Acht
Ich habe keine Ahnung wie lange ich schon auf der Bank saß und heulte als sich plötzlich jemand neben mich setzte. Mein Kopf nach unten gesenkt, meine Haare verdecken mein Gesicht. Ich erkenne sofort am Geruch der mir entgegen wappt, dass es sich um Leni handelt.
"Also wenn du das nicht kannst, das mit dem Interview, dann kann ich das auch ganz übernehmen. Wirklich kein Problem, ich-..."
Noch während sie redet blicke ich auf, schaue sie an. Ihr noch eben so hilfsbereites Lächeln verändert sich schlagartig zu einem erschrockenem Gesicht.
"Cäcilia, was ist denn los?"
Ich spüre wie sich erneut die Tränen anbahnen. Schnell lege ich meinen Kopf auf Lenis Schulter, denn mehr als ein Schluchzen und Jauchzen bringe ich im Moment nicht heraus. Leni legt sofort ihre Arme um mich. Eine ganze Weile bleiben wir so in der Umarmung liegen, sodass Lenis T-Shirt, an ihrer Schulter von meinen Tränen schon fast durchnässt wird.
Leni streicht mir gleichmäßig über meinen Rücken und versucht mich so etwas zu beruhigen.
"Der Unterricht beginnt in fünf Minuten. Soll ich dich ins Internat bringen? Es macht ja keinen Sinn, wenn du so in den Unterricht gehst."
Langsam richte ich mich auf und schaue sie an. Meine Wangen müssen vom ganzen Heulen wahrscheinlich völlig gerötet sein. Ich denke nach, was würde es bringen wenn Leni mich ins Internat bringt? Sie würde nur selbst auch den Unterricht verpassen.
"Nee, lass mal. Ich schaff das schon. Ich glaube ich brauche eh ein wenig Zeit für mich."
Mit einem leichten Lächeln stehe ich auf und gehe langsam los. Doch Leni ruft mir noch etwas hinterher.
"Okay, aber heute Nachmittag erzählst du mir was los ist. Ich kann es nämlich nicht ertragen, wenn es meiner Freundin schlecht geht."
Hat sie mich gerade wirklich ihre Freundin genannt? Ich kann gar nicht beschreiben wie glücklich es mich macht, das zu hören. Ich bin froh so jemanden wie Leni an meiner Seite zu haben. Ein kleiner Hoffnungsschimmer blitzt in mir auf, vielleicht würde unsere Beziehungspause hiermit schon beendet.
Ich gehe zurück zum Internat, aber nur um mein Einrad zu holen. Ich will damit ein bisschen durch Erfurt fahren, dahin wo nicht so viel los ist. Ich will meiner Oma noch ein letztes Mal nah sein, auch wenn nur in Gedanken.
Zuerst fahre ich nur durch die Altstadt, doch später fahre ich immer weiter hinaus, bis ich in einer ziemlich verlassenen, ländlichen Gegend lande. In meinen Gedanken spulen sie die schönsten Erinnerungen und Momente an Oma Elke ab.
Ich weiß noch ganz genau, als ich noch kleiner war habe ich mit ihr und meinem Opa immer Mensch-ärgere-dich-nicht gespielt. Ich konnte es einfach nicht leiden zu verlieren. Dazu gab es immer Apfelsaftschorle und Omas berühmte Himbeertorte.
Ich kann mich auch daran erinnern wie ich das erste Mal Einrad fahren durfte. Wir haben uns gerade alte Fotobücher angeschaut und ich sah ein Bild auf den meine Oma lachend Einrad fuhr. Ich wollte das natürlich auch so schnell wie möglich ausprobieren und so hat meine Oma ihr altes Einrad heraus gesucht und mir gezeigt wie es geht.
Was würde ich nur dafür tun, solche Momente noch einmal zu erleben? Jetzt ärgere ich mich darüber, dass ich Oma Elke kein einziges Mal in den Sommerferien besucht hatte. Mein Opa war schon gestorben als ich noch ziemlich klein war, seitdem lebt meine Oma alleine in dem großen Haus.
Doch eigentlich sind auch sie nicht meine echten Großeltern, denn ich bin adoptiert. Der Schock sitzt immer noch tief. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass meine Eltern nicht meine Eltern sind.
Ich weiß nicht, wie lange ich hier schon unterwegs bin. Doch die Straßen werden immer voller und so langsam brennt die Sonne auf meinen Nacken. Ich beschließe deshalb wieder zurück zum Internat zu fahren. Meine Tränen sind inzwischen versiegt und nach und nach überstimmen auch die positiven Gedanken an meine Oma die Trauer um sie.
...
Im Internat zurück lege ich mich sofort in mein Bett. Es ist inzwischen 12 Uhr, was heißt, dass Leni bald zurück von der Schule kommen müsste. Und da klopft es auch schon an der Tür. Aber entgegen meines Erwartungens steckt Viktor den Kopf herein.
"Hey, ich habe dir die Biologie Hausaufgaben mitgebracht. Leni hat gesagt, du wärst krank."
Ich muss leicht schmunzeln. Leni hat wahrscheinlich alles dafür getan, dass ich für jedes Fach das ich heute gehabt hätte, jemanden habe, der mir die Hausaufgaben mitbringt.
"Danke."
Ich glaube Viktor hat längst gemerkt, dass etwas nicht mit mir stimmt. Er schaut mich prüfend an und schließt dann die Tür hinter sich.
"Willst du reden?"
Ich nicke langsam. Ich bin froh, dass er mich das fragt, er ist mein bester Freund. Ich rücke auf dem Hochbett etwas zur Seite sodass Viktor sich neben mich setzen kann.
Ich erzähle ihm alles. Wie ich den Brief gefunden habe, dass ich durch diesen dann erfahren habe dass ich adoptiert bin, über den Streit mit Leni bis zu dem Tod meiner Oma.
Viktor hört mir einfach nur zu. Und das tut verdammt gut. Jemandem einfach mal sein Herz auszuschütten.
"Und was willst du jetzt machen?"
Ich zucke die Schulter. Das weiß ich selbst nicht so genau. Vielleicht sollte ich meine Eltern noch einmal anrufen und über den Tod von Oma Elke reden oder ich spreche sie direkt auf Frau von Blumenberg an. Eine weitere Möglichkeit wäre, mit Constanze zu reden. Aber ob das etwas bringen würde? Ich weiß es nicht.
"Keine Ahnung... Danke, dass ich dir mein Herz ausschütten durfte, das hat alles irgendwie gleich viel leichter-..."
Ich halte inne. Es kommt mir so vor, als hätte jemand gerade die Tür zugezogen, denn ein leichter Windstoß kommt mir entgegen. Doch vielleicht war alles auch einfach nur Einbildung.
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