9
Lilys Herz raste. Ihr Körper vibrierte beinahe vor Aufregung. Sie hatte keine Ahnung, was sie hier tat, sie wusste nur, dass es sich richtig anfühlte. Sie folgte nie ihrem Gefühl. Sie tat nie etwas ohne Plan. Aber seit sie in jener Nacht nach dem Streit mit ihren Eltern auf Alex gestoßen war, schien eine neue Seite in ihr erwacht zu sein.
Eine hungrige Seite.
Oder vielleicht holte sie auch nur gerade ihre Jugend nach. Immerhin hatte sie ihre ganze Schulzeit über kein einziges Mal auch nur einen Fuß jenseits der Grenzen gesetzt, die ihre Eltern ihr vorgegeben hatten. Lernen, ehrenamtliche Arbeit für die Kirche, Engagement in der Schülervertretung und genau eine beste Freundin. Das waren ihre Jahre bis zum Abi gewesen. Kein heimliches Treffen mit Jungs, kein Alkohol, keine Partys, nichts. Nur die brave Streberin, die ihren Eltern gehorchte.
Alex war gefährlich, dessen war sie sich sicher. Er war alles, wovor ihre Eltern, die beide Richter waren, sie immer gewarnt hatten. Gutaussehend und charmant, und unter der Oberfläche nur darauf lauernd, unschuldige Frauen zu verführen, um sie in ein Leben voller Sünde zu reißen. So oder so ähnlich wäre gewiss die Einschätzung ihrer Mutter, wenn sie von Alex wüsste.
Mit klopfendem Herzen schaute sie zur Tür. Sie betete, dass Alex nicht zu lange brauchte. Je mehr ihre Gedanken um ihre Eltern kreisten, umso mehr spürte sie ihren Mut sinken. Wollte sie das hier wirklich?
Bevor sie in Panik versank, öffnete sich endlich die Tür. Wortlos, aber mit einem offenen Lächeln, legte Alex ihr eine Hand auf den unteren Rücken, um sie zur Treppe zu steuern. Elisabeth war bisher nur einmal in diesem Teil des Clubs gewesen und das war bei der Einführung, als ihr alles gezeigt worden war. Diese Treppe führte nach oben in einen langen Gang, von dem viele Zimmer abgingen. Kein Laut war daraus zu hören – die Geräuschisolierung leistete offenbar ganze Arbeit.
Am Ende des Ganges angekommen steuerte er sie auf eine weitere Treppe zu, die hoch zu der einzigen Suite im Club führte. Mit großen Augen blieb sie stehen und schaute fragend zu ihm auf.
»Wir sind hier ganz richtig. Geh nur weiter.« Seine absolute Selbstsicherheit war bemerkenswert.
Nervös leckte Lily sich über die Lippen. Dann nickte sie und erklomm vor ihm die Treppe. Sie war sich nur zu bewusst, dass er so einen perfekten Ausblick auf ihren Hintern, der nur von einem winzigen Rock bedeckt war, hatte. Unter Aufbringung allen Selbstbewusstseins ließ sie mit jeder Stufe ihre Hüfte von einer zur anderen Seite schwingen. Egal, wie es am Ende in ihr aussah, dieser Mann sollte zerfließen von Verlangen, ehe die Nacht zu Ende war.
Als sich die schwarze Holztür vor ihr öffnete, klappte Lilys Mund unwillkürlich auf. Vor ihr erstreckte sich ein riesiger Raum, vollkommen in cremeweiß gestrichen, mit einem riesigen, runden Bett in der Mitte, das zur Hälfte von einer aufwändig geschnitzten Lehne umgeben war. Zwei Kleiderschränke links und rechts an der Wand, ein robust aussehender Schreibtisch mit Stühlen sowie ein Sofa in der Ecke gaben dem Raum den Anschein, als wäre es eine hochwertige Hotelsuite und nicht ein mietbares Zimmer in einem Sexclub. An zwei Seiten führten Türen in weitere Räume.
»Du kannst die Dusche auf der rechten Seite nehmen, um dich frisch zu machen, ich nehme die links.«
Die leise geflüsterten Worte rissen sie aus ihrer Starre. Offenbar kannte Alex sich hier aus. Sie nickte und richtete sich höher auf, während sie mit langen Schritten den Raum durchquerte. An der Tür zum Badezimmer hielt sie an und drehte sich noch einmal um. Er war ihr mit seinen Blicken gefolgt, als könnte er sich kaum von ihr lösen. Unwillkürlich lächelte sie ihm zu.
Er erwiderte das Lächeln, dann verschwand er im anderen Bad. Kein kitschiger Spruch, kein falsches Kompliment. Einfach nur eine Anerkennung. Mit einem tiefen Atemzug betrat sie das Badezimmer. Wie auch der Hauptraum war dieses in Pastelltönen gehalten. Eine Eckebadewanne und eine eigene Duschkabine standen sich gegenüber, während direkt neben der Tür das Waschbecken und Klo waren.
Mit geübten Bewegungen entledigte Elisabeth sich ihrer Kleidung, stülpte sich eine Badehaube über ihr Haar und sprang in die Dusche. Nachdem sie sicher war, jeden Schweiß von ihrem Körper gespült und andere wichtige Bereiche gründlich gesäubert zu haben, stieg sie wieder hinaus und schnappte sich eines der unmöglich weichen, weißen Handtücher.
Während sie darauf wartete, dass ihr Körper trocken wurde, löste sie den Knoten in ihren Haaren, zog die Haarspangen hinaus und kämmte es gründlich durch, um grob die Überreste vom Haarspray zu entfernen. Dann, als sie wirklich nichts anderes mehr zu tun fand, drehte sie sich zur Tür um, die sie vom Hauptraum trennte.
Hinter dieser Tür wartete Alex. Dieser Hüne mit den schwarzen Haaren und den braunen Augen, in denen so viel Stärke lag. Sie würde wissen, ob sich unter seinem Hemd wirklich so viele Muskeln verbargen, wie ihre Finger erspürt hatten. Sie würde erfahren, ob dieser Mann nicht nur gut aussah, sondern seinen Körper auch zu nutzen wusste.
Ein nervöses Flattern erfasste ihren Magen. Ein Teil von ihr wollte schreiend weglaufen. Als wäre sie ein vierzehnjähriges Mädchen, das zum ersten Mal einen Mann nackt sehen würde. Doch der viel größere Teil vibrierte beinahe vor Lust.
Entschlossen griff sie nach der Türklinke und trat hinaus.
Das Licht im Zimmer war gedimmt, genug, dass sie noch alles sehen konnte, aber dennoch so dunkel, so dass sie sich nicht mehr so schutzlos vorkam. Alex lag mitten auf dem Bett vor ihr, vollkommen nackt, und schaute sie an, als sie aus dem Bad trat. Als sich ihre Blicke trafen, wanderte seine Hand langsam zu seinem Schwanz und umfassten ihn. Fasziniert beobachtete sie, wie er träge auf- und abstrich.
Sie leckte sich über die Lippen, ließ ihr Handtuch fallen und trat zu ihm ans Bett. »Willst du Hilfe dabei?«
Sein Blick verließ keine Sekunde ihr Gesicht, obwohl sie inzwischen vollkommen nackt vor ihm stand. Als könnte er ihr bis auf den Grund der Seele schauen, bohrte sich sein Braun in ihr Grau. Dann streckte er eine Hand nach ihr aus, umfasste ihren Unterarm und zog sie zu sich aufs Bett, sodass sie direkt neben ihm zu liegen kam.
»Bevor wir uns um mich kümmern«, meinte er grinsend und setzte sich auf, »sollten wir uns darum kümmern, dass du voll und ganz bei der Sache bist. Lily.«
Als er ihren Namen aussprach, beugte er sich über sie, sodass sie zwischen seinen Armen und Beinen gefangen war. Hitze breitete sich auf ihren Wangen aus, als ihr bewusst wurde, wie nahe sie sich waren. Er senkte sich tiefer, sodass sich ihre Körper beinahe berührten, und raunte ihr zu: »Magst du es, wenn du festgehalten wirst? Oder behältst du lieber die Kontrolle? Gefällt es dir, unter mir zu liegen? Oder wollen wir lieber tauschen?«
Elisabeth war sich sicher, in der Dunkelheit rot zu leuchten, so unangenehm war ihr die Situation plötzlich. Sie biss sich auf die Lippe und schaute zu Alexander hinauf. »Ich ... ich weiß es nicht.«
Seine Augenbrauen schossen nach oben, doch sofort hatte er seine Gesichtszüge wieder unter Kontrolle. »Na, dann wollen wir das mal herausfinden, mh?«
Hauchzart ließ er eine seiner Hände über ihre Hüfte streicheln. Eine Gänsehaut breitete sich auf ihrem Körper aus. Jede seiner Berührungen schien zu brennen wie Feuer. Unwillkürlich reckte sie sich ihm ein wenig entgegen und legte ihre Hände um seinen Nacken. Ein Grinsen war seine Antwort darauf, doch er schwieg. Der Griff seiner rechten Hand wurde fester, während er Kreise auf ihrer Hand zog. Stück für Stück wanderte er zu ihrem Bauch.
Ihr Atem beschleunigte sich. So heiß seine Berührung auch war, so intim ihre Position auch war, es war sein Blick, der ihre Mitte zum Pochen brachte. Ruhig lag er auf ihr, studierte ihre Augen, nahm jede ihrer Reaktionen wahr. Sie war sich sicher, noch nie so intensiv angesehen worden zu sein. Ihre Hände krallten sich in sein Haar, während er unendlich langsam zwischen ihren Brüsten hindurch mit seinen Fingern hochwanderte.
Sie hatte erwartet, dass er ihre Brüste umfassen würde, doch er ließ sie aus. Stattdessen ließ er Zeige- und Mittelfinger zärtlich über ihre Halsschlagader wandern bis hoch zu ihrem Kiefer. Heiser stöhnte sie auf. Sie war noch nie so berührt worden. Es kostete sie alle Mühe, ihre Augen offen zu halten und seinen Blick zu erwidern.
Erneut ließ er seine Finger über ihren Hals wandern und erneut seufzte sie. Etwas blitzte in seinen Augen auf, doch ansonsten verriet sein Gesicht nichts. Beinahe wie zufällig kam seine Hand auf ihrem Schlüsselbein zu liegen. Sein Daumen streichelte sanft über ihren Hals, während der Rest seiner Hand sich flach auf ihren Brustkorb legte. Nichts war zu hören als ihr viel zu schneller Atem.
»Leg deine Arme über dir ab«, befahl er ihr leise. »Versuch, sie dort zu lassen und nicht zu bewegen.«
Irritiert über seine Anweisung, aber mindestens ebenso neugierig befolgte sie seine Worte. Locker legte Elisabeth ihre Arme auf dem Kissen oberhalb ihres Kopfes ab und wartete dann mit angehaltenem Atem auf ihn.
Seine rechte Hand wanderte langsam wieder ihren Körper hinab, zwischen ihren Brüsten hindurch, über ihren Bauch, tiefer und tiefer. Unwillkürlich spannten sich alle Muskeln in ihrem Körper an. Wenn er weiter ging, würde er zwischen ihren Beinen ankommen. Er würde spüren, wie sehr sie seine unschuldigen Gesten schon berührt hatten.
Ehe sie selbst wusste, was sie vorhatte, schosse ihre rechts Hand nach unten und packte sein Handgelenk. »Nicht.«
Augenblicklich hielt Alexander inne. »Gefällt es dir nicht?«
Errötend wendete sie zum ersten Mal den Blick ab. »Das ist es nicht.«
Sanft entrang er sich ihrem Griff und umfasste ihr Kinn, um sie dazu zu zwingen, wieder zu ihm aufzuschauen. »Wenn du es nicht magst, dort angefasst zu werden, ist das okay. Du musst es nur sagen.«
Elisabeth schluckte hart. »Das ist es nicht. Ich habe zu wenig Erfahrung, um zu wissen, was mir gefällt.«
Für einen Moment starrte Alex sie nur stumm an. Dann wurde er bleich. »Sag nicht, dass du noch Jungfrau bist!«
Entsetzt schüttelte Lily den Kopf. »Nein! Absolut nicht, nein! Ich hatte nur noch nie die Gelegenheit herauszufinden, was ich mag.«
Wieder schwieg Alex für eine lange Zeit, während sein Blick ausdruckslos auf ihr lag. Dann atmete er langsam aus und schüttelte den Kopf. »Lily. Du bist ... unglaublich. Ich hätte wissen sollen, dass eine Frau, die ohne viel Nachdenken in ein fremdes Auto steigt, auch kein Problem damit hat, ausgerechnet hier sexuelle Erfahrungen zu sammeln.« Er grinste kurz, wurde dann jedoch sofort wieder ernst. »Bist du dir sicher, dass du das hier willst? Es ist nicht zu spät, mich abzuweisen.«
Sie konnte in seinem Blick lesen, dass er sie nicht gehen lassen wollte. Er war ein Gentleman, aber er war offensichtlich an seiner Grenze. Kaum beherrscht. Wegen ihr. Sein Blick galt ihr. Seine Lust galt ihr. Eine Gänsehaut breitete sich auf ihrem ganzen Körper aus. »Ich bin mir sicher, dass ich das hier will.«
Blitzschnell schoss seine Hand vor, packte ihre Oberarm, wirbelte sie herum und presste sie mit ihrem Rücken gegen seine Brust. Seine beiden kräftigen Arme umschlangen ihren Oberkörper, während sie in ihrem Rücken deutlich spürte, wie sehr dieser Mann sie immer noch wollte. »Bist du dir sicher, dass du weißt, worauf du dich einlässt?«
Sein Tonfall ließ ihren Mund trocken werden. Sie hörte, wie viel Selbstbeherrschung es ihn kostete, sein Verlangen zu zügeln. Sie hörte, wie sehr er hoffte, dass sie es wirklich ernst meinte. Dieser unmöglich gutaussehende Mann wollte sie und nichts in ihrem Leben hatte sie je so erregt. »Ich weiß, dass ich alles will, was du geben kannst.«
»Fuck!«, kam es von ihm, doch er schien seinen Widerstand aufgegeben zu haben. Schwungvoll packte er sie, hob sie hoch und legte sie dann entschlossen auf der Mitte des Bettes wieder ab. »Letzte Chance. Sag nein, und ich gehe. Sag ja, und stell dich darauf ein, dass ich dich hierbehalte, bis ich satt bin.«
Seine Stimme klang scharf, beinahe aggressiv, doch sein Blick war weich. Lächelnd legte Elisabeth ihm eine Hand auf die Wange. »Ja.«
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