4. Kapitel
„Ms. Robertson", grüßte mich Mr. Trembley für meinen Geschmack viel zu euphorisch, als er sich in der aller letzten Sekunde zu mir in den Aufzug zwängte, ehe sich die Türen ächzend schließen konnten. „Wie geht es Ihnen?"
Dieses heuchlerische, aufgesetzte Lächeln hatte mir keineswegs gefehlt. Ebenso wenig wie diese flache Frage nach meinem Wohlbefinden, auf die er wie jeder andere Mensch sonst auch keine Antwort wollte. Mein Morgen war ohnehin schon chaotisch gestartet, weil ich beinahe verschlafen hätte und zu allem Überfluss konnte ich nicht einmal meine Fahrt nach oben in den einundzwanzigsten Stock in Ruhe und Einsamkeit genießen, um mich mental auf die Arbeit vorzubereiten. Warum musste mir Mr. Trembley ausgerechnet heute über den Weg laufen?
„Oh, es geht mir gut, Sir. Wie geht es Ihnen?"
„Gut, gut", murmelte er, während sein Blick stur auf die Etagenanzeige oberhalb der Metalltüren geheftet war, als hielte sie ein Geheimnis bereit. „Wie gefällt Ihnen die Arbeit bei Mr. Taylor?"
Alles in mir verkrampfte sich, als Mr. Trembley unweigerlich auf meinen Boss zu sprechen kam. Selbstverständlich fragte er mich nach Mr. Taylor, wenn ich ihm schon einmal in die Finger kam. Früher oder später hatte ich ohnehin mit dieser Frage gerechnet und dennoch wusste ich nicht recht, was ich darauf antworten sollte. Ich fragte mich, ob hinter dieser vermeintlich vollkommen unscheinbaren Frage nach meinem Wohlbefinden etwas mehr steckte, als Mr. Trembley offen zugeben wollte. Zwar glaubte ich nicht an die Verschwörungstheorien von Mr. Taylor, die er mir unlängst anvertraut hatte, doch machte mich Mr. Trembleys übermäßig aufgesetzte Höflichkeit äußerst stutzig.
„Sehr gut, Mr. Trembley. Ich wollte mich auch nochmal bei Ihnen bedanken, dass Sie mir diese Chance ermöglichen. Ich weiß das wirklich zu schätzen", sagte ich ausweichend und nahm etwas Abstand zu dem dicklichen Anzugträger neben mir. Möglichst unauffällig rümpfte ich die Nase, nachdem mir der Mangel an Deo am CEO von Omega Talents unweigerlich den Atem raubte.
„Konnten Sie Jeremy bereits effektiv unter die Arme greifen?", spezifizierte der Mann neben mir seine Frage kurzerhand und ließ mir somit keinerlei Spielraum mehr dem wahren Grund, weswegen er mich fragte, weiterhin aus dem Weg zu gehen.
Es war durchaus ein wenig befremdlich, dass es tatsächlich Menschen gab, die meinen Chef mit dem Vornamen ansprachen, auch wenn mich das im Falle von Mr. Trembley nicht sonderlich überraschen sollte. Auch Christine hatte das Privileg inne, Mr. Taylor bei seinem Vornamen ansprechen zu dürfen. Wenn das als Frau nur dann möglich war, wenn man sich Mr. Taylor derart an den Hals warf wie Christine es tat, konnte ich darauf allerdings gut und gerne verzichten. Ich wäre ja schon froh, wenn er mir anspruchsvollere Arbeit bieten und mich am besten nie mehr ansehen würde. Seit jenem Vorfall war es eine noch größere Herausforderung, Mr. Taylor überhaupt noch unter die Augen treten zu können. Jedes Mal, wenn es sich vermeiden ließ, blieb ich seinem Büro fern und atmete jedes einzelne Mal erleichtert aus, wenn er mir nicht mehr so nahe wie an jenem Tag gekommen und mich auch nicht aus welchen Gründen auch immer angeschrien hatte.
Unwillkürlich durchflutete eine alles vereinnahmende Gänsehaut meinen Körper und ließ mich unter Mr. Trembleys forschenden Seitenblicken erschaudern. Seinen Blicken nach zu urteilen wusste er ganz genau, dass ich mit aller Macht versucht hatte, dieses Thema weitestgehend zu umschiffen. Wir bewegten uns geradewegs in ein Minenfeld hinein und ich wusste, dass es so oder so keine Chance gab, heil aus dieser Sache herauszukommen. Meine Hände wurden eiskalt und einzelne Bilder, wie ich letzte Woche in Mr. Taylors Büro hereingeplatzt und im Zuge dessen Dinge gesehen hatte, die ich eigentlich nur vergessen wollte, hatten ungewollten Einzug in meine Gedanken.
„Soweit ich das kann, Mr. Trembley", meinte ich, nachdem ich eine gefühlte Ewigkeit geschwiegen hatte und der Boss von meinem Boss keinerlei Zweifel daran ließ, dass er nicht mehr lange Geduld mit mir haben würde.
„Reden Sie doch mal Klartext, Ms. Robertson. So schwer kann das doch nicht sein, will ich meinen. Kommen Sie schon. Wie gut geht es wirklich voran? Wir wissen doch beide, dass Jeremy keine leicht zu knackende Nuss darstellt."
Mr. Trembleys unverhohlene Offenheit überrumpelte mich einen Moment lang und setzte mir ordentlich zu. Es dauerte beachtlich lange, bis ich mich soweit wieder unter Kontrolle hatte, dass ich mich in der Lage sah, Mr. Trembley eine sinnvoll klingende Antwort zu liefern. So lange, dass sich die metallenen Aufzugtüren ,ohne dass ich es bewusst bemerkt hatte, wieder geöffnet hatten und mich unser CEO mit nach oben gezogener Augenbraue vom Gang aus musterte. Räuspernd trat ich zu ihm nach draußen. Ja, die Beförderung war eine unheimliche Chance für mich, aber an die Anzahl an unangenehmen Situationen und Fettnäpfchen musste man sich echt erst einmal gewöhnen. Wenn man sich überhaupt jemals damit abfinden konnte. Normalerweise war ich die geborene Optimistin, aber in dieser Sache war ich mir alles andere als sicher. Daran hatte sich rein gar nichts verändert.
„Naja", begann ich herumzudrucksen und versuchte irgendwie mich nicht vollständig zum Affen zu machen. „Bisher erledige ich in erster Linie Aufgaben, die mir Ms. Jennings zuweist."
„Und?"
Ich zwang mich dazu Mr. Trembleys Adleraugen standzuhalten, musste aber immer öfter blinzeln, was selbst einem Blinden nicht entgehen konnte.
„Dabei handelt es sich in erster Linie um Verwaltungsarbeiten. Ich setze Schreiben auf, sortiere Mr. Taylors Unterlagen."
„Und?", bohrte Mr. Trembley ungehalten weiter und ließ dabei die Hände in den Hosentaschen verschwinden.
Ich hasste es, wie dieses einzelne Wort aus seinem Mund klang. Fast schon wie eine Drohung. Genau wie es Mr. Taylor auch immer tat, wenn er vorsah mich zu schikanieren oder als was auch immer man das, was er mit mir machte, bezeichnen sollte. Wenn ich daran dachte, wie nahe er mir kurz nachdem ich ihn mit Christine gesehen hatte gekommen war, wurden meine Ohren heiß. Ehe ich mich zu sehr darauf konzentrieren konnte, zuckte ich unschlüssig mit den Achseln, um mir noch etwas mehr Zeit zu erschleichen.
„Sonderlich viel habe ich ehrlicherweise nicht mit Mr. Taylor zu tun."
Für den Bruchteil einer Sekunde erwog ich, Mr. Trembley offen und ehrlich die Wahrheit zu sagen. Dass Mr. Taylor mehr als deutlich klargemacht hatte, dass er mich nicht in seinem Büro haben wollte. Dass es ihm am liebsten wäre, wenn ich mich schlichtweg in Luft auflösen würde. Doch so sehr ich es auch gewollt hätte, hielt ich mich selbst rechtzeitig zurück. Selbst Mr. Taylor hatte es nicht verdient, dass ich ihm derartig in den Rücken fiel. Das war eine Frage des Anstands, auch wenn der bei meinem Chef mir gegenüber nach wie vor stark zu wünschen übrig ließ. Davon einmal ganz abgesehen, wollte ich ihm nicht noch mehr Anlass dazu geben, an mir zu zweifeln, sollte er sich jemals bei Mr. Trembley beschweren – falls er das nicht unlängst getan hatte.
„Dann sorgen Sie gefälligst dafür, dass sich das schleunigst ändert, Ms. Robertson. Enttäuschen Sie mich nicht", erwiderte unser CEO wie aus der Pistole geschossen und brachte mich dazu, unwillkürlich einen Schritt vor ihm zurückzuweichen, ehe er sich abrupt in Bewegung setzte und davonstürmte.
Für einen Moment sprachlos, sah ich ihm nach und versuchte zu verarbeiten, was das für eine merkwürdige Begegnung gewesen war. Ich hatte nicht einmal mehr die Möglichkeit gehabt, etwas auf seinen kleinen Wutausbruch zu erwidern. Wenn ich nicht bereits im Vorfeld erfahren hätte, wie Mr. Trembley sich ab und an verhielt und wie aufbrausend er sein konnte, hätte ich Mr. Taylor womöglich doch noch glauben können, dass der Aufsichtsrat immer ein Auge auf ihn gerichtet hatte. Natürlich ging mit meiner Beförderung auch ein höheres Gehalt einher. Eines Morgens hatte ich ein entsprechendes Dokument in meinem persönlichen Fach vorgefunden, welches eben das ganz sachlich aufgezeigt hatte. Demnach war es also nur naheliegend, dass Mr. Trembley wohl lediglich auf seine Weise den Wunsch geäußert hatte, dass ich mich doch besser in die Arbeit integrieren und reinknien sollte, wenn ich auch weiterhin in dieser Rolle tätig sein wollte. Das würde allerdings einiges an Schwierigkeiten mitbringen, wenngleich Mr. Trembley und ich dabei das gleiche Ziel verfolgten.
*
„Okay, genug ist genug", verkündete Hayley, ließ den Karton mit den Requisiten sinken, den sie sich gerade erst hinter der Bühne geschnappt hatte und stellte ihn achtlos neben sich. Mit verschränkten Armen musterte sie mich von Kopf bis Fuß, was dank ihrer erhöhten Position auf der Bühne dazu führte, dass ich den Kopf gehörig in den Nacken legen musste, um ihr überhaupt noch richtig ins Gesicht sehen zu können. Obwohl ihr strenger Gesichtsausdruck lediglich gespielt war, ließ mich das unmittelbar aus meiner Trance hochschrecken. „Du hast nichts von dem gehört, was ich gerade gesagt habe oder?"
Ertappt sah ich zu Boden und beschäftigte mich äußerst intensiv mit der Kiste, um die ich mich hatte kümmern sollen.
„Doch, doch, ich habe nur ..."
„Red doch keinen Blödsinn, Doro. Hättest du wirklich mitbekommen, was ich gerade gesagt habe, wärst du jetzt rot wie eine Tomate", erklärte Hayley schmollend und begann ungeduldig mit der Fußspitze auf dem hellhörigen Holzboden zu tippen. „Also, was geht in deinem hübschen Köpfchen vor? Raus mit der Sprache!"
Ich seufzte.
„Ja, schön. Du hast recht ... Sorry. Es ist nur ... Auf der Arbeit ist so viel los und es fällt mir aktuell schwer, danach noch richtig abzuschalten."
„So ist das also", murmelte Hayley neugierig und ich konnte ihr anhören, wie sie hellhörig wurde. „Hat das denn zufällig etwas mit deinem neuen, zum Anbeißen aussehenden Boss zu tun, Süße? Nicht, dass ich dich dafür verurteilen würde. Oh, ganz im Gegenteil", schnurrte sie.
„Hayley!"
„Was denn?"
„Könntest du ... bitte aufhören so über Mr. Taylor zu reden?", bat ich sie stöhnend, ließ mich auf einen der freien Zuschauerplätze fallen und vergrub das Gesicht in meinen Händen.
Das hier war weder der richtige Ort, noch der richtige Zeitpunkt um über meine angespannte Jobsituation zu sprechen, aber solange wir ohnehin noch auf die Kids warten mussten... Hayley sprang in einer fließenden Bewegung von der Bühne hinunter und belegte kurzerhand den nächsten freien Stuhl neben mir.
„Sorry, Doro. Ich wollte dich nicht auf die Palme bringen", räumte meine Mitbewohnerin und jahrelange Freundin ein.
Die Bestürzung war ihr für mich, da ich sie in- und auswendig kannte, deutlich anzuhören. Hayley konnte man die meiste Zeit nicht mit einer anderen Beschreibung als verrücktes Huhn betiteln, doch eben das war es, was sie für mich so absolut liebenswert machte. Ebenso wie in dem Wissen zu sein, dass sie immer ein Ohr für mich hatte. Auch wenn ich ab und an etwas brauchte, um mich ihr allumfassend anzuvertrauen. Auch wenn sie mir manchmal unheimlich auf den Keks ging. Wenn es die Situation verlangte, konnte sie ernst und fürsorglich sein. Ich musste intuitiv lächeln. Zielstrebig griff ich nach ihrer Hand und verschränkte unsere Finger miteinander.
„Es ist nicht deine Schuld, Hayley. Ich bin momentan nur wirklich durch den Wind und weiß nicht, was ich tun soll", gestand ich, während Hayleys Sorgenfalte auf der Stirn immer tiefer wurde. Aufmerksam beugte sie sich weiter zu mir. Sie war voll und ganz bei mir.
„Was ist denn los? Du wirkst bedrückt. So kenne ich dich ja überhaupt nicht!"
„Es ist wegen Mr. Taylor ...", meinte ich frustriert. „Er lässt mich unverändert nur die Drecksarbeiten machen. Wobei das genau genommen seine Sekretärin Christine übernimmt. Er gibt sich die größte Mühe, sich so wenig wie möglich mit mir zu beschäftigen, damit er bloß keinen wertvollen Sauerstoff an mich verschwenden muss, wenn er spricht."
„Was für ein Flachwichser", sagte Hayley düster und so trocken, dass ich es mir beim besten Willen nicht verkneifen konnte hell aufzulachen, auch wenn das Thema unserer Unterhaltung alles andere als unterhaltsam war. „Da gibt es nichts zu lachen, Doro. Wenn er nicht erkennt, was für ein hübsches und talentiertes Mädchen du bist, dann hat er dich auch nicht verdient."
Angewidert verzog ich das Gesicht.
„Du redest darüber, als ob es um eine Beziehung gehen würde und nicht um einen Job."
„Tut es das denn nicht?", meinte Hayley und grinste mich schief an. Wohl, um mich wieder etwas aufzuheitern. „Dieser Mr. Taylor hat so ein hübsches Köpfchen, aber ganz offensichtlich steckt nicht viel darin."
„Genau genommen würde es mir ja schon reichen, wenn er mir entsprechende Arbeit geben würde, damit ich mich beweisen kann. Ich verlange nicht einmal, dass er aus diesem Grund mehr mit mir kommunizieren soll, das ist ohnehin sicherer so, aber ich habe das Gefühl, dass unser CEO ansonsten mit einem Fingerschnippen einen Ersatz für mich findet. Wahrscheinlich würde sich jede einzelne Frau im Büro die Finger danach lecken für Mr. Taylor zu arbeiten."
Ich konnte spüren, wie Hayleys Griff um meine Hand automatisch fester wurde und ein verdächtiges Strahlen in ihre Augen trat. Zwar hatte sie Mr. Taylor vor nicht einmal einem Wimpernschlag noch als Flachwichser betitelt, aber Hayley war eben Hayley. Sobald ein Mann gut aussah, war das meiste damit schon besiegelt. Außer natürlich, es ging um mich.
„Ich will alles wissen! Jedes noch so kleine schmutzige Detail!", rief sie begeistert und klatschte voller Vorfreude in die Hände.
„Oh, da gibt es nicht viel zu erzählen. Ich habe ihn mit Christine, seiner Sekretärin erwischt. Klischee, oder?"
„Und ich dachte, du hättest schon mit ihm geschlafen. Schade eigentlich ... Das könnte bestimmt die ein oder andere Spannung zwischen euch lösen."
„Du weißt doch ganz genau, dass ich so nicht bin, Hayley", erwiderte ich kopfschüttelnd, nahm ihr das aber nicht weiter übel – das war eben Hayley.
„Schade, ein Versuch war es wert", meinte sie und grinste breit. „Also, du hast ihn und deine Kollegin erwischt bei ...", begann sie, ließ die Frage aber offen, während sie mich gespannt ansah.
Ich räusperte mich und sah zurück auf unsere Hände.
„Sie saß unter seinem Schreibtisch", berichtete ich, ehe ich schwer schlucken musste. „Ich habe nicht viel gesehen, aber ich bekomme das einfach nicht mehr aus meinem Kopf. Christine war das nicht einmal ein bisschen peinlich ... Und Mr. Taylor ... Er hat mich angebrüllt und dann ... Plötzlich war er mir so nahe und ich ... Für einen Moment war ich der festen Überzeugung, dass er mich küssen würde."
„Scheiße, Doro!", rief Hayley schrill, sprang von ihrem Platz auf und begann wild vor meinem Gesicht herum zu gestikulieren. „Glaubst du, er mag dich?", platzte es prompt aus meiner Freundin heraus, was bei ihr aber weder wie eine Frage, noch wie eine Feststellung klang.
„Das ist das letzte, worüber ich mir Gedanken mache, Hayley", gab ich ein wenig zu forsch zurück, denn Hayleys Grinsen verschwand so schnell, wie es gerade auch schon gekommen war. „Ich kann ihm nicht einmal mehr ins Gesicht sehen, ohne mich in Grund und Boden zu schämen. Weder ihm, noch meiner Kollegin scheint das peinlich zu sein, doch mir schon ..."
„Ich glaube, du machst dir da – wie immer – viel zu viele Sorgen. Nichts für ungut, Süße", bekam ich prompt von Hayley zu hören, deren zurückkehrendes Lächeln mich doch gleich wieder ein wenig beschwichtigte. „Sowohl Mr. Taylor, als auch Christine sind erwachsene Menschen. Klar ist es etwas ... unkonventionell, dass sich Chef und Sekretärin so gut verstehen, aber das kommt öfter vor, als man annehmen könnte. Was ist schon dabei? Solange sie das in Zukunft diskret genug machen, würde ich mir da überhaupt nichts mehr dabei denken. Vermutlich wollen beide nur ihren Spaß, mehr nicht."
„Das sagst du so leicht ..."
„Zeig Mr. Taylor, wie professionell du damit umgehen kannst. Lass ihn seinen Spaß haben und fertig. Solange zwischen euch alles ohne Probleme auf einer rein geschäftlichen Ebene bleibt, ist doch alles wunderbar oder etwa nicht?"
„Das versuche ich ja, ich weiß nur nicht, wie ich mit ihm umgehen soll. Mr. Taylor ist ein sehr schwieriger Mann und er konnte mich auch schon vor dieser ganzen Sache nicht leiden."
„Oh, da kennt er dich aber schlecht. Wie gesagt: Er wird dich lieben lernen, Doro. Nicht auf die Art, die ihm möglicherweise vorschweben mag, aber das wird er. Vertrau mir einfach."
Ihre ermutigende, absolut überzeugende Art steckte mich wie auch schon früher so oft vollends an. Sie hatte recht. Den Kopf in den Sand stecken ... So war ich nicht. Ich würde sowohl Mr. Trembley, als auch Mr. Taylor beweisen, dass ich in diese Position gehörte. Von mir aus sollte mein Chef mit dem gesamten Büro schlafen – was vielleicht gar nicht einmal so weit abwegig war – aber ich würde morgen ins Büro gehen und ihn nach einer passenderen Aufgabe fragen. Ich würde einen Teufel tun, mich weiter von ihm einschüchtern zu lassen. Bei anderen Frauen mochte das ja funktionieren, aber bei mir nicht. Voller Dankbarkeit stand ich auf und zog meine Freundin in eine feste Umarmung. Nicht oft war es nötig, dass sie mir so kraftvoll den Rücken stärkte, aber an diesem heutigen Tag hatte ich das mehr als gebraucht.
Als die Kids mit einem nicht zu verachtenden Geräuschpegel und einem bunten Geschnatter wie auf Knopfdruck zu uns in das Gemeindezentrum stürmten, ging es mir schon um ein Vielfaches besser.
Heute war einer jener Tage, an denen ich besonders dankbar dafür war, dass mich Hayley vor ein paar Jahren mehr oder weniger dazu genötigt hatte diese Theatergruppe zu gründen. Das Gemeindezentrum lag unweit unserer gemeinsamen Wohnung und die Stadt hatte uns die Räumlichkeiten mehr als gerne für ein Treffen zweimal die Woche zur Verfügung gestellt. Jeder, der Lust hatte, konnte mitmachen und obwohl wir hiermit kein größeres Ziel verfolgten, außer mit den Kids zusammen Musicals und Theaterstücke aufzuführen, waren die Aufführungen in unserem Viertel längst sehr beliebt geworden. Das lag nicht zuletzt daran, dass unter den High-School-Schülern ziemlich begabte Kids dabei waren. Anfangs war ich diesem Unterfangen eher skeptisch gegenübergestanden, doch hatte mich Hayley mit ihrer quirligen Begeisterung natürlich umgehend angesteckt. Ich hatte jeden einzelnen der Schüler ins Herz geschlossen und freute mich schon unheimlich auf unsere nächste Darbietung, über die wir zunächst noch abstimmen mussten. Eigentlich kümmerten sich Hayley und ich rein um das Organisatorische, aber manchmal, wenn wir etwas Leerlauf hatten oder die Probe bereits vorbei war, mischte auch Hayley fleißig mit. Im Gegensatz zu ihr, reizte mich die Schauspielerei kein bisschen, doch musste ich ihr zugestehen, dass auch sie großes Talent dafür hatte, weshalb sie auch definitiv im nächsten Stück auf der Bühne mitwirken musste. Mir machte es am meisten Spaß die strahlenden Gesichter zu sehen und einen Ausgleich zur Arbeit zu haben, den ich jetzt mehr brauchte als jemals zuvor.
*
Am nächsten Morgen sah die Welt schon wieder gleich viel bunter aus und ich freute mich sogar richtig auf das Büro, denn heute würde ich Mr. Taylor darum bitten, mich für sinnvollere Tätigkeiten einzusetzen. Ich würde dem Rat von Hayley und meiner Überzeugung folgen, dass ich Mr. Taylor beweisen würde, dass ich keine Last für ihn darstellte.
Wie sich herausstellte, sollte mir die Hürde dazu an seine Bürotür zu klopfen wohl erspart bleiben, denn als ich mich meinem Arbeitsplatz näherte, stand die Tür bereits offen. Christine war nirgends zu sehen. Einen Moment lang fragte ich mich, ob ich einfach zu ihm gehen sollte oder ob es einen anderen Grund hatte, wieso seine sonst so akribisch verschlossene Bürotür offenstand, doch Mr. Taylor ließ keinerlei Zweifel offen. Kaum dass er mich bemerkt hatte, huschte sein Kopf nach oben, seine Augen verengten sich und er rief so energisch meinen Namen, dass ich mich sogleich daran machte, seiner Aufforderung Folge zu leisten.
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