7. Kapitel - Mila
Ein lauter Gong weckt mich und ich springe vor Schreck aus dem Bett. Toller Wecker, aber es funktioniert wahrscheinlich. Schnell mache ich mein Bett. Das Anziehen kann ich mir heute sparen, weil ich gestern noch mit Kleidung eingeschlafen.
Die Zellentür geht auf und ich gehe nach vorne zum Geländer. Dort bleibe ich stehen und warte ab, was die anderen Mädchen machen. Die ersten gehen weg, aber viele bleiben noch stehen. Da fällt mir wieder ein, dass die Reihenfolge mit der Rangordnung zusammenhängt und ich somit die Letzte bin. Als alle anderen gehen, reihe ich mich hinten in die Schlange ein und folge den Mädchen zum Frühstück. Dort angekommen, werde ich plötzlich aus der Reihe gezogen. Verwirrt sehe ich mich um und erblicke Layla. Gerade will ich fragen, was sie will, kommen auch noch Kate und Sara dazu. Sie stehen im Kreis um mich herum. Dann hält Layla mir einen Haufen Stoff hin und meint: „Zieh das an. Du hast uns gestern einen großen Gefallen getan, als du uns in unsere Zellen gebracht hast. Jetzt sind wir dran". Kurz sehe ich die Kleidung an, die sie in der Hand hat, dann zucke ich mit den Schultern und ziehe mich um. Die drei Mädchen stehen dabei im Kreis um mich und bieten mir Sichtschutz. Nachdem ich mich ausgezogen habe, fällt mir auf, dass das Outfit nicht nur aus Rock und Oberteil besteht wie im ersten Rang. Ich trage jetzt auch Unterwäsche und Socken. Der Rock ist ein wenig länger und darauf ist ein weißes Dreieck. Das Oberteil hat zwei rote Streifen auf weißem Hintergrund. „Was...? Ich bin verwirrt, ich glaub das müsst ihr mir erklären", stammle ich. Sara grinst: „Du bist jetzt offiziell im vierten Rang. Jedes Mädchen kann andere in einen höheren Rang heben, indem wir die passende Kleidung besorgen". Kate fügt hinzu: „Du hast wahrscheinlich eben einen neuen Rekord aufgestellt". Auch ich muss lächeln. Dann hole ich mir endlich mein Frühstück und setze mich mit meinen neuen Freundinnen an einen Tisch. Als ich fertig bin, räume ich mein Geschirr weg. Da fällt mir auf, dass ich keine Ahnung habe, wo ich jetzt hin muss, also stehe ich einfach blöd rum und warte, dass ich abgeholt werde.
Nach einiger Zeit kommt ein Wärter zu mir und packt mich am Arm. Das überrascht mich so sehr, dass ich mich einfach mitziehen lasse. Als der Schreck nachlässt reiße ich mich los und gehe neben dem Mann her.
Wir gehen nach draußen, wo auch schon die anderen Neuen warten. Ich stelle mich dazu und der Wärter, der mich begleitet hat, entfernt sich wieder. Ein wenig neugierig betrachte ich die anderen Mädchen. Viel Zeit bleibt mir dafür allerdings nicht, denn schon kommen uns vier Gestalten entgegen. Als sie nah genug sind, erkenne ich Layla und zwei andere Soldatinnen sowie einen hochgewachsenen Mann. Die Mädchen tragen etwas, das aussieht wie ihre eigene Uniform, ich bin mir aber nicht ganz sicher. Bei uns angekommen, öffnet der Mann seinen Mund: „Anziehen!", befiehlt er. Ich sehe ihn erstaunt an, ich hätte damit gerechnet, dass wir mehr Informationen bekommen. Trotzdem ist mir klar, dass wir diesen Befehl so schnell wie möglich ausführen müssen. Also gehe ich zu den Soldatinnen und will mir eine Uniform nehmen, als Layla mich zurückhält: „Du bist Rang 4, du bekommst eine andere". Schon drückt sie mir ein paar Kleidungsstücke in die Hand. Zum dritten Mal an diesem Morgen ziehe ich mich um. Diese Klamotten sind mir aber bisher am liebsten: Es sind eine lange Hose und eine dünne Jacke in diesem typischen grün-braunen Tarnmuster. An den Schultern der Jacke sind je zwei Sterne. Darunter trage ich ein kurzärmeliges schwarzes T-Shirt. Dazu bekomme ich noch feste, schwarze Schuhe zum Schnüren, die über den Knöchel reichen. Nachdem ich fertig angezogen bin, sehe ich die anderen an. Im Grunde haben sie das Gleiche an wie ich, aber die Jacke fehlt. Es lohnt sich also, wenn man einen höheren Rang hat. Einem der anderen Mädchen ist das auch aufgefallen und sie beschwert sich: „Warum hat sie eine Jacke und wir nicht? Das ist voll unfair!" Der Mann sieht sie mit zusammengezogenen Augenbrauen an: „Sie hat einen höheren Rang als du". „Ach ja? Wir sind alle gestern hier hergekommen! Wie soll sie so schnell aufgestiegen sein!?", erwidert die Neue aufgebracht. Der Mann sieht sie mit strengem Blick an: „Das ist nicht dein Problem. Und sprich nie wieder in diesem Ton mit mir." Er wendet sich jetzt an uns alle: „Ich bin Commander Sterling, der oberste Befehlsgeber und Ausbildner der Soldaten. Heute Vormittag steht ihr unter meinem Kommando. Gehen wir". Der Commander dreht sich um und geht mit großen Schritten auf einen Platz außerhalb der Gefängnismauern zu. Die Soldatinnen folgen ihm und deuten uns, ebenfalls mitzukommen. Wir passieren das Tor und stehen nun außerhalb des Gefängnisses, nur die drei Soldatinnen bleiben drinnen. Es sieht nach einer guten Gelegenheit zur Flucht aus, aber ich bezweifle, dass das hinhauen würde. Immerhin machen sie das mit allen Neuen, wahrscheinlich gibt es irgendwelche Sicherheitsvorkehrungen für den Fall. Trotzdem schmiede ich in meinem Kopf bereits Fluchtpläne und bemerke kaum, was um mich herum passiert. Wir stehen in drei Fünferreihen hintereinander, ich bin vorne in der Mitte. Ein einschneidender Befehl holt mich in die Realität zurück: „Habt Acht!" Sofort stelle ich mich gerade hin, die Arme an die Seite gepresst und die Fersen zusammen. Dann schaltet sich mein Gehirn wieder ein und ich bemerke, dass ich die Einzige bin, die sich bewegt hat. Die anderen sehen mich verwirrt an. Dieser Befehl ist mir durch den Musikverein in Fleisch und Blut übergegangen. Mein Körper hat reagiert, ohne dass ich mitbekommen habe, was passiert. Commander Sterling sieht mich ebenfalls verwundert an, dann herrscht er die anderen an: „Seid ihr taub? Ich sagte: Habt Acht!" Nach einigem Zögern stehen auch die anderen so da wie ich. Der Commander geht nun im Kreis um uns herum: „Ihr seid jetzt bei der Aufnahmeprüfung der Soldaten. Diese ist nicht leicht. Oft haben wir monatelang keinen Zuwachs. Und das ist gut so, denn wir nehmen nur die Besten! Viele von euch sind der körperlichen Herausforderung nicht gewachsen, anderen fehlt die Disziplin und einige unter denen, die hierherkommen, sind schlicht und einfach eitel. All diese sind vollkommen ungeeignet für die Soldatenausbildung. In meinem Regiment gelten eigene Regeln und nur wenige sind imstande, diese vollständig zu befolgen. Ich wäre erstaunt, wenn sich auch nur eine einzige von euch würdig genug erweist, um zu uns zu stoßen. Ihr seid verwöhnte Gören, aber unter meinem Kommando werdet ihr erfahren, dass das Leben nicht so einfach ist. Ihr müsst hart trainieren, um meinen Standards zu genügen. Aber habt ihr die nötige Disziplin, dann erwartet euch hier eine Gemeinschaft, die ihr als Nutte oder Hausmädchen nicht finden werdet. Als Soldaten steht ihr über den anderen, weil ihr bewiesen habt, dass ihr besser seid", er macht eine kurze Pause und stellt sich vor die Gruppe: „Ihr müsst ein Stück durch den Wald laufen. Den Weg werdet ihr unterwegs finden. Los!" Kurz stehen wir alle still da. Ich hätte mit genaueren Anweisungen gerechnet und den anderen geht es anscheinend ebenso. Sie sehen leicht überfordert aus, ganz im Gegensatz zum Commander. Dieser steht daneben und wartet augenscheinlich darauf, dass wir loslegen. Nach einem tiefen Atemzug tue ich ihm den Gefallen und laufe los. Als ich zwischen den Bäumen verschwunden bin, drossle ich mein Tempo und gehe zügig weiter. Zuerst wandere ich eher ziellos durch den Wald, aber dann bemerke ich einen schmalen Pfad, auf dem viele Fußabdrücke sind. Es sieht aus, als wäre ich auf dem richtigen Weg! Diesem Pfad folge ich eine Zeitlang, dann sehe ich ein paar Fetzen. Der Stoff fühlt sich an wie meine Uniform, also biege ich an der Stelle nach links ab und folge der Spur. Auch hier komme ich nach einiger Zeit wieder zu einem Weg, dieser ist aber noch etwas schwerer zu erkennen als der Vorherige. Mittlerweile bin ich wirklich froh, dass ich so trainiert bin, ansonsten wäre mir diese Strecke viel zu weit. Plötzlich höre ich hinter mir ein Bellen. Schnell drehe ich mich um und werfe mich gerade noch rechtzeitig zu Boden, als ein großer Hund über mich springt. Hätte ich nicht so schnell reagiert, hätte er mich wahrscheinlich umgeworfen. Der Hund knurrt wütend und kommt wieder auf mich zu. Ich rolle mich zur Seite und greife nach einem abgebrochenen Ast. Mit diesem wehre ich den Hund ab, während ich weiterhin dem Pfad folge. Es wäre zwar einfacher, wenn ich mich nicht so sehr bewegen würde, aber je schneller ich zurück am Gefängnis bin, umso früher bin ich in Sicherheit. Das ist wahrscheinlich auch der Plan. Der Hund sieht zumindest nicht so aus, als würde er im Wald leben, ich nehme an, dass er ein Teil der Prüfung ist. Das Problem ist, dass ich den Hund nicht ewig abwehren kann. Und rückwärts einen versteckten Pfad entlangzugehen ist auch nicht besonders einfach. Schon ist es passiert: Ich stolpere über eine Wurzel und gehe zu Boden. Dabei fällt mir der Ast aus der Hand. Kurz schließe ich die Augen, dann springe ich wieder auf und knurre den Hund an. Er zuckt zurück und dreht sich dann auf den Bauch – ein Zeichen der Unterwerfung. Grinsend denke ich an meine verhasste Trompetenlehrerin. Waren diese komischen Atemübungen also doch zu etwas gut. Ich drehe mich wieder um und wandere den Weg entlang, um möglichst bald anzukommen. Langsam wird es nämlich doch anstrengend, aber als geübte Hobby-Wanderin habe ich in diesem Tempo viel Ausdauer. Der Hund folgt mir – „wie ein Hund", denke ich und muss grinsen. Überraschend früh bin ich wieder zurück und stehe vor dem Commander. Wieder sieht er mich überrascht an, aber der Blick ist durchaus positiv. Sieht fast wie ein Lächeln aus. Ich hätte nicht erwartet, dass er das überhaupt kann.
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