One
Jungkook hatte die Nase gestrichen voll. Alles, aber absolut alles ging schief. Heute Morgen war er die letzten Stufen einer Treppe herunter gefallen, hatte sich dabei mehrere blaue Flecken zugezogen. Nachdem er sich aufgerappelt hatte, war seine Wasserflasche ausgelaufen und hatte all seine Notizen ruiniert, was er aber erst gemerkt hatte als er schon in der Bahn saß. Er hatte vor lauter, lauter seinen Ausstieg verpasst, verpasste danach den Zug wieder zurück und den Bus den er danach nehmen musste. Dann trat er auch noch in ein Kaugummi, rutschte dreimal aus und legte sich somit dreimal in der Öffentlichkeit auf die Schnauze. Dann war ihm auch noch sein Spindschlüssel abgebrochen, sein Handy runtergefallen, natürlich ging es dabei Kaputt und er war zu spät in die Vorlesung gekommen. Aber die Liste endet nicht hier.
Nein, sie ging weiter, viel, viel weiter, denn es war ja nicht nur der heutige Tag so Pech belastet. Nein, auch die letzten Tage waren so gewesen. Anfangs immer Mal wieder auffallend, doch es wurde immer schlimmer. Selbst Jin, seinem Besten, fiel auf dass irgendetwas nicht korrekt sein konnte. Denn normalerweise war Jungkook ein absoluter Glückspilz. Egal was er machte, er hatte es einfach im Gespür gehabt, es hatte funktioniert. Hatte er bei einem Wettbewerb mitgemacht, bei dem man gezogen wurde, war er meistens einer der Sieger. Sogar letztes Jahr als er einen Autounfall gehabt hatte, bei dem sich so gut wie alle Beteiligten schwerere, jedoch keine lebensbedrohlichen Verletzungen zugezogen hatten, war Jungkook unversehrt geblieben. Einzig und allein einen Schock und einen Kratzer hatte er abbekommen.
Doch jetzt. Es nervte ihn. Auch die tolle, warme Präsens die er gelegentlich gespürt hatte, fühlte er nicht mehr. Ohne sie fühlte er sich einsam. Etwas was vorher gar nicht der Fall gewesen war und es ärgerte ihn noch mehr. Denn er wollte nicht so drauf sein. Einfach alles in den letzten Tagen nervte ihn. Also fummelte er den Wohnungsschlüssel aus seiner Tasche, hoffte darauf das wenigstens das heute klappte. Und tatsächlich hatte er es, nachdem ihm der Schlüssel einmal ins Gestrüpp fiel geschafft.
Endlich nach einem ellenlangen Tag betrat Jungkook seine Wohnung. Es war schon spät, sehr spät, so spät das er blind hatte nach dem Schlüssel suchen müssen. Eigentlich konnte Jungkook nur noch ins Bett fallen und schlafen, doch als er in sein Schlafzimmer trat, war sein Bett schon belegt. Er wollte schon ansetzten zu schimpfen, als er bemerkte wie schön der Junge war der da in seinem Bett lag. Er war in ein weißes Tuch gehüllt. Sein Gesicht war friedlich, sanft und zeigte eine Stärke, dass Jungkooks Herz wild zu klopfen begann. Und gerade als er sich fragte, wer das war entdeckte er noch etwas. Große Flügel.
Dass sie ihm nicht auf dem ersten Blick aufgefallen waren überraschte ihn, denn die Dinger waren riesig. Sie waren bestimmt bis zu dreißig Zentimeter größer, als der Junge selbst. Aber irgendwie passte etwas nicht. Als Jungkook einen Schritt näher trat entdeckte er was ihm im Bild störte. Die Flügel waren nicht mehr unbedingt weiß. Sie waren matt, fast schon ergraut und zerzaust. Hier und da fehlte eine Feder, hier und da stand eine Feder ungesund ab.
Vorsichtig strich Jungkook über eine der Flügel, es war echt. Er träumte nicht. Er konnte die Federn unter seiner Hand spüren und sah die Stelle an der sie am Rücken, wischen den Schultern, heraus wuchsen. Langsam ließ Jungkook sich auf dem Boden sinken. Blickte wieder in das wunderschöne Gesicht des anscheinenden Engels. Er war blass. Ungesund blass und als Jungkook über seine Wange strich, konnte er nicht sagen ob der Junge eisig kalt oder mega heiß war. Irgendwie beides und keins von beiden.
Auf jeden Fall war er krank. Aber was machte er überhaupt hier? Wie war er her gekommen?
Da bewegte sich der Engel. Jungkook schreckte zurück. Auch die Augen waren wunderschön. Sie waren silbern, aber ebenso wie die Flügel: matt. „Jungkook.", sagte der Engel und Freude schwang in seiner Stimme mit, obwohl sie kratzig und kraftlos war. Jungkooks Ärger über den Tag war wie verflogen, jetzt gerade zählte nur noch der Engel. „Woher kennst du meinen Namen? Wer bist du?", fragte Jungkook, ließ es aber nicht zu das der schwache Engel sich aufsetzte. „Ich bin Jimin, dein Schutzengel."
Der Name passte unheimlich gut zu diesem wunderschönen Geschöpf. Jungkooks Herz klopfte noch schneller. Ihm wurde warm bei dem Gedanken dass er sein Schutzengel war. „Mein Schutzengel? Warum bist du hier?", traute er sich zu fragen, auch wenn er nicht wusste wie viel Kraft Jimin haben würde zu antworten. „Ich bin herunter gefallen.", antwortete er schließlich und schloss erschöpft die Augen. „Du bist herunter gefallen?", ungläubig schaute Jungkook zu dem Engel. Engel fielen doch nicht einfach so vom Himmel!
„Warum bist du denn gefallen?", es interessierte Jungkook sehr. Da war dieses Geschöpf vor ihm, blass, krank und war auch noch vom Himmel gefallen. Er machte sich große Sorgen. Ob Jimins Fall mit seinem Unglück zu tun hatte? „Ich hab mich zu sehr verausgabt.", beichtete Jimin, nachdem er seine Kraft gesammelt hatte. Überrascht schaute Jungkook ihn an. „Ich wollte dir alles Glück der Erde schenken." Mit flatternden Augenlidern blickte der Engel nun zu Jungkook.
Bildete sich Jungkook das nur ein oder wurden die Augen des Engels dunkler? Grauer? „Ich wollte das du der glücklichste Mensch auf der Erde bist." Nein ganz gewiss bildete sich Jungkook das nicht ein. Auch die Flügel wurden immer dunkler. Aber warum? Der Engel atmete unregelmäßiger und Jungkook bekam es nun mit der Angst zu tun. Selbst wenn er seinen Engel kaum kannte, so wollte er dieses schöne Geschöpf nicht gehen lassen. Wer sollte denn sonst sein Schutzengel sein?
„Bleib bei mir.", bat Jungkook und griff nach der Hand des Engels. Fuhr mit seiner anderen über dessen Kopf. Ihm viel einfach nichts Besseres ein was er hätte sagen können. „I-" Doch Jungkook unterbrach Jimin, legte seinen Finger auf dessen Lippen. „Vergeude doch nicht noch mehr Kraft. Du wirst gesund und kannst dann weiter auf mich aufpassen. Wer sollte es denn sonst tun als mein Schutzengel?", aus Jungkook Worten sprach Verzweiflung. „Ein neuer wird für dich da sein.", Jimin flüsterte. Hieß das er wollte wirklich gehen?
„Ich mag keinen anderen!", beschloss Jungkook. Sein Herz klopfte wie noch nie, noch nie hatte er sich so hilflos gefühlt. „Du kennst mich doch nicht.", flüsterte Jimin wieder. Jungkook überlegte. „Als ich kleiner war hat meine Mutter mir immer von Schutzengeln erzählt. Und wie dankbar wir ihnen sein müssen. Ich habe ihre Geschichten immer geliebt und wenn du genauso bist wie in den Geschichten, dann will ich dich mehr als nur kennen lernen", sagte er schließlich und meinte es so, auch wenn er verschwieg wie sehr sein Herz klopfte und das sich die Wärme weiter in seinem Körper verbreitete.
Jungkook erkannte diese Wärme tatsächlich. Sie war immer da gewesen wenn er sich Mal einsam gefühlt hatte, sie hatte ihm in schwierigen Situationen Kraft gegeben. Und auf einmal Begriff Jungkook das es Jimin war. Die Wärme die ihn immer begleitet hatte, war Jimins Präsens und nun, nun wo er Jungkook ganz nah war fühlte er es stärker und er fühlte ihre Verbundenheit. „Jimin, stopp!", rief Jungkook als er erkannte was Jimin machte.
„Du brauchst mich nicht trösten!" Jimin aber lächelte schwach. „Du kannst mich nicht retten. Meine letzten Kräfte sollte ich dir schenken", Jimins Stimme war leiser, als das vorherige Flüstern. Jungkook schüttelte heftig den Kopf. „Ich brauche dich." Meinte er und wusste das es wahr war. Wie oft hatte er der Wärme gedankt? Wie oft hatte er sich eingebildet wirklich geliebt zu sein? Wie oft hatte er eine Präsens gespürt? Es war Jimin. Es war immer Jimin.
Und jetzt wo Jungkook den Engel vor sich hatte. Ihn wirklich sehen, ihn der Präsens zuordnen konnte, da wollte er ihn einfach allein lassen? „Ich brauche dich.", meinte Jungkook und Klang noch verzweifelter als gerade eben. Er streichelte den Engel hoffte irgendwie auf ein Wunder denn jetzt wo er ihn vor sich hatte. Endlich wusste woher all sein Glück kam, die ganze Präsens. „Ich liebe dich.", flüsterte er dann ebenso verzweifelt, wie er sich fühlte. Jimin blinzelte zu ihm, schaffte es ihn anzuschauen. „Was?"
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