Kapitel 3 - Vollwaise mit krimineller Familie sucht Vormund
„Sie sind Eleonora Black, Tochter von Regulus Arcturus Black", begann der Zauberer von seinen Unterlagen vorzulesen. „Der Aufenthaltsort und Verbleib Ihrer Mutter ist unbekannt, ebenso wie ihre Identität. Ist das korrekt?"
„Das stimmt", sagte ich, etwas nervös, wegen der förmlichen Ausdrucksweise. Das hieß, dass es nun ernst wurde.
„Bei unserer Suche nach weiteren Angehörigen außer Narcissa und Lucius Malfoy sind wir auf Andromeda Tonks, geborene Black gestoßen. Hatten Sie jemals Kontakt zu ihr oder kennen Sie diesen Namen?", fuhr der Ministeriumsmitarbeiter fort.
Verwirrt stockte ich. Ich hatte den Namen tatsächlich schon einmal gehört, wusste aber den Zusammenhang nicht mehr. Wenn sie aber eine Black sein sollte, dann hatte ich sie noch nicht im Stammbaum gesehen. Und den hatte Lucius mich auswendig lernen lassen.
Daher schüttelte ich den Kopf. „Ich kenne sie nicht und habe sie auch noch nie gesehen."
Einen Moment lang sah der Mann mich mit leicht gerunzelter Stirn an, vermutlich konnte er nicht glauben, dass ich meine eigene Verwandtschaft nicht kannte. Er vermerkte etwas auf dem Pergament. Seine Kollegin warf mir ebenfalls zweifelnde Blicke zu.
„Dann scheidet ihre Tochter wohl auch aus..." Mit frisch angefeuchtetem Finger blätterte er etwas weiter. „Eine weitere nahe Verwandte wäre Bellatrix Lestrange, die ebenfalls gebürtige Black ist. Ist vielleicht sie Ihnen bekannt?"
Suzanne hatte sich bei dem Namen merklich versteift. Nach einem kurzen Seitenblick in ihr erbleichtes Gesicht antwortete ich: „Ich kenne ihren Namen. Aber ich habe sie ebenfalls noch nicht getroffen."
Die Ministeriumshexe ließ etwas wie ein Kichern hören. „Das sollte sich auch schwierig gestalten, da sie seit etlichen Jahren in Askaban einsitzt. Für das Unterstützen von dem, dessen Name nicht genannt werden darf und unzähligen Gewaltverbrechen gegen Muggel und Zauberer."
Das erklärte Suzannes Schockzustand. Höchstwahrscheinlich hatte sie über die Geschehnisse berichtet oder womöglich sogar jemanden an Bellatrix verloren.
„Sie wollen mich ja aber nicht zu ihr schicken, oder?", hakte ich nach. Wenn sie das tun würden, wäre das Ministerium endgültig verrückt geworden. Zukünftig meine Sommerferien im Zaubereigefängnis zu verbringen, konnte ich mir auch unter gar keinen Umständen vorstellen.
„Selbstverständlich nicht." Der Zauberer warf seiner Kollegin einen ärgerlichen Blick zu. „Auch Ihr Onkel Sirius Black scheidet unter diesen Umständen aus."
Wenn überhaupt möglich verspannte sich Evas Mutter auf der Bank neben mir nur noch stärker. Diesmal war es an ihr, mir einen abschätzenden Blick zuzuwerfen. Sie schien sich angesichts meiner äußerst kriminellen, schwarzmagischen Verwandtschaft nochmal genau zu überlegen, ob sie mein Vormund werden wollte. Wahrscheinlich weniger aus Angst vor mir, als vor meinen Verwandten.
„Aber glücklicherweise haben Sie ja ihren eigenen Vorschlag direkt mitgebracht..."
Ob man hier noch von Glück reden konnte, wusste ich angesichts von Suzannes schreckversteinertem Gesicht nicht. Auffordernd blickte ich sie an. Sie zuckte zusammen und erhob sich.
„Mein Mann Philip und ich würden gerne Eleonoras Vormundschaft übernehmen", brachte sie mit zitternder Stimme heraus.
„Sie haben bereits drei eigene Kinder, nicht wahr?", fragte die Hexe nach. „Und Ihr ältester Sohn arbeitet hier beim Ministerium?"
Schwach nickte Suzanne. Mir wurde klar, dass mit den Namen von Bellatrix und Sirius wohl alte Wunden wieder aufgerissen worden waren. Immerhin hatte sie den Kampf gegen den Dunklen Lord mitbekommen und war wahrscheinlich vor ihm und seinen Schergen geflohen oder hatte gegen ihn gekämpft. In jedem Fall waren es keine schöne Erinnerungen.
Mit einem Mal flog die Tür auf und ein hagerer Zauberer stürmte mit wallendem Umhang hinein. Die kleine Ministeriumshexe zuckte so sehr zusammen, dass sie von ihrem Stuhl rutschte. Fast schon liegend und mit hochrotem Kopf zog sie sich zurück hoch.
Severus hob leicht seine Mundwinkel bei meinem Anblick. Ich konnte ihm seine unterschwellige Freude über den gelungenen Auftritt ansehen. „Offensichtlich wurde mir eine falsche Zeit mitgeteilt, andernfalls lässt sich der verfrühte Beginn nicht erklären", sagte er statt einer Begrüßung. Somit tat er das, was er am besten konnte: andere kritisieren.
Die Ministeriumshexe hatte ihren Hintern wieder zurück auf das Stuhlpolster befördert und räusperte sich nun angestrengt. Sie wollte wohl ihre Würde retten. Mit schwacher Stimme fragte sie: „Und Sie sind?"
„Severus Snape. Der Patenonkel von Eleonora." Bei seinem letzten Satz meinte ich, seine Brust leicht anschwellen zu sehen.
Hastig raschelte die Hexe in ihren Unterlagen. Ihr Kollege hatte offenbar bereits die richtige Stelle gefunden. Zumindest starrte er Severus mit leicht gerunzelter Stirn an. „Kenne ich Sie irgendwoher?"
Mein Pate betrachtete ihn genauer. „Solange Sie keiner meiner Schüler waren, wohl eher nicht."
Ich war zwar erleichtert über seine Anwesenheit, aber nicht nur. Stattdessen machte ich mir auch Sorgen, ob sein spöttischer Tonfall und die Wortwahl so gut beim Ausschuss ankamen. Und da sie immerhin entscheiden sollten, ob er meine Vormundschaft übertragen bekam, war das nicht unwichtig. Mahnend starrte ich auf sein hakennasiges Profil. Er stand weiterhin im Mittelgang, wahrscheinlich als Teil seines Auftritts. Severus sollte sich gefälligst zusammenreißen! Auf Suzanne würde das Benehmen auch keinen großen Eindruck machen, sie war noch immer nicht über meine Verwandtschaft zu Massenmördern und Kriegsverbrechern hinweggekommen. Meine Vormundschaft wollte sie nun wohl auch nicht mehr so dringend haben.
Der Zauberer hatte es aufgegeben, nach Beweisen für ihr früheres Aufeinandertreffen zu suchen und konzentrierte sich ebenfalls auf die Unterlagen.
„Sie sind Lehrer für Zaubertränke in Hogwarts?", versicherte sich die Hexe. „Und das bereits seit Ihrem 21. Geburtstag?"
Severus nickte. Dann war er ja schon eine halbe Ewigkeit Lehrer! Das hatte auch ich noch nicht gewusst. Am Anfang war er dann ja nur kaum älter als die Schüler gewesen! In dem Alter schon eine solche Verantwortung zu haben, war sicherlich nicht einfach. Andererseits ... ich war bereits zweimal gegen den Dunklen Lord angetreten und bisher erfolgreich gewesen. Dagegen waren anstrengende Schüler und ihre noch viel schlimmeren Eltern wohl ein Klacks.
„Ich würde gerne Eleonoras Vormund werden", verkündete mein Pate mit blitzenden Augen.
Entsetzt sah ich ihn an. Klar, er hatte mir seine Hilfe zugesichert, aber damit hatte ich nicht gerechnet. Vielleicht mit rechtlichem Beistand oder sogar emotionalem. Und ich wusste auch nicht, ob ich bei ihm wohnen wollte. Immerhin hätte ich diese Ferien zum ersten Mal überhaupt sein Haus gesehen. Länger, als im Unterricht oder danach für einige, wenige Stunden, hatten wir uns auch noch nicht am Stück gesehen.
Deshalb ist es vielleicht verständlich, dass ich ihm zu zischte: „Was machst du denn da?"
Er neigte aber nur den Kopf etwas in meine Richtung und hielt seinen Blick starr auf den Ausschuss vor sich gerichtet.
„Als Lehrer wären Sie dafür sicherlich geeignet", pflichtete ihm die kleine Hexe zu. Da musste ich aber dringend widersprechen. Hätten sie etwa Quirrell oder Lockhart ein Kind zur Pflege gegeben, nur wegen ihres Berufs? Das wäre ja fast schon einem Todesurteil gleichgekommen!
Doch bevor ich irgendeinen Protest äußern konnte, kam mir der Ministeriumszauberer zuvor. Seinen Namen kannte ich leider immer noch nicht. „Und Sie sind ja auch bereits Eleonoras Pate. Allerdings haben Sie keine eigenen Kinder und soweit ich das hier in der Akte verstehe, auch schon ein Verfahren gegen sich laufen gehabt."
Ich riss die Augen auf. Mein Pate? Ein Gerichtsverfahren?
Severus Gesicht verdunkelte sich. „Wie Sie aber sicherlich ebenfalls dort lesen können, wurde ich in allen Punkten freigesprochen."
Das hatte er wohl noch nicht gelesen, denn er vertiefte sich in das Dokument und nickte kurz darauf zustimmend. „Trotzdem macht das nicht gerade einen guten Eindruck. Vielleicht wäre Eleonora in einem Heim besser aufgehoben."
Mir blieb die Luft weg. Das konnten die doch nicht machen! Auch Suzanne schien dadurch endlich aus ihrer Trance erwacht zu sein.
Der Zauberer wechselte einen Blick mit seiner Kollegin. „Wir gehen uns nun kurz beraten und verkünden dann unsere Entscheidung."
Sie rafften ihre Unterlagen zusammen und verließen den Raum durch eine unauffällige Tür mit Holzverkleidung. Ich verbarg das Gesicht in Händen. Am liebsten wäre ich auf schnellstem Wege aus dem Zaubereiministerium rausgerannt und die paar Meilen zu Dean gelaufen. Alles in mir schrie nach einer seiner tröstlichen Umarmungen und seiner beruhigenden Art. Sämtliche Sorgen verschwanden in seiner Nähe einfach, als hätte es sie nie gegeben.
Stattdessen blieben mir aber nur Suzanne, die ich gar nicht mehr wiedererkannte, und mein Pate, der überraschend viel Engagement zeigte. Und über den hier ungeahnte Tatsachen enthüllt wurden. Leise hatten Evas Mutter und der Lehrer ihrer Tochter ein Gespräch angefangen, als könnte der Ausschuss sie hören. Vielleicht konnte er das auch und alles war nur ein Test. Oder ich wurde einfach zu paranoid.
Seufzend nahm ich die Hände von den Augen und blinzelte leicht gegen das Licht. Davon gab es in diesem Kellerraum zwar nicht viel, aber genug, um störend zu sein.
Zu meiner Überraschung redeten mein Pate und Suzanne über einen neuerfundenen Zaubertrank, über den sie scheinbar im Tagespropheten berichtet hatte. Da dieser aber nur gegen Verwandlungen bei Werwölfen helfen sollte, schaltete ich auf Durchzug. Zu einem haarigen, kinderfressenden Monster wurde ich zum Glück nicht.
Ich betrachtete die Mutter meiner besten Freundin und versuchte herauszufinden, was die Hexe und der Zauberer wohl von ihr hielten. Eigentlich hätte sie sie mit ihrem Charme bezaubert und vielleicht wäre ich auch schon wieder hier raus, mit ihr als Vormund. Meine unerwünschte Verwandtschaft hatten sie aber härter getroffen, als gedacht und noch immer war sie einen Hauch zu bleich. Ich wüsste nicht einmal, ob ich mich ihr zuteilen würde, sie labil, wie sie schien. Eva würde garantiert stinksauer auf ihre Mutter sein.
Und Severus ... tja, der wahr auch kein Vorzeigekandidat. Zumindest mit dem Gerichtverfahren vor einigen Jahren. Und auch als alleine lebender Single wirkte er nicht unbedingt wie ein Kinderprofi. Von seinem spöttischem Verhalten ganz zu schweigen. Dass er mein Vormund wird, hätte aber wohl am ehesten den Wünschen meines Vaters entsprochen. Er hatte seinen besten Freund ja nicht umsonst zum Paten gemacht.
Schwierige Entscheidung.
Ich hoffte einfach nur, dass ich ums Heim drumherum kam und bei Severus oder den McNamaras landete.
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