20. Ein Licht Verlischt
Als Alonvy und Dorn sich der Hauptstadt Ilirea näherten war der Nachmittag bereits weit fortgeschritten. Die Sonne stand bereits weit im Westen und innerhalb der nächsten Stunde konnte man beginnen von einem Sonnenuntergang zu sprechen.
Marlena musterte die Hauptstadt mit gemischten Gefühlen. Auf der einen Seite war sie froh Nasuadas Wunsch erfüllen zu können und ihren Onkel überzeugt zu haben aber dennoch wollte sich wieder stolz noch Freude an wirklich einstellen. Der Anlass war einfach nicht danach.
Die beiden ankommenden Drachen überquerten die Stadtmauern und die Häuser der einfachen Leute und hielten auf die königliche Residenz zu. Die Straßen der Hauptstadt waren bereits in Schatten getaucht und so bot sich den ankommenden Reitern ein denkwürdiger Anblick. Um die königliche Residenz hatte sich eine Menschenmenge gebildet. Die meisten der Wartenden hielten Kerzen, Fackeln oder Öllampen in der Hand und so sah es aus der Luft aus als ob der Königspalast von einem Meer aus Licht umgeben war.
Durch ein Gespräch mit König Jalhod hatten Marlena und ihr Onkel bereits erfahren, dass die Zeit, die Nasuada noch verblieb in der Tat knapp bemessen war. Offenbar rechnete man in der Hauptstadt schon mit dem Ableben der Königinmutter und das Volk hielt deshalb stumme Wache. Der Anblick hatte für die junge Halbling etwas bittersüßes. Er war ein klarer Beleg dafür wie tief das Volk Nasuada ins Herz geschlossen hatte. Leider war der Anlass für die Bekundung dieser Zuneigung ein trauriger.
Als die beiden ankommenden Drachen auf die Reiterquartiere von Ilirea zu steuerten ließ Marlena ihren Blick über die Zinnen der Stadtfestung schweifen. Die Residenz war weitestgehend abgedunkelten nur auf dem höchsten Turm der Befestigungsmauern brannte eine einzelne Fackel. Marlena kannte diese Tradition der Menschen. Die einzelne Fackel war ein Lebenslicht und zeigte, dass Nasuada noch im diesseits weilte. Wäre die ehemalige Monarchen bereits verschieden, hätte man die Fackel gelöscht und eine einzelne Glocke würde einen Tag und eine Nacht lang geschlagen werden in Anerkennung der Verdienste der Verstorbenen. Da die Fackel noch brannte konnte man davon ausgehen, dass Nasuada und Murtagh noch die Gelegenheit bekommen würden sich zu verabschieden.
Auf dem Hof der ehemaligen Kaserne, die jetzt zu den Unterkünften für Drachenreiter umgebaut worden waren, wurden die ankommenden Gäste bereits erwartet.
Sieben Personen standen auf dem Hof und nickten den Drachen entgegen. Es schien sich um König Jalhod und sechs Mitglieder seiner Leibgarde zu handeln. Obwohl die Krone inzwischen weitergereicht war bezeichnete sich diese Eliteeinheit der Armee immer noch als die Nachtfalken.
Dorn und Alonvy setzten auf der freien Fläche vor dem Wohngebäude der Reiter auf und ließen ihre Reiter absteigen. Sofort kam der König auf sie zu und schloss Murtagh in die Arme.
"Ich bin froh dass du gekommen bist Vater." sagte Jalhod.
"Ich gehöre hierher und es tut mir nur leid, dass ich nicht schon viel früher gekommen bin." antwortete Murtagh seinem Sohn als sie sich wieder voneinander lösten.
Marlena kam nicht umhin zu bemerken, dass es etwas seltsam war, dass Jalhod Murtagh seinen Vater nannte. Das äußerliche Erscheinungsbild der beiden Männer sprach einfach dagegen. Jalhod war ein kräftiger, vital wirkender Mann der etwa 40 Sommer gesehen haben musste. Aufgrund der Tatsache, dass Murtagh ein Drachenreiter war wirkte eher deutlich jünger als sein eigener Sohn.
"Wie geht es deiner Mutter?" Erkundigte sich Dorns Reiter.
"Sehr keine Schmerzen." erklärte Jalhod. "Aber die Heiler und Magier sind der Meinung, dass es in der Tat zu Ende geht. Deswegen bin ich so froh, dass ihr noch rechtzeitig eingetroffen seit. Es bleiben ihr wohl höchstens noch ein paar Stunden."
Ein eisiger Stein bildete sich in Marlenas Magen als sie das hörte. Das bedrückender Gefühl wurde nicht besser als sich König Jalhod nun an sie wandte und dankbar ihre Hände ergriff.
"Ich möchte mich vielmals bei dir bedanken Marlena. Ich weiß, dass wir dir viel abverlangt haben. Ich kann mir gar nicht genug für deinen Erfolg danken."
Marlena rang sich ein Lächeln ab, doch im Grunde war ihr die Dankbarkeit des Königs peinlich. Sicher, sie hatte es geschafft ihren Onkel zu überzeugen aber trotzdem fühlte sich dies nicht wie ein Sieg an. Die junge Reiterin konnte das Gefühl nicht abschütteln dass sie mehr hätte tun müssen.
"Ich denke wir sollten jetzt zu Mutter gehen." schlug Jalhod nach einem kurzen Moment der Stille vor.
Während Murtagh diesem Vorschlag durch ein stummes Nickten zustimmte ergriff Marlena noch einmal das Wort:
"Wenn Nasuada wirklich nur noch so wenig Zeit bleibt warte ich besser hier bei den Drachen. Die Zeit die noch verbleibt will ich nicht auch noch etwas davon beanspruchen. Genau betrachtet ist sie zwar meine Tante aber ihr steht ihr am nächsten."
Vater und Sohn nickten der junge Reiterin dankbar zu und entfernten sich in Richtung des Mauerdurchgangs der die Drachenreiterquartiere mit der königlichen Residenz verband.
- "Das war sehr taktvoll von dir kleine Halbling." - lobte Alonvy als sich Marlena zwischen ihre Vorderbeine setzte und so dicht an den warmen Körper ihrer Drachendame heranrückte wie möglich.
- "Taktvoll oder eher feige?" - flüsterte die junge Reiterin.
Alonvy antwortete nicht sondern Schlangen nur ihren langen Hals beschützend um ihrer Reiterin.
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Murtagh folgte seinem Sohn durch die Gänge des Königspalastes. Obwohl dieses Gebäude bereits seit Jahren kannte fühlte sich der Drachenreiter heute äußerst unwohl. Er war überzeugt, das Richtige zu tun und trotzdem wünschte er sich es wäre nicht nötig.
"Habt Ihr eigentlich entschieden wie es in dieser Situation nun mit den Völkerspielen weitergehen soll?" erkundigte sich Murtagh bei seinem Sohn und kam sich im selben Augenblick dumm vor, dass er in diesem Augenblick an so etwas dachte. Jalhod indes schien nicht beleidigt zu sein sondern vielmehr erfreut dass die drückende Stille mit einer Unterhaltung gefüllt wurde.
Murtagh konnte nur spekulieren, dass sein Sohn sich im Augenblick ebenso hilflos fühlte wie er selbst und es schlicht und einfach begrüßte über etwas reden zu können, dass ihnen nicht scheinbar wie Sand durch die Finger rann.
"Ich habe mit den verschiedenen Herrschern über dieses Thema gesprochen. Auf der einen Seite sind die Völkerspiele ein Symbol für den Frieden die Mutter aufgebaut hat aber auf der anderen Seite wollen wir ihr auch den ihr zustehenden Respekt erweisen. Wir sind übereingekommen, dass wir die Spiele um drei Monate verschieben. Das Wetter dürfte dann immer noch geeignet sein aber es gibt dennoch eine angemessene Zeit um zu trauern."
Murtagh konnte dieser Entscheidung seines Sohnes nur zustimmen. Auch ihm wäre es falsch vorgekommen so unmittelbar nach dem Ableben einer geschätzten und geliebten Person ein solches Volksfest zu begehen. Auf der anderen Seite begrüßte es der Drachenreiter aber auch, dass die Spiele nicht gänzlich abgesagt wurden. Immerhin waren sie ein Symbol für das was Nasuada erreicht hatte.
Schließlich erreichten die beiden Männer ihr Ziel.
Leise betraten sie schließlich Nasuadas Schlafzimmer. Vorsichtigtran Murtagh an die rechte Seite von Nasuadas Bett während sich Jalhod auf der linken Seite niederließ. Ein Chaos von Gefühlen lobte in der Brust von Dorns Reiter. Immer noch verlangte ein Teil von ihm nicht zu akzeptieren, dass die Frau die er liebte sterben würde. Murtagh jedoch kämpfte diesen Impuls nieder. Er hatte begriffen warum seine Gattin nicht länger bei ihm bleiben konnte. Ihr Leben dennoch zu verlängern wäre selbstsüchtig gewesen. Der dunkelhaarige Mann rief sich in Erinnerung, dass es hier nicht um ihn ging sondern um die Bedürfnisse seiner Frau. Wenn jemand verstehen konnte was es bedeutete zu einem Leben gezwungen zu sein das man eigentlich nicht führen wollte war es schließlich Murtagh.
Nasuada schien friedlich zu schlafen. Das langsame auf und ab ihres Brustkorbes verriet jedoch, dass sie noch nicht in das große Unbekannte übergetreten war. Murtagh kann nicht umhin bei ihrem Anblick einen Anflug von Schuld zu emfinden. Noch immer war ihr Äußeres im Grunde gespalten. Ihr Gesicht war immer noch das einer wesentlich jüngeren Frau. Allein die ergrauten Haare und die leichten Fältchen um die Augen verrieten ihr Alter. Dorns Reiter fühlte Zorn auf sich selbst in sich aufsteigen. Jetzt, da er die Wahrheit akzeptiert hatte schien es ihm so offensichtlich warum Nasuada ihr Leben nicht weiter verlängert haben wollte. Das junge Gesicht auf das er hinab blickte wirkt künstlich, wie eine Maske.
- "Du warst zu sehr mit deiner eigenen Angst beschäftigt Murtagh." - ließ Dorn sich vernehmen. - "In deiner Furcht hast du das einfach alles übersehen. Und du hast auch nicht wirklich zugehört wenn jemand dich darauf hinweisen wollte." -
- "Du hast Recht Dorn. Ich habe mit diesem dummen Streit soviel Zeit verschwendet. Monatelang haben wir nicht miteinander geredet und dabei gibt es noch soviel dass ich sagen möchte. Jetzt bleiben nur ein paar Stunden." -
- "Du bist jetzt da Murtagh! Das ist das wichtigste! Ein paar Stunden können mehr Bedeutung haben als ein ganzes Leben aber Du solltest sie auf keinen Fall mit Schuldgefühlen verschwenden. Du magst dich falsch verhalten haben aber deine Gründe sind verständlich und Nasuada wird es auch verstehen." -
Praktisch im selben Moment wie sich der rote Drache aussem Geist seines Reiters zurückzog öffnete Nasuada mühsam die Augen. Als sich der müde Blick der Augen, die Murtagh so liebte, auf ihn richteten konnte der ältere von Selenas Söhnen seine Tränen nicht vollständig zurückhalten. Er spürte wieder etwas feuchtes über die Wange rann.
"Du bist gekommen." flüsterte die ehemalige Königin so leise, dass man ihre Worte kaum noch verstehen konnte.
"Ich hätte nie gehen sollen." antwortete Murtagh mit schwacher Stimme und ergriff Nasuadas Hand. "Unser Streit tut mir so leid. Ich verstehe warum du nicht bleiben kannst ich habe nur Angst vor dem was ohne dich wird. Bevor du mein Leben verändert hast war mein Leben leer. Schon bevor Galbatorix mich in seinen Dienst zwangen war das so. Ohne dich......"
Nasuada unterbrach den Redefluss ihres Gatten indem sie sanft seine Hand drückte.
"Du wirst nicht allein sein. Du hast deinen Bruder, du hast Dorn und Jalhod und seine Frau Scheva ist doch für uns beide schon wie eine Tochter."
Trotz seiner Trauer musste Murtagh Lächeln als Erinnerungen an die Hochzeit seines Sohnes in ihm aufstiegen. Es war schon Jahre her, dass Jalhod eine junge Fürstin des Hochadels von Surda geheiratet hatte. Der Hauptgrund für die Trauung, darauf hatten die Eltern des damaligen Prinzen geachtet, weil Liebe gewesen aber die Abstammung ihrer Schwiegertochter hatte sich für Nasuada und ihre Familie als zusätzlicher Segen herausgestellt. Die Beziehungen zu dem Königreich im Süden waren nach dem Verrat von König Orrin belastet gewesen doch in der Eheschließung des Kronprinzen hatte man einen Neuanfang gesehen.
"Und wenn du einen meiner Briefe geöffnet hättest du sturer Hund wüsstest du, dass es bei noch jemanden geben wird den du zu deiner Familie rechnen kannst."
Trotz der großen Müdigkeit die Nasuada ins Gesicht geschrieben stand entwickelten sich nun ein kleines, schelmisches Funkeln in den Augen der ehemaligen Königin.
Murtagh war sich nicht sicher ob er die Andeutung seiner Gattin richtig verstanden hatte und blickte fragend seinen Sohn an. Dieser lächelte.
"Kurz nach dem du uns nach euren Streit verlassen hast haben wir herausgefunden, dass Scheva ein Kind erwartet. Inzwischen ist es sogar schon so weit, dass einer der Magier herausfinden konnte, dass wir eine Tochter haben werden."
Nun ergriff auch der König die noch freie linke Hand seiner Mutter.
"Wir wissen auch schon wieder sie nennen wollen. Oder hat mein Vater, der edle Drachenreiter etwas dagegen?"
Murtagh brachte kein Wort heraus. Lediglich ein Kopfschütteln konnte der werdende Großvater seinen Sohn zur Antwort geben.
"Möge die Erbin meines Namens ein Leben voller Glück führen." flüsterte Nasuada und lächelte ihren Sohn an. Dann wandert ihr Blick wieder zu Murtagh.
"Wir haben beide ein sehr schweres Leben geführt. Aber alles was ich in meinem erdulden musste ist durch dich aufgewogen worden Murtagh. Vergiss nie, wie dankbar ich dir dafür bin."
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Obwohl sie es erwartet hatte schrack Marlena zusammen als eine einzelne Glocke damit begann ihr Klagelied über Ilirea ertönen zu lassen. Obwohl sich die Augen der jungen Drachenreiterin mit Tränen füllten konnte sie sehen wie auf den höchsten Turm des Königspalastes eine einzelne Fackel gelöscht wurde.
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