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21:34
»Happy sweet twenty six!«, schrie Holly gegen den Höllenlärm in der Kneipe an und knallte die Bierkrüge so heftig auf den Tresen, dass das Gebräu über den Rand schwappte und das zerkratzte Holz tränkte. »Puh, das grenzt ja schon fast an einen Zungenbrecher. Zumindest bei meinem Pegel.« Der letzte Satz ging in einem Glucksen unter. Meine beste Freundin, eine kleine, stark geschminkte Brünette in bauchfreiem Top, knappen Shorts und gefährlich hohen High Heels, brauchte mehrere Anläufe, bis sie sich endlich auf den Hocker neben mir hochgekämpft hatte. Ein Wunder, dass ihr die Hälfte unserer Getränke nicht schon auf dem Weg zum anderen Ende des Tresens abhandengekommen war, während ich uns nur mit Mühe und Not zwei Barhocker hatte besetzen können.
Ich stöhnte. »Erinnere mich bloß nicht daran«, brüllte ich dann in der gleichen Lautstärke zurück und fügte missmutig hinzu: »Hast du nichts Stärkeres auftreiben können?« Trotzdem schüttete ich das Bier in mich hinein. Wie erwartet, rann es lasch und fast ein wenig schal meine Kehle hinab. Immerhin war es kühl, was man von der stickigen, rauchgeschwängerten Luft in der Lame Cavern nicht behaupten konnte.
Körper an Körper drängten sich die Leute in dem schummrig beleuchteten, aus Stein gehauenen Schankraum aneinander. Egal, ob an der langen Bar, den rustikalen Tischen und Stühlen an den Felswänden oder dem Bereich dazwischen, der als eine Art Tanzfläche diente. Überall waren Menschen, die sich zur Musik bewegten. Immer wieder streifte mich eine Hand, ein Arm, ein Bein, begleitet von einer Mischung aus penetrantem Parfum, Alkoholfahnen und Schweiß. Der Blues dröhnte so laut aus den Boxen, dass der Bass und die rhythmischen Schläge tief in meinen Knochen vibrierten.
»Mehr war bei meinem läppischen Gehalt nicht drin.« Holly zuckte mit den Achseln, mehr war bei ihr auch in Sachen Entschuldigung nicht drin. »Wenn's dir nicht passt, schmeiß dich doch an den Typen da ran«, wahllos haute sie einem jungen blonden Mann, der mit dem Rücken zu ihr stand, auf die Schulter, »der gibt dir bestimmt einen aus.«
»Hm?« Mit fragend hochgezogenen Augenbrauen drehte sich der Typ zu ihr um.
Ohne Umschweife hielt sie ihm ihre Hand hin, die er offensichtlich überrumpelt, aber nicht abgeneigt schüttelte. »Holly.« Sie deutete auf mich. »Jane – sie hat heute Geburtstag und würde sich sehr über eine dementsprechende Aufmerksamkeit freuen.« Es folgte ihr strahlendstes Lächeln, das selbst mich regelmäßig schwach werden und ihre Dreistigkeit viel zu schnell verzeihen ließ.
Der Typ erwiderte das Lächeln ebenso strahlend, er hatte angebissen. »Hi, alles Gute, Jane, ich bin Zack und das hier«, Zack wandte sich einem schlanken Dunkelhaarigen neben sich zu, der kurz darauf zu uns trat, »ist Jean-Luc.« So bescheuert ich den Namen auch fand, seine dunklen Augen nahmen mich sofort in seinen Bann. Jean-Luc zwinkerte mir zu, dann beugte er sich näher und rief mir über das Getöse hinweg mit einem wirklich heißen französischen Akzent ins Ohr: »Für das Geburtstagskind wäre ich auch für mehr als nur einen Drink zu haben.«
Anmerkungen
21:34
Durch die Uhrzeit gibt es zwar eine gewisse Orientierung, aber der Zeitsprung ist trotzdem etwas willkürlich. Ein Zeitsprung (eine Rückblende oder ein Vorgriff) braucht immer einen Auslöser. Hier könnte der Auslöser der Handtaschen-Inhalt sein und somit auch der Grund, warum Jane mit der U-Bahn unterwegs ist. Meine Idee, den Charakteren mehr Tiefe zu verleihen, ist noch nicht ganz ausgereift, aber ich dachte, dass der Trope "Amnesie" ganz gut wäre. Ja, es ist klischeehaft, dass man den Charakteren einfach einen Gedächtnisverlust andichtet, wenn man selbst nicht so genau weiß, wer sie eigentlich sind oder sein sollen. Was besseres ist mir tatsächlich nicht eingefallen. Meine gesamte Plotkapazität geht aktuell für ein größeres Projekt drauf ...
»Happy sweet twenty six!«, schrie Holly gegen den Höllenlärm in der Kneipe an und knallte die Bierkrüge so heftig auf den Tresen, dass das Gebräu über den Rand schwappte und das zerkratzte Holz tränkte.
Wir erfahren - mal wieder in einem ewig langen Satz -, dass Jane vor der U-Bahn in einer Kneipe gewesen war und offenbar ihren 26. Geburtstag gefeiert hat. Das will ich auch so ähnlich beibehalten, nur, dass die Szene noch ein bisschen früher einsetzt und es einen direkten Bezug zum ersten Kapitel gibt (Handtaschen-Inhalt). Wenn ich die Sache mit der Amnesie durchziehen will, kann Holly allerdings nicht Janes beste Freundin sein. Und Janes Motivation in der Kneipe ist auch eine andere. Anstatt sich zu betrinken, weil sie weiß, was an ihrem 26. Geburtstag passiert, hat sie die Erinnerung an ihre Identität verloren und braucht dringend etwas zu trinken gegen die üblen Kopfschmerzen, die mit dem Gedächtnisverlust einhergehen.
Meine beste Freundin, eine kleine, stark geschminkte Brünette in bauchfreiem Top, knappen Shorts und gefährlich hohen High Heels, brauchte mehrere Anläufe, bis sie sich endlich auf den Hocker neben mir hochgekämpft hatte.
Wieder so ein langer und umständlicher Satz. Wenn die Szene früher einsetzt, braucht es diese zwischengequetschte Beschreibung von Hollys Aussehen nicht.
Ein Wunder, dass ihr die Hälfte unserer Getränke nicht schon auf dem Weg zum anderen Ende des Tresens abhandengekommen war, während ich uns nur mit Mühe und Not zwei Barhocker hatte besetzen können.
Bei dem Satz ist es genau das Gleiche: zu lang und die Info, dass Jane auf das Getränk gewartet hat (weil sie ohne Geld auf Hollys Hilfe angewiesen ist), braucht es dann auch nicht mehr, wenn das vorher schon klar ist.
Ich stöhnte.
Tatsächlich wäre hier mal ein Adjektiv nicht schlecht, um Janes Emotionen deutlich zu machen. Es gibt ja mehrere Möglichkeiten, wie man stöhnen bzw. aufstöhnen kann:
- Erleichterung oder Entspannung: Ein tiefes, entspanntes Stöhnen, oft begleitet von einem Seufzen, wenn man sich hinsetzt oder sich entspannt.
- Schmerz oder Unbehagen: Ein verzerrtes Stöhnen oder Aufstöhnen, wenn man Schmerzen empfindet oder sich unwohl fühlt.
- Überraschung oder Staunen: Ein kurzes, leises Aufstöhnen oder Stöhnen, wenn man überrascht oder erstaunt ist.
- Genuss oder Zufriedenheit: Ein leises, befriedigtes Stöhnen, wenn man etwas Leckeres isst oder ein angenehmes Gefühl erlebt.
- Frust oder Ärger: Ein lautes, frustriertes Aufstöhnen, wenn etwas nicht nach Plan läuft oder man sich ärgert.
- Erschöpfung oder Müdigkeit: Ein ermüdetes Stöhnen, wenn man sich müde oder ausgelaugt fühlt.
- Sexuelle Erregung: Ein lustvolles Stöhnen oder Aufstöhnen kann Ausdruck sexueller Erregung sein.
Quelle: https://chatgpt.com/
Ein Stöhnen oder Seufzen vor Schmerz oder Unbehagen finde ich ganz passend. Vor allem in Bezug darauf, dass Jane durch Hollys Bemerkung daran erinnert wird, dass sie nicht einmal weiß, ob sie Geburtstag hat. Denn sie geht nur davon aus. (In ihrer Handtasche befinden sich Hinweise, die so eine Schlussfolgerung zulassen würden.) Und irgendwie muss sie Holly ja dazu bringen, ihr etwas zu trinken zu spendieren.
»Erinnere mich bloß nicht daran«, brüllte ich dann in der gleichen Lautstärke zurück und fügte missmutig hinzu: »Hast du nichts Stärkeres auftreiben können?«
Letzteres könnte Jane mehr vor sich hinmurmeln. Außerdem wäre es sinnvoller sie sagen zu lassen, dass etwas Schwächeres besser gewesen wäre. Alkohol kommt bei Kopfschmerzen nicht so gut. Und Jane will ja eigentlich einen klaren Kopf behalten, um ihr Ziel nicht aus den Augen zu verlieren.
Wie erwartet, rann es lasch und fast ein wenig schal meine Kehle hinab.
"Wie erwartet" passt in dem Amnesie-Kontext nicht mehr.
Körper an Körper drängten sich die Leute in dem schummrig beleuchteten, aus Stein gehauenen Schankraum aneinander.
Diese Umgebungsbeschreibung passt etwas früher in der Handlung besser, wenn ich beschreibe, wie Jane zusammen mit Holly von den Toiletten (dort ist Jane wieder zu sich gekommen) in den Schankraum/Barbereich geht.
Parfum
"Parfum" oder "Parfüm" geht beides, allerdings wird eher "Parfüm" empfohlen.
Der Blues dröhnte so laut aus den Boxen, dass der Bass und die rhythmischen Schläge tief in meinen Knochen vibrierten.
Das könnte man mit den Kopfschmerzen verbinden. In einem Versuch, die Kurzgeschichte zu überarbeiten, aber mit nicht genug Abstand zum Text, hab ich es so formuliert: "Der Blues dröhnte so laut aus den Boxen, dass der Bass und die rhythmischen Schläge tief in meinen Knochen vibrierten und ich nicht mehr unterscheiden konnte, ob das Wummern jetzt von der Musik kam oder doch auf meinen Puls zurückzuführen war. Gut möglich, dass es beides war."
Holly zuckte mit den Achseln, mehr war bei ihr auch in Sachen Entschuldigung nicht drin.
Daraus kann man zwei Sätze machen.
»Wenn's dir nicht passt, schmeiß dich doch an den Typen da ran«, wahllos haute sie einem jungen blonden Mann, der mit dem Rücken zu ihr stand, auf die Schulter, »der gibt dir bestimmt einen aus.«
Von der Interpunktion (Zeichensetzung) her, ist das nicht die eleganteste Lösung.
"Wenn's dir nicht passt, schmeiß dich doch an den Typen da ran ..." Wahllos haute sie einem jungen blonden Mann, der mit dem Rücken zu ihr stand, auf die Schulter. "Der gibt dir bestimmt einen aus." - Wäre etwas besser.
»Holly.« Sie deutete auf mich. »Jane – sie hat heute Geburtstag und würde sich sehr über eine dementsprechende Aufmerksamkeit freuen.« Es folgte ihr strahlendstes Lächeln, das selbst mich regelmäßig schwach werden und ihre Dreistigkeit viel zu schnell verzeihen ließ.
"Holly", stellte sie sich knapp vor und deutete auf mich. "Jane - sie hat heute Geburtstag und würde sich dementsprechend sehr über eine kleine Aufmerksamkeit freuen. Ich übrigens auch." - Wäre etwas besser. Das "strahlendstes Lächeln, das selbst mich regelmäßig schwach werden und ihre Dreistigkeit viel zu schnell verzeihen ließ" passt logischerweise nicht in den Amnesie-Kontext, weil Jane dieses Lächeln wahrscheinlich gerade zum ersten Mal sieht.
Der Typ erwiderte das Lächeln ebenso strahlend, er hatte angebissen.
Auch hier könnte man wieder zwei Sätze draus machen und vielleicht noch zeigen, wie der Typ Holly mustert, bevor er zurücklächelt. In einem Überarbeitungsversuch hab ich das so formuliert: "Der Kerl blinzelte noch einmal, musterte Holly von Kopf bis Fuß und wieder zurück, wobei sein Blick etwas zu lang an ihren nackten Beinen, ihrem flachen Bauch und dem tiefen Ausschnitt ihres engen Tops hängen blieb, bevor er ihr Lächeln ebenso strahlend erwiderte. Er hatte angebissen."
»Hi, alles Gute, Jane, ich bin Zack und das hier«, Zack wandte sich einem schlanken Dunkelhaarigen neben sich zu, der kurz darauf zu uns trat, »ist Jean-Luc.«
Abgesehen davon, dass die Interpunktion hier wieder etwas meh ist, fehlt noch Handlung. So oder so ähnlich zum Beispiel (auch das hab ich in einem Überarbeitungsversuch formuliert):
Sein "Hi" klang verdächtig atemlos und es war ausschließlich für Holly bestimmt. Nachdem er sich wieder gefangen hatte, bedachte er mich mit einem höflichen Nicken. "Alles Gute, Jane."
"Danke." Meine Mundwinkel zuckten.
Holly legte den Kopf schief. "Und wie heißt du, mein Süßer?" Ihre Finger strichen über den Unterarm des Fremden. Der bekam eine Gänsehaut. Holly kicherte zufrieden. Und ich trank peinlich berührt einen großen Schluck Bier, das immer noch mehr schlecht als recht schmeckte. Ich verzog das Gesicht.
"I-ich, äh, bin Zack", antwortete Zack. Er fuhr sich durch die abstehende Ponypartie seiner Kurzhaarfrisur. Scheinbar ratlos sah er von Holly zu mir, dann änderte sich sein Gesichtsausdruck, als hätte er sich gerade an etwas erinnert, das ihm zuvor entfallen war. "Und das hier ..." Zack wandte sich ab und redete auf einen schlanken Dunkelhaarigen neben sich ein, der kurz darauf zu uns trat. "... ist Jean-Luc."
... seine dunklen Augen nahmen mich sofort in seinen Bann.
"... seine dunklen Augen zogen mich sofort in seinen Bann." - Müsste es eigentlich heißen. Aber das ist sehr klischeehaft und geht auch viel zu schnell. Ja, für die weitere Handlung ist es wichtig, dass Jean-Luc und Jane sich näher kommen, allerdings fände ich es an dieser Stelle noch besser, wieder etwas mehr Spannung (also Kontext zum Hauptkonflikt) reinzubringen. Und zwar könnte Jane hinter Jean-Luc eine dunkel gekleidete Gestalt sehen, die an den Typen aus dem ersten Kapitel erinnert. (Ob es sich dabei wirklich um den Typen in Schwarz handelt oder nicht, weiß ich selbst noch nicht.) Das wäre dann auch eine gute Überleitung zum nächsten Kapitel.
Jean-Luc zwinkerte mir zu, dann beugte er sich näher und rief mir über das Getöse hinweg mit einem wirklich heißen französischen Akzent ins Ohr ...
"Jean-Luc zwinkerte mir zu. Er beugte sich vor und über das Getöse hinweg vernahm ich seinen wirklich heißen französischen Akzent an meinem Ohr." Entweder man formuliert das so oder man fügt noch hinzu, wie Jean-Lucs Lippen (bzw. Atem) an Janes Ohrmuschel kitzeln, so nah kommt er ihr. Das "heiß" kann dann durch eine körperliche Reaktion ersetzt werden (auch wenn es eine irrationale Reaktion ist, da es so schnell geht und Jane eigentlich keine Zeit für sowas hat), was dann mehr Show don't tell ist.
Das soll es fürs Erste mit meinen Anmerkungen und Ideen zu diesem Kapitel gewesen sein. Falls dir noch etwas auffällt oder dir noch etwas besseres als der "Amnesie"-Trope einfällt (also du bereits jetzt eine andere Theorie hast, wie das Ganze aufgelöst werden könnte), dann lass es mich gern in den Kommentaren wissen.
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