Am Kairus
Sheilas war schon an der Tür, da hörte sie noch die hastigen Schritte ihrer Mutter, die rief: "Warte! Ich komme ja schon!" Sheila fiel ein Stein vom Herzen. Nun musste sie nicht allein gehen! Auch Nestor stob ihr hinterher. Er schien froh zu sein, dass Sheila ihm helfen wollte. Sie schloss für einen Moment die Augen und überlegte, wie sie gehen musste, um zum Kairus zu kommen. Dann drückte sie die Klinke und ging hinein in den schwarzen Gang.
Als Sheila, Jennifer und Nestor durch die Luke in das Gefängnis kamen, stand die Eisentür sperrangelweit offen und niemand war mehr zu sehen. Aber Sheila vernahm Schreie, wilde Schreie. Anscheinend war Emanon schon im Aufruhr. "Schnell!", rief sie und rannte den Gang entlang, bis zu einer Kreuzung. Sie wollte gerade um die Ecke biegen, da hörte sie ängstliche und wütende Rufe hinter sich. "Da! Noch mehr Eindringlinge! Schnappt sie euch!" Es waren ein paar Wachen, die die Drei entdeckt hatten. "Verflucht!", schrie Sheila, "Lauft!" Sie flüchtete, so schnell es ging, vor den Wachen, doch sie hatten Flügel und waren weitaus flinker als ihre Füße. Nestor flatterte hinterher und piepste angestrengt: "Sie haben uns gleich!" Plötzlich tauchten vor ihnen eine Gruppe riesiger Bären auf, die wütend knurrten. Panisch wendete Sheila und zerrte ihre Mutter und Nestor in einen Nebengang, wo es stockdunkel war. Sie stolperten weiter, bis zu einer Kreuzung, wählten irgendeinen Weg, kamen an Türen und Hallen vorbei, bis sie keuchend in einer großen, flachen Höhle stehen blieben und verschnauften. Sheila lauschte in die Stille. Sie hatten anscheinend ihre Verfolger abgehängt. "Das war knapp!", stöhnte sie und ließ sich an der Wand hinunterrutschen. Ihre Mutter kam zu ihr und fragte: "Was sollen wir jetzt machen? Weißt du, wie wir Ivan finden können?" Sheila schlug mit der Faust auf den Boden. "Mist, ich habe keine Ahnung, wo wir sind und wie wir zum Kairus kommen! Ich war hier noch nie! Nestor, was ist mit dir?" Nestor schüttelte sein kleines Köpfchen. "Ich kenne mich hier gar nicht aus!", gab er zu, "Mein Königreich ist ganz woanders..."
Sheila ließ entmutigt ihren Kopf sinken. Wie sollte es jetzt weitergehen? Da viel ihr auf, dass auf den Boden eigenartige Muster gemalt worden waren, mit verschiedenen Farben. "Nestor, was ist das hier?", erkundigte sie sich erstaunt. Nestor fixierte mit seinen schwarzen Augen die Erde. "Oh, das sieht so aus wie die Zeichenhöhle der Eisvögel! Ja, sie haben im Laufe der Zeit eine Schwäche für Muster entwickelt... Schließlich leben sie ja an Flüssen und bauen sich Höhlen. Dabei haben sie viele verschiedene Erdschichten entdeckt, mit denen sie anfingen, an die Wände hier unten zu malen. Sie sind unter den meisten Tieren schon als Künstler bekannt! Aber gesehen habe ich ihre Zeichnungen noch nie..." "Das ist es!", schrie Sheila plötzlich auf, "Ich weiß, wie wir den Weg finden!" Ihre Mutter und Nestor blickten sie verwirrt an.
Schnell griff Sheila mit ihrer Hand in die Manteltasche und zog das vergilbte Papier des Sasayaku heraus. Aufgeregt faltete sie es auseinander und blickte auf die vielen Linien. Wo hatte sie diese Höhle mit den Mustern gesehen? Da! Das musste sie sein! Ein großer Kreis mit mehreren Mustern und eine Schrift daneben, die Sheila zwar nicht lesen konnte, aber vermutete, dass es Eisvogel lautete. Und dann stieß sie einen erstaunten Ausruf aus. Von dieser Höhle war es nur ein kleines Stückchen bis zur großen Halle! Schnell knitterte sie das Papier zusammen und rief: "Los! Wir müssen da vorne rechts und dann links!" Die Drei rannten eilig durch mehrere dunkle Gänge, bis sie am Ende laute Schreie vernahmen. Sheila jagte ein Schauer über den Rücken und sie hoffte, dass Ivan noch nicht allzu viel Unheil angerichtet hatte. Sie raste weiter bis zum Ende des Ganges, blickte um die Ecke...
Da stand er. Ivan war schon beim Kairus angelangt und bedrohte die Tiere mit seinem Gewehr. Er hatte sogar-wie Sheila zu ihrem Schrecken feststellte- ein Messer dabei. In der Halle waren mehrere hundert Bewohner Emanons zusammengekommen und versuchten kreischend, Ivan anzugreifen. Dieser grinste aber bloß bösartig und schlug auf die armen Tiere ein. Plötzlich kam Tamira angesaust und jagte auf ihn hinab. Sie wollte gerade ihre Krallen in seinen Arm bohren, da packte er sie am Hals und hielt sie fest. Tamira schrie panisch auf und versuchte weg zu flattern, doch Ivan ließ sie nicht mehr los. Da stieß Anemonius, der gerade erst hereingeflattert kam, einen markerschütternden Schrei aus und stürzte sich auf Ivan. Mit seinen Krallen schaffte er es, eine tiefe Schramme in Ivans Wange zu ziehen, wurde dann aber von dem Gewehr geschlagen und rollte bei Seite. Tamira schrie angsterfüllt und hackte um sich, aber Ivan erhob schon das Messer...
Das war zu viel für Sheila. Sie sprang aus dem Gang hervor und schrie: "Lass sie in Ruhe!" Hinter ihr traten Jennifer und Nestor hervor. Ivan erschrak heftig und ließ vor Entsetzen Tamira fallen, die sich sofort befreite und zu Anemonius flatterte. "Was..was macht ihr hier?", stotterte Ivan. Er konnte es nicht fassen, wie sich Sheila und Jennifer so schnell befreien konnten. "Danke Nestor, unserem Freund!", meinte Jennifer. "Und nun verschwinde! Es ist genug, was du angerichtet hast!" Ivan stand für einen Moment unschlüssig da, dann stotterte er: "Es... es tut mir natürlich Leid, aber... über leg doch Jennifer! All das Geld, was wir hier bekommen..." Er duckte sich unter dem Hieb eines Adlers weg. "Verdammtes Viech!", brüllte er. Der Adler schrie empört.
"Ivan, versteh doch endlich! Das Geld ist mir egal! Es geht um Tierleben! Wenn du diesen Steinkreis zerstörst, werden all die Tiere, die hier leben, sterben!", schrie Jennifer wütend, doch Ivan beachtete sie kaum. Sie kreischte weiter: "Du hast ein Herz aus Stein! Niemand würde das, was du hier machst, tun!" Ivan starrte sie wütend an, bevor er nach einem Wolf schlug, der ihn angreifen wollte. Doch der Wolf wich geschickt aus. Jennifer tobte, aber Ivan ignorierte sie einfach. Er wollte unbedingt diesen Steinkreis, und da konnte ihn niemand hindern!
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