Kapitel 39 - Snapes Rettungsmission
Ein Kloß bildete sich in meinem Hals. Wie machtlos er mich fühlen ließ, weil er einfach nicht zuhören wollte! „Sirius ist aber gar nicht der Böse! Peter Pettigrew lebt! Er hat die Morde begangen und James und Lily Potter verraten!"
Bei den letzten Wörtern stockte er. „Das kann nicht sein. Ich hätte gewusst, wenn ..." Einsicht zuckte über sein Gesicht. „Er hat es nicht gesagt! Nicht genug Vertrauen", murmelte er und wirkte ziemlich verrückt dabei.
Das merkten auch die anderen Schüler. „Professor, bitte!", rief Hermine. „Weder Professor Lupin, noch Sirius Black haben sich irgendwelchen Verbrechen schuldig gemacht! Sie sind unschuldig!"
„Sirius Black ist niemals unschuldig", erwiderte mein Pate mit bitterböser Stimme. Ich konnte mich nicht erinnern, ihn schon einmal so erlebt zu haben.
„Aber, Sir, bitte!" Hermines Stimme klang ganz schrill vor Verzweiflung.
„Miss Granger, ich weiß, wie schwer es Ihnen stets zu fallen scheint, aber halten Sie einmal Ihre übergroße Klappe und sehen ein, dass Sie zu wenig wissen, um mitreden zu können."
„Aber sie hat recht!", bekräftigte ich. Langsam spürte ich Tränen in mir hochsteigen, sie verschleierten meine Sicht. „Mein Onkel hat nichts getan!"
„Ach, dein Onkel also? Seid ihr schon an diesem Punkt angekommen?", echote er mit hochgezogener Braue. „Und nichts getan ist sehr eingeschränkt gedacht. Ich könnte dir so einige Dinge erzählen, die dein Onkel getan hat. Sich zum Beispiel einen Dreck um deinen Vater gekümmert!"
„Warum lässt du ihn das nicht selbst erklären?", wollte ich wissen. Die gemeinsame Vergangenheit der beiden schien eine versöhnliche Lösung und besonders einen Umgang miteinander auszuschließen, der kein gegenseitiges Umbringen enthielt.
„Wann ist aus seinem dreckigen Mund denn etwas Ehrliches herausgekommen?"
„Zum Beispiel gerade eben, als du ihn mit einem Fesselzauber daran gehindert hast weiterzusprechen!"
„Wann verstehst du, dass es mir nur darum geht, dich zu schützen?", fragte er mit verzweifelter Miene. Ich kämpfte weiterhin mit den Tränen. Es mochte sein, dass er mich beschützen wollte, aber den Schutz brauchte ich nicht mehr. Mittlerweile traf ich eigene Entscheidungen, wollte nicht mehr länger eingesperrt sein und mir mein Leben von anderen vorschreiben lassen.
„Dann, wenn du verstehst, dass du mich nicht von allen Gefahren einfach wegsperren kannst! Bau mir ein Gefängnis und ich werde ausbrechen! Schließ mich weg und ich werde mich freisprengen!"
Einige Sekunden lang starrte er mich einfach nur an. Nur vom Licht seines Zauberstabs erhellt wirkten seine Augen noch dunkler als sonst, die Schatten in seinem Gesicht noch tiefer. „Geht es dir gut?", fragte er schließlich leise, als Versöhnungsangebot. Er hatte meine Wünsche verstanden. Hoffentlich würde er mir auch wirklich meine Freiheit lassen. Zumindest drohte mir keine Gefahr von Sirius Black mehr. Solange ich mich nicht zwischen ihn und Severus stellte, wenigstens.
„Es geht mir gut", antwortete ich und machte ein mitfühlendes Gesicht. „Natürlich geht es mir gut. Vielleicht solltest du dich also lieber um Rons Bein kümmern."
Er nickte und ging zum Bett hinüber. Mithilfe seines Zauberstabs erschuf er eine Schiene und drückte ihm einen herumliegenden Holzstab in die Hand, welcher vielleicht mal Teil eines Möbelstücks gewesen war.
Ich sah währenddessen nach Lupin und Sirius und versicherte mich, dass sie gut atmen konnten. Harry unterstützte mich dabei. „Könntest du die beiden vielleicht losmachen? Sie werden sich auch benehmen." Dabei warf ich besonders meinem Onkel einen bedeutungsschwangeren Blick zu. Das Auge, das nicht von schwarzen Fesseln bedeckt war, verdrehte er genervt, aber spielerisch. Hoffentlich hieß das, dass sie sich nicht gleich bekriegten.
„Aber Sirius Black ist für etliche Morde verantwortlich!", protestierte Severus. Als das auf uns nicht die gewünschte Wirkung zu haben schien, fügte er noch hinzu: „Er arbeitet für den Dunklen Lord!"
Wieder rollte Sirius mit den Augen.
„Das tut er nicht. Aber vielleicht könntest du seine Knebelung entfernen, dann kann er dir das auch selbst bestätigen."
Widerstrebend wedelte Severus mit dem Zauberstab in seine Richtung. Die schwarzen Stränge wichen von Sirus Kopf zurück und gaben ihn frei. Erst dachte ich, er hätte etwas vergessen, aber es waren die verfilzten Haare meines Onkels.
Sirius spuckte auf den Boden. „Bäh, diese Fesseln schmecken etwa so, wie deine Haare aussehen, Snape!"
Die Fingerknöchel meines Paten liefen weiß an, so fest hielt er den Zauberstab umklammert. „Das sagt der Richtige, Black", höhnte er zurück. „Immerhin bist du derjenige, dessen Kopf aussieht, als hätte ihn ein Troll als Klopapier verwendet!"
„Du hast dich ja richtig gesteigert!", stellte Sirius mit echter Bewunderung in der Stimme fest. „Andererseits bleibt einem wohl auch nichts übrig, wenn man so aussieht."
„Bitte, bitte, hört auf damit!" Als beide zu einer Erwiderung ansetzten, fügte ich noch hinzu: „Beide!"
Sie verstummten, lauerten aber geradezu nur darauf, dass der andere wieder den Startschuss gab.
„Ich komme freiwillig mit ins Schloss, wenn Rons Ratte mitkommt", versicherte Sirius meinem Paten zwischen einigen, subtileren Beleidigungen.
„Suchst du etwa Gleichgesinnte? Oder Nahrung? Nach Askaban ist das sicher ein Festessen für dich", stichelte Severus wieder. Allerdings hatte Sirius es auch nicht lassen können. „Aber wir werden wohl gar nicht so weit laufen müssen, sobald wir aus dem Geheimgang draußen sind, rufe ich die Dementoren, wenn sie nicht sogar schon auf uns warten. Sie werden dich sicher vermisst haben. So stark, dass sie dir wohl zur Begrüßung einen Kuss geben wollen."
Sirius wurde bleich. Jetzt fehlte wirklich nicht mehr viel zum Skelett. „Das kannst du nicht tun!"
„Ach ja?" Mein Pate blickte verächtlich auf ihn herab. „Bisher hast du erstaunlich wenig getan, um deine Unschuld zu beweisen. Es auf den zu schieben, den du ermordet hast, ist natürlich sehr praktisch für dich."
„Schau doch in die Ecke da, wenn du mir nicht glaubst!" Sirius ruckte mit dem Kopf in die Richtung, in der Pettigrew weiterhin verschnürt dalag und eher an einen Haufen Taue erinnerte, als an einen Menschen. Offenbar hatte mein Pate ihn bisher noch nicht bemerkt.
„Professor, bitte tun Sie einmal das Richtige", bat ihn Harry. Wie vom Basilisken angesehen erstarrte Severus.
„Einmal das Richtige?", wiederholte er ungläubig. „Nachdem ich Ihnen so oft Ihr erbärmliches Leben gerettet habe?"
Ich biss mir auf die Zunge. Fast wäre alles gut gegangen. Severus hätte vielleicht sogar seinem Erzfeind aus Schulzeit zugehört. Dabei war er innerlich zerrissen, zwischen dem Wunsch, endlich Rache zu üben und an der Vorstellung von Sirius Black festzuhalten, die er all die Jahre gehabt hatte und seiner Zuneigung zu mir und meinen Worten. Die waren nicht spurlos an ihm vorbeigegangen und vermutlich waren sie auch der einzige Grund, warum wir noch nicht von Dementoren umringt waren. Doch auch das war nur eine Tendenz gewesen. Deshalb war ich mir seines Verhaltens jetzt nicht mehr so sicher.
„Es reicht, Potter! Eleonora, es tut mir leid und ich würde dir gerne glauben, aber du wurdest offenbar von Potter und Black getäuscht, beide können wohl recht überzeugend sein." Er warf mir einen mitleidigen Blick zu. „Ich werde diesem Chaos jetzt ein Ende setzen. Potter, Weasley, Granger – Sie warten hier mit Eleonora, bis ich mich um Sirius Black gekümmert habe. Und seien Sie sich bewusst, dass der Schulverweis auf Sie alle drei wartet!"
Ich sah in die betroffenen Gesichter meiner drei Mitschüler. Aus tiefstem Herzen wünschte ich, ich hätte ihm nicht die Nachricht geschrieben, sonst nähme das hier einen anderen Ausgang. Aber ich kannte meinen Paten gut genug um zu wissen, dass ich ihn nicht mehr von seinem Entschluss abbringen konnte. Und so konnte ich nur machtlos dabei zusehen, wie er dem gefesselten, fluchenden Sirius wieder einen Knebel verpasste und vor sich in den Flur hinaus schweben ließ. Dabei war er nicht zimperlich und achtete nicht darauf, dass der Kopf meines Onkels mit dem Türrahmen Bekanntschaft machte.
Er drehte sich noch einmal um. „Passen Sie mir auch auf Lupin auf, den werde ich gleich noch abholen. Aber als Mittäter von Sirius Black, der ihn auch noch in die Schule gelassen hat, wird ihn wohl ein ähnliches Schicksal erwarten."
Ich senkte den Blick auf den staubigen Fußboden. Jetzt war alles verloren. Mein Onkel würde unschuldig seines gesamten Wesens beraubt werden und Lupin wohl ein ungerechter Gerichtsprozess gemacht. Wenn das Ministerium bei Seidenschnabel schon für Hinrichtung plädierte, was würden sie dann erst einem Werwolf antun? Es hätte sicherlich auch Konsequenzen für Dumbledore, wenn das rauskam.
Die Schritte meines Paten und der dumpfe Aufprall, wenn Sirius wieder irgendwo anstieß, wurden langsam leiser und entfernten sich immer weiter. Ich bückte mich zu Lupin herab und zog an seinen Fesseln, doch sie gaben kein Stück nach. Vielleicht könnte er noch etwas an der Situation ändern. Schließlich musste ich aber einsehen, dass ich nicht weiterkam und auch kein „Finite Incatatem!" die Taue sprengte.
Halb unter Lupins Oberkörper begraben lagen die Zauberstäbe von Harry, Ron und Hermine. Glücklicherweise hatten sie es unbeschadet überstanden. Ich reichte sie ihren Besitzern zurück.
Ich versuchte, wenigstens Lupins Mund zu befreien, er wüsste sicherlich einen Gegenzauber. Allerdings war es mir aber unangenehm, so stark in dem Gesicht des Lehrers herumzufummeln und an den Seilen zu ziehen. Wenn Severus doch vorhin den Zauber zur Entknebelung von Sirius doch nur laut gesagt hätte!
„Hermine, weißt du vielleicht einen Zauber, den wir noch probieren könnten?", fragte ich. Keine Antwort. Ich sah hoch, entdeckte aber nur Ron und den Seilhaufen, unter dem wohl Pettigrew steckte. Geistesabwesend pustete ich mir eine Strähne aus der Stirn. „Wo sind Hermine und Harry?"
Ron druckste herum. Dann rückte er aber doch mit der Sprache heraus. „Sie sind Snape hinterher."
„Was?" Ich sprang auf. „Was um alles in der Welt haben sie vor?"
„Sie wollen ihn umstimmen."
Das würde nicht möglich sein. Was hieß, dass sie ihn wohl eigentlich angreifen wollten. Wann hatten sie diesen Plan ausgeheckt? Warum hatte ich nichts davon mitbekommen?
„Warte hier und versuche Lupin zu befreien!", rief ich Ron zu, während ich schon halb aus dem Raum rannte.
Anders als auf dem Hinweg brauchte ich nicht leise zu sein, ganz im Gegenteil. Wenn Severus mich bemerkte, dann wäre er auch vor Hermine und Harry sicher. Im Gang selbst würde mein Ruf bestimmt wunderbar hallen, aber noch musste ich aus diesem verdammten Haus raus. Ich sprang zwei Stufen auf einmal hinab und ließ einen Absatz sogar mit einem großen Satz ganz hinter mir. Schwungvoll bog ich um die letzte Ecke, hatte freie Sicht auf den Tunnel und sah zwei bunte Blitze. Sie trafen einen dunklen Schatten, der zu Boden klappte. Zu spät. Was hatten sie nur getan?
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