Kapitel 40 - Ich war schon immer eher ein Hunde- und Katzenfreund
Ich rannte auf sie zu. Severus lag bäuchlings auf dem dreckigen Boden. Der schwarze Umhang hatte sich um ihn ausgebreitet, sodass es aussah, als wäre er geschmolzen. Oder wie ein Tintenfleck.
„Was habt ihr nur getan?", schrie ich Harry und Hermine fassungslos an. Doch die beiden schienen ebenso geschockt wie ich.
„Wir haben einen Lehrer angegriffen", murmelte Hermine vor sich hin. „Wir werden von der Schule geschmissen."
„Das ist deine Sorge?", hakte ich nach und wandte meinen Blick kurz von meinem Paten ab, um zu ihr hochzublicken. „Nicht, dass ihr ihn vielleicht ernsthaft verletzt habt?"
Sie schwieg. Harry ebenfalls.
„Dann kümmert euch wenigstens um Sirius", forderte ich sie auf, da mein Pate in seinem schwarzen Kokon gefangen ein paar Meter vor uns lag. Das taten sie auch. Hermine kannte scheinbar einen Zauber gegen die Fesseln, denn kurz darauf krächzte Sirius: „Mach dir nicht zu viele Sorgen um ihn, wenn wir ihn damals nicht totgekriegt haben, dann haben die Beiden es bei Schniefelus auch nicht geschafft."
Ich kniete neben Severus, den ich inzwischen umgedreht hatte. Sanft strich ich Staub und Dreck von seinen Sachen und kontrollierte seine Atmung. „Es mag zwar sein, dass er dir egal ist, Sirius, aber mir nicht! Er ist immerhin mein Pate!"
„Dein Pate?", wiederholte Sirius so erstaunt, dass es in einer anderen Situation vielleicht lustig gewesen wäre. „Snape ist dein Pate?"
„Ist das etwa so abwegig? Immerhin war mein Vater eng mit ihm befreundet."
„Ich dachte nur...", setzte Sirius an. „Ich wusste bis vor einigen Monaten noch nicht einmal, dass ich Onkel bin und der Kerl ist dein Pate?" Er schüttelte den Kopf. „Das ist eine sehr eigenartige Vorstellung."
Ich versuchte Severus mit einigen Sprüchen aufzuwecken, aber nichts funktionierte. Die beiden Zauber hatten ihn gleichzeitig in den Rücken getroffen, das war keine ungefährliche Dosis. Immerhin atmete er, wenn auch flach.
Gemeinsam hatten Hermine und Harry es geschafft, Sirius zu befreien, der sich mir nun näherte. Unsicher, was er tun sollte, tätschelte er mir schließlich den Oberarm. „Er wird schon wieder. Madam Pomfrey hat uns schon in viel schlimmeren Zuständen wieder zusammengeflickt. Lass ihn einfach etwas schlafen."
Leider hatte ich von Heilkunde keine Ahnung und so blieb mir nicht anderes übrig, als ihn dort zurückzulassen. Dafür zog ich aber meinen Umhang aus und legte ihn unter seinen Kopf, sodass er nicht auf dem harten, kalten Stein lag.
Auf dem Weg zurück zu Ron, Lupin und Pettigrew versuchte Sirius sich wohl bei mir zu erklären. Wenigstens merkte er, dass Severus mir wichtig war und dass er sich nicht wirklich fair ihm gegenüber verhalten hatte. „Ich habe dich zum ersten Mal am Bahnhof gesehen. Als du inmitten von Rothaarigen dort ankamst und schon so ... groß warst."
Ich schwieg und starrte auf den Boden vor mir. Etwas vor uns gingen Hermine und Harry, die uns wohl etwas Privatsphäre geben wollten. Dass ich tatsächlich länger von ihm gewusst hatte, als er von mir, konnte ich mir kaum vorstellen. Zumindest Severus Ängste waren also weitestgehend unbegründet gewesen.
Er lachte ein raues, bellendes Lachen. „Am Anfang habe ich wirklich überlegt, ob du meine eigene Tochter bist."
Dass er sich dabei nicht sicher war, sprach ja auch nicht gerade für ihn. Aber nun gut, ich sah ihm wirklich ähnlich.
„Zwar war mein Plan zuerst nur gewesen, Harry zu beschützen, aber sobald ich von dir wusste, gingst du nicht mehr aus meinem Kopf. Dauernd drehten sich meine Gedanken nur um dich und ich habe überlegt, wie du wohl bist. Ob du nach dem Rest unserer Familie kommst und mir ins Gesicht lachen würdest, wenn ich dir meine Geschichte erzähle. Ob ich dir egal bin. Oder du überhaupt von mir weißt. Bei wem du wohl aufgewachsen bist. Und wer deine Mutter ist. Hat sie dich großgezogen?"
Ich schüttelte den Kopf. „Das haben die Malfoys übernommen. Bis sie mich rausgeschmissen haben, weil ich nach Gryffindor gekommen bin und die Pläne des Dunklen Lords sabotiert habe. Deshalb ist Severus seit letztem Sommer sowohl Pate als auch Vormund für mich."
„Ah ja." Er fuhr sich durch die Haare, was wie eine routinierte Geste aussah. Offenbar war er aber nicht an die Knoten darin gewöhnt, denn auf halbem Weg blieb seine Hand stecken und er befreite sie fluchend wieder daraus. „Äh ... gefällt es dir bei ihm?"
Ich zuckte mit den Schultern. „Nun, es ist ziemlich dunkel, er ist sehr oft unterwegs, aber ich muss ja nur in den Ferien hin. Und er sorgt sich um mich."
„Das ist doch schön", fand Sirius und man merkte uns beiden an, wie wenig wir über den Umgang miteinander wussten. Allerdings ... es war auch nicht merkwürdiger als so manches Gespräch mit Severus, besonders am Anfang. Man musste eben erstmal gemeinsame Gesprächsthemen finden.
„Ich kenne meine Mutter nicht", wagte ich daher einen Vorstoß, nicht ganz uneigennützig. „Niemand scheint sie zu kennen. Ich habe die Theorie, dass sie vielleicht aus Amerika kommt. Und Lupin scheint sie gekannt zu haben, aber er kann und möchte mir nicht mehr über sie verraten."
Er war stehengeblieben. Schon seit ich Amerika erwähnt hatte. „Kann es sein, dass sie Lorena Steward heißt?"
„Das kann sehr gut sein", antwortete ich mit schnell pochendem Herzen. Mein Gefühl sagte mir, dass sie das war. Dass das der Name meiner Mutter war. „Wie gesagt, ich habe eigentlich keine Informationen über sie, wobei ihr Name wohl relativ ähnlich zu Lauren klingt. Lorena dürfte also schon mal passen."
Er machte ein nachdenkliches Gesicht. Das schrie doch geradezu danach, nochmal genauer nachzuhaken.
„Du kanntest sie also?"
„Ja, das kann man wohl so sagen. Ich habe ihren Namen aber schon ewig nicht mehr gehört. Um ehrlich zu sein, ich hatte schon fast vergessen, dass es sie gegeben hatte."
Ich winkte ab. Derweil zersprang meine Brust fast unter dem Druck meines Herzens. Er sprang wild herum, wie bei einem Freudentanz. Nachdem ich sie schon mein ganzes Leben lang vermisst hatte und seit drei Jahren intensiv nach ihr suchte, konnte ich es nicht fassen, sie endlich gefunden zu haben. Trotzdem bemühte ich mich um Fassung. Wilde Schreie der Freude passten nicht in diesen Gang, den Weg zwischen meinem bewusstlosen Paten und einem untergetauchten, totgeglaubten Massenmörder. „Das muss nicht unbedingt deine Schuld sein. Sie scheint ihre Spuren gut verwischt zu haben." Ich sah ihm direkt in die Augen. „Wie war sie so?"
Er überlegte einige Augenblicke, um die treffenden Wörter zu finden. „Sie war temperamentvoll. Wahnsinnig schlau und mit riesigem Gerechtigkeitsempfinden. Wir haben einen Streich mal Snape untergeschoben und sie hat nicht eher Ruhe gegeben, bis wir uns gestellt hatten. Das war eines der wenigen Male, die wir bei Filch antanzen mussten. Übrigens auch das Mal, bei dem unsere Karte konfisziert wurde. Deine Mutter hat unsere Streiche also um einiges komplizierter gemacht."
„Wie kanntest du sie? Kam sie aus Amerika? Und in welchem Haus war sie?", sprudelten die Fragen nur so aus mir heraus.
„Sie war eine Austauschschülerin aus Ilvermorny, die die letzten zwei Schuljahre auf Hogwarts verbrachte – waren es die zwei letzten Schuljahre? Ich glaube schon. Sicher bin ich mir aber nicht. Sie war in unserem Jahrgang in Ravenclaw und Lily hat sich mit ihr angefreundet. Und dadurch haben auch wir zwangsweise Zeit mit ihr verbracht." Er musste schmunzeln. „Wobei man bei ihr nicht von zwangsweise reden kann, es hat immer sehr viel Spaß mit ihr gemacht."
Ich konnte es nicht fassen! Einige meiner Theorien stimmten! Eine Ravenclaw also ... konnte es dann trotzdem sein, dass sie mit Slytherin verwandt war und ich daher ein Parselmund war? Auch das wusste Sirius ja noch gar nicht, aber ich beschloss, es langsam angehen zu lassen. Und auch mein Bauchgefühl wegen der Antwort aus Ilvermorny hatte gestimmt! Irgendetwas hatte mir die Schulleiterin verschwiegen. Eigentlich Grund genug, um selbst mal hinzureisen und sich umzusehen. Immerhin war meine Mutter auf diese Schule gegangen!
„Wenn du möchtest, fahren wir in den Sommerferien gleich als Allererstes nach Nordamerika und stellen Nachforschungen zu deiner Mutter an", schlug Sirius vor und bekam einen träumerischen Ausdruck.
Ich war schon viel zu oft enttäuscht worden und kannte ihn erst seit einigen Stunden so richtig, weshalb ich nicht sofort einwilligte. Wobei die Vorstellung eigentlich ganz schön war. Mal weg zu sein von Hogwarts und den Gerüchten über mich. „Wieso möchtest du mir helfen?"
Das dämpfte seine Vorfreude gewaltig, er bekam fast den Blick eines traurigen Welpen. „Ich dachte, dass ich vielleicht all die verpassten Jahre irgendwie wieder gut machen kann. Und ich würde dich gerne kennenlernen. Immerhin bist du die einzige Black, die ich kenne, die nicht nach Slytherin gekommen ist. Außer mir natürlich. Das muss ein Zeichen sein!" Er lachte, allerdings noch etwas zurückhaltend, als würde er erst noch meine Einwilligung abholen wollen.
„Das würde ich sehr gerne", stimmte ich also zu und lächelte. Was wiederum ein noch breiteres Lächeln in sein Gesicht zauberte. „Allerdings müssen wir dich erstmal vom Mord freisprechen."
Das Ende des Gesprächs passte wunderbar, da wir soeben zu den anderen gestoßen waren, wo Lupin ja weiterhin gefesselt auf dem Boden lag. Hermine wirkte ihre Magie und kurze Zeit später konnte auch der Verteidigungslehrer die Stränge von sich abschütteln.
Harry schien ein Gedanke zu kommen. „Wie wussten Sie eigentlich, wo Sie uns finden?"
„Die Karte. Ich dachte mir bereits, dass ihr es nicht aushaltet, im Schloss zu bleiben, während Seidenschnabel hingerichtet wird. Deshalb habe ich sie nebenher studiert und euch entdeckt, wie ihr zu viert wiedergekommen wart. Peter war bei euch. Er war auch dabei, als Sirius auftauchte und Ron in den Geheimgang zerrte. Es hat mich aber überrascht, dass du die Karte hast, schließlich habe ich nicht gehört, dass du jemals so großen Ärger mit Filch hattest, um in sein Büro zitiert zu werden."
„Hatte ich auch nicht", erklärte Harry. „Die Weaselyzwillinge allerdings schon. Sie haben sie mir schon im Herbst gegeben."
Lupin nickte langsam. „Das erklärt so einiges. Zum Beispiel auch, warum ich sie nicht gefunden habe, als ich danach suchte. Daher hatte ich angenommen, sie wäre vernichtet worden. Ich konnte ja nicht riskieren, dass sie Sirius in die Hände fällt. Damals dachte ich ja noch, dass du schuldig wärst", fügte er entschuldigend in die Richtung seines alten Schulfreundes hinzu.
„Ich werde schon darüber hinwegkommen", grinste Sirius und ich hatte das Gefühl, sein junges Ich hindurchscheinen zu sehen. So, wie er vor Askaban gewesen war und bevor seine Haut eingefallen, seine Statur ausgemergelt und seine Haare zottig wurden. Ein lustigerer, stets zu Späßen aufgelegter Sirius.
Der nicht mehr so lustig wirkte, als sein Blick in die Ecke fiel. Auf ein fest verschnürtes Paket. „Was machen wir mit ihm?", fragte er in die Runde. „Ich wäre ja für blutige Rache." Er bleckte seine gelben Zähne und ich war mir nicht sicher, ob er es ernst meinte. Dafür konnte ich ihn noch nicht gut genug einschätzen.
„Warum lassen wir nicht ihn entscheiden?", schlug ich spaßeshalber vor. Leider nahm Sirius mich beim Wort und wollte ihn entfesseln. Er hatte nur keinen Zauberstab. Beziehungsweise hatte er einen, aber der gehörte eigentlich Severus. Und ich konnte es nicht zulassen, dass Sirius ihn benutzte, mein Pate würde ihn ewig dafür hassen. Also noch mehr als sonst.
„Nimm lieber meinen Zauberstab", schlug ich vor und sicherte mir den meines Paten. Dafür gab ich ihm meinen, in der Hoffnung, dass er nicht wieder allzu widerspenstig wäre. Aber erfahrungsgemäß klappte es eigentlich ganz gut, wenn ich ihn übergab. Nur, wenn man ihn sich direkt nahm spielte er nicht mit.
Sirius drehte ihn kurz etwas in den Händen, um sich an ihn zu gewöhnen. „So einen Stab habe ich noch nie gesehen."
„Kommt wohl auch aus Amerika und hat zwei Zauberstabkerne", erklärte ich, was mir erstaunte Blicke der Erwachsenen einbrachte. Sie hatten offenbar noch nie davon gehört, dass so etwas möglich war. Andererseits stammten die meisten Stäbe an dieser Schule auf von Ollivander und der benutzte meistens die gleichen Grundmaterialien. Da war ja ein Phönixfederkern schon selten.
„Er zappelt irgendwie", fand Sirius noch, dann befreite er aber Pettigrew von seinen Fesseln. Ich hatte ihn noch etwas besser aussehend in Erinnerung. War die Nase denn wirklich schon so spitz gewesen und der Kopf so kahl? Aber eigentlich war es ja egal, wie er aussah. Vielleicht konnte ihm Mitleid sogar eher weiterhelfen, immerhin ging es hier um sein Leben. Das schien er zumindest verstanden zu haben, denn sofort begann er sein Flehen.
„Harry, lieber Junge, willst du wirklich meinen Tod?" Ein weinerlicher Ausdruck stahl sich auf sein Gesicht. Doch Harry wich mit angewidertem Gesicht vor den verstümmelten Händen des kleines Mannes zurück.
„Hermine, du bist die schlauste Hexe deines Alters. Kannst du es denn wirklich verantworten, wenn die Beiden mich umbringen?"
Doch auch Hermine wich ihm aus. Sie presste sich die Hände vor den Mund und wimmerte leicht. Harry legte einen Arm um sie.
Pettigrew richtete seine Aufmerksamkeit auf den Nächsten. „Ron, war ich dir nicht all die Jahre ein gutes Haustier? Eine gute Ratte?"
Damit hatte er allerdings das falsche Stichwort erwischt, immerhin hatte sich sein ehemaliger Besitzer vorhin fast übergeben wegen dieses Gedankens. Bei Sirius und Remus probierte er es gar nicht erst, die hatten ihren Standpunkt vorhin schon klar gemacht. Damit glitten die wässrigen Augen zur Letzten in der Runde.
„Eleonora", sprach er mich mit zitternder Stimme an. Wirklich viel Hoffnung schien er nicht in mich zu setzen, immerhin hatte er mich meines Onkels und damit der einzigen Familie beraubt, die ich noch gehabt hatte und die mich als Gryffindor akzeptiert hätte. Allerdings war ich seine einzige Hoffnung. Deshalb ließ er sich extra vor mir auf die Knie fallen und wandte sein Gesicht dem Boden zu. „Eleonora, du magst doch alle Tiere. Hat nicht jeder eine zweite Chance verdient? Was unterscheidet mich vom Basilisken?"
„Harry und ich können mit Schlangen reden. Und obwohl du nicht zischt, sondern winselst, bin ich mir fast sicher, dass du auch eine bist."
„Du kannst mit Schlangen reden?", platzte es aus Sirius heraus. Etwas gequält nickte ich, hoffentlich würde er mich jetzt doch nicht wieder mit unserer Familie vergleichen. Weitere Nachfragen seinerseits kamen aber auch nicht, wobei er sich mit zusammengepressten Lippen davon abhalten musste.
„Nun denn, dann kommen wir endlich zum Mord, für den ich so lange saß. Zwölf Jahre! In Askaban!", spie er seinem ehemaligen Freund entgegen. „Es ist fast schon gnädig von uns, dich hier auf der Stelle zu töten. Irgendwelche letzten Worte?"
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