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Das leise Rauschen der Blätter im Wind und das stimmige Singen der Vögel. Irgendwo in diesem, von jeglicher Menschheit abgeschottetem Wald, rauscht ein Bach über Steine und lässt diese im Licht des Morgengrauen lebendig erscheinen.
Nach einer Weile kommt man an einen See. Sein Wasser ist so klar, das man bis auf den Boden schauen kann. Durch kleine und große Wasserpflanzen, bekommt der See einen grünen Akzent. In der Mitte des Teiches liegt friedlich eine Insel. Auf ihr sitzt eine der vier Elementargeister, Natur. Ihre Haare bestehen aus langen, saftig grünen Ranken, die ihr bis zu den Füßen reichen. Der Haaransatz besteht aus vielen kleinen, verschiedenen Blättern mit Einkerbungen und ihre Ohren sehen aus wie Buchenblätter. Von den Unterarmen an bis zu den Händen sind rote Eichenblätter wie eine Rüstung aus Schuppen übereinandergelegt. Das Gleiche kann man auch an ihren Beinen sehen.
Natur steht ganz ruhig auf der Insel. Sie scheint diese friedliche Ruhe zu genießen.
Auf einmal fangen ihre Ohren zu zucken an. Ihre Stirn runzelt sich, als würde sie sich auf etwas konzentrieren.
Dann, wie aus dem Nichts schießt ein Pfeil aus dem Dickicht. Natur weicht aus, doch der Pfeil war nicht auf sie gerichtet, sondern auf den Eber hinter ihr. Bald darauf kommt ein Mann von hünenhafter Statur und bepackt mit Muskeln aus dem Wald. Er läuft schnell um den See herum, auf das tote Wildschwein zu. Er packt es an den Hinterbeine und wirft es wie einen leichten Sack über die Schulter, um dann so schnell zu verschwinden wie er gekommen war.
Natur sieht dem Ganzen aus der Ferne zu, doch sie erinnerte sich wieder daran, dass Menschen sie nicht sehen können.
Mit schnellen Bewegungen springt sie von Baum zu Baum. Die Pflanzen scheinen ihr zu helfen, in dem diese ihre Äste knarrend hin und her bewegen.
Irgendwann ist Natur da. Ein Dorf mitten im Wald, verloren und längst vergessen. Die Pflanzen haben sich schon längst das zurückgenommen was ihnen gestohlen wurde.
Eine gusseiserne Treppe von Moos und Ranken überdeckt, führt auf einen Marktplatz. Die leicht von Algen überdeckten Pflastersteine schimmern im Licht hellgrün.
Natur folgt einer Straße, bis sie vor einer Kathedrale steht. Ihre Wände sind schon etwas zerfallen und Efeu hat sich darauf ausgebreitet. Natur schiebt die mit Gold verzierte Holztür auf. Es quietscht und knackt und dann offenbart sich einem ein wunderschöner Anblick.
Licht schimmert durch die farbigen Glasscheiben und im Inneren hat sich eine geschützte Flora ausgebreitet. Junge Birken umschlingen Bänke, auf denen früher gebetet wurde. Veilchen und Ziertabake wachsen auf dem Boden. Manchmal kann man noch den roten Teppich sehen, der dort einst lag. Am Altar an der Spitze, hat sich eine Physalis-Pflanze ausgebreitet und trägt in vollem Orange stehende Früchte. Natur zupft sich eine ab, der saure Geschmack der Frucht, lässt sie ihr Gesicht verziehen.
Natur wendet sich nach rechts. Eine, schief in den Angeln hängende, mit tiefen Furchen durchsetzte Tür klafft offen und lässt eine Blick nach draußen, hinter die Kathedrale, zu. Natur schiebt auch diese zur Seite und betritt den Hinterhof.
Ein kleiner Garten erstreckt sich vor ihr. Die einst in Reihe gepflanzten Heilkräuter wie Holunder und Salbei, wachsen wild durcheinander. Doch eine Pflanze sticht aus dem bunten Wirrwarr heraus.
Es ist eine Rose. Sie steht in einer Ecke des Gartens, in welcher der Schatten der Kathedrale nicht hinkommt, auch ist ein kleiner Bach daneben und dennoch ist sie vertrocknet. Natur bewegt sich leichtfüßig zum vertrocknetem Strauch und kniet sich davor hin. Danach schließt sie ihre Augen und hält ihre Hände nah an den Busch heran. Bald darauf fangen ihre Hände an in einem gelbgrünlichem Ton zu schimmern. Die Pflanze scheint sich zu erholen. Ihre braunen Blätter gewinnen immer mehr grüne Farbe hinzu und auch die vertrocknete Blume stellt sich wieder auf.
Doch anstatt, dass die Blütenblätter kräftig Rot werden, verwandeln sie sich in ein abgrundtiefes Schwarz, welches die Kräfte von Natur zu absorbieren scheint. Diese springt sofort weg, als sie sieht was geschieht. Die Blume hingegen schlingt sich fest zusammen und ihre gerade neu gewonnen Kräfte werden ihr wie von Zauberhand entzogen. Die Blätter fallen in sich zusammen und alles verrottet wieder.
Als sich Natur dann umsieht, muss sie mit Erschrecken feststellen, dass alle umliegenden Pflanzen ebenfalls verrottet sind. Gefüllt mit Angst rennt sie davon. Heraus aus diesem Garten, heraus aus diesem Dorf, nur weg von allem Bösen.
Doch hin und wieder sieht sie immer mehr verrottende Pflanzen.
Was passiert hier?
In Hektik kommt sie an dem See an, an dem sie die Szene mit dem Eber beobachtet hatte.
Bäume sich zerbrochen und ins Wasser gefallen, aus ihnen wuchern dunkle, lilane Ranken hervor, welche so scheinen, als hätten sie einen eigen Willen. Diese Ranken sind Parasiten, sie wickeln sich um einen Baum und entziehen ihm alle Kräfte. Das Wasser hat inzwischen auch ein toxisches Lila angenommen. Natur steht von Schock gelähmt, mitten in dem Durcheinander.
Was passiert hier nur? Wo ist der einst so friedliche Wald hin?
Es knackt und knirscht hinter Natur. Sie wirbelt schnell herum. Ein Baum fällt auf sie zu. Sie versucht sich zu wehren. Doch ihre Kräfte versagen.
Auf einmal, ein helles weißes Licht.
Es knackt ein weiteres Mal und man kann Holz zersplittern hören. Natur öffnet ihre Augen. Um sie herum liegen viele Holzbruchstücke und dann erblickt sie auch noch einen hellweißen Faden, der auf Naturs Brust zu beginnen scheint. Sie blickt an sich herunter und sieht über ihrem Herzen ein grünflackerndes Licht, dass direkt mit dem hellen Faden verbunden ist.
In ihrem Kopf sagt eine Stimme sanft: "Komm. Folge mir!"
Natur blickt sich um und geht dann auf das Angebot ein, indem sie dem Faden folgt.
Während sie läuft, rinnen ihr dicke Tränen über das Gesicht. Alles was sie aufgebaut hatte, den ganzen Wald hatte sie aus einer einzigen Steppe hervor gestampft, sich als Schutzgeist benannt, geschworen für den Wald zu kämpfen. Und nun? Nun rennt sie weg, nur weil sie nichts dagegen ausrichten kann und muss mit ansehen wie ihre Arbeit zerstört wird.
Nach einem langen Marsch, steht sie vor dem ersten Baum, den sie wachsen lassen hat. Er ist inzwischen immer größer geworden. Von seiner breiten Krone hängen Ranken hinab und die Rinde ist von Furchen durchzogen, als wären es Falten.
Um den Baum haben sich viele Tiere zusammen gefunden, die vor dem Zerfall des Waldes flüchten.
Der weiße Faden führt nach oben in die Krone des Baumes und da dieser Ort für Natur heilig ist, schließt sie ihr Hände zusammen und bittet den Baum sie nach oben zu tragen. Tatsächlich lässt der Riese seine Ranken hinunter zu Natur, um sie anschließend dem Himmel entgegen zu bewegen. Er setzt sie auf einem seiner Äste ab und Natur bahnt sich ihren Weg durch das Dickicht, immer dem Strang hinterher. Schon bald steht sie am höchsten Punkt und kann den ganzen Wald überblicken. Überall ragen riesige Ranken aus dem Boden und der ganze Wald scheint inzwischen komplett verrottet zu sein.
Auf einmal taucht ein Lichtball auf und die Stimme meldet sich wieder: "Du hast es also bis hierher geschafft! Wenn du mich treffen willst berühre diesen Lichtball!"
Natur, die es als einzige Möglichkeit sieht, streckt zögerlich ihren Arm aus.
Danach wird alles hell weiß.
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