Kapitel 41 - Eine eigenartige Prozession
Lupin und Sirius standen nebeneinander, die Zauberstäbe hoch erhoben. Zu ihren Füßen kauerte Pettigrew und knabberte hektisch auf seinen Fingernägeln. So sollte doch kein Leben zu Ende gehen. Ich wandte meinen Blick ab, konnte es nicht mitansehen. Aber es stand mir nicht zu, über ihn zu richten. Er hatte hauptsächlich Sirius und Harrys Leben zerstört, wenn sie dafür Rache wollten, dann stand es mir wohl nicht zu, sie daran zu hindern. Wahrscheinlich hatten auch noch Lupin und Ron ein Mitspracherecht, immerhin hatte Pettigrew auch ihr Leben negativ beeinflusst.
Die beiden alten Schulfreunde nickten sich zu, bereit, ihren anderen Freund umzubringen. Schon sprachen sie die letzten Worte, die er in seinem jämmerlichen Leben hören würde. „Avada K-"
„Stopp!", rief Harry. „Ich kann das nicht zulassen. Mein Vater würde nicht wollen, dass ihr wegen dieses Verräters zu Mördern werdet."
„Oh vielen Dank!" Erleichtert warf sich Pettigrew vor Harrys Füße.
„Stattdessen sollten wir ihn lieber den Dementoren übergeben."
Der Mann am Boden quiekte schrill. Zitternd blickte er zu uns hoch und kaute noch hektischer an seinen Nägeln.
Sirius warf Harry einen skeptischen Blick zu, meinen Zauberstab weiterhin auf die sich windende Gestalt gerichtet. „Bist du dir sicher? Der Mann ist dafür verantwortlich, dass deine Eltern tot sind. Ohne ihn hättest du nicht als Waise aufwachsen müssen."
„Ich weiß einfach, dass sie es nicht wollen würden", entgegnete Harry. „Er erhält ja trotzdem seine gerechte Strafe."
„Nun denn", Sirius hob beide Hände, sodass sich Pettigrew nicht mehr einem Zauberstab gegenübersah. „Dann soll es so sein."
Dadurch ergab sich die Frage, wie man den Gefangenen am besten transportierte. Ron meldete sich schließlich freiwillig, immerhin war es sein Haustier gewesen. Vielleicht war das seine Art von Rache. Lupin überprüfte nochmal die Schiene, die Severus seinem Bein vorhin verpasst hatte. Mit seinem Zauberstab ließ er Ketten erscheinen, die er einerseits sich und Ron anlegte. Sodass Pettigrew in der Mitte ging und eigentlich keine Chance zur Flucht hatte. Besonders, da Hermine mit Krummbein voranging.
Hinter ihr folgte dann das ungleiche Gespann. Lupin, dessen lange Schritte neben Pettigrews Trippeln und Rons Humpeln irgendwie deplatziert wirkten. Als wolle man verschiedene Geschwindigkeiten zur gleichen Zeit darstellen.
Ich folgte ihnen und sammelte im Gang noch Severus auf, der leider immer noch nicht erwacht war. Mithilfe meines Zauberstabs, den ich mir von Sirius zurückgeholt hatte, ließ ich ihn vor mir herschweben wie einen sehr stofflichen Geist. Es war ein fürchterlicher Anblick, wie sein Kopf bei jedem noch so kleinen Ruck unkontrolliert auf seiner Brust hin- und herrollte. Aber wem hätte ich diese Aufgabe sonst übertragen sollen? Sirius? Der würde ihn bei nächster Gelegenheit vergessen oder irgendwo abladen. Zusätzlich zu jeder Kante, gegen die er den reglosen Körper stoßen lassen würde. Nein, da übernahm ich es lieber selbst. Obwohl ich kaum hinsehen konnte.
Deshalb versuchte ich mich auf etwas anderes zu konzentrieren. Das regelmäßige Pochen von Rons Stock auf dem Boden zum Beispiel. Allerdings musste ich ja auch gleichzeitig aufpassen, dass sich mein Pate nirgendwo anschlug. Das Gespräch zwischen Sirius und Harry hinter mir blendete ich weiterstgehend aus. Oder probierte es wenigstens – sie hatten auch ihre Privatsphäre verdient.
Soweit ich es nämlich mitbekommen hatte, war mein Onkel Harrys Pate. Zumindest von den Bezeichnungen her verkomplizierte es das definitiv. Und so sehr ich mich auch bemühte, wegzuhören, konnte ich nicht umhin, das Gespräch zu belauschen. Natürlich ungewollt.
„Also, wenn du möchtest, dann kannst du bei mir einziehen. Es ist zwar nicht unbedingt schön oder auch sonderlich gemütlich, aber bietet jede Menge Platz. Selbstverständlich kannst du das auch erst mit Onkel und Tante besprechen, es ist ja immerhin eine große Entscheidung. Und du musst auch nicht umziehen, es war nur so eine Idee von mir..."
„Ist das ein ernstgemeintes Angebot?", hakte Harry nach. Er musste wohl nicht lange überlegen, immerhin waren seine Verwandten wohl der reinste Albtraum. Dagegen behandelte mich Lucius wie ein rohes Ei.
„Klar verstehe ich, wenn du es ablehnst", setzte Sirius an. Lily hatte ihm ganz offenbar nichts von ihrer Schwester und deren Mann erzählt. Oder sie hatten sich ihr gegenüber anders verhalten.
„Natürlich möchte ich einziehen!", rief Harry begeistert und so laut, dass ich gar nicht hätte lauschen müssen. Und sodass Hermine am Anfang unserer Prozession es wohl auch gehört hatte.
„Eleonora, bleibst du mal kurz stehen, bitte?", bat mich Sirius und unterbreitete mir dasselbe Angebot.
Innerlich tobte in mir ein Kampf. Hätte er nicht früher fragen können? Vor zwölf Jahren etwa? Oder allgemein in meiner Zeit bei den Malfoys? Dann wäre die Entscheidung wesentlich einfacher gewesen. So aber wollte ich nicht Severus enttäuschen. Immerhin war ich gerade erst bei ihm eingezogen, wenn ich ihn jetzt wieder verließ, noch dazu für seinen verhassten Jugendfeind, dann ... Ich wusste nicht, was dann passierte. Allerdings wollte ich es auch nicht unbedingt herausfinden.
Also sagte ich schweren Herzens, dass ich es mir noch überlegen wollte. Dabei zog es mich zu meinem Onkel. Vor allem mein Abenteuergeist und der Wunsch, mehr über ihn und unsere, meine Familie zu erfahren, ließ mich fast direkt zustimmen. Aber das ging nicht.
Ich verschob die Entscheidung auf später. Wer wusste schon, wo Sirius hinziehen wollte... Wenn es nämlich das Haus der Blacks in London war, hatte ich schlechte Nachrichten für ihn. Severus hatte mir erzählt, dass es sich nun in meinem Besitz befand und Sirius das meiste seines Erbes eingebüßt hatte, als er ins Gefängnis gekommen war. Vielleicht konnte ich also sogar darüber entscheiden, ob Harry und er zusammenziehen konnten.
Es versetzte mir einen kleinen Stich, dass ich nicht die Erste war, der Sirius dieses Angebot unterbreitet hatte. Und sich die beiden offenbar blendend verstanden. Von den Schwierigkeiten, die mein Onkel und ich vorhin gehabt hatten nichts zu merken.
Vor mir tauchten die Umrisse dreier Personen auf. Zwei Große mit einem Kleinen in der Mitte. Sie warteten, bis Krummbein die Peitschende Weide gelähmt hatte. Hermine kletterte als Erste aus dem Loch wieder an die Oberfläche, hinaus in die Nacht. Bei Lupin, Ron und Pettigrew war es schon schwieriger, mit den Ketten und Rons kaputtem Bein. Aber auch das bekamen sie hin, sodass ich an der Reihe war. Beziehungsweise erstmal Severus, den ich voranschweben ließ. Lupin nahm ihn entgegen, bei ihm hatte ich auch weniger Bedenken als bei Sirius, was die Verletzungsrate anging.
Die Sohlen meiner Schuhe fanden kaum Halt an den erdigen Wänden des Tunnel, aber mit Hermines Hilfe schaffte auch ich es hinaus. Ich strich mir die von Schweiß und Staub verklebten Locken aus dem Gesicht. Dann sah ich nochmal nach meinem Paten.
Lupin hatte ihn freundlicherweise schon etwas von der Weide weggebracht, sodass er nicht getroffen werden würde. Wenn sie denn wieder Schläge verteilte. Noch stand sie aber recht friedfertig da. Wobei ich glaubte, dass ihre Blätter unheilverkündend raschelten. Das war aber ziemlich sicher Einbildung.
Severus atmete weiterhin regelmäßig, schon etwas kräftiger als noch vorhin. Die klare, kühle Luft schien ihm gutzutun. Im Tunnel war der Sauerstoff nun einmal begrenzter. Sanft drückte ich ihm seinen Stab in die bewegungslosen Hände. So konnte ich mir leichter vorstellen, dass es gleich aufwachte. Und Sirius vom Stab fernhalten. Ich hoffte, dass er bald aufwachen würde und probierte noch ein paar Sprüche aus. Bisher hatte ich aber zu wenig mit Heilmagie zu tun gehabt. Eigentlich auch nur als Patientin.
Wir würden Sirius im Schloss bei Dumbledore abliefern, er würde wissen, was zu tun war. Dann könnte vielleicht sogar noch bis zur morgigen Auflage im Tagespropheten die wahre Geschichte abgedruckt werden. Vielleicht sogar von Suzanne, Evas Mutter, geschrieben. Und ich war meinen Titel als Nichte des Massenmörders los. Endlich. Wahrscheinlich dichtete man mir nächstes Jahr wieder etwas Neues an, vielleicht Grindelwalds Enkeltochter. Das hatten wir noch nicht.
Tief saugte ich die frische Luft in meine Lungen und genoss den Anblick der ruhigen Nacht. In der Ferne kreischte ein Vogel, aber sonst war es ruhig. Eine dicke Wolke zog am Mond vorbei und verdeckte die Sicht. Das machte mir aber nichts, dadurch hatte sie eine mystischere Aura. Gut, um Gedanken zu ordnen.
Und ob nun mit oder ohne Sirius, mir gefiel die Idee, nach Nordamerika zu gehen. Mehr über meine Mutter herauszufinden. Lorena Steward. Endlich hatte ich einen Namen zu ihrem Gesicht! Die Nacht war also doch recht erfolgreich gewesen. Immerhin hatten sich so etliche meiner Fragen und Probleme geklärt. Ich hatte Familie. Vielleicht sogar auch auf mütterlicher Seite. Schließlich hatte auch meine Mutter Eltern gehabt. Und möglicherweise auch Geschwister. Ob die mich wohl gut aufnehmen würden? Wenn schon die Schulleiterin von Ilvermorny so geheimniskrämerisch war, wie würden die anderen dann erst sein? War die Zauberergemeinschaft in Nordamerika eine ganz andere?
Mein Herz machte wieder einen kleinen Hüpfer. Es würde alles gut werden, das spürte ich. Nur ging alles schief.
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