Los geht's!
Seufzend sah Elliot auf die rote fünf auf der Arbeit. Noch eine Arbeit verhauen, das würde seine Mutter gar nicht freuen. Überhaupt fühlte er sich unter den Blicken der Lehrerin und denen der anderen Schüler alles andere als wohl, und als es klingelte, stopfte er alle seine Sachen in den Rucksack und eilte als erster aus dem Klassenraum. Auf seinem Heimweg trödelte Elliot rum, um möglichst lange zu brauchen. Er kickte Kieselsteine über den Gehweg, wirbelte Blätter auf und wartete lange an Ampeln. Schließlich stand er jedoch trotzdem vor der Haustür und schloss auf. "Elliot!" quietschte es und ein kleiner blonder Wirbelwind kam angerannt und umarmte stürmisch seine Beine. Elliot kniete sich hin und drückte seine kleine Schwester fest an sich. Sie roch zart nach Vanille, als er sein Gesicht in ihren Haaren vergrub. Sie lachte ihr helles, unschuldiges Kinderlachen, fasste ihn an der Hand und zog ihn mit sich. Lächelnd folgte Elliot ihr. Sie blieb schließlich stehen und zeigte mit großen Augen auf eine Baustelle. "Das wird mal ein Windkraftwerk", erklärte er. "Mit dem Wind wird Strom gemacht, damit wir warmes Wasser und Licht haben." Das kleine Mädchen nickte wissend und drückte ihre Nase gegen die Terrassentür, um die Baustelle zu bestaunen. Liebevoll küsste er sie auf den Scheitel. Plötzlich ertönte eine leise Stimme hinter ihm. "Elliot, wie schön, dass du da bist. Magst du was essen? Es ist noch Auflauf von gestern da." Seine Mutter lehnte am Türrahmen und sah ihn lächelnd an. Er wurde von Unbehagen gepackt, als er an die Arbeit in seiner Tasche dachte. Trotzdem nickte er schweigend.
Das Esszimmer war der bunteste Ort des Hauses. An den Wänden hingen dutzende Kinderzeichnungen, die meisten von seiner Schwester, aber auch noch manche von ihm. Elliots Blick blieb am Bild eines großen blauen Fischs hängen, dass sie beide zusammen gemalt hatten. Seine Schwester hatte ihm damals mit dem Pinsel einen Klecks auf die Nase gemalt. Daraufhin folgte eine Farbschlacht, bei der sie so lachten, dass sie beide mit Bauchschmerzen auf dem Boden lagen. Auf diese Erinnerungen folgten weitere. Als Elliot ihr die Haare geflochten und mit einer Kordel vom Vorgang zusammengebunden hatte. Als sie hingefallen und sich das Knie aufgeschürft hatte, und er daraufhin ein rosafarbenes Pflaster darauf geklebt hatte. Als sie ihn weinend gefragt hatte, wieso die Fische in ihrem Aquarium Schlitze in den Seiten hatten, ob sie sich verletzt hätten und sterben würden. Wie er ihr versuchte zu erklären, was Kiemen waren, und sie nicht glauben konnte, dass Fische damit unter Wasser atmen können. Alle diese Erinnerungen hinterließen ein warmes Kribbeln in seinem Bauch. Elliot beobachtet seine Schwester, die ihm gegenüber an Tisch saß und mit den Beinen baumelte. Dazu summte sie leise vor sich hin.
Dann hatte sie diese drolligen Grübchen, die er so sehr liebte. Er hob den Kopf und sah in das spiegelnde Fenster. Blasse Haut, Augenringe und eingefallene Wangen. Er war das absolute Gegenteil seiner Schwester, mit seinen dunklen Haaren und Augen.
Mit einem Ruck stand Elliot auf. Sein Entschluss stand fest: er würde sich dieses Leben nicht kaputtmachen lassen.
Seine Mutter stand in der Küche. Elliot räusperte sich und hielt ihr wortlos die Arbeit hin. Bevor sie etwas sagen konnte, fing er an zu reden. "Ich werde mich bessern. Ich hab all die Jahre Mist gebaut mich hängenlassen und das wird mir jetzt klar, ich hab euch das Leben schwergemacht anstatt dir nach Papas Tod zu helfen. Es tut mir leid."
Sie blickte ihn an und breitete ihre Arme aus. Minutenlang standen sie nur da und umarmten sich.
Kurze Zeit später legte Elliot die Arbeit auf den Kopierer. Das Ausgedruckte befestigte er mit ein paar Reiszwecken an der Wand in seinem Zimmer. Täglich würde er sie sehen und daran erinnert werden, was war. Damit er die gleichen Fehler nicht noch einmal beging.
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