Kapitel 8 - Fehler & Festmahl
„GRYFFINDOR!", rief der Sprechende Hut.
WAS?! Vor lauter Schreck blieb ich auf dem Stuhl sitzen. Aber das konnte doch unmöglich sein? Hier musste eindeutig ein Fehler vorliegen. Ich hatte doch selbst schon gesagt, dass ich nicht mutig war.
Ich versuchte, den Sprechenden Hut zu fragen, wieso er das getan hatte, doch er schwieg beharrlich.
Die ersten Schüler begannen schon hinter vorgehaltener Hand zu tuscheln. Wahrscheinlich fragten sie sich, warum ich nicht zu meinem Tisch ging. Aber ich konnte meine Beine immer noch nicht bewegen. Sie fühlten sich an wie Wackelpudding.
Da fiel mir etwas siedend heiß ein: Was würden die Malfoys dazu sagen? Ich schielte zur Seite und blickte in Dracos fassungsloses Gesicht. Yep, dachte ich, ich fühle mich genauso, wie du guckst.
„Miss Black?", fragte eine Stimme neben mir leise. „Wollen Sie nicht langsam aufstehen?"
Ich nickte und wankte wie in Trance zum Gryffindortisch, wo ich mich auf die Bank fallen ließ, ohne zu registrieren, neben wem ich überhaupt saß.
Wütend auf den Sprechenden Hut, aber auch auf mich selbst starrte ich auf das Holz des Tisches. Wieso hatte ich nicht mehr darauf bestanden, dass ich in Slytherin wollte? Bereits jetzt konnte ich mir die Heuler vorstellen, die Lucius und Narcissa mir zweifelsfrei schicken würden. Wir sind ja so enttäuscht von dir, haben uns all die Jahre aufopferungsvoll um dich gekümmert und du verrätst uns und beschmutzt unseren Ruf waren nur einige der Beleidigungen und Vorwürfe, die darin vorkommen würden.
Leise seufzend stützte ich meinen Kopf auf die Hände.
Ich hob erst wieder meinen Blick, als „Malfoy, Draco" aufgerufen wurde. Mein Cousin stolzierte zum Stuhl und hatte mit dem Hut gerade erst seine blonden Haare berührt, als dieser auch schon „Slytherin!" rief. Der grüne Tisch brach in Jubel aus. Ich dagegen stöhnte nur. So hätte es bei mir auch sein sollen. Vielleicht hatte ich aber auch ein wenig gehofft, dass auch Draco nicht nach Slytherin kommen würde, dann wären seine Eltern nämlich auch von ihm enttäuscht und ich wäre fein raus.
Wieder betrachtete ich den Tisch und hing meinen enttäuschten Gedanken nach.
Nur am Rande nahm ich wahr, dass sich jemand neben mich setzte und mich mehrfach ansprach. Ich ignorierte es. Zumindest bis mich die Person in die Seite pikte. Ich war äußerst kitzelig und diese Methode daher unfair. Aber wirkungsvoll.
Genervt sah ich in Harrys grüne Augen. Dann erst bemerkte ich, dass das ja heißen musste, dass er auch in Gryffindor gelandet war. Das schaffte es, mich aus meiner deprimierten Stimmung zu reißen.
„Du bist ja auch hier!", rief ich glücklich und fiel ihm um den Hals.
„Wow", antwortete er nur. „Da hat jemand aber schnell seine Stimmung gewechselt."
Ich ließ ihn los und zuckte mit den Schultern. „Ändern kann ich das jetzt auch nicht mehr. Aber vielleicht werde ich meine Briefe in nächster Zeit lieber erst in meinem Zimmer öffnen."
Er schien zu verstehen, was ich damit meinte.
„Meine Verwandten können mich auch nicht besonders gut leiden. Aber nicht, weil ich ihrer Meinung nach im falschen Haus gelandet bin, sondern weil ich ein Zauberer bin."
„Deine Verwandten sind Muggel?", hakte ich mit großen Augen nach. Ich dachte bisher irgendwie immer er wäre bei Zauberern aufgewachsen. Wer würde Harry Potter, den Jungen, der überlebte, auch nicht aufnehmen?
Er nickte unglücklich.
„Keine besonders Netten. Sie sind glaube ich ganz froh, mich los zu sein."
Wir unterbrachen unsere Unterhaltung an dieser Stelle, denn „Weasley, Ronald" war aufgerufen worden. Harry und ich versuchten beide den besten Blick auf ihn zu erhaschen. Allerdings dauerte es ohnehin nur wenige Sekunden, bis der Hut auch ihn nach Gryffindor schickte. Mit vor Aufregung rotem Gesicht setzte er sich zu uns. Glücklich begrüßten wir ihn und ich musste einräumen, dass meine Zeit in Gryffindor wohl doch nicht so schlimm werden würde wie ich bisher dachte.
Die Häuserwahl war wohl vorbei, denn ein alter Zauberer erhob sich und brachte die gesamte Halle mit einem einzigen Blick zum Schweigen. „Willkommen!", rief er. „Willkommen zu einem neuen Jahr in Hogwarts! Bevor wir mit unserem Bankett beginnen, möchte ich ein paar Worte sagen. Und hier sind sie: Schwachkopf! Schwabbelspeck! Krimskrams! Quiek! Danke sehr." Er nahm wieder auf dem großen goldenen Stuhl Platz.
Mit einem Mal waren die Hautische beladen mit Unmengen an Essen. An dieser Stelle war ich sehr froh, dass ich den Geschmack der Knuddelmuffkotzebohne doch noch los geworden war. Ich schaufelte mir meinen Teller mit allem Möglichen voll. Er war sogar so voll, dass auch Ron mir einen beeindruckten Blick zu warf.
Während ich auf einer Kartoffel herumkaute, betrachtete ich nun doch die anderen Schüler am Tisch. Ich kannte natürlich Harry und Ron, doch auch Hermine Granger saß hier und biss gerade manierlich ein Stück von einer Karotte ab. Na super. Wahrscheinlich wüsste auch ich am Ende des Schuljahres alle Schulbücher auswendig. Mich überraschte, dass sie nicht nach Ravenclaw gekommen war.
Außerdem erblickte ich die Zwillinge, die mich in den Wald hatten schicken wollen. Einer von beiden bemerkte meinen Blick und zwinkerte mir herausfordernd zu. Scheinbar hatte ich wohl keine Entschuldigung zu erwarten.
Ich erkannte noch ein paar Schüler, die vorhin auch mit uns in den Booten gesessen hatten, doch ihre Namen kannte ich noch nicht.
Das Mädchen aus unserem Boot saß mittlerweile am Ravenclawtisch und beobachtete mich ihrerseits aufmerksam. Als sich unsere Blicke kreuzten, lächelte sie mir leicht zu. Ich bemerkte, dass sie keinerlei Anstalten machte, etwas zu essen. Verwundert wartete ich ab, ob sie nicht doch etwas aß, doch als sie mir einen merkwürdigen Blick zuwarf, sah ich eilig weg. Wenn sie keinen Hunger hatte, war das ja ihre Sache. Vielleicht war sie ja noch seekrank von den Booten vorhin.
Neben mir tauchte plötzlich etwas Durchsichtiges auf. Ich erschrak mich natürlich fürchterlich und schleuderte aus Versehen die Erbse von meinem Löffel den Gryffindortisch hinunter. Irgendjemand beschwerte sich lauthals, doch meine Aufmerksamkeit lag weiterhin auf dem Geist.
„Wer sind Sie?", wollte ich wissen und betrachtete ihn fasziniert. Ich wusste zwar, dass es Geister gab, aber ich hatte sie mir trotzdem ... weniger dreidimensional vorgestellt.
„Sir Nicholas de Mimsy-Porpington, zu Ihren Diensten. Hausgeist von Gryffindor; ich wohne im Turm", antwortete das Gespenst mit einer Verbeugung.
„Ich weiß, wer Sie sind", platzte Ron los. „Meine Brüder haben mir von Ihnen erzählt. Sie sind der Fast Kopflose Nick!"
„Ich zöge es doch vor, wenn Sie mich Sir Nicholas de Mimsy nennen würden-", erwiderte der Geist leicht pikiert, doch ein rotblonder Junge unterbrach sie.
„Fast kopflos? Wie kann man fast kopflos sein?"
Sir Nicholas sah höchst verdrossen drein, als ob diese kleine Unterhaltung überhaupt nicht in seinem Sinne verliefe.
„Eben so", sagte er leicht verärgert. Er packte sein linkes Ohr und zog daran. Sein ganzer Kopf kippte vom Hals weg, als ob er an einem Scharnier hinge, und fiel ihm auf die Schulter. Offensichtlich hatte jemand versucht ihn zu köpfen, aber das Geschäft nicht richtig erledigt. Der Fast Kopflose Nick freute sich über die verdutzten Gesichter um ihn herum, klappte seinen Kopf zurück auf den Hals, hustete und sagte: „So – die neuen Gryffindors! Ich hoffe, ihr strengt euch an, damit wir die Hausmeisterschaft dieses Jahr gewinnen? Gryffindor war noch nie so lange ohne Sieg. Slytherin hat den Pokal jetzt sechs Jahre in Folge!"
Ich blickte zum Slytherintisch und sah einen glücklichen Malfoy, der von einer Traube anderer Schüler umringt war. Na, da war aber jemand mit offenen Armen aufgenommen worden. Als hätte er meinen Blick gespürt, grinste er mir spöttisch zu.
Ron neben mir murmelte: „So ein aufgeblasener Vollidiot! Wartet nur, bis wir die ersten Flüche lernen..."
Oh ja, auch ich würde gespannt darauf warten und sie dann mit Freude an Draco ausprobieren.
„Autsch!" Harry schlug sich mit der Hand gegen die Stirn.
„Was ist los mit dir?", fragte ich besorgt.
„N-nichts." Trotzdem blickte er verstört zum Lehrertisch. Genauer gesagt auf einen schwarzhaarigen, hakennasigen Mann. Ich erkannte ihn von einem Foto, das im Anwesen der Malfoys im Wohnzimmer stand. Das musste Severus Snape sein, der beste Freund meines toten Vaters. Ich war schon ganz gespannt darauf, welche Fragen er mir beantworten konnte. Vielleicht sollte ich gleich nach dem Essen zu ihm gehen und mich ihm vorstellen. Wobei ... sicher war ihm das Mädchen aufgefallen, das starr unter dem Sprechenden Hut sitzen geblieben war. Obwohl, fiel es mir ein, er war ja der Hauslehrer von Slytherin. Und Slytherin und Gryffindor konnten sich bekanntlich nicht leiden. Würde er sich dann genauso von mir abwenden, wie es die Malfoys tun würden?
Dumbledore verkündete irgendetwas, doch ich hörte ihm nicht zu, sondern starrte gedankenversunken auf die Schale mit Eiscreme vor mir.
Harry rüttelte mich an der Schulter und bedeutete mir so, dass das Essen beendet war und wir nun alle in unsere Gemeinschaftsräume gingen. Hastig suchte ich Snape in der Menge, doch er war verschwunden. Verdammter Doxiemist!
Seufzend lief ich Ron und Harry hinterher. Aber ich würde ja noch ein komplettes Schuljahr Zeit haben, um Severus mit Fragen zu löchern.
Ein rothaariger Junge, der Ron sehr ähnlich sah, führte uns einmal durchs halbe Schloss – zumindest dem Gefühl in meinen Beinen nach. Mich beeindruckten die sich bewegenden Treppen und die lebendigen Bilder in meinem momentanen, erschöpften Zustand eigentlich gar nicht. Müde trottete ich den anderen Schülern hinterher, bis wir schließlich vor einem Portrait einer ... nun ja, etwas beleibteren Dame anhielten.
„Passwort?", fragte sie.
„Caput draconis", antwortete der Rothaarige, woraufhin das Bild zur Seite schwang und ein rundes Loch offenbarte. Einer nach dem anderen krabbelten wir hindurch. Der Junge zeigte den Jungs, wo ihr Schlafsaal war, während ein Mädchen mit wilden roten Locken uns unseren zeigte. Es war ein rundes Turmzimmer mit fünf Betten. Ich würde mir das Zimmer mit Hermine Granger, einem hübschen indischen Mädchen, einer Blondine, die angesichts des Himmelbetts erfreut aufquietschte und einem weiteren Mädchen teilen. Sie hatte sehr vertraut mit der rothaarigen Vertrauensschülerin gewirkt, sah aber vollkommen anders aus. Zumindest solange, bis ihre schwarzen Haare einen Goldton annahmen. Ein Metamorphmagus! In unserer Stufe! Vermutlich waren die Schüler bisher zu abgelenkt von Harry Potter gewesen, als dass sie sie bemerkt hatten. Doch ich fand ihre Gabe bemerkenswert. Sie verschwand mit der Vertrauensschülerin in eines der anderen Mädchenzimmer und ließ uns zurück. Hermine packte gerade unzählige Bücher aus und räumte sie auf ihr kleines Nachttischchen, was wohl offensichtlich verzaubert war, sonst wäre es schon längst unter dieser Last zusammengebrochen.
Ich ignorierte die Anderen – ich hatte ja noch mehr als genug Zeit, sie kennenzulernen – und warf mich ohne mich umzuziehen oder meinen Koffer auszupacken aufs Bett und war eingeschlafen.
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