Kapitel 8
Ich stand im Badezimmer, betrachtete mich im Spiegel. Die Worte, die Ashley mir an den Kopf geworfen hatte, hatten weh getan, aber nicht so sehr wie das, was ich an meiner alten Schule gehört hatte. Da hatte ich versucht mir die Ohren zuzuhalten wenn sie mich beschimpfen und irgendwann hatten sie meine Hände festgehalten, damit ich ihre Stimmen hören musste. Die Szenen hatten sich in mein Gehirn gebrannt und ich konnte noch jedes Detail davon abrufen. Wie ich doch gehofft hatte, dass alles besser werden würde, wie ich doch mir selbst versucht hatte einzureden, dass die Menschen nicht überall so waren wie an meiner alten Schule in Portland. Nur ich hatte mich getäuscht.
Natürlich waren Violet und Jake vollkommen in Ordnung, aber dann hörte es auch schon wieder auf. Eigentlich traute ich mich nicht mal Violet zu fragen, ob sie mir im Stoff etwas auf die Sprünge helfen würde, denn das hätte vielleicht zu bedeuten, dass ich zu ihr nach Hause musste und dann würde ich damit leben müssen, dass Ashley mir dumme Fragen stellen würde. Fragen deren Antworten ihn nichts angingen. Doch was brachte es weiter darüber nach zu denken? Wieso sollte ich mir weiter einen Kopf darüber machen?
Ich ertappte mich dabei, wie ich versuchte meine Narben und die letzten, fast verheilten Streifen auf meinem Arm los zu kratzen. Das alles musste aufhören. Das alles musste irgendwie und irgendwann doch mal ein Ende haben. Meine Hand ging in die Richtung des Badezimmerschrankes und ich war kurz davor nach einer Rasierklinge zu greifen, als es an der Tür klingelte. Schnell warf ich die Schranktür zu. Danke lieber Gott, dass du einmal gnädig mit mir bist.
Als ich öffnete stand Violet vor der Tür, grinste mich an. ,,Hey, Na wie ist das Nachsitzen gelaufen?" fragte sie mich, während ich sie in die Wohnung lies.
,,Naja, wir mussten die Cafeteria putzen. Also war es ganz okay, bis auf die nervigen Fragen von Ashley." Wir gingen in die Küche, wo ich zwei Gläser aus dem Schrank holte und dann fragte, was sie trinken wollte. ,,Was machst du eigentlich hier?"
,,Ich wollte nicht Zuhause sein, wenn Ashley kommt. Der hat sicher mega schlechte Laune. Außerdem wollte ich hören wie es war und er wird mir da bestimmt nichts erzählen." Sie grinste mich an, nahm einen Schluck von ihrer Cola. Ich tat ihr gleich, wenn ich doch jetzt eher den Drang hatte auf unseren Balkon zu gehen.
,,Kommst du mit raus? Ich würde gern eine rauchen." Sie nickte, stellte ihr Glas auf die Küchentheke und folgte mir. Draußen angekommen nahm ich mir eine Zigarette, sah dann Violet an. ,,Magst mal ziehen?" fragte ich sie. Ich ging davon aus, dass sie noch nie zuvor geraucht haben musste und hielt ihr meine entgegen.
,,Ich nehm ne eigene, wenn du mir eine gibst." Natürlich sah ich sie verwirrt an, aber trotzdem hielt ich ihr die Schachtel entgegen und gab ihr Feuer. Ich hatte zwar nicht erwartet, dass ein so unscheinbares Mädchen wie sie rauchen würde aber stille Wasser waren bekanntlich tief. So stand ich nun neben Violet auf dem Balkongeländer abgestützt und zog an meiner Zigarette, während ich ihren Blick auf mir spürte.
,,Ich weiß, die Frage ist vielleicht nicht ganz angebracht, aber wieso hast du dich geritzt?" Was sollte ich ihr sagen? Die Wahrheit, oder die ganze Wahrheit? Ich wollte Violet vertrauen und hatte auch das Gefühl, dass ich das konnte, ohne, dass sie es ihrem Bruder oder sonst wem erzählen würde. Seufzend drehte ich mich zu ihr, nahm noch einen tiefen Zug.
,,Meine Eltern haben sich vor knapp zwei Jahren scheiden lassen. Ich hab zuerst bei meiner Mutter gewohnt, aber die ist dem Alkohol verfallen und in ein ziemliches Loch gerutscht. Sie hat sich kaum um mich gekümmert und wenn doch, dann nur im negativen Sinne. Ich hab irgendwo am Rücken eine Narbe, weil sie mir mal eine Vase hinterher geworfen hat. Da hab ich angefangen zu Rauchen. Weil meine Mutter mit mir nicht klar kam, bin ich zu meinem Dad und seiner neuen Freundin gezogen, die mich abgrundtief gehasst hat. Die hat sich dann von Dad getrennt, weil Dad sich angeblich mehr um mich gekümmert hat als um sie. Ihr Sohn hat dann dem Eisberg die Spitze aufgesetzt und so getan als wäre er in mich verliebt, ich war dann mit ihm zusammen, zwei Wochen hat er gedauert bis er mir meine Jungfräulichkeit genommen hat und danach in der Schule die Plakate hingen mit >Ich hab die Jungfrau geknallt<. Von da an war ich die Lachnummer und hab irgendwann mit dem Ritzen angefangen. Ich hab gehofft hier in LA kann ich neu anfangen." Ich nahm einen letzten Zug, drückte dann die Zigarette auf dem Geländer aus, bevor ich den Stummel nach unten warf. ,,Ich weiß, Umweltverschmutzung." Mit einem leichten Grinsen auf den Lippen sah ich sie an, musterte sie etwas genauer.
,,Was ist es bei dir? Du kannst mir nicht sagen, dass Ashley dein einziges Problem ist." Violet schüttelte den Kopf, drückte ebenfalls ihre Zigarette aus ehe sie antwortete.
,,Ash und ich haben uns mal richtig gut verstanden, aber als unser Vater dann uns für ein jüngeres Flittchen verlassen hat, ging es bergab. Ich will eigentlich am liebsten meinen alten Bruder wieder, aber ich weiß, dass es nie wieder so wird wie früher. Abgesehen davon, dass es da noch einen Jungen gibt, den ich ziemlich interessant finde."
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro