Schweiß und Schwerter
Ich dachte wir würden sofort mit dem Zweikampf los legen, doch schnell begriff ich, dass das gar nicht so einfach sein würde. Brian erklärte mir, wie ich stehen musste und wie ich gehen musste. Er zeigte mir, wie ich das Schwert zu halten hatte und wie ich es mit möglichst wenig Kraftaufwand und viel Präzision führen konnte. Er zeigte mir die Stellen, auf die man am besten zielen konnte und schärfte mir ein, dass jeder Gegner es bei mir genau so tun würde. Immer wieder ging er mit mir die verschiedenen Bereiche erneut durch und ließ es mich ihm erklären und zeigen, um sicher zu stellen, dass ich mir auch alles merkte und richtig machte. Oft schüttelte er den Kopf oder verbesserte mich, aber die ganze Zeit blieb er ganz ruhig und entspannt, als würde es ihn nicht ermüden mir all die Dinge wieder und wieder und wieder zu erklären. Je länger wir gemeinsam miteinander sprachen und übten, desto besser konnte ich mir vorstellen, wie sein Leben als Heerführer vor dieser einen dunklen Nacht vor zehn Jahren gewesen sein musste. Er wusste so viel und hatte so viel Erfahrung. Ich war ihm dankbar für seine ruhige Art und seine Geduld.
Nach frühestens zwei Stunden zeigte er mir dann die ersten Bewegungen, Verteidigungsschläge, Drehungen, Tricks und Kniffs. Das Schwert war schwer und meine Arme ermüdeten schnell. Ich musste viele Pausen einlegen und trank Unmengen von dem Wasser, das eine alte Frau immer wieder auffüllt. Doch sobald ich wieder ein Gefühl in den Fingerspitzen hatte sprang ich auf um die Bewegungen erneut zu wiederholen, immer und immer wieder, wie ein nie endendes Mantra führte ich sie durch. Manchmal nickte Brian mir anerkennend zu, wenn ich eine Bewegung gut ausgeführt hatte und das motivierte mich über die Maßen. Doch meistens schüttelte er den Kopf oder wies auf meine Fußstellung, die ich vergessen hatte oder auf meine ungeschützte Seite oder irgendetwas anderes. Es war immer etwas, das ich vergessen hatte.
Die Zwillinge waren inzwischen gegangen und hatten sich schon vor über einer Stunde von uns verabschiedet, doch Brian ließ nicht locker. Ich selbst war eben so wenig zufrieden mit mir, wie er es zu sein schien, aber mein Rücken schmerzte und mein Arm fühlte sich an, wie aus Blei und meine Schuhe drückten und nasse Strähnen meiner Haare hingen mir verklebt ins Gesicht und kitzelten mich im Nacken. Erschöpft ließ ich das Schwert fallen und stützte mich schwer atmend mit meinen Händen auf meinen Oberschenkeln ab.
„Komm, weiter, noch einmal, dann kannst du eine Pause machen, Eloen. Das schaffst du doch.", befahl er mir und hob mein Schwert auf, um es mir zu reichen. Doch ich schüttelte den Kopf. „Nein."
„Wenn dich ein Goll angreift kannst du auch nicht einfach nein sagen, Eloen.", schärfte er mir ein und hielt mir das Schert immer noch entgegen.
„Verdammt, nein, du bist kein Goll, also lass mich einfach eine Sekunde verschnaufen.", fauchte ich ihn an. Meine Geduld war am Ende. Ich war hungrig, geschwächt und ausgelaugt.
„Komm schon, reiß dich zusammen und nimm jetzt das Schwert wieder in die Hand.", sein Ton hatte um einiges an Schärfe gewonnen und ich war kurz davor ihm aus Respekt folge zu leisten und nach dem Schwert zu greifen. Es war wie ein Reflex, den er in mir auslöste und das war der Moment, in dem ich begriff, weshalb er Heerführer von Everyn geworden war. Doch meine Frustration und aufkommende Wut siegten über diesen manipulativen Versuch.
„Scheiße nein! Wir sind hier jetzt schon seit... wie lange? Ich weiß nicht einmal wie viel Zeit vergangen ist in diesem steinernen Bunker und noch kein einziges mal hast du gegen mich gekämpft? Was soll ich denn deiner Meinung nach in zwei Tagen machen? Verzeihung Herr Soldat, halten Sie etwas Abstand, ich muss das hier erst noch einmal üben? Nein, verdammt, die werden mich einfach überrennen!", schrie ich ihm ins Gesicht. Seine Mine blieb unbewegt und neutral. „Eloen...", „Nein, nichts Eloen! Das bringt doch alles gar nichts mehr, wenn es in dem Schneckentempo weiter gehen soll! Scheiße, mein Bruder kommt in zwei Tagen und alles was ich kann ist...Nichts!", wild gestikulierend trat ich einen Schritt auf ihn zu, sodass unsere Gesichter nur noch wenige Zentimeter voneinander entfernt waren. Mein Atem ging schnell vor Wut und mein Herz klopfte mir bis in den Hals, der kalte Schweiß auf meinem Rücken ließ mich frieren und meine Beine zitterten vor Anstrengung.
„Eloen, es tut mir leid.", sarkastisch seufzte ich auf. „Ha. Schön.", meinte ich.
„Ich weiß, dass du müde bist und frustriert und gestresst, aber wir können nicht in den Zweikampf gehen, ohne dass du die Grundlagen kennst. Das was du jetzt bereits mitgenommen hast ist besser als nichts und ich bin sehr kritisch mit dir. Oft kämpft man unsauber, wenn man im Gefecht ist und genau deshalb will ich, dass du die Bewegungen so präzise wie möglich verinnerlichst. Damit genug übrig bleibt, wenn du dem Feind gegenüber stehst.", erklärte er mir. Sein blick bohrte sich stählern in meine Augen und fesselte mich, ganz ohne, dass er mich mit seinen Armen halten musste. So schnell, wie meine Wut gekommen war verschwand sie auch wieder. Er hatte recht. Und ich hatte überreagiert. Wieso nur, wieso tat ich mir selbst das an. Frustriert brachte ich wieder einige Schritte Abstand zwischen uns und stemmte meine Hände in die Hüfte. Einige Sekunden war es zwischen uns Still und ich blies mir gegen die nasse Stirn und versuchte mich zusammen zu reißen.
„Okay, also... ", begann ich und wollte nach dem Schwert greifen, dass Brian immer noch hielt, als wir von einem unerwarteten Besucher unterbrochen wurden.
„Prinzessin Eloen, Brian, ich hätte nicht damit gerechnet euch hier zu so später Stunde noch anzutreffen.", überrascht trat Seiradan zu uns, immer begleitet von dem Klimpern seiner vielen Amulette. Brian schüttelte den Kopf und blickte zu Boden, dann sah er mich an: „Komm, geh ins Bett und ruhe dich aus, Eloen, wir hören für heute auf."
„Nein, ich möchte es noch einmal durchgehen.", erwiderte ich entschlossen und nahm ihm mein Schwert aus der Hand. „Okay.", anerkennend nickte er mir zu. „Brauchst du einen Gegner?", kam er mir dann entgegen und schien nach meinem frustrierten Wutausbruch nach einem Kompromiss für mich zu suchen, damit ich mich besser fühlte. Dankbar nickte ich und stellte mich ihm gegenüber in Position. Er zog sein Schwert aus der Scheide und warnte den Hexer, dass er genügend Abstand von uns beiden halten sollte. Ganz langsam bewegte Brian sich mit mir und ich hatte für eine Sekunde das Gefühl zu verstehen, wie er oder die Zwillinge oder Liam sich so einfach und so schnell bewegen konnten, ganz so als würden sie tanzen anstatt zu kämpfen. Aber dann war dieses Gefühl auch schon wieder verflogen und ich musste mich wieder voll und ganz auf Brian konzentrieren, der mich mit Verbesserungsvorschlägen und neuen Bewegungen beschäftigt hielt. Aus der einen Wiederholung wurden zwei, dann drei, dann vier, dann hörte ich auf mitzuzählen. Doch langsam spürte ich, wie es immer besser funktionierte und obwohl mir jeder Zentimeter meines Körpers weh tat wollte ich immer noch mehr.
Eine Stunde später lehnte Seiradan immer noch an einer der Wände und sah uns beim Üben zu. Ich wollte gerade um eine Pause bitten und mir etwas zu trinken nehmen, da erlöste mich Brian mit den Worte: „Gut, gemacht, Eloen, ich bin stolz auf dich.", die Worte des Kriegers lösten ein warmes und glückliches Gefühl in meinem Inneren aus und brachten mich zum lächeln. „Danke.", antwortete ich aufrichtig. Brian ließ sein Schwert zurück in die Scheide gleiten und klopfte mir anerkennend im Vorbeigehen auf die Schulter, dann verabschiedete er sich von dem Hexer und verließ den Übungsraum, als hätten wir nicht Stunden hier verbracht sondern nur wenige Minuten.
Erschöpft stützte ich mich auf den Griff meines Schwertes und verschnaufte.
„Ist es nicht langweilig, so lange bei den immer gleichen Bewegungen zu zusehen?", fragte ich schließlich den Hexer und blickte durch einen Schleier aus losem nass geschwiztem Haar zu ihm herüber. Seiradan stieß sich von der Wand ab und kam gemächlich auf mich zu. „Nein, nicht wirklich. Ich sehe darin eher eine tiefe Entspannung. Aber ich kann verstehen, wenn du mir das nicht nachvollziehen kannst.", er lächelte. Ich hatte das Gefühl, dass ich ihn sehr gern haben könnte. Sicherlich wusste er viele interessante und vergessene Dinge.
„Du solltest schlafen gehen, es war ein langer Tag und die dunklen Ringe unter deinen Augen geben mir so langsam zu denken.", sagte er liebevoll. Ich nickte und ließ mein Schwert zurück in seine Scheide an meiner Hüfte gleiten. Das Adrenalin verließ nach und nach meinen Körper und ließ mich frösteln zurück, mein Hemd war komplett durchweicht und klebte mir am Körper, mit den Händen versuchte ich es von meiner Brust zu lösen und mir etwas Luft zuzufächeln.
Der Hexer hatte sich bereits abgewandt um zu gehen, als ich ihn zurück hielt: „Seiradan, könnt Ihr mir sagen wo ich Liam finden kann? Der Junge man, mit dem ich hier her gekommen bin. Ich habe ihn seit dem Unwetter nicht mehr gesehen und würde gerne zu ihm gehen."
Seiradan nickte wissend und ich fragte mich für den Bruchteil einer Sekunde, wie viel er wohl wusste, kam dann aber schnell zu dem Schluss, dass es mir im Grunde egal sein konnte. „Ich führe Euch hin, sonst verlauft Ihr Euch noch in dem Labyrinth aus Gängen.", dankbar folgte ich ihm, als er den Übungssaal verließ und mich wieder hinab zu den Wohnebenen führte. Meine Beine fühlten sich an wie Seifenschaum und ich hatte Angst, einzuknicken und die Treppen hinunter zustürzen.
„Hier. Das ist die Tür.", meinte der Hexer schließlich und blieb vor einer der unendlichen gleichen Türen stehen, wie er sie auseinander halten konnte war mir ein Rätsel, aber vielleicht lernte man das mit der Zeit. Im Grunde war es mir an dem Abend mehr als gleichgültig. Ich dankte ihm und er verabschiedete sich von mir und wünschte mir eine erholsame Nacht. Als er verschwunden war öffnete ich vorsichtig die Tür und lugte durch den Spalt in den Raum. Und tatsächlich. Dort lag Liam auf einem dieser steinernen Strohbetten, das Gesicht mir zugewandt, die Augen geschlossen, der Atem gleichmäßig und langsam. Bei seinem Anblick konnte ich nicht anders als erleichtert zu lächeln. Schnell schlich ich durch den Spalt, schloss die Tür hinter mir wieder und krabbelte zu ihm aufs Bett. Eine der Öllampen stand am Fußende und spendete gerade so viel Licht, dass ich seine entspannten Gesichtszüge ausmachen konnte.
Ich fühlte mich ausgehungert und ekelhaft klebrig durch meine nassgeschwitzte Kleidung , doch kaum, dass ich bei ihm lag und seinen Atem auf meiner Haut spüren konnte fühlte ich, wie sich mein Körper ganz automatisch entspannte. Ich fühlte mich geborgen.
Vorsichtig zog ich mir das nasse Hemd und die Lederhose vom Körper, sodass ich nur noch meine Unterhose trug. Anschließend nahm ich ein Ende seiner Decke und zog es zu mir herüber, um mich auch damit zudecken zu können. Dann beugte ich mich zu ihm vor und gab ihm einen ganz leichten Kuss auf den Mund, meine Fingerspitzen berührten seine Wange und liebevoll strich ich mit meinen Händen über seine weiche Haut. Auf einmal bewegte er sich und ich befürchtete schon, ihn geweckt zu haben, doch seine Augen blieben weiter geschlossen und ein Arm schlang sich um meine Taille und zog mich näher an seine Brust. Wie in einem Cocoon schlief ich in seinen Armen ein und versank in der schieren Ohnmacht der Erschöpfung.
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