Dreizehn
"Das ist nicht dein Ernst, oder? Das kann doch gar nicht sein... Du kannst dich doch nicht bei mir einschleimen und dann so tun, als wäre meine Mutter, auch deine-..."
"Aber es stimmt."
Mir ist wohl deutlich anzuhören, wie verzweifelt ich bin. Wenn Constanze mir nicht einmal glaubt, wer soll mir dann noch glauben. Vielleicht war es auch ein riesen Fehler ihr das anzuvertrauen.
Zudem scheint auch Constanze nicht besser gelaunt zu sein. Durch den Lautsprecher meines Handys dringt ein lautes genervtes Ausatmen.
"Cäcilia, das hätte ich nun wirklich nicht von dir geglaubt. Nur weil deine Familie nicht die Vorzeigefamilie ist und deine Leben gerade insgesamt so ziemlich schief läuft, hast du noch immer keinen Grund, dir eine Familie zu suchen, so wie es dir gerade passt. Glaub mir, ich hasse solche Menschen, die versuchen sich durch einschleimen in meine Familie zu schmuggeln. Das gab es schon oft genug, und ich..."
Ich höre schon gar nicht mehr richtig zu, denn das was sie sagt, lässt mein Herz noch ein Stück mehr in tausende Teile zerbrechen. Ich kann nicht glauben, dass sie das von mir denkt. Tränen laufen über meine Wangen. Trotzdem bin ich wütend, auf meine Eltern, auf Constanze und auf die ganze Welt.
Erneut leuchtet das Display meines Handys auf. Mein Vater versucht schon wieder mich zu erreichen. Kurz entschlossen nehme ich das Handy beende den Anruf mit Constanze, ohne etwas zu sagen oder darauf zu achten was sie sagt, und schalte mein Handy aus.
Es fühlt sich gut an, irgendwie befreiend. Ich wische mir die Tränen von meinen Augen, rücke meine Klamotten zurecht und stehe auf. Zielstrebig verlasse ich die Hütte und gehe durch unseren Garten, immer darauf bedacht keine lauten Geräusche zu verursachen.
Es muss schon ziemlich spät sein. Die meisten Lichter in der Nachbarschaft sind schon ausgeschalten, sodass nur noch das Licht der Straßenlaternen mir meinen Weg zeigt. Ich muss weg von hier. Meine Eltern dürfen mich nicht finden, ich will allein sein und über all diese Dinge, die mich seit den letzten 24 Stunden belasten, nachdenken.
Irgendwie schaffe ich es bis zum Bahnhof. Eigentlich will ich nicht zurück ins Internat, nicht zurück in das gemeinsame Zimmer mit Constanze und auch nicht unbedingt auf Leni treffen. Aber ich weiß nicht, wo ich sonst hin soll. Ich habe keinen anderen Platz, an dem ich mich wohlfühle.
Vor morgen früh fährt hier aber eh kein Zug, was heißt, dass ich noch die ganze Nacht Zeit habe um nachzudenken und Ordnung in das Chaos in meinem Kopf zu bringen.
Doch auf einmal wird mir klar, dass doch eigentlich schon alles klar ist. Ich bin immer noch die selbstbewusste Cäcilia, die sich von niemandem etwas sagen lässt. Ich habe meiner Schwester die Wahrheit gesagt, jetzt muss ich sie nur noch davon überzeugen. Aber was jetzt vielleicht viel wichtiger ist, ist das mit Leni wieder in Ordnung zu bringen.
Gerade jetzt, wenn ich im Dunkeln an einem verlasenem Bahnhof sitze, merke ich, wie sehr sie mir fehlt und wie langweilig und farblos mein Leben ohne sie doch ist. Auch wenn ich ihr in letzter Zeit einiges verschwiegen habe, weiß ich dass ich ihr eigentlich alles anvertrauen kann.
Es lag an mir. Ich konnte mich ihr nicht öffnen. Vor ihr nicht zugeben, dass die Eiskalte-Cäcilia auch Trauer in sich trägt.
Fest entschlossen ziehe ich mein Handy aus meiner Hosentasche und schalte es an. Ich muss ihr schreiben, vielleicht fällt es mir auf diesem Weg einfacher, ihr meine Gefühlswelt zu beschreiben und ihr zu zeigen was mich alles gerade so aufwühlt.
Als sich mein Handy anschaltet und ich meine Pinnummer eingebe, ploppen dutzende Nachrichten auf. Ich überfliege die zahlreichen Pop-Ups: Einige verpasste Anrufe von Papa<3 und auch von Mama<3, ein paar neue Nachrichten aus dem Einstein-Chat und zu guter Letzt, drei neue Whatsapp Nachrichten von Leni💖.
Ich beachte die anderen Benachrichtigung schon gar nich mehr und öffne direkt Lenis Nachrichten. Mein Herz pumpt, ich habe Angst, dass sie mir nur wegen etwas Unnötigem schreibt.
Leni💖 - 22:38 Uhr
Wo bist du?
Leni💖 - 22:39Uhr
Ich mache mir Sorgen!!
Leni💖 - 22:43Uhr
> 1 verpasster Sprachanruf <
Mir huscht ein Lächeln über mein Gesicht. Sie macht sich Sorgen, dass heißt, ich bin ihr nicht egal. Allein beim Anblick ihres Namens und ihres Profilbildes oben links wird mir ganz warm ums Herz.
Am liebsten würde ich sie direkt anrufen, aber mit einem Blick auf die digitale Uhrzeit auf meinem Handy überlege ich mir doch, anders: 03:17 Uhr. Leni schläft sicher schon längst. Das beschließe ich jetzt auch noch ein wenig zu tun, damit ich morgen nicht ganz übermüdet ans Internat zurück komme.
...
Plötzlich werde ich von lauter Musik, die tief in mein Ohr eindringt, geweckt. Ich setze mich auf der Bank auf und die Musik wird leiser. Da wo vorher mein Kopf lag, liegt mein Handy. Ich brauche Ewigkeiten bis ich verstehe woher die jetzt leise Musik kommt. Mein Handy klingelt.
Hektisch greife ich danach und nehme den Anruf an, ohne nachzuschauen wer überhaupt anruft.
"Cäcilia Amelie von Toll?"
"Gott Cäcilia, bin ich froh, dass ich dich endlich erreiche."
Ich erkenne sofort die Stimme meiner Mutter. Ich verfluche mich nun dafür, dass ich nicht vorher geschaut habe, wer anruft. Aber irgendwie war ich der Überzeugung, dass es Leni ist.
"Wo bist du? Wir machen uns Sorgen."
"Das braucht ihr nicht, ich bin gerade zurück auf dem Weg ins Internat."
Nach diesen Worten lege ich sofort auf, sodass sie nicht die Change dazu haben, mir etwas zu entgegnen.
Ein Zug fährt in den Bahnhof ein. Ich schnappe meine Sachen und setze mich in den fast lereren Zug und murmele vor mich hin:
"Perfektes Timing, Mama. Danke für's Wecken!"
Ich ziehe mein Handy wieder aus meiner Hosentasche und lese noch einmal die Nachrichten von Leni. Mein Daumen wandert zu dem Anrufen-Symbol. Soll ich sie anrufen? Wie würde sie reagieren?
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