Kapitel 21 - Ein Geheimnis
Glücklicherweise war es gar nicht nötig gewesen, sich den lateinischen Namen zu merken oder sich Sorgen zu machen, denn die Eule kehrte problemlos kurz darauf beim Frühstück zurück. Ich biss gerade herzhaft in ein Brötchen, als der kleine Vogel neben meinem Teller landete und den Brief in mein Rührei fallen ließ. Etwas wütend über das nun nicht mehr ganz so appetitliche Ei tauschte ich das Brötchen in meiner Hand gegen den Brief aus und begann zu lesen.
Eleonora, scheinbar hast du herausgefunden, wie eine Eule funktioniert. Du brauchst dich nicht bei mir zu bedanken, immerhin habe ich dir immer noch deutlich weniger geschenkt als Draco. Am Tag vor Ferienende habe ich mal etwas länger Zeit. Wenn du möchtest, könntest du mich ja besuchen kommen, wenn es dir auch keine Umstände bereitet. Vielleicht bis dann. Severus Snape
Verwundert schüttelte ich den Kopf. Was bitte machte er die ganze Zeit über? Es waren doch Ferien, wieso konnte er es nicht so machen wie die anderen Lehrer? Spaß haben, sich erholen und mal nicht so auf den reinen Unterricht versessen sein. Wobei ... Snape und Spaß? Ich hatte ihn zwar von einer ganz anderen Seite als im Unterricht kennengelernt, trotzdem konnte ich ihn mir nicht schneeballwerfend vorstellen, wie Dumbledore und Professor Sprout gestern Abend. In seinen Briefen schien er mir nicht wie üblich vor Sarkasmus zu triefen, sondern fast ein wenig verunsichert, wie er mit mir umgehen sollte. Hastig kritzelte ich eine Antwort, in der ich schrieb, dass ich mich freute und bedankte mich noch einmal für Aridia. Das tat ich nicht, weil ich seinen Kommentar dazu überlesen hatte, sondern einfach um ihn zu ärgern.
Mit einem Blick auf die restlichen Personen am Tisch, registrierte ich Fred und Georges gierige Blicke, die den Brief musterten. Wahrscheinlich wüssten sie nur zu gerne, was drinsteht. Dementsprechend beeilte ich mich etwas und drückte ihn Aridia gleich wieder in den Schnabel. Sie schien zu wissen, bei wem sie ihn abliefern sollte und flog los. Mit enttäuschten Mienen sahen die Zwillinge ihr nach.
„Na, neugierig?", fragte ich sie.
„Pff, wir doch nicht. Da ist ja Drachendung nach Farben sortieren interessanter als deine kleinen Briefchen da", gab Fred zurück. George musterte mich abschätzend. „Trotzdem wüsste ich gerne, woher du dieses possierliche Vögelchen hast. Und nicht, dass ich nicht unhöflich erscheinen wollte, aber wer schreibt dir denn bitte?"
„Das bleibt wohl mein Geheimnis", erwiderte ich geheimnisvoll. Ich wusste nicht, in wie weit Schüler und Lehrer darüber informiert waren, dass Severus mein Pate war. Und bevor es zu Gerüchten über Bevorzugung (ha, von Snape doch nicht!) kommen würde, hielt ich es lieber geheim. Zudem hatte ich erst einmal außerhalb des Unterrichts mit ihm geredet und er hatte mir keine besseren Noten, sondern eine Eule geschenkt. „Und viel Spaß beim Drachendung sortieren!" Ich grinste und wandte mich an Harry und Ron neben mir. Die beiden hatten die ganze Zeit über schon miteinander getuschelt. Durch die Wortfetzen, die ich aufgeschnappt hatte, hatte ich mir zusammengereimt, dass Harry Ron zu irgendetwas nicht geweckt hatte, und dieser daher sauer auf Harry war. Hatte es vielleicht besondere Sternschnuppen gegeben? Ich liebte Sternschnuppen. Oder allgemein Sterne. In Astronomie war ich eigentlich nur deshalb so schlecht, weil ich mir die Sternbilder lieber ansah, als sie zu benennen. Und mal wirklich, musste ich von allem die genaue Konstellation wissen? Ich finde nicht.
„Na, was habt ihr heute so vor?", wollte ich von den beiden Jungs wissen. Erschreckt fuhren sie hoch, sie hatten nicht bemerkt, dass ich sie beobachtet hatte.
„N-Nichts", stotterte Harry und machte ein schuldbewusstes Gesicht. Ich zog die Augenbraue hoch.
Er wechselte einen kurzen Blick mit Ron und beugte sich schließlich ganz nah an mein Ohr. „Wenn du heute Abend in den Gemeinschaftsraum kommst, kannst du mitkommen. Ich habe da etwas entdeckt."
Meine Neugier war geweckt. Gleichzeitig aber auch meine Furcht, in etwas reinzugeraten, aus dem ich nicht wieder herauskam.
„Was ist das denn, was ihr mir zeigen wollt?", hakte ich nach. Bevor ich hirnlos zusagte, ohne mir über die Konsequenzen Gedanken zu machen, wollte ich die mögliche Gefahr lieber einschätzen können.
„Das kann ich dir hier nicht sagen", wisperte Harry und warf einen bedeutungsschweren Blick in Richtung Fred und George, die ihre Ohren etwas zu zufällig in unsere Richtung hielten.
„Dann halt später im Gemeinschaftsraum", flüsterte ich zurück und fühlte mich einerseits aufgeregt, da sie mir ein Geheimnis anvertrauen wollten, andererseits kam ich mir etwas dämlich vor, mitten beim Frühstück darüber zu reden. Und vielleicht war ich nach der Sache mit meinem Onkel eigentlich auch gar nicht mehr so scharf auf Geheimnisse. Noch irgendetwas Schreckliches würde ich nicht ertragen können.
Trotzdem folgte ich Harry und Ron nach dem Frühstück in den Gemeinschaftsraum und in den Schlafsaal der Jungs, da Fred und George uns die ganze Zeit verfolgt hatten. Zwar hatte ich die Hoffnung aufgegeben, dass die Zwillinge nicht an der Tür lauschen wollten, doch Ron und Harry fühlten sich so offenbar sicherer.
Ich ließ mich auf Seamus Finnigans Bett nieder und verschränkte die Arme.
„Was wolltet ihr mir erzählen?", fragte ich und sah von einem zum Anderen.
Sie schienen eine stumme Unterhaltung zu führen, Harry fing aber schließlich an zu erzählen.
„Ich ... ich konnte heute Nacht nicht schlafen und hab mich deshalb rausgeschlichen. Um nicht von Filch oder Snape erwischt zu werden, habe ich mich in einem Raum versteckt und ... etwas entdeckt." Er stockte, als wäre er sich doch nicht mehr länger sicher, ob er sich mir wirklich anvertrauen wollte.
„Was genau hast du gefunden?", hakte ich nach. Meine Neugier war jetzt doch geweckt worden – auch wenn ich das nicht wollte. Beim letzten Mal war ich auch zu neugierig gewesen und hatte Antworten erhalten, mit denen ich nicht umgehen konnte. Vielleicht war auch das hier eine Nummer zu groß für mich, Harry wirkte auch nicht gerade glücklich, als er darüber redete. Andererseits meinte ich in seiner Stimme eine gewisse Sehnsucht zu hören, als ob er es nicht erwarten könne, wieder in diesem Raum zu sein. Und das wirkte auf mich irgendwie ansteckend. Ich konnte es jetzt nicht mehr länger aushalten, nicht zu wissen, was er dort gefunden hatte.
„Einen Spiegel", sagte Harry endlich. Zuerst war ich enttäuscht, da ich nicht mit etwas so banalem gerechnet hätte. Aber dann dachte ich mir, dass sich bestimmt niemand die Mühe machte, einen gewöhnlichen Spiegel in einem Zauberschloss aufzustellen.
„Es war kein normaler Spiegel", beeilte Harry sich zu sagen, scheinbar hatte er die Enttäuschung in meinem Gesicht gesehen. „Er hat mir meine Eltern gezeigt!"
Wie auch ich war Harry ein Waisenkind und ist ebenfalls bei seinen Verwandten aufgewachsen, deshalb konnte ich seinen Wunsch, seine Eltern – wenn auch nur im Spiegel – zu sehen, durchaus nachvollziehen. In diesem Moment fühlte ich mich mit Harry Potter, dem Jungen, der überlebte, irgendwie verbunden. Dann drängte sich jedoch mein eigenes Bedürfnis nach meinen Eltern in den Vordergrund. Das Verlangen nach ihnen war wie eine Schnecke, die langsam immer weiter aus ihrem Haus hervorkroch. Diese Schnecke hatte mich auch dazu verleitet, nach meinem Onkel zu suchen. Das hatte aber nur dazu geführt, dass die Schnecke einen Schlag abbekommen hat und sich die letzte Zeit wieder in ihrem Haus verkrochen hat, wie die Jahre zuvor. Doch jetzt war sie wieder da – streckte ihre Fühler aus, dieses Mal vorsichtiger, nicht ganz so unbedacht. Die Sehnsucht nach Liebe war immer noch da.
„Wann wollt ihr in diesen Raum?", fragte ich und konnte nicht verhindern, dass meine Stimme nun ebenso sehnsüchtig klang wie Harrys vorhin.
Harry blickte zuerst zu Ron, dann wieder zu mir. „Wir hatten an heute Nacht gedacht..."
Mein Herz machte vor Aufregung und Vorfreude einen Satz. Schon heute Abend würde ich meine Eltern vielleicht auch sehen! Ich konnte mein Glück nicht fassen.
„Darf ich mitkommen?", fragte ich, in der Angst ein Nein als Antwort zu erhalten.
Doch Ron grinste und sagte „Ja!", noch bevor Harry eine andere Antwort geben konnte. Aber Harry hatte mir schließlich bereitwillig davon erzählt, also konnte er wohl nicht wirklich etwas dagegen haben, dass ich mitkam.
Auch er lächelte mich an, aber deutlich schüchterner als sein bester Freund.
Dann würde ich heute Abend also meine Eltern sehen! Ich konnte es kaum abwarten!
--------------------------------------------------
Tausend Mal Entschuldigung für die lange Pause, aber ich habe zwischenzeitlich irgendwie keine Motivation und Inspiration gehabt! Doch jetzt habe ich das Kapitel geschrieben, ohne jede Zeile immer wieder zehnmal ändern zu wollen. Ich bitte euch noch einmal um Entschuldigung! ^^
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro