen. Schließlich haben die Ratsmitglieder beschlossen, dass man jedem Menschen der zum Reiter berufen wird nahe legen sollte keine Beziehung mit einer sterblichen Frau einzugehen. Das Risiko, dass Eltern wirklich gezwungen sein würden ihre eigenen Kinder zu begraben war zu groß. Deshalb hat es auch bisher noch keine Nachkommen gegeben, die ausschließlich von menschlichen Reitern abstammen. Gewiss es gibt dein Onkel Murtagh. Sein Vater Morzan war ein Reiter ebenso wie mein Vater Brom aber an uns hat man in keinster Weise bemerkt, dass wir von Shurtugal abstammen. Mein verändertes Aussehen heute ist auch meine Verwandlung durch die Drachen zurückzuführen. Die Drachen haben mir meine Verwandlung genau erklärt als wir in den Osten aufbrachen, und deshalb konnten wir sicher sein, dass wenn ich mit Arya Nachkommen zeuge diese unsterblich sein würden. Sonst hätte sich auch für uns ein derartiges Problem ergeben. Und was Murtagh und meine anfängliche Situation betrifft so muss man sie wohl als nicht besonders aussagekräftig einstufen. Wir beide waren noch sehr jung als uns unsere Drachen erwählt haben. Es lässt sich also nicht sagen ob der eine längere Lebensspanne gehabt hätten aufgrund unserer Väter. Es ist nicht einmal vollständig sicher, dass die Veranlagung zum Drachenreiter über die Generationen weitergegeben wird. Es könnte auch einfach ein Zufall sein das bei uns Drachen geschlüpft sind."
"Du sagst die Drachen wussten, dass ein Nachkomme von dir und einer Elfe unsterblich sein würde. Können Sie es dann nicht auch mit Bestimmtheit für die Nachkommen von zwei menschlichen Drachenreitern sagen?" Wollte Marlena wissen.
Eragon schüttelte den Kopf.
"Meine Verwandlung war leider etwas so einzigartiges in der Geschichte Alagaesias, dass die Drachen deshalb instinktiv wussten welche Konsequenzen sich aus den Veränderungen dich durchlaufen habe ergeben würden. Bei den Menschen ist das nicht so eindeutig. Es besteht die Möglichkeit das ein Nachkomme von zwei menschlichen Reiter unsterblich ist aber nachweisen oder erforschen ob es immer der Fall sein würde könnte man es erst, wenn man wirklich einen solchen Nachkommen gegenübersteht."
"Dann wäre es aber zu spät." murmelte Marlena. "Schade ich hätte Mirie in dieser Sache gerne weitergeholfen. "
Eragon nickte verständnisvoll.
"Nun, in jedem Fall haben sie und Cale ja noch etliche Jahre vor sich." tröstete Saphiras Reiter. "Vielleicht finden wir ja eines Tages eine Möglichkeit den beiden zu helfen oder ihnen zumindest Klarheit zu geben."
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