•▪■Kapitel 1■▪•
Daelar rannte zurück an die Reling und sah angestrengt darüber.
Durch den Schaum erkannte er noch die grüne Haut des Orcs, doch die nächste Welle vergrub ihn.
"Sir, es ist wichtig!", drängte der Rekrut, der wohl zum Erfahrungen sammeln mit ihnen mitgeschickt worden war. "Wir benötigen dringend Eure Hilfe!"
Der Paladin starrte noch einen Moment auf das unruhige Gewässer, dann schloss er kurz die Augen.
Seine Panik musste ihn zum Selbstmord getrieben haben.
Und er verstand, warum.
Selbst sein eigenes Herz klopfte wild in seiner Brust angesichts der Worte des Schamanen.
Er hatte nicht gelogen, denn sonst wäre er nicht über Bord gesprungen...
"Sir!" Der junge Elf von fast neunzehn Jahren klang mittlerweile flehend. "Bitte...sie verliert zu viel Blut..."
Endlich verstand er.
Warum auch immer, aber eine schwangere Rekrutin war ebenfalls mitgekommen.
Daelar konnte schwören, dass sein Orden lediglich das Kindergeschrei vermeiden wollte.
"Führ mich zu ihr.", wandte er sich an den Elf, der schon fast niedlich Tränen der Verzweiflung vergoss. "Am besten schnell."
Der Rekrut nickte und eilte unterdeck.
Ohne Rüstung war der Jungspund so flink, dass er bereits die Mannschaftsunterkünfte betrat, während Daelar gerade erst die Hälfte der Treppe hinter sich gebracht hatte.
Zu seinem und wohl auch der Rekrutin Glück befand sich der Raum der Geburt direkt neben der Treppe.
Die junge Elfe lag dort, schwer atmend mit dem blutverschmierten, aber lebendigen Baby in den Armen, doch ihr Körper war blutbesudelt und Daelar wünschte, es wäre nicht er, der hier helfen musste...nur leider war er der einzige Heiler auf diesem Schiff.
"Du musst mir jetzt vertrauen, egal was ich tue, es dient nur deiner Heilung.", wandte er sich an die frischgebackene Mutter, die das auch hoffentlich bleiben würde, und legte seine Handschuhe beiseite. "Verstanden?"
Die Rekrutin nickte nur und ihr Blick huschte zu dem, der ihn geholt hatte und höchstwahrscheinlich auch Schuld daran war, dass überhaupt ein Kind geboren wurde.
Daelar atmete tief ein und aus und betete zum Sonnenbrunnen und dem Licht, dass er erfolgreich sein würde.
Dann legte er seine Hände auf ihren Bauch und begann Worte zu murmeln, auf die seine Hände mit goldenem Licht reagierten.
Für eine Weile ließ er seine Hände dort ruhen, dann bewegte er sie langsam und vorsichtig weiter nach unten, woraufhin die Rekrutin schauderte und ihn mit geweiteten Augen anstarrte, als er ihre Mitte berührte.
Aber was sollte er daran ändern?
Ihm wurde beigebracht, dass bei solchen Geburten die Wunde dort lag und er sie nicht vom Bauch aus heilen konnte.
Zu seinem Glück war er bisher nur zweimal aufgefordert worden, sich um solch eine unangenehme Situation zu kümmern.
Er stoppte die Bewegung seiner Hände und ließ sie dort liegen, bis die Blutung stoppte.
Dann nahm er sie von ihr und merkte amüsiert wie auch verständnisvoll, wie sie sich entspannte.
Während er also seine Hände in einem kleinen Zuber wusch und seine Handschuhe über seine Hände streifte, sah er zu, wie sich der Rekrut zu der Elfe setzte und ihre Hand nahm.
"Wenn ich dir etwas raten darf..." Sofort hatte er ihre volle Aufmerksamkeit. "Wasch dich und das Baby und zieh dich dann an. Der Schamane sagt mir etwas. Nämlich, dass unser Schiff kentern wird. Einige, so sagte er, nur einige von uns werden es schaffen und möchte nicht, dass eine frischgebackene Familie nicht dazugehört."
"Danke...", murmelte der Rekrut und Daelar verließ die Kabine, um seine Gefährten aufzusuchen.
•▪■▪•
"Eben kam die Botschaft, dass es nur noch zwei Stunden bis zum Ziel sind!", rief gerade jemand durch die Gemeinschaftskajüte der Paladin-Offiziere, gefolgt von aufgeregtem Gerede.
"Da bist du ja endlich.", sprach ihn eine Offizierin der Blutritter an. "Ich bin mir sicher, du solltest es wissen. Angeblich wurde nicht nur Land, sondern auch ein Schiff der Allianz auf direktem Kurs auf uns gesichtet. Auf alle Fälle sollten wir alarmbereit sein."
"Ich danke für die Information.", erwiderte er förmlich und ging zu seinem Lager.
Eine Sache.
Da war nur eine Sache, die er noch mitnehmen wollte.
Ein Geschenk seiner älteren Schwester Felian, die Leerenelfe war und ihn für tot hielt.
Es war ein simpler Ring aus Gold und mit einem hellblauen Saphir darin, um den sich goldene Fäden wanden.
Bestimmt war er laut Felian für die Frau, die er eines Tages wählen würde, selbst wenn diese keine Blutelfe war.
Nachdenklich nahm er den Ring an sich und drehte ihn zwischen Daumen und Zeigefinger hin und her und merkte so nicht, wie das Schiff stärker zu schaukeln begann.
"Nur ein kleiner Sturm.", versuchte jemand eine Gruppe panisch anrennender Rekruten zu beruhigen, doch sie blieben.
Sie schienen sich in der Gegenwart der erfahreneren Krieger des Lichts sicher zu fühlen, auch wenn sie bei einem Hexenmeister oder einem Schamanen besser aufgehoben wären.
Daelar nutzte diese Gunst und trat zu dem Paladin, der noch immer beschwichtigend auf die nervösen jungen Elfen einsprach und unterbrach ihn mit einer bloßen Geste.
Alle, selbst die Offiziere hinter ihm, starrten ihn erwartungsvoll an.
"Unser Schamane sagte mir, dass dieses Schiff kentern wird, bevor er sich selbst das Leben nahm." Daelar verengte die Augen zu Schlitzen, während die der Rekruten sich weiteten. "Ich empfehle euch, euch vorzubereiten und sicherzugehen, dass die Rettungsboote kein Leck haben. Proviant werden wir nicht brauchen. Und geht sicher, dass ihr leichte Kleidung tragt, damit ihr im Notfall schwimmen könnt. Eure Ausdauer reicht für mindestens drei Stunden, wenn wir Unglück haben wird dieser Sturm nicht allzu hohe Wellen haben. Aber bereitet euch auf jeden Fall vor!"
Die Rekruten salutierten nicht, sondern stürmten einfach davon.
"Ihr am besten auch.", wandte er sich an die anderen Offiziere.
"Und du?", fragte ein Blutritter misstrauisch. "Was ist mit dir? Verschweigst du uns etwas?"
"Er sagte noch, dass nicht alle von uns es schaffen werden, aber dass die, die es schaffen, heil in Suramar ankommen werden." Daelars Herz begann schneller zu klopfen. "Ich gehöre zu denen, die nicht heil in Suramar ankommen werden, allerdings werde ich überleben."
"Besser als gar nichts.", kommentierte eine Paladin von der Silbernen Hand. "Wenn du dann am Ufer ankommst, kannst du ja zu uns stoßen, da ist dann doch kein Problem."
"Er weiß ja nicht, wo er ans Ufer kommt und..." Ein Blutelf holte kurz Luft. "Wir sollten bedenken, dass er eventuell sein Gedächtnis verliert. Passiert nicht selten bei Schiffsverunglückungen. Dann weiß er ja gar nicht, ob und warum er wie wohin kommen soll."
"Wir wissen also, dass Daelar überlebt, aber nicht an welcher Küste und ob mit Gehirnschaden oder nicht.", führte ein weiterer Paladin die Überlegungen fort.
"Ausgerechnet er!", jammerte eine Offizierin des Argentumkreuzzuges. "Er hat das Herz von Azeroth!"
"Du kannst es ja weitergeben.", schlug jemand vor.
"Und wer sagt mir, dass dieser Jemand nicht auf den Grund des Meeres sinkt?", stellte Daelar die nächste Frage in den Raum, der im nächsten Moment jedoch von einer schweren Erschütterung getroffen wurde.
Alarmiert sprangen alle auf und eilten ans Deck.
Als Daelar nach allen anderen das Deck betrat, fiel ihm direkt eine azeritbestäubte Leiche in die Arme.
Entsetzt ließ er den schwerverletzten und toten Elfen fallen und warf einen leuchtenden Hammer aus heilender Energie zwischen die mittlerweile kämpfenden Passagiere.
Die Rekruten wurden schon in die Boote gesetzt, bis nur noch zwei für die Offiziere blieben.
Einer bereitete eines der Boote schon vor, merkte aber nicht, wie sich ihm von hinten ein Enterer näherte - und das, obwohl das Schiff bald sinken würde...
Daelar gab sich einen Ruck und stürmte auf den Mann mit erhobener Klinge zu, zückte sein eigenes Schwert und schlug ihm den Kopf ab, bevor er überhaupt nur seine Schritte gehört hatte.
Das dumpfe Geräusch des Körpers auf den Planken ließ den arbeitenden Offizier aufsehen und er wollte ihm gerade dankbar zunicken, als neben ihnen plötzlich eine golden-blaue Explosion hochging und der Offizier sich leblos zu seinem Angreifer gesellte.
Daelar hingegen zog sich nur ein paar Splitter aus dem Gesicht und heilte sie, doch dann ertönte auch schon der nächste Ruf und er fuhr herum, gerade rechtzeitig, um die gezackte Klinge seines neuen Gegners abzuwehren und ihm mit einem gezielten Schlag in den Kehlkopf zu töten.
"Wir könnten ein bisschen Heilung gebrauchen!", hörte er von einer Blutritterin, die vergebens versuchte, den Armstümmel eines Argentumkreuzzüglers zu heilen.
"Lass ihn und konzentriere dich auf die nicht tödlich Verwundeten!", rief er zurück und erwiderte den Blick der Angst und Verzweiflung mit Mitleid und Entschuldigung.
Er war es nicht gewohnt, eines anderen Leben im Stich zu lassen, doch die Situation erforderte eine Maßnahme.
Doch dazu, sich um die anderen zu kümmern, kam er nicht mehr.
Dreimal lautes Knallen und dreimal lautes Knacken.
Und dann...brach das Schiff in zwei Hälften.
Genau dort, wo Daelar stand.
Die anderen Offiziere flüchteten in die letzten Rettungsboote und mit einem Fluch versuchte Daelar, sein eines Bein auf eine Schiffhälfte zu ziehen, doch als hätte das Schicksal es so gewollt, verfehlte er, polterte in den Riss, stieß mit dem Kopf mit voller Wucht gegen den ausgefransten Rand der zerbombten Planken und noch während im Schwarz vor Augen wurde, fiel er tiefer...und kam auf irgendetwas holzigem auf, das ihn forttrug von dem Schiff, fort von denen, die so tapfer gekämpft hatten...
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