22. Ein Vertreter! Kein Ersatzt!
Nach einem kurzen Marsch durch den Königspalast betraten Marlena und ihr Onkel Aylon den Saal, in dem Murtagh, sowie das Königspaar von Ilirea sie erwartete.
Überrascht stellte Marlena fest, dass das Gespräch mit ihrem Onkel sie so abgelenkt hatte, dass sie kaum Zeit gehabt hatte sich auf dem Weg vor dieser Begegnung zu fürchten. Immerhin hatten ihre Bekannten einen schweren Verlust erlitten und junge Reiterin kannte sich gut genug, um zu wissen, dass sie sich in eine Situation begab die für sie alles andere als angenehm war. Onkel war es aber gelungen sie erfolgreich abzulenken und die junge Halbling war sich sicher, dass der Elf genau das beabsichtigt hatte.
Schon vor der Tür zu dem Saal, in den lediglich engste Vertraute der Königsfamilie zu privaten Besprechungen eingeladen wurden, erkannte man lehne die Stimme ihres Vaters. Das Gehör der junge Reiterin war geschulten genug um die einzelnen Worte zu verstehen.
"..... Nein nein, in diesem Fall dürfte unser kommen kein Problem sein. Auch bei den wilden Drachen genoss Nasuada hohes Ansehen. Sie hat schließlich die Rebellion angeführt, die die Wiedergeburt des Drachenvolkes erst möglich machte. Unsere wilden Schüler werden Verständnis haben. In der Angelegenheit mit den Zwergen handelte es sich um ein internes Problem der Knurlan und sie haben uns deshalb um Stillschweigen gebeten. Die wilden Drachen hätten es als Beleidigung empfunden wenn wir ihren Unterricht ohne Begründung unterbrochen hätten. Hier können wir aber einen triftigen Grund vorlegen und ich denke, dass wir in den nächsten vier Tagen eintreffen werden."
Während Marlena und Aylon leise durch die Tür in den Saal schlüpften ergriff eine sanfte und doch feste weibliche Stimme das Wort. Unwillkürlich fühlte sich Marlena durch den Klang an ihre Mutter erinnert. Zwar fehlte der leicht singende Unterton der sich bei jedem Mitglied des schönen Volkes fand dennoch war eine hervorstechende Ähnlichkeit vorhanden. Beide Stimmen hatten eine natürliche Autorität die der Umwelt Aufmerksamkeit und Gehorsam abgenötigte.
Als sich die junge Drachenreiterin im Zimmer um blickte er kannte sie, dass die Stimme zu einer etwa 30 Jahre alten Frau gehörte.
Zwar war die Unbekannte Marlena noch nicht offiziell vorgestellt worden doch die junge Reiterin konnte sich ausrechnen um wen es sich handelte. Die Haut der Fremden hatte ein sanftes Braun und wies sie als Bewohnerin des Südens von Alagaesia aus. Sie war nicht so dunkelhäutige Nasuada es gewesen war doch ihre südländische Herkunft war unübersehbar. Aus einem fein geschnittenen Gesicht blickten kluge und wache Augen die Abbilder von Marlenas Eltern im magischen Spiegel an und ein feiner goldener Stirnreif kündete von hoher Stellung.
Die leichte Wölbung über dem Bauch, die auch durch das elegante fliederfarbene Seidenkleid sichtbar war verriet, dass die Unbekannte Mutterfreuden entgegensah.
Aus ihren Beobachtungen schloss Marlena, dass sie sich Königin Sheva gegenüber sah. Die Monarchin war etwas jünger als ihr Gatte aber ganz offensichtlich nicht jene Art von Herrscherin, die hinter ihrem Mann zurücktrat. Alagaesia konnte sich wohl glücklich schätzen, dass zwei fähige Köpfe das Schicksal des Landes lenkten.
"Ihr ehrt uns euren Vorsatz den Trauerfeierlichkeiten beizuwohnen Arget Un (Oberhaupt der Drachenreiter) und Argetlan Arya."
Die Stimme der Königin brachte ehrliche Freude und Respekt zum Ausdruck. Sheva stand rechts neben ihrem Gatten, der sich in einem elegant gearbeiteten Sessel niedergelassen hatte und Recht in sich gekehrt wirkte. Sie hatte ihre Hand tröstend auf die Schulter des Königs gelegt.
"Das ist schon selbstverständlich." versicherte Arya der Monarchin. "Schließlich war Nasuada nicht nur Königin und Freundin sondern Familie."
Während Königin Sheva dankbar nickte wandert der Blick von Arya smaragdgrüne Augen zu ihrem Bruder und ihrer Tochter.
"Ich hoffe nur, dass meine Tochter es ertragen kann ihre Eltern schon so bald wieder zu sehen."
Die Blicke der meisten Anwesenden folgten nun dem von Arya und richteten sich auf die beiden Neuankömmlinge.
"Besagte Tochter kann es nicht nur ertragen euch wieder zu sehen sondern sie freut sich darauf." gab Marlena schlagfertig zurück. Anfangszeichen auf wir sind hier schließlich nicht aus der Ostmark geflohen."
Ein zufriedenes Lächeln zeigte sich sowohl bei Marlenas Mutter als auch bei ihrem Gefährten. Der junge Reiterin entging jedoch nicht, dass ihr Onkel Murtagh bisher kein Wort gesprochen hatte und sich auch nicht umgesehen hatte. Dorns Reiter starrte gedankenverloren aus einem der Fenster.
Zunächst jedoch konnte sich Marlena nicht weiter damit beschäftigen, da Königin Sheva zu ihr trat und mit ehrlicher Herzlichkeit umarmte.
"Es freut mich euch endlich kennen zu lernen Argetlan Marlena. Wir sind sehr froh, dass Ihr mein Schwiegervater über zeugen konntet nach Ilirea zu kommen. Wir wollten gemeinsam mit frühstücken und die weiteren Angelegenheiten besprechen."
Marlena erwiderte das warme Lächeln der Königin und signalisierte, dass sie einverstanden war.
"Nun, wir dürfen uns dann fürs erste verabschieden." ergriff Eragon das Wort. "Wie bereits gesagt dürften etwa in vier Tagen in Ilirea eintreffen. Gibt es noch Dinge die ihr mit uns besprechen wollt?"
Während das Herrscherpaar von Ilirea dies verneinte drehte sich nun Murtagh zum ersten Mal zum Spiegel um.
"Da wäre wirklich noch eine Angelegenheit Bruder."
Marlena war erleichtert, dass die Stimme ihres Onkels weder wütend noch verbittert klang. Im Gegenteil! Sie wurde von einer großen Ruhe begleitet.
"Du weißt, wenn ich die irgendwie helfen kann Murtagh bin ich jederzeit dazu bereit."
Versicherte Eragon.
Murtagh trat nunmehr zum Spiegel und hielt die Arme vor der Brust verschränkt. Kurz wanderte sein Blick zu Marlena und der Ältere von Selenas Söhnen zwinkerte seiner Nichte kurz freundlich zu.
"Eragon, ich möchte dich bitten einen Vertreter zu bestimmen, der für mich die Leitung der Magierakademie übernimmt."
"Du willst diesen Posten nicht mehr ausfüllen?" Eragon klang skeptisch.
"Zumindest nicht in den nächsten Wochen. Ich möchte mich etwas in den Norden zurückziehen."
Marlena entging nicht, dass der Blick ihres Vaters immer besorgter wurde.
"Soll ich einen Vertreter für dich bestimmen oder einen Ersatz?" Der Tonfall des Anführers der Reiter machte deutlich, dass die Frage bei weitem nicht so sachlich war wie sie klang.
Auch Murtagh entging das offenbar nicht und lächelnd schüttelte er den Kopf.
"Du befürchtest, dass ich mich vor der ganzen Welt zurückziehen will und alle Trauer in mich hinein fressen werde oder?"
"Du kennst mich zu gut." schmunzelte Eragon ertappt.
"Mach dir keine Sorgen Bruder." beschwichtigte Murtagh. Kurz blitzte der Blick seiner grauen Augen zu Marlena. "Deine bezaubernde Tochter hat mir klargemacht, dass es nichts bringt sich zurückzuziehen und seinen Schmerz zu ignorieren. Im Grunde ist das genaue Gegenteil der Fall. Ich möchte lediglich für einige Wochen die Ruhe im Norden genießen. Nicht um mich von meinen Gefühlen zu verstecken sondern um ihnen den entsprechenden Raum zu geben. Wenn ich jetzt zur Magierakademie zurückkehren würde, wüsste ich schon genau, dass ich mich in die Arbeit stürzen würde um mich meiner Trauer nicht stellen zu müssen. Genau das will ich aber nicht tun. Ich habe vor mich nur für drei oder vier Wochen zurückzuziehen um meine Gedanken zu ordnen. Dann....."
Murtaghs Blick glitt jetzt zu seinem Sohn und seiner Schwiegertochter.
"Dann ist mein Platz bei meiner Familie und ich werde auch auf den Posten an der Magierakademie zurückkehren. Sie ist schließlich ein Teil von Nasuadas Vermächtnis und ich werde sie am Leben erhalten. Um also deine Frage zu beantworten Eragon: Ich bitte dich einen Vertreter zu bestimmen keinen Ersatz."
Eragon nickte und blickte kurz zu seiner Tochter hinüber. Marlena erkannte im Blick ihres Vaters, dass er ihr seine Anerkennung aussprach.
Zum ersten Mal hatte die junge Reiterin das Gefühl diese Anerkennung zumindest in einem gewissen Maß zu verdienen. Sicher war auch sie traurig über Nasuadas Ableben aber hier zeigte sich zum ersten Mal, dass ihr Einsatz ihrem Onkel wirklich geholfen hatte.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro