
Kapitel 6
Luc
Durch ein lautes Krachen wurde ich geweckt. Genervt rollte ich mich auf meine andere Seite und schaltete mein Handy an. Erst sechs Uhr, wer steht bitte so früh an einem Samstag auf? Erneut hörte ich es poltern.
Entnervt drückte ich mein Kissen auf mein Ohr und presste meine Augen zu, in der Hoffnung, nicht mehr gestört zu werden. Noch ein Poltern. Okay, jetzt reicht es! Wer wagt es bitte so laut durch das Haus zu latschen?
Ich schlug meine Bettdecke auf und setzte mich auf. Kurz fröstelte es mich und ich sehnte mich wieder in mein Bett. Sofort verflog dieser angenehme Gedanke allerdings wieder als es erneut Krachte. Ich stand auf und riss meine Türe auf. Von unten hörte ich leises Geflüster. Misstrauisch lief ich die Treppe hinunter. Das konnte nie etwas gutes bedeuten.
Überrascht riss ich meine Augen auf. Die Haustüre war weit geöffnet. Die Sonne schien in den Flur. Dort stand mein Vater mit meiner Stiefmutter. Brife starrten mich bestürzt an. Neben ihnen standen zwei Koffer. Verwirrt runzelte ich meine Stirn.
Was geht den hier ab? Sie tun so als hätte ich sie gerade beim Einbruch ertappt. Ich kniff meine Augen zusammen: "Was macht ihr da?" In diesem Moment kam Jeff zur Türe herein, einen Rucksack auf seiner Schulter tragend.
Als er mich sah, riss er erschrocken seine Augen auf, nur um dann schuldbewusst auf den Boden zu blicken. "Jeff?", fragte ich entsetzt. "Warum steht ihr hier alle mit Koffern rum?"
Mein Stiefbruder fing an nervös an auf seiner Lippe zu kauen, sagte aber immer noch nichts. Die Stille empfand ich als beinahe unerträglich, warum verheimlichten sie mir alle etwas? Keiner von ihnen hielt es für nötig mir zu antworten.
Ich machte ein paar Schritte auf meinen Bruder zu und packte ihn bei den Schultern. Er zuckte zusammen. Unangenehm wurde ich an seinen Geburstag erinnert. Dieser war mittlerweile zwei Tage her, die letzte Zeit über hatte Jeff mich erfolgreich gemieden. Fast den ganzen Tag hatte er in seinem Zimmer verbracht, nichteinmal zum essen war er erschienen, dabei war er mindestens genauso verfressen wie ich.
Als hätte ich mich verbrannt ließ ich ihn wieder los. Ich wollte nicht, dass er so auf meine Berührungen reagierte. Traurig stand ich vor ihm, er weigerte sich immer noch mir ins Gesicht zu blicken. Ich wandte mich an meinen Vater: "Dad?"
"Ich fahre weg", erklärte Jeff schnell, bevor mein Vater auch nur ansetzten konnte zu sprechen. Diese drei Wörter ließen mich sofort förmlich explodieren: "Wie du fährst weg? Soll das ein Scherz sein? Sag mal spinnst du? Ich gehe überall hin wo du hin gehst, das haben wir schon immer so gemacht! Ohne mich bist du aufgeschmissen. Du weißt, wie viele kranke Typen da draußen darauf stehen Omegas zu verprügeln!" Die Welt da draußen war einfach zu gefährlich für einen Omega. Besonders für einen wie ihn.
"Du meinst so wie du es früher immer getan hast? Danke, aber das weiß ich. Genau darum gehe ich. Ich brauch nicht dauernd einen Bodyguard, der auf mich aufgepasst als sei ich noch ein Baby. Ich muss selber lernen Entscheidungen zu treffen und Verantwortung zu übernehmen! Und genau deshalb fahr ich jetzt weg."
Verletzt sah ich ihn an. Er wusste dass ich es bereute ihm früher weh getan zu haben. Er wusste, wie es schmertzte damit zu leben und dennoch brachte er das Thema immer wieder zu Gespräch. Ich hatte das Gefühl, dass er mir nicht verzeihen wollte.
Seit er und seine Mum bei uns eingezogen waren, hätte ich mir geschworen, auf ihn aufzupassen. Ich hatte ihm versprochen, dass er nicht mehr verletzt werden würde. Weshalb stieß er mich nun von sich?
"Und warum hast du mir nichts davon erzählt?" Aus dem Augenwinkel sah ich wie seine Mutter mit dem Kopf zur Tür nickte und meinem Vater das Zeichen hab sich zu verdrücken. Beide verschwanden durch die Haustüre mitsammt den Koffern.
Jeff setzte seine Tasche ab. "Das ist der Grund! Du rastet immer gleich aus. Wenn ich es dir früher gesagt hätte, hättest du irgend einen Weg gefunden um mitzukommen. Ich brauche meine Freiheit und bei dir fühle ich mich eben geradezu eingeengt."
Mein Herz zog sich zusammen. Ich hatte gedacht wir würden uns gut verstehen, ich hatte gedacht zwischen uns sei alles in Ordnung. Warum hatte ich nie bemerkt, wie unwohl er sich in meiner Nähe fühlte? Hatte ich unsere gemeinsame Zeit als einziger genossen?
Ich konnte ihm nicht einmal mehr antworten. Mir fehlten die Worte, ich schluckte.
"Ich sollte jetzt gehen. Mum und Erik warten sicher schon auf mich. Wir sehen uns dann in 2 Wochen", wisperte er.
Ich nickte schwerfällig. "2 Wochen."
Instinktiv wollte ich nach seine Tasche greifen. Sie sah schwer aus, er sollte sich nicht so abmühen müssen. "Lass es", im selben Moment hatte auch er seine Hand ausgestreckt. Seine lag auf meiner. Sofort schnappte er sich den Riemen der Tasche und ging ein Stück zurück. "Ab sofort sorge ich für mich selbst.", mit diesen Worten drehte er sich um und lief uns Auto.
Ich sah ihm zu, wie er sich ins Auto setzte. Die Tür knallte zu. Das Auto fuhr los. Es tat weh zu sehen, wie es sich immer weiter entfernte.
Geknickt lief ich zurück ins Haus. Doch plötzlich ertönte das Quietschen der Bremsen. Erneut hörte ich wie die Türe zu geschlagen wurde. Ich schnellte herum.
Jeff rannte auf mich zu. Ich könnte gar nicht so schnell schauen, da drückte er mich schon an sich. "Es tut mir wirklich leid. Aber es ist besser so, glaub mir. Du musst mich loslassen", flüsterte er. Er hob den Kopf, ich sah wie seine Augen leicht glitzerten. Ich schluckte. Es tat weh ihn so zu sehen. Er löste sich wieder von mir und lief langsam zum Auto. Am liebsten hätte ich ihn einfach festgehalten, ihn an mich gedrückt und dann nie wieder losgelassen.
Erneut stieg er ein und ich wusste, diesmal würde er nicht noch einmal aussteigen. "Ich liebe dich!", rief er mir aufeinmal noch zu, dann knallte er die Autotüre endgültig zu.
Ich starrte das Auto an. Was zum...? Wie erstarrt stand ich da. Es war solch eine Erleichterung zu wissen, dass ich ihm doch nicht egal war. "Ich dich auch Buddy!", schrie ich noch, aber das Auto war bereits fast verschwunden. Wir würden uns wohl jetzt eine ganze Weile nicht sehen.
2 Wochen. Es würde mir wie eine Ewigkeit vorkommen.
Da kam mir ein erschreckender Gedanke: Ob er wohl noch rechtzeitig zu meinem Geburtstag kommen würde? Ohne ihn könnte ich meinen achtzehnten Geburtstag nicht richtig genießen. Es würde etwas fehlen.
Ja, er wird rechtzeitig da sein, da war ich mir sicher. Ich lächelt, als ich an seine Worte dachte. Ich liebe dich.
"Natürlich liebe ich dich... Du bist schließlich mein Bruder", murmelte ich vor mich hin als ich die Haustüre hinter mir zuzog. "Natürlich."
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