21. Morgendliche Überraschung
Marlena hatte sich nicht die Mühe gemacht ihr Quartier aufzusuchen und in ihrem Bett zu schlafen. Der eilige Flug nach Ilirea und die traurigen Ereignisse der zurückliegenden Nacht hatten dazu geführt, dass sie sich einfach zwischen den Vorder Beinen ihrer Drachendame ein gerollt hatte und die Nacht bei Alonvy verbracht hatte.
Wann genau die junge Halbling eingeschlafen war konnte sie selbst nicht mehr sagen. Zu viele ernste und schwere Gedanken waren ihr durch den Kopf geschossen und irgendwann war sie, verfolgt von ihren Sorgen einfach in den Wachschlaf gefallen, der für das Volk der Elfen üblich war.
Über einen Punkt war sich die junge Halbling jedoch sicher: Es war viel zu früh zum Aufstehen und deshalb reagierte sie nur mit einem unwilligen Knurren als irgendjemand sanft an ihrer Schulter rüttelte.
"Na na! Ist das vielleicht eine Art einen seiner Verwandten zu begrüßen." sagte eine amüsierte Stimme, die Marlena nur zu vertraut war. Um die letzten Zweifel auszuschalten überwand sie sich und öffnete die Augen. Sie hatte sich nicht getäuscht was die Stimme betraf. Sie erkannte die Gesichtszüge und die blonden Haare des Bruders ihrer Mutter.
"Morgen Onkel Aylon." nuschelte sie daher grinsend, setzte sich auf und ließ sich von ihrem Oheim umarmen.
Marlena mochte diesen sehr speziellen Onkel. In den Tagen in denen sie und ihre Mutter sich gelegentlich gestritten hatten war er stets gemeinsam mit Eragon als Vermittler eingesprungen. Aylon hatte wesentlich dazu beigetragen, dass Marlena gelernt hatte ihre Mutter besser zu verstehen. In ihrer Jugend hatte sie eine Zeit lang geglaubt, dass ihre Mutter die ältere Schwester des blonden Elfen wäre. Es hatte sie überrascht, dass Arya erst 50 Jahre nach Aylons Geburt das Licht der Welt erblickt hatte. Die Mutter der jungen Drachenreiterin wirkte wesentlich ernster und besetzter als ihr Bruder. Als sie ihren Onkel darauf angesprochen hatte war das Thema unweigerlich auf den Krieg gegen Galbatorix eingeschwenkt. Die Andeutungen, die ihr Onkel gemacht hatte veranlassten Marlena das Gespräch mit ihrer Mutter zu suchen und es war eine bedeutungsvolle Unterhaltung für beide geworden. Marlena hatte bis dahin nur gewusst, dass ihre Mutter eine prominente Rolle im großen Krieg gespielt hatte. Die Einzelheiten jedoch wie zum Beispiel Aryas Gefangenschaft in Giel'ead waren dem damals noch jungen Mädchen bisher verschwiegen worden.
Zwar hatte dieses Gespräch nicht unmittelbar sämtliche Probleme beseitigt aber dennoch bei Marlena das Verständnis ihrer Mutter gefördert. Jemand der in seinem Leben so viel Leid und Schmerz gesehen hatte konnte sein Herz nicht auf der Zunge tragen.
"Was machst du denn hier Onkel?"
Der Elf lachte und begann zu erklären:
"Ich bin als Botschafter unseres Volkes hier in Ilirea."
"Ich dachte unser Botschafter hier sei Vanier. Mein Vater hat mir einmal von ihm erzählt."
Wieder musste Aylon schmunzeln.
"Ich nehme an, dein Vater hat von den Duellen erzählt, die er mit Vanier ausgefochten hat, was? Nun, Du hast natürlich recht. Bis vor kurzem war er tatsächlich unser Botschafter hier. Nach dem großen Krieg wollte er mehr über das Volk der Menschen erfahren und hat inzwischen auch einiges über sie zu Papier gebracht was jungen Elfen hoffentlich helfen wird das andere Volk besser zu verstehen. Durch seine Tätigkeit hier hat er aber auch Interesse an der Kultur der Zwerge entwickelt und deshalb darum gebeten, als Botschafter zu den Knurlan entsandt zu werden. König Maranus er diesen Wunsch gerne entsprochen und mich auf diesen Posten hier berufen."
Während Marlena verstehend nickte sprach ihr Oheim weiter:
"So liebe Nichte. Du solltest dich jetzt in ein etwas vorzeigbareren Zustand bringen. König Jalhod, seine Gattin und dein Onkel Murtagh haben uns zum Frühstück eingeladen und im Augenblick siehst du aus als hätte ich dich als Landstreicherin aufgelesen."
Unter Alonvys heiserem Gekicher stellte die junge Halbling in der Tat fest, dass ihr kräftiger naturblonder Haarschopf in der Tat zurzeit sehr "undiszipliniert" verhielt. Ein bekanntes Problem das Marlena mit einigen geübten Handgriffen zu lösen verstand.
- "Schon besser kleine Halbling." - lachte Alonvy und erhob sich ebenfalls. - "Da dein frühstückt vier gesichert ist werde ich mir jetzt meines besorgten." -
Mit diesen Worten entfaltete die weiße Drachendame ihrer mächtigen schwingen und erhob sich in den morgendlichen Himmel. Etwas wehmütig blickte Marlena ihr nach. Auch wenn sie wusste, dass Alonvy sie nicht in den Palast begleiten konnte wäre es lieber gewesen ihrer Drachendame in der Nähe zu wissen. Mit Macht kehrten die Erinnerungen an das traurige Ereignisse der letzten Nacht zurück.
"Wie geht es denn Onkel Murtagh und dem König?" erkundigte sich marlena vorsichtig als sich gemeinsam mit aylon auf den weg zum Palast machte.
Der Elfe seufzte lautlos.
"Natürlich ist die Stimmung gedrückt. Die Familie hat ein geschätztes Mitglied verloren aber die gegenseitige Nähe hilft ihnen. Auch die Tatsache, dass Königin Sheva ein neues Leben in sich trägt, dass dazu auserkoren wurde Erbin für Nasuadas Namen zu werden gibt Hoffnung für die Zukunft. Aber die eigentliche Trauer wird wohl sowieso erst beginnen wenn das Begräbnis abgeschlossen ist."
"Wann soll es denn stattfinden?" wollte Marlena wissen.
"In einer Woche." erklärte ihr Onkel. "Die Magier haben einen Zauber über Nasuadas Leichnam gesprochen der verhindert, dass die Verwesung beginnt. Wir warten deshalb so lange mit dem Begräbnis weil selbstverständlich Gäste aus ganz Alagaesia und von allen Völkern erwartet werden. Deine Eltern kommen übrigens auch. Sie machen sich heute von der Ostmark her auf den Weg. Dein Vater hat mich gebeten dir mitzuteilen, dass sie sich beide freundlich wieder zu sehen aber dass du nur für die Zeit des Begräbnises die Bürde ihrer Gegenwart tragen musst. Danach werden sich wieder ein Kontinent von dir fernhalten."
Marlena musste über den verspielten Tonfall ihres Onkels schmunzeln. Natürlich wussten ihre Eltern, dass sie zwar darauf brannte ihre Unabhängigkeit zu demonstrieren aber niemals die Gegenwart ihrer Mutter oder ihres Vaters als Bürde ansehen würde. Gerade in der augenblicklichen Situation freute sich Marlena sogar den Rat ihrer Eltern suchen zu können. Zwar hatte sie die Bitte Nasuadas erfüllt und Frieden zwischen ihr und Murtagh gestiftet aber trotz allem wollte sich nicht wirklich ein Gefühl von Erfolg einstellen.
"Es ist sogar möglich, dass uns der Zwergenkönig Orik die Ehre erweist." fuhr Aylon indes fort. "Ein Abgesandter der Reiter, der Zwerg Burod und sein Drache Beoram, sollten heute in der Hauptstadt der Zwerge eintreffen. Normalerweise bräuchte der Herrscher der Knurlan wesentlich länger als eine Woche um Ilirea zu erreichen. Es sind dabei allerlei Formalitäten zu berücksichtigen. Es muss geregelt werden wir die Entscheidungen trifft in seiner Abwesenheit und dann muss sie auch noch eine beträchtliche Wegstrecke zurückgelegt werden. Mit der Unterstützung eines Drachenreiters könnte er die Reise trotzdem in der vorgegebenen Zeit absolvieren
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro