Befreiung
<Befreiung>
*Sichtwechsel zu Flo, er liegt im Bett und kann noch nicht einschlafen, ihn bewegen noch Gedanken, über den vergangenen Tag*
Ich hätte ihr einfach meinen Pullover geben können. Ich greife mir an die Stirn und seufze leise. Danke Basti, hab ich wenigstens morgen kein Frühstücksdienst und wenn ich Glück habe, ein bisschen Zeit mit Lia. Ich drehe mich im Bett und versuche eine gute und kühle Schlafposition zu beziehen. Hmm, ich habe mir vorgenommen einen Schritt auf sie zuzugehen, mich irgendwie interessant für sie zu machen und letztendlich hab ich meine Chance vertan und hab dumm reagiert, mich erstmal aus ihrer Perspektive zu sehen, anstatt ihr einfach den Pullover zu geben. Naja, vlt geht's beim nächsten Mal besser aus. Ich muss endlich schlafen. Wie spät ist es denn mittlerweile eigentlich? Ich greife zum Handy und seh 0.18Uhr. Ohman ... wenn ich noch länger wach liege, kann ich die Extra Zeit morgen früh mit Lia gleich vergessen. Nagut noch einmal auf Toilette und dann aber appi betti heiergehen. Ich schäl mich aus meinem Bett und geh zum Bad. Als ich ins Bad gehe, sehe ich, dass neben meiner elektrischen Zahnbürste noch eine andere steht. Wenn ich vorhin nach Fidoren dran war, dann kann diese nur von Lia sein. Die von meinem Bruder kenne ich, weil er nur einen anderen Kopf verwendet als ich. Nachdem ich fertig bin, schließe ich leise die Tür hinter mir und schau nochmal durchs Fenster aufs Meer. Dabei fällt mir auf, dass irgendwas nicht ganz passt. Ich schau auf die Stühle und dann zur Couch. Da liegt ja wer! Ich gehe zum Fenster. Das ist ja Lia! Was macht sie denn jetzt noch draußen? Wenigstens hat sie ne Decke. Dann bemerke ich, dass leise Musik läuft. Ich versuche sie zu verstehen, aber es ist nur sehr dumpf, weil die Tür uns trennt. Soll ich einfach rausgehen und sie fragen, ob alles in Ordnung ist? Ich seh ihre Handbewegung zu ihren Augen. Wischt sie sich Tränen ab? Ich hadere mit mir und entscheide mich nun die Tür zu öffnen, meine Hand wandert zur Tür und ich zögere noch einen Augenblick, dann überwiegt mein Wunsch bei ihr sein zu können. Ich drücke die Türklinke und trete hinaus.
*Sichtwechsel zur Szene, Lia setzt sich auf und sieht Flo aus der Tür kommen, beide sind in ihren Schlafsachen*
„Na kannst du auch gerade nicht schlafen?" fragt Lia, sie blickt zu Flo, der etwas ertappt dasteht. „Ja, schon irgendwie ... bei dir ist alles in Ordnung?" fragt er, während er Platz auf einem Stuhl neben der Couch nimmt. Lia zuckt mit den Schultern und antwortet dann: „Hmm, geht so, ich kann einfach nicht aufhören zu denken. Schule, Ex..." und du... fügt sie in Gedanken hinzu. Er nickt verständnisvoll und sieht sie einfach an. Sie fährt fort: „Was ist mit dir? Was hält dich wach?" Beide fahren sich mit der Hand durch ihre Haare. Er hält kurz inne und denkt du unteranderem ... antwortet dann: „Naja dies und das. Ich dachte an das, was heute passiert ist und auch, was diese Tage noch passieren könnte."
Lia hört ihm aufmerksam zu, rückt ihre Decke zurecht und merkt, dass er eigentlich etwas anderes sagen will, diese Sache aber erstmal verschweigt. Sie nimmt das zur Kenntnis, lässt ihm aber erstmal den Freiraum. Sie lenkt das Gespräch weiter: „Schön, dass es euch gefällt, also hier. Ich hab hier schonmal Urlaub gemacht und es hat mich einfach wieder hierhergezogen."
Flo nickt und schaut den Strand hinunter bis zur Seebrücke. Dabei achtet er auf die Musik und stellt sich wieder die Frage, was dieser Song, der anscheinend in Dauerschleife läuft, für Lia wohl bedeutet. Er beginnt zögerlich: „Du scheinst den Song echt zu mögen ..., so langsam muss ich mir endlich mal nen paar Songs von Nora in meine Playlists packen." Lia lächelt peinlich berührt. Sie sagt nur: „Ja ..., ja der Song hat Bedeutung - ach was solls," sagt sie und scheint sich dann selbst über eine gewissen Schwelle zu rücken.
Sie hatte sich nach ihrem Ex vorgenommen, sich niemals mehr einem Jungen oder sonst welchem Menschen mit all ihren Gedanken hinzugeben, besonders Erinnerungen, die Narben bei ihr hinterlassen haben. Jetzt allerdings reißt sie diese Wand nieder und lässt ihren Gefühlen Raum. Ich habe diese Gedanken schon viel zu lange in mir alleine getragen .... Sie beginnt: „Ich verbinde dieses Lied mit meinem Ex. Ich hab diesen Song ewig hoch und runtergehört als wir uns anfangs kennengelernt haben ... Eine gewisse Vorahnung, dass es nicht lange halten soll, schwang da schon in mir mit. Allerdings wollte ich unbedingt, dass es klappt .... So hab ich mich in ihn verliebt .... Sogar so sehr, dass ich seit dieser Trennung mir selbst Grenzen gesetzt habe, die mich isolieren." Warum wird mir das jetzt erst klar? Ich hab mich schon so oft mit diesem Thema beschäftigt. Warum habe ich das bis jetzt nicht gemerkt.
Sie macht eine kurze Sprechpause und schaut kurz zu Flo. Dieser allerdings sitzt aufmerksam da und hört einfach zu, kein verurteilender Blick, kein falsches Mitleid. Einfach mit dieser Ausstrahlung, Ich bin da. Bestärkt fährt sie fort: „Ich wusste nach der Trennung, dass das, das erste Mal so richtig Verliebt sein war. Mir wurde klar, das ist das letzte Mal, wo du einem Menschen ohne Vorurteile, ohne Narben durch vorherige Trennungen, entgegentrittst. Dann ist mir aber auch aufgefallen, dass das Ganze, das Schlechte, als auch das Gute, in mir weiterlebt. Irgendwie war mir das die ganze Zeit nicht klar - bis jetzt. Danke, dass du mir zuhörst. Ich hab irgendwie das Gefühl, dass du obwohl du nicht sagst, in mir die Selbsterkenntnis hervorholst."
Sie schaut ihm in die Augen. Dabei erkennt sie, ein sanftes Lächeln, dass seine Mundwinkel umspielt. Er nickt leicht und erwidert: „Danke". Eine leichte Brise fährt sanft über die Verander. Flo bekommt eine Gänsehaut und fährt sich mit seinen Händen wärmend über seine Arme. Lia sieht das und winkt ihn auf ihren freien Platz neben sich. Er steht etwas zögernd auf und setzt sich nach einem kleinen inneren Gedankengefecht doch hin. Lia sitzt im Schneidersitz auf der Couch, an eine der Armlehnen gelehnt und reicht ihm ein Teil der Decke, damit er sich zudecken kann. Er setzt sich ihr ebenfalls im Schneidersitz an die gegenüberliegende Lehne und packt seine Beine mit der Decke ein. Sie sieht in kurz an, als er aufschaut, dann blickt Lia aufs Meer. Flo folgt ihrem Blick und sieht das Meer, den Horizont, die Sterne. Sie blicken beide eine ganze Weile aufs Meer. Beide nehmen das Lied, welches ganz leise in Dauerschleife spielt, die leichte Brise vom Meer und die Wärme unter der Decke wahr.
Nach einer kleinen Zeit des Schweigens, pausiert Lia die Dauerschleife. „Ich habe Angst, dass ich mich niemals wieder jemanden so hingeben kann. Ich will nicht wieder alleine gelassen werden, wenn ich den anderen so sehr brauche," beginnt Lia und lässt den Kopf hängen. Flo nickt und schaut Lia leicht mitleidig, aber auch verständnisvoll an. Sie blickt wieder auf und sieht ihn an. „Der Song handelt davon, dass das lyrische Ich nicht weiß, ob es jemals jemand anderen lieben kann und dass es sich verdammt schlecht anfühlt, alleine zu sein und auch noch gesagt zu bekommen, dass es besser sei, den Weg alleine weiterzugehen. Es sagt dies zwar nicht direkt, aber es deutet die Tatsache gut an," erklärt Lia nun das Lied.
„Hast du ein Lied, was dich berührt, es fühlt sich gerade nicht ganz fair an, dir das ganze aufzuladen," fragt sie Flo interessiert. Dieser nickt und scheint einen Moment zu überlegen, als er in Gedanken das richtige Lied ausgewählt hat, guckt er auf Lias Handy. „Darf ich?" fragt er leise. Lia reicht ihm das Handy und er sucht auf ihrem Handy nach einem Song namens „Wenn du mich lässt" von LEA. Er drückt auf Play und der Song fängt an. Flo lässt das Lied einen Augenblick spielen, bis er beim Refrain etwas leiser schaltet und erzählt: „Der Song handelt über ein lyrisches Ich, welches seine Gefühle zu einem anderen Menschen gegenüber aufzeigt. Es spricht darüber, wie tief es für diese Person empfindet, dass es alles für den gegenüber macht, wenn diese es nur zulässt."
Er schaut von dem Handy zu ihr und Lia nickt so, als kenne sie dieses Gefühl sehr gut. Flo fährt fort: „Es sagt auch, dass es die Leiden des Anderen sieht und ihr rücksichtslos auf sich selbst beiseite stehen will." Er macht eine kurze Pause, dann fasst er nochmal zusammen: „Es ist einfach genau das, was sich richtig anfühlt. Sich in dieser Situation dem anderen, den man liebt sich ganz zu schenken. Besonders dann, wenn der Andere sich selbst nicht sieht. Dann einfach da sein, dem Anderen seine Großartigkeit aufzeigen, ihn wiederherstellen, auch wenn das in der Realität doch immer etwas anders aussieht."
Lia nickt und fühlt in sich hinein, ja, genauso hat sie es versucht, immer wieder, bis er sie wegstieß. Ja, sie hat etwas nachgebohrt, weil sie dachte, das Vertrauen ist da, aber es war nicht da. Sie war einfach zu schnell mit ihren Schritten, hat zu viel auf sich geschaut, auf ihre Erwartungen, ihren Status und hat dabei aufgehört, sich in die Lage des anderen zu versetzen, Geduld zuzulassen und den Anderen richtig zu verstehen.
„Ja, das Lied beschreibt ganz gut, wie es für mich war. Allerdings hab ich das kaputt gemacht, was ich am allerwenigsten kaputt machen wollte. Die Anfangszeit war genial, es fühlte sich einfach richtig an. Es hat alles gepasst, die Gespräche, meine Geduld. Dann kamen Prüfungen der Ehrlichkeit ... ich hatte das Gefühl, wir waren wirklich ehrlich zueinander. Aber dann...," Tränen wollen sich einen Weg über ihr Gesicht bahnen, „dann stieß er mich weg, weil er gemerkt hat, dass er nicht auf meiner Ebene sein kann, es fühlte sich an, als wollte er es nicht komplett eingehen, also dieses Risiko sich dem anderen hinzugeben. Diese verdammte ANGST! Außerdem hat er gesagt, dass er sich seit 2 Monaten nicht gut fühlt, er sich unter Druck fühlt ... NACH 2 MONATEN! Ich konnte einfach nicht ... Ehrlichkeit, nur ein kleines Stück Ehrlichkeit, bei Unwohlsein .... Ich hab mir doch auch so viele Gedanken gemacht, ist er es? Kann ich mich ihm wirklich hingeben? Wir hatten Gespräche per Telefon, wir waren uns soo nah und dann will mir Gott erzählen, dass das nicht halten soll? Ich mache ihn nicht schuldig, aber ich habe so gehofft, dass er diese Person nicht nur für eine Lebenslektion in mein Leben schickt."
Lia den Tränen nahe wischt sich mit ihrem Ärmel über ihre Augen, um die Tränen zurückzudrängen und wegzuwischen. Mit den Händen vor den Augen sieht sie nicht, dass Flo zu ihr ran gerutscht ist und ihr seine Arme geöffnet hat. Zwischen den Tränen sieht sie ihn, versteht und lehnt sich in seine Umarmung. Sie schluchzt an seiner Brust. Er hält sie vorsichtig im Arm und legt vorsichtig seinen Kopf auf ihren und streichelt mit seiner rechten Hand über ihren rechten Arm. Als sie sich wieder beruhigt hat, legt sie ihren Kopf an seine Schulter und beide lauschen ein Lied nach dem anderen.
Etwas von Adel Tawil, Ist da Jemand und Niemals allein von SOPHIA. So verblieben die beiden eine ganze Weile. Ein Lied nach dem anderen verstreicht. Zwischendurch setzen sie sich wieder an ihre alte Position auf der Couch und schauen sich an. Sie sprechen kein Wort, aber verstehen so viel. Sie schweigen zwar, aber es fühlt sich nicht schlecht an, denn jeder Blick, jede kleine Veränderung scheint so viel zu sagen, diese Stille auszufüllen.
So sitzen sie lange, bis die Playlist aufhört. Erst dann erwacht Lia langsam aus ihrer Starre und Flo schaut auf seine Uhr. Ihm schießt durch den Kopf Uff, schon drei Uhr!! „Na? Wie spät ist es?" hört er nur die amüsierte Stimme von Lia, als sie seine überraschte Miene sieht. „Kurz nach drei," antwortet er und gähnt. „Ja so war es damals auch, gefühlt kurz telefoniert und zack es war schon dreie..." sagt Lia mit einem wunderschönen Lächeln. „Lass uns lieber noch etwas Schlaf tanken, bevor wir morgen als Zombies durch den Tag wandeln." Flo stimmt ihr mit einem Nicken zu und erhebt sich. Vorsichtig stellt er sich auf und zuckt zusammen, als sein eingeschlafenes Bein fast unter ihm nachgibt. Er hört Lias perlendes Lachen und hält sich an ihr fest, als sie neben ihm steht und zieht sie fast wieder auf die Couch zurück, als beim nächsten Schritt sein Bein tatsächlich nachgibt. „So schlimm?" antwortet sie mit leisem Lachen.
Dann schüttelt er sein Bein und grinst sie verlegen an. Sie hilft ihm hoch und schaut für diese Nacht noch ein letztes Mal auf das Meer. Sie sieht zu ihm, lächelt ihn an und geht kurzer Hand auf ihn zu, umarmt ihn und zieht ihn dann mit ins Haus. In der Küche angekommen, sagt sie ihm noch kurz: „Träum süß." Daraufhin erwiderte er: „Kann ja dann nur von dir sein."
Im plötzlichen Bewusstwerden, was er da gerade gesagt hat, denkt er Was habe ich gerade gesagt??? Daraufhin lächelt Lia in breit an, begibt sich zu ihrer Tür. Sie dreht sich ihm nochmal halb zu und sagt: „Bis morgen." „Bis morgen," antwortet er und geht dann auch in sein Zimmer. Mit dem Gedanken an diese Begegnung schlafen beide ein.
Der nächste Tag
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