18. Der Verschwundene Zwerg
Marlena und Murtagh waren gerade durch die Zugangstür in den Korridor zurückgekehrt der zum Arbeitszimmer des älteren Reiters führte als ihnen Elain bereits entgegenkam.
Ein Umstand der Marlena durchaus überraschte. Murtagh hatte gegenüber der Magierin klar erklärt, dass er nur in äußersten Notfällen gestört werden wollte und noch hatte er diesen Befehl nicht aufgehoben.
"Da seid ihr ja Herr! Entschuldigt bitte vielmals dass ich euch störe aber...."
Murtagh unterbrach seine Stellvertreterin mit einer kurzen aber freundlichen Geste.
"Schon gut Elain. Meine Nichte hat mir ziemlich den Kopf gewaschen. Ich wollte sowieso mit dir reden. Gehen wir in mein Arbeitszimmer. Dort können wir in Ruhe reden."
Während Elains sich der Gruppe anschloss was sie der jungen Drachenreiterin einen anerkennenden Blick zu. Es war offensichtlich, dass sie Murtagh nicht nur als Mentor und Vorgesetzten sondern auch als Freund schätzte. Ganz offensichtlich war sie erleichtert, dass es der jungen Halbling gelungen war zu ihm durchzudringen. Während des kurzen Blickkontaktes jedoch entgegen Marlena nicht, dass die Magierin offensichtlich besorgt war.
Schließlich betrat die Gruppe Murtaghs Arbeitszimmer. Neugierig blickte Marlena sich um. Ihr Onkel hatte seinen Arbeitsbereich ganz in der Tradition der Drachenreiter eingerichtet. Einfach und funktionell ohne kostspieligen Pomp.
Obwohl der Raum keine Fenster besaß reflektierten sandfarbenen Wände das, durch magische Laternen, erzeugte Licht und sorgten dafür, dass man gut arbeiten konnte. Weiße Marmorsäulen die sich zu Spitzbögen verjüngten strukturierten den Raum und in einigen Nischen standen gut gefüllte Bücherregale. Murtaghs Schreibtisch bestand aus poliertem rotbraunen Holz. Hinter diesem Möbel, welches das Zentrum des Raumes dominierte, nahm der Leiter der Magierakademie nun Platz und bedeutete seine Nichte und seiner Stellvertreterin es sich auf den Stühlen vor dem Schreibtisch bequem zu machen.
"Da du offensichtlich etwas auf dem Herzen hast Elain werde ich mich kurz fassen." begann Murtagh in sachlichen Ton das Gespräch. "Ich werde noch in dieser Stunde mit meiner Nichte gemeinsam nach Ilirea abreisen. Der Grund ist ein sehr persönlicher und ich möchte an dieser Stelle nicht weiter darauf eingehen. Selbst verständlich richtig mit allen Vollmachten ausstatten damit du den Betrieb der Akademie aufrecht erhalten kannst während ich abwesend bin. Natürlich kannst Du mich über einen Spiegel erreichen aber ich würde dich bitten das nur zu tun, wenn ein Notfall vorliegt oder einer unserer fortgeschrittenen Studenten ein magisches Experiment über der von uns festgelegten Kategorie drei durchführen will."
Elain nickte verstehend und auch Marlena verstand welche Einschränkungen Murtagh für die Zeit seiner Abwesenheit verhängt hatte. Der Orden der Drachenreiter hatte als er die Akademie aufbaute magische Experimente in Kategorien eingeteilt. In welche Kategorie ein Experiment gehörte bestimmte sich dadurch, was durch den Zauber beeinflusst wurde, ob oder ob nicht etwas erschaffen wurde und welches Maß an Energie erwartungsgemäß für den Zauber aufgewandt werden musste. Die Kategorie drei beschrieb magische Experimente die mit den fundamentalen Kräften der Natur, wie zum Beispiel Gravitation, Licht oder dem beeinflussen von Elementen zu tun hatte.
"Ich verstehe Herr. Ich weiß auch, dass ein schwerer Gang vor euch liegt und deswegen lass ich euch versichern, ich werde mein Bestes tun dass es hier nicht zu Problemen kommt."
"Vielen Dank Elain." sagte Murtagh und lächelte kurz. "Du hast was das betrifft mein volles Vertrauen aber wenn ich richtig vermute, gibt es bereits ein Problem über das Du mich informieren willst. Deshalb hast mich ja schließlich aufgesucht oder?"
"Sehr richtig. Es ist in der Tat etwas vorgefallen und es geht dabei um den Zwerg Gintar."
Die unerfreulichen Erinnerungen an den Knurla fluteten in Marlenas Geist zurück. Das Gespräch mit ihrem Onkel und die Aufgabe der Königin hatten bisher so den Stand der jungen Halbling ausgefüllt, dass die Drohgebärden des magiebegabten Zwergs fast vollständig in den Hintergrund getreten waren.
"Habt Ihr euren Oheim noch nicht über die Vorfälle informiert?" ("Oheim" ist eine mittelalterliche Bezeichnung für Onkel. Ich finde in die Welt von Alagaesia passt sie ganz gut.)
Marlena brauchte einen Augenblick bis sie merkte, dass Elain sie angesprochen hatte. Die Magierin wirkte etwas verwirrt vermutlich weil Murtagh die Erwähnung des Zwergs kein bisschen aus der Ruhe brachte.
"Ich bin noch nicht dazu gekommen. Zunächst einmal man andere Dinge wichtig." erklärte junge Reiterin.
"Welche Vorfälle meint ihr?" erkundigte sich Murtagh bei den beiden Frauen.
Elain holte tief Luft und informierte den Reiter des Roten Drachens in knappen Worten über das was sich zwischen Marlena und den Zwerg zugetragen hatte. Während die Magierin sprach konnte Marlena mitverfolgen wie sich die Miene ihres Onkels auf beeindruckende Weise verfinsterte.
"Ich war froh als sich ein Zwerg gemeldet hat unter mir an dieser Schule zu unterrichten." hob Murtagh schließlich fast flüsternd an als Elain ihren Bericht beendet hatte. "Ich habe es als ein gutes Zeichen gesehen und so interpretiert, dass die Wunden zwischen mir und den Zwergen geschlagen worden sind wirklich zu verheilen beginnen. Bisher hat sich Gintar immer korrekt verhalten und nun erzählte mir, dass er in meinem Haus meiner Nichte mit dem Tod bedroht? Warum erfahre ich das erst jetzt?"
Es war Marlene die antwortete. Sie wollte auf keinen Fall, dass Elain eine Zurechtweisung erhielt für etwas, das sie versäumt hatte.
"Das ist meine Schuld Onkel. Ich bin einfach noch nicht dazu gekommen. Zunächst einmal standen einfach andere Dinge für mich im Vordergrund."
Murtaghs Mundwinkel verzogen sich zu einem schiefen Lächeln.
"Eine wahre Drachenreiterin. Immer erst an die anderen denken und dann an die eigene Sicherheit. Diese Einstellung hat dein Vater wird vererbt."
Bernd Marlena sich leicht verlegen auf die Lippen bis richtete Murtagh wieder das Wort an Elain:
"Elain, ich gehe nicht davon aus dass du mich nur über das informieren wolltest was zwischen Gintar meiner Nichte vorgefallen ist. Wenn dem so wäre hättest du ihn sicherlich zu diesem Gespräch mitgebracht, damit ich direkt eine Erklärung von ihm fordern kann. Ich gehe also davon aus, dass zu einem weiteren Vorfall gekommen ist."
"Leider ja Herr. Gintar hat die Schule verlassen. Er muss in der letzten Nacht Hals über Kopf aufgebrochen sein. Er hat in seinem Quartier praktisch nichts zurückgelassen und wir haben seine Abwesenheit erst bemerkt als es zu dem Vorfall in der Bibliothek kam. Dort ist vor einigen Minuten völlig ohne Vorwarnung ein Feuer ausgebrochen. Gintar hat offensichtlich ein Abschiedsgeschenk hinterlassen."
"Einen Zauber der sich erst nach einer gewissen Zeit aktiviert?" erkundigte sich Murtagh mit besorgter Miene.
"Davon gehen wir aus." bestätigte die Stellvertreterin des Drachenreiters.
"Wie groß ist der Schaden?"
"Zum Glück sehr begrenzt. Die Flammen haben nur einen bestimmten Bereich in unserer Bibliothek zerstört. Eben den Bereich indem der Schriftstücke der Zwerge aufbewahren. Wir haben ging das Fehlen bemerkt, als wir ihn hinzu rufen wollten damit er den Schaden begutachten kann. Leider ist er seit dem Vorfall mit Argetlan Marlena spurlos verschwunden. Wir haben bereits die gesamte Akademie durchsucht hier ist er nicht mehr."
"Was ist mit der Traumsicht?" erkundigte sich Marlena. "Habt Ihr versucht ihn damit aufzuspüren?"
Murtagh offenbarte einen Gesichtsausdruck in Elains Richtung, der zeigte das auch eher eine Antwort auf die Frage seiner Nichte wünschte.
Die Magierin schüttelte den Kopf.
"Natürlich haben wir diesbezüglich einen Versuch unternommen aber ist gescheitert. Wir haben nur Dunkelheit gesehen."
"Etwas anderes hätte mich auch überrascht." murmelte Murtagh. "Dieser Zwerg ist schließlich ein geschickter Magier. Wenn er sich wirklich eingeschlichen hat um, wie Ihr ja vermutet, Einsicht in unsere Bibliothek zu erhalten, weil er hoffte irgendwelche verbotenen Schriften zu finden hatte mit Sicherheit Pläne geschmiedet den Fall, dass er enttarnt wird."
"Und mit dem Feuer wollte er sich an der Schule rächen!" vermutete Elain.
-" Das denke ich nicht kleine Halbling!" - flüsterte Alonvy aufgeregt in die Gedanken ihrer Reiterin. Natürlich hatte die Drachendame das Gespräch verfolgt und teilte ihrer Seelenschwester nun ihre Vermutungen mit. Einmal mehr bekam Marlena die Gelegenheit die messerscharfe Logik ihrer Drachendame zu bewundern.
"Alonvy und ich glaube eigentlich nicht dass es sich um einen einfachen Racheakt handelt." warf der junge Reiterin schließlich in die Runde. "Wenn er nur Rache gewollt hätte dann hätte er sich wohl kaum auf einen Teil der Bibliothek beschränkt. Er hätte sie komplett zerstört und den Zauber vielleicht so abgestimmt, dass sich möglichst viele Studenten in dem Raum aufhalten würden. Stattdessen hat er nur die Schriften der Zwerge vernichtet."
"Wenn du nicht an Rache glaubst, welches Ziel hat Gintar dann deiner Meinung nach verfolgt?" erkundigte sich Murtagh bei seiner Nichte.
"Ich denke, dass er etwas verbergen will."
"Ich verstehe nicht ganz." gestand Elain.
"Gintar hat sich eindeutig für die Schriften der Zwerge interessiert." erläuterte Marlena. " Vater und Mutter haben mir mitgeteilt, dass sie inzwischen aus einer zuverlässigen Quelle Informationen haben, dass der Zwerg in der Tat verbotenes Wissen seines Volkes sucht. Wenn er einfach nur ein bestimmtes Buch oder eine Schriftrolle entwendet hätte würde er uns damit einen klaren Hinweis geben was er sucht und vielleicht sogar einen Anhaltspunkt wurde ihm nun finden können."
"Aber da alle Schriften der Zwerge vernichtet wurden,," ergänzte Murtagh die Ausführung seiner Nichte. "...können wir nicht einmal sagen ob etwas gestohlen wurde. Geschweige denn was!"
Der Drachenreiter und Leiter der Magierakademie wirkte nun sehr nachdenklich.
"Ich denke, Marlena, dass wir vor unserer Abreise noch einmal mit deinen Eltern reden sollten.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro