6. Kapitel
Rose' point of view
Als wir uns von Fanny und Ronja trennten, überkam mich plötzlich ein mulmiges Gefühl. Noch nie war ich so auf mich allein gestellt gewesen, immer hatte ich bis jetzt jemanden an meiner Seite gehabt. Mit einem Kopfschütteln herrschte ich mich an, nicht immer so ängstlich zu sein und konzentrierte mich auf die Landschaft, die uns umgab. Ich kam mir mittlerweile ehrlich gesagt wie in einem Jungel vor. Überall blühten Blumen und Bäume, zahlreiche Bäche, Tümpel und Weiher durchquerten die Landschaft. Wir ritten fast durchgängig durch Bäche und Pfützen und von irgendwoher hörte man ein Rauschen. Das Rauschen entpuppte sich, als wir näher kamen, als das Geräusch von aufkommendem Wasser, nämlich dem Wasser eines Wasserfalls.Ich staunte nicht schlecht, als ich schließlich einen Blick auf ihn erhaschte, denn er war riesig. Wirklich riesig. Er wirkte gigantisch und imposant und wunderschön. Irgendwie alles gleichzeitig. Ich wollte sofort das Wasser berühren. Es um mich spüren. Mit ihm fallen. Verwirrt versuchte ich, wieder klare Gedanken zu fassen, denn dieser Anblick benebelte meine Sinne wie Drogen.
„Er ist berauschend oder?", fragte Jolina lächelnd.
„Wortwörtlich.", antwortete ich nur und starrte ihn weiter an.
„Das liegt daran, dass dein Element das Wasser ist und du eine besondere Verbindung zu diesem Element hast. Die gebündelte, magische Kraft des Wassers von diesem Wasserfall erschlägt dich im ersten Moment sozusagen und du fühlst dich sofort zu diesem Gewässer hingezogen. Deshalb bist du so benebelt. Mit der Zeit wird es aber besser."
„Er ist toll. Beeindruckend.", hauchte ich atemlos von der Schönheit der Natur.
Jolina trieb ihr Pferd wieder los und meins folgte ihr, ohne das ich etwas tat. Erst nach ein paar Minuten besann ich mich wieder. Wir waren dem Wasserfall näher gekommen und er wirkte größer denn je. Ronja nahm ihrem Pferd die Decke und Trense ab und ich tat es ihr gleich. Wir brachten die Sachen weg zu einen kleinen Unterstand an dem Haken und Fächer befestigt waren. Die Pferde waren schon verschwunden und ich fragte mich, wo wir jetzt hinmussten. Jolina ging vor mir her und machte am Wasser angekommen einen für ihr Alter sehr eleganten Kopfsprung ins Wasser. Wollte sie jetzt schwimmen gehen? Es war doch viel zu kalt, und es wurde dunkel! Das Wasser sah mir außerdem nicht sher einladend aus. Es war aufgewirbelt und unruhig, es schien so, als würden Strömungen enstehen. Erst nach ein paar Sekunden tauchte Jolina wieder auf - triefend nass.
"Und... was soll das jetzt werden?", fragte ich vorsichtig und hatte Sorge, dass die alte Frau verrückt geworden war.
"Komm herein! Es ist herrlich!", rief diese mir zu und machte eine auffordenerne Handbewegung.
Ich wunderte mich ehrlich gesagt, dass sie bei den Wellen nicht unterging, wollte das aber eher weniger selbst ausprobieren. "Nein danke... mir ist das zu kalt, ich möchte einfach wissen, wo ich hin muss, dann geh ich schon mal vor. Ich komm schon klar.", antewortete ich so nett wie möglich.
Doch Jolina schüttelte nur den Kopf und antwortete energisch: "Du kommst nur über das Wasser dahin, wo wir hin müssen. Also, komm! Glaub mir, es ist gar nicht so kalt."
Ich machte einen kurzen Prozess und bevor ich weiter darüber nachdenken konnte, ob in diesem Gewässer Stromschnellen waren oder nicht, sprang ich einfach.Ich tauchte in das Wasser ein und spürte, wie sich mein Körper zusammenzog. Das Wasser war kalt. Extrem kalt. Es drang in meinen Mund und in meine Ohren, schlich sich durch meine Kleidung an meine nackte Haut. Ich verlor den Orientierungssinn und spürte unter meinen Füßen einen Wirbel, der mich nach unten zog. So langsam ging mir die Luft aus und ich ruderte wie wild mit den Armen, um wieder an die Wasseroberfläche zu gelangen. Plötzlich spürte ich eine Hand, die sich fest um mein Handgelenk schloss und mich mit einem kräftigem Zug nach oben zog. Ich brach durch die Wasseroberfläche und holte tief Luft. Meine Atmung ging hektisch und mein Körper war verkrampft. Ich spürte immer noch einen Druck an meiner Hand und blickte hinüber zu Jolina, die mich sicherheitshalber festhielt.
„Alles okay?“, fragte sie besorgt.
„Ich hoffe es.“, antwortete ich zweifelnd und versuchte mich zu beruhigen.
„Du musst dich auf das Wasser einlassen. Wenn du dich dagegen wehrst oder Angst hast, dann können dich die Strömungen wie jeden normalen Menschen mitreißen und die Wirbel runterziehen. Du musst den Widerstand abbauen. Dann ist es ganz einfach, mit dem Wasser zu schwimmen und dich geschickt durch die Strömungen zu schlängeln. Das Wasser ist dein Element, Rose. Es ist dazu da, dir zu helfen und zu dienen. Und es ist nicht dazu da, Widerstand gegen dich aufzubauen und es dir schwer zu machen. Du musst mit dem Wasser fühlen. Sonst wird es sich gegen dich wenden. Immer und immer wieder. Also? Zweiter Versuch? Folge mir einfach.“
Sie ließ meine Hand los und tauchte unter, ich tat es ihr gleich. Unter Wasser öffnete ich vorsichtig die Augen und versuchte mir vorzustellen, ich würde mit dem Wasser spielen. So wie ich es zuhause tat. Ich spürte das Element um mich herum, aber als meinen Freund. Und plötzlich war es ganz einfach, mit Jolina gegen die Strömungen zu schwimmen, den Felsen auszuweichen und unter Wasser klar zu sehen. Ich brauchte noch nicht einmal Sauerstoff. Sämtliche Gedanken und Vorgänge in meinem Kopf waren ausgeschaltet, ich genoss einfach das Gefühl, mich so leicht durch die Strömungen zu schlängeln und schaltete den Kopf aus. Wir gelangten näher an den Wasserfall heran und ich bemerkte die unebene Wasseroberfläche über uns. Doch viel zu schnell war unsere Taucheinheit vorbei. Denn Jolina tauchte wieder auf und uns umgab kalter Wasserdampf.
Sie musste fast brüllen, weil das Rauschen um uns herum so laut war, um mir zu erklären: „Wir müssen jetzt etwas tiefer tauchen. Dort wird eine Felswand auf uns zukommen, die Wand, die auch die einseitige Schlucht vor uns ist. Dort wird ein großes Loch sein, dort werden wir reintauchen. Dann kannst du dich nach oben treiben lassen, bis du an der Wasseroberfläche angekommen bist. Ok?“
Ich nickte nur und Jolina tauchte unerwartet elegant wieder in das Wasser hinein. Auch ihre Fortbewegung war fließend und anmutig, ganz anders als auf dem Land. Würden sie die grau-weißen Haare nicht verraten, würde ich sie glatt als junge Frau bezeichnen. Jolina schwamm schnell, mit kräftigen großen Zügen, hin und wieder auch wie eine Meerjungfrau, dann wieder sich um die eigene Achse drehend und manchmal mit Kraulbewegungen. Ich konnte ihren Schwimmstil ehrlich gesagt nicht definieren, denn sie nahm die verschiedensten Weisen alle abwechselnd, anscheinend so, wie sie gerade Lust hatte. Irgendwie war sie schon ein wenig komisch, aber so wie ich sie einschätzte auch liebenswürdig und sanft. Ich freute mich auf die Zeit, in der sie mich unterrichten würde und war gespannt auf das Zuhuase des Natio-Aqua. Doch noch musste ich erst einmal dorta ankommen. Das würde ich jedoch anscheinend bald, denn Jolina wurde langsamer und tauchte noch tiefer hinab. Ich schätzte, wir hatten nun eine Tiefe von vier bis fünf Metern erreicht, doch ich verspürte immer noch keinen Drang nach Sauerstoff und empfand keinen Druck auf meinen Ohren. Ich sah, wie vor mir eine Felswand erschien, vermutlich die der Schlucht, und erkannte ein circa zwei Meter großes Loch in dem Felsen. Es war verziert mit in den Stein geritzten Mustern und Zeichen, die ich nicht erkannte. Jolina tauchte durch das Loch hindurch und ich tat es ihr gleich, worauf ich in ein kreisrundes Becken gelangte. Wir ließen uns nach oben treiben und ich erkannte die Wasseroberfläche über mir, die ich kurz darauf durchbrach. Tief atmete ich die kühle feuchte Luft ein und erfasste die Gegend um mich herum. Es führten steinerne Treppen aus dem Becken heraus und ebensolche an den Wänden entlang in verschiedene Öffnungen, Gassen und Räume. Neben dem Becken verlief eine Art Empfangsraum, mit vielen Nischen und Bodeneinlassungen in denen bequem aussehende Sitzbänke aus hellblau angestrichenem Holz und riesige Sitzkissen ihren Platz hatten. Auch einzelne Whirlpoolartige Wasserbecken verteilten sich im Raum. Ich sah viele Leute, jung und alt, dick und dünn, von hübsch bis durchschnittlich. Doch was mir besonders auffiel, war, dass sie alle die verschiedensten Blautöne trugen und vor allen Dingen alle glücklich aussahen. Manche unterhielten sich ausgelassenen mt Gleichaltrigen, andere führten leise Gespräche. Lachende Kinder liefen um die Bänke herum und spielten fangen, lächelnde Erwachsene schauten ihnen dabei zu. Und trotz dem ganzen Treiben herrschte eine angenehme Atmospähre und ich fühlte mich sofort wohl.
„Das ist das Atrium. Es ist so etwas Ähnliches wie ein Aufenthaltsraum, denn hier hält man sich auf, wenn man sich mit Freunden treffen, ein bisschen Wasser tanken oder neue Leute kennenlernen will. Es ist eines unserer vielen Zentren. Dieses große Becken ist eine Verbindung zwischen dem Fluss und unserer Stadt und damit auch die einzige Verbindung zwischen uns und der Außenwelt. Da vorne kannst du aus dem Wasser steigen.", erklärte Jolina mir und ich bewegte mich auf ihren Wink auf die steinernde Treppe zu. Sie fühlte sich kalt an, obwohl ich Schuhe trug. Wir stiegen langsam aus dem Wasser und tropften den Boden voll uns mir kam der Gedanke dass ich nicht mal Wechselkleidung mitgenommen hatte. Doch als Jolina dies mitteilen wollte, sah ich, wie ihre Kleidung, ihre Haare und ihre Haut in rasendem Tempo wieder trocken wurde. So, als würden die Wassertropfen von ihr förmlich wie von einem Magnet abgestoßen werden. Ich fragte mich, wie sie das machte und ob es etwas mit der Affinitat zutun hatte. Als Jolina schließlich meinen ungläubigen Blick bemerkte, sagte sie gutmütig:
"Glaubst du, wir wollen uns jedes mal neue Kleidung anziehen, wenn wir draußen waren? Dahinten...", sie deutete mit dem Finger zu einem kleinen Holzgebäude aus dem sich die Hitze bis nach hier ausbreitete "... kannst du dich trocknene lassen. Wir Auserwählten haben da aber eienn kleinen Vorteil. Wie beherrschen unser Element so sehr, dass wir den Wassermolekülen sozusagen einfach den Befehl geben können, sich von uns fernzuhalten. Das ist jetzt vielleicht etwas extrem ausgedrückt, also stelle dir einfach vor, du würdest immun gegen das Wasser sein oder es wie ein Magnet abstoßen. Versuch es mal."
Ich war ehrlich gesagt etwas skeptisch, ob das bei mir auch sofort funktionieren würde und schaute mich deshalb unsicher um, denn von überall wurden wir verstohlen angeschaut. Doch Jolina ermunterte mich mit einem Lächeln und ich schloss die Augen. Ich stellte mir vor, wie ich das Wasser förmlich von mir stoße und bemerkte nach kurzer Zeit, wie mir zwar wärmer wurde, ich aber nicht sagen konnte, ob ich nun wieder trocken war. Also fuhr ich einfach fort, bis irgendwann sogar mein Mund warm wurde. Ganz entfernt hörte ich Jolinas Stimme und fühlte ein Schütteln an meinem Arm. Verwirrt öffnete ich die Augen wieder und sah Wasserflecken rund um mich herum auf dem Steinboden. Sie waren kreisförmig mindestens einen Meter von mir entfernt aneinander gereiht, so als wäre das Wasser förmlich von mir abgeprallt. In der Halle herrschte Totenstille und alle starrten mich ohne eine Ausnahme an. Sogar die Kinder hatten aufgehört herum zu rennen und guckten mich stirnrunzelnd an, so als wäre ich ein interessantes Objekt, was einem Ufo glich. Mindestens die Hälfte der Leute hatte den Mund offen und auch Jolina schien der Schock ins Gesicht geschrieben. Aber ich, ich hatte einfach nur noch unglaublichen Durst. Ich bemerkte meinen trockenen Hals und den brennenden Rachen, ich bemerkte wie sich mein Magen unangenehm zusammenzog und wie juckend und trocken meine Haut plötzlich war.
"Ich glaube, ich brauche Wasser.", flüsterte ich nur noch und dann wurde die Welt um mich herum schwarz.
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Das Bild beschreibt den riesigen Wasserfall im Territorium des Natio-Aqua. Der Link:
http://www.artleo.com/pic/201108/1366x768/artleo.com-5377.jpg
Xx Paulalovely ^^
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