Kapitel 2 - Kritzelei
Tage waren vergangen, gekennzeichnet von tristerem Wetter und kleinen Bächen, die der ständige Regen hervorrief.
Tage, in denen Lovino die Zeit fand, sich in seiner neuen Umgebung einzuleben, sich allmählich den eigenen Unterhalt zahlen zu können.
Tage, gequält von schlechten sowie verwirrenden Träumen und den täglichen Gesprächen über Unglücksfälle.
Lovino hatte eine Anstellung bei einem hiesigen Biologen bekommen, der für seine Aufzeichnungen gute Augen sowie auch künstlerisches Talent benötigte, denn er selbst hatte neben dem Forschen und Experimentieren leider schon die ersten visuellen Schwierigkeiten. Den Beruf ohne zusätzlichen Assistenten fortzuführen wäre ein Kreuz im Nacken gewesen, weswegen Lovino das Glück hatte, eine derartige, sogar halbwegs gut bezahlte Arbeit zu finden. Auch der Biologe selbst, er hieß Enrico, zeigte sich als durchaus geduldiger Mann, der Lovinos Arbeit sehr zu schätzen wusste.
Ein schwerer Stein fiel Lovino vom Herzen, als Pfarrer Marco ihm vor einiger Zeit verkündete, dass Enrico kein Problem damit hätte, mit ihm zu arbeiten. Endlich war er fähig geworden für sich selbst zu sorgen und eine angemessene Unterkunft war momentan dabei, abbezahlt zu werden. Trotz der düsteren Stimmung der Stadt, zeigte sich das neue Leben sehr positiv für den Brünetten. Nie hätte er vermutet, dass es für ihn bereits am Anfang bergauf ging und dass die Kontakte seines Großvaters so aufgeschlossen für ihn waren und sich sogar für ihn bemühten. Diese Gesten und die Freundlichkeit stimmten den sonst so grimmigen Lovino sehr zufrieden, fast glücklich. Vielleicht war es das Richtige gewesen, sein altes Dorf zu verlassen.
Nachts träumte der Italiener immer wieder von den bunten, lebendigen Märkten, den schmackhaften Gerichten und den interessanten Kinkerlitzchen. Auch Antonio, der ihm an jenem ersten Tag in dieser Kleinstadt vollkommene Güte neben seiner anstrengenden, optimistischen Persönlichkeit zeigte, trat hintergründig auf. Jedes Mal, wenn Lovino dann die Augen aufmachte, sich von der Sonne geblendet zur Seite drehte und leeren Blickes auf die weiße Wand im Schlafzimmer starrte, erinnerte er sich daran, dass er dem jungen Mann eigentlich etwas schuldig war, dafür, dass er ihm nicht nur ernährungstechnisch, sondern auch bezüglich Übernachtung unter die Arme gegriffen hatte. Leider trafen sie sich nicht mehr.
Der Juni neigte sich dem Ende zu und das Wetter wechselte zu einem immer heißeren Klima. Die ersten Sommerfrüchte reiften heran und man beobachtete weitere Tiere oder Pflanzen, die erst im Sommer auftauchten. Für Enrico war das natürlich überaus günstig, bei diesem Wetter neue Recherchen anzustellen, für Lovino hieß es allerdings skizzieren, skizzieren und nochmals skizzieren, ehe er überhaupt die Möglichkeit bekam, das Beobachtete zu notieren. Irgendwann hatte er aufgehört mitzuzählen, wie oft er schon eine neue Seite aufgeschlagen hatte, um die Anatomie einer Lilienzwiebel und deren Blüte korrekt wiederzugeben. Wenn Enrico doch nicht so viel hineinplappern würde...es wäre um Einiges leichter gewesen, sich zu konzentrieren. Der kleine Krampf, den der junge Italiener in seinen Fingern spürte, trug nur dazu bei, weiterhin still und leise vor sich hin zu leiden. Umso mehr freute er sich, als Enrico endlich ankündigte, dass sie zurück in ihre Praxis gingen, da er neben seinen Forschungen, auch eine kleine, gut besuchte Naturapotheke betrieb.
Die meisten Besucher und Besucherinnen waren die zugezogene ältere Generation, die aus ihrer Jugend noch einige naturale Heilmittel kannten, aber in der Stadt kaum Zugriff auf jene Pflanzen hatten oder bereits zu schwach waren, sie alleine herzustellen. Einige Gesichter sah man öfters, andere wiederum nur einmal. Giorgia, Enricos Ehefrau, zählte natürlich zu den Menschen, die man täglich sah. Die grauen, am Ansatz jedoch noch schwarzen, Haare trug sie immer in einem tiefsitzenden Haarkranz gebunden; einige Strähnen wollten sich nicht bändigen lassen und brachten Unordentlichkeit mit hinein. Giorgia besaß eine sehr sympathische Persönlichkeit und zumeist zeigte sie sich als überaus fürsorglich gegenüber ihrem Mann und sogar Lovino, der nichts weiter tat, als hier und da etwas auszuhelfen, jedoch erkannte man in ihren Augen, dass man sie nicht unterschätzen sollte. Ihrem aufbrausenden Temperament begegnete man bestenfalls nicht allzu bald.
Lovino sah den beiden von Weitem zu, als er bei der Theke stand und fand dabei Details heraus, die ihm sehr ans Herz gingen, die ihn an Vergangenes erinnerten.
Es ergaben sich Bilder aus seiner Kindheit in seinem Kopf.
Es tauchten längst vergangene Erlebnisse wieder auf.
Es erwachten die alten Geschichten seines Großvaters aus ihrem tiefen Schlaf mitten in der Vergesslichkeit des menschlichen Geistes.
Doch gerade diese Erinnerungen entfachten ein bitteres, schweres Stechen in seiner Brust, füllten sein Herz mit Heimweh und Melancholie wie ein endloses Gefäß, das jeglicher Belastung Stand halten konnte. Lovino vermisste seine Brüder und vor allem seinen Großvater. Sie zurücklassen zu müssen gehörte bis jetzt zu den schwersten Dingen, die ihm in seinem kurzen Leben widerfuhren. Wie gern hätte er gewusst, wie es ihnen zurzeit ging und ob sie ihn vermissten, so wie er sie. Zum ersten Mal in seinem Leben war er, ohne die Hilfe seiner Familie, auf sich allein gestellt.
Lovino tippte angestrengt auf den Tisch, beruhigte sich mit dem regelmäßigen Geräusch, das er mit seinen Fingernägeln zustande brachte und begann aufmerksamer zu werden. Giorgia nahm die Treppe nach oben, in die Wohnung, und trug einige Einkäufe nach oben. Enrico bereitete geradewegs eine vorab mitgeteilte Bestellung vor, musterte die kleingeschriebenen Buchstaben noch einmal genauestens, bevor er ein Produkt nach dem anderen zur Seite lag.
"Es wird immer schlimmer hier", seufzte der ältere Herr und polierte sein Monokel, "man mag ja fast gar nicht mehr hier leben." Vom plötzlichen Übergang von Stille zu Gespräch, zuckte Lovino rasch auf, erschreckte sich fast, ehe er erst im Nachhinein erfassen konnte, was Enrico sagte. "Wieso das denn?" Für Lovino war es als Neuling in der Stadt unvorstellbar, dass jemand von einem Ort mit so vielen Möglichkeiten nicht mehr dort leben wollte. Lovino hatte sich von der Schönheit der Stadt blenden lassen; hatte den dämmrigen, schaurigen Unterton, der in allerhand Köpfen herumspukte, gänzlich übersehen. Ihm blieb der alltägliche Schrecken der Städter größtenteils unbekannt.
"Nun ja, es werden immer häufiger Personen als vermisst gemeldet und es sind keine bis wenige Spuren zu finden. Man weiß nie, ob man selbst der nächste ist, der diesem Unglück zum Opfer fällt." Der Biologe hatte mit einem Mal seine selbstbewusste, charakteristisch-starke Aura verloren; wechselte diese mit seelischer Vulnerabilität aus. Ansonsten zeigte sich Enrico dauerhaft mit einem kühlen Kopf. "Letztens hat es Guiseppe erwischt. Seine Mutter ist am Boden zerstört und konnte nicht glauben, dass jemand einen so lieben Burschen verletzen würde."
Lovino veränderte seine kalte, bedrückende Miene nicht, sah dem alten Mann kaum in die Augen und ordnete lustlos ein paar Waren ein. "Stimmt ja, als ich herkam, habe ich einige ähnliche Gesprächsfetzen mitbekommen."
Ein gemurmeltes "Ja" war zu hören, ehe Enrico in seinen älteren Aufzeichnungen herumkramte. "Als Vater kann ich bei diesen Bedingungen meine Tochter unmöglich alleine draußen herumgehen lassen." Die väterliche Sorge stand ihm ins Gesicht geschrieben und sein Blick schweifte auf ein altes, teures Familienfoto, das Lovino knapp im Augenwinkel betrachtete.
"Sie heißt Chiara, nicht?"
"Ja, sie ist erst letztes Jahr in ein eigenes kleines Haus am Stadtrand gezogen und teilt es mit ihrer Kumpanin." Mit den Augen rollend schob er das Bild zur Seite und ein argwöhnischer Unterton verfärbte seine Stimmlage, als er über die Freundin seiner Tochter sprach. Es schien gar so, als stünde Enrico der Entscheidung seiner Tochter mit Missgunst gegenüber. Wie oft hatte er sich in den letzten Wochen darüber beschwert, dass sie sich doch einen Ehemann suchen sollte, der sie vor den Gefahren beschützte, wenn er sie schon, laut Empfehlung seiner Frau, nicht zufällig jemandem versprechen sollte. Jedoch hatte sich Chiara lieber mit ihrer nahestehenden Freundin Acelya verzogen und bemühte sich keineswegs, nach heiratsfähigen Männern umzusehen. Dabei wollte Enrico nur, dass es seiner Kleinen in der Zukunft gut ginge, wenn er nicht mehr für sie da sein konnte und ihr gewünschtes Leben als eigenständige Künstlerin zeigte sich ebenfalls als Dorn im Auge. Als Frau hatte sie in diesem Beruf nur wenige Chancen, erfolgreich zu sein, egal wie gut ihre Bilder zu sein vermochten. Die Gesellschaft nähme sie niemals ernsthaft an, ausschließlich wegen des Geschlechts. Dabei waren es doch die Werke, die von Kritikern ausgewertet werden sollten und nicht sie als Person.
So stand Lovino jedenfalls zu dem Thema, würde seine Gedanken aber niemals vor jemandem aussprechen.
Wilde, aufgebrachte Stimmen erklangen und die beiden Herren schauten verdutzt zum dunkel eingerahmten Fenster. Was passierte da draußen nur? Doch da riss bereits eine junge Dame die Tür auf, stürmte aufgeregt und außer Atem zur Theke. Lovino reagierte schnell, bemühte sich die gestresste Frau zu beruhigen. "Tief ein- und ausatmen, ragazza. Dann erzähle uns, was dich so aufgebracht zu uns bringt, okay?" Inmitten der intensiven Spannung vergaß Lovino zu siezen, verfiel teilweise wieder in seinen Dialekt.
Die Dame nahm einen kräftigen Atemzug, klopfte sich zur Beruhigung ein paar Mal auf die Brust und die Farbe schoss ihr allmählich wieder ins Gesicht; ihr dunkler, gebräunter Teint erreichte wieder eine gesunde Farbe. "Chiara, sie ist-"
Da wurde Enrico hellhörig und stand von seinem alten Stuhl auf, die Sorge stand dem armen Mann im Gesicht geschrieben. "Chiara? Was ist mit ihr? Ist etwas geschehen? Ist sie verletzt?"
Unter Druck gesetzt nickte die Dame mit türkisch klingendem Akzent nur. "Sie ist in eine Schlägerei verwickelt worden!"
"Was?", Lovino schaute nur geschockt zu, wie sein Chef so langsam die Fassung verlor und immer verzweifelter klang, "War sie nicht mit dieser Acelya unterwegs?"
Wieder nickte die Frau. "Sie war mit meiner Schwester unterwegs, das stimmt, aber gerade deswegen...Jemand hat Acelya anscheinend zutiefst beleidigt und Ihre Tochter zeigte sich daraufhin sehr rabiat gegenüber denjenigen, der die abwertende Bemerkung fallen ließ. Acelya wollte sie aufhalten, aber-"
Acelyas Schwester wurde von Enricos Selbstgespräch unterbrochen. "Chiara, was machst du nur für Sachen...", dann wandte sich der Biologe wieder zu der jungen Frau, "Ist sie verletzt? Braucht sie Hilfe?"
Der hilflose Blick der Frau hätte ihm bereits als Antwort genügen sollen, dennoch gab sie ihm die letzten paar Informationen preis. "Ihre Nase blutet, womöglich ist sie gebrochen und sie ist nach einiger Zeit einfach umgekippt. Acelya ist noch bei ihr, aber momentan sind sie noch am Hauptplatz." Diese Aussage war genug für den alten Herren und er verließ seinen Arbeitsplatz, ohne zu zögern und ohne auf die zerronnene Tinte auf seinem Papier zu achten. Sogleich warf er einen Blick auf seinen Assistenten. "Ich gehe zu ihr. Lovino, du passt hier auf und falls meine Frau fragt, wo ich bin, sag ihr, dass ich etwas Dringendes erledigen muss und dass ich bald zuhause bin."
Lovino nickte und brachte ein lautes "Jawohl, Chef!" heraus, ehe er wieder in seine mürrische, müde Laune zurückkehrte, nachdem jeweils Enrico sowie die Dame verschwunden waren. Gähnend setzte er sich auf den gepolsterten Stuhl neben sich, stützte seine Ellbogen auf der Theke aus Zedernholz ab und ließ seinen Kopf schläfrig in seine Hände fallen. Ein rasches Nickerchen wäre nun sehr willkommen geheißen worden, immerhin liebte es Lovino, Pausen zu machen, jedoch war das Risiko zu groß, dass entweder Enrico oder Giorgia ihn beim Schlafen entdeckten. Lediglich das Dösen galt als umsetzbare Option und der Italiener ließ sich das bestimmt nicht zweimal sagen.
Er atmete noch einmal tief ein, seine trägen Augenlider fielen mit dem schallenden, letzten Glockenschlag der Standuhr zu und die süße Ruhe und Stille kehrte endlich ein. Zähen Tempos verwischte sich seine Wahrnehmung mit einer betäubten Realität, hielt ihn sekundenlang in einer Zwischenwelt von Traum und Wachsein gefangen.
Doch kaum hätte er sich den Träumen hingegeben, klingelte auf einmal die Glocke beim Eingang und Lovino schrak augenblicklich mit rasendem Herzen auf. Es fühlte sich an, als wäre er gerade kilometerweit gelaufen, denn es zerrte ihn an seiner Brust. Am liebsten hätte er dem Hereingekommenen mit einem "Wer stört?" begrüßt, aber Lovino schluckte jegliche freche Bemerkung hinunter, auch wenn ihm die neue Unruhe nicht ins System passte.
"Hola, Lovi!"
Diese Stimme...
"Lange nicht gesehen!"
Sie kotzte ihn jetzt schon an.
"Ich wusste gar nicht, dass du hier arbeitest!"
Lovino seufzte laut, griff sich erschöpft an die verschwitzte Stirn und wandte sich unbeeindruckt zu Antonio, der mal wieder mit dem dämlichen Grinsen und Optimismus seine schöne, einschläfernde Melancholie zerstörte. "Jetzt weißt du's."
"Sí!" Der Spanier näherte sich der Theke und begutachtete die vielen Regale, die der Reihe nach hinter Lovino aufgebaut waren und die verschiedensten Dosen, Gläschen und Boxen aufzeigten. Der ungeschliffene Holzboden knarzte grausig unter seinen Füßen. "Ich hoffe, deine Geldbörse ist nicht mehr ganz so ausgehungert, dass du dir nicht mal mehr das Billigste kaufen kannst."
Lovino zuckte auf, stand wild von seinem Stuhl auf, sodass dieser beinahe zu Boden stürzte und funkelte Antonio böse an. "Machst du dich etwa über mich lustig?! "Belustigt zuckten die Mundwinkel des anderen nach oben und hinterließen ein freches Grinsen auf seinem Gesicht. Anscheinend mochte er es, den Hitzkopf aufzuziehen. "Vielleicht." Lovino brachte ein grantiges "Tsk" heraus, verschränkte die Arme vor der Brust und schaute absichtlich nicht in Antonios Augen. Er hatte seine Aufmerksamkeit nach dieser Bemerkung gar nicht erst verdient und selbst wenn er ihn jetzt als kindisch bezeichnen würde, wäre es Lovino hübsch egal. Denn wenn sein empfindlicher Nerv getroffen wurde - und dieser ist unglaublich leicht und schnell zu finden - dann hatte der andere halt Pech. Der Italiener zog die Augenbrauen grimmig zusammen, bemühte sich trotz seiner geringeren Größe eine gewisse Dominanz aufzubauen, die leider von einem Trottel wie Antonio nicht einmal annähernd bemerkt wurde. Entweder war er blind auf beiden Augen oder einfach nur blöd, schnauzte Lovino in Gedanken, musste sich aber daran erinnern, dass er Antonio noch etwas schuldig war, dafür, dass er nicht gleich am ersten Tag in der Stadt fast an Hunger und Obdachlosigkeit verreckt war.
"Manchmal hasse ich es, dass wir uns andauernd über den Weg laufen müssen-", der Hitzkopf wurde unterbrochen.
"Wir haben uns doch erst zweimal gesehen, Lovino?"
Der Angesprochene stöhnte genervt auf. "Ist jetzt egal, lass mich ausreden...", Lovino verdrehte die Augen, machte eine rasche Handbewegung zu dem kleinen Tischchen neben sich, wo sein Saustall an mitgebrachten Materialien, Papier und Tinte verstreut lag und schnappte sich ein kleines, stellenweise ausgefranstes Ledersäckchen, das mit einer einfachen Schnur zugebunden wurde, "...Also, da du mir die Ehre erwiesen hast, nicht wie der letzte Vollidiot am ersten Tag zu verhungern, sondern mich damit gedemütigt hast, mich in der Öffentlichkeit wie ein Kleinkind zu bemuttern, gebe ich dir zumindest einen Anteil des Geldes zurück."
Lässig schmiss Lovino das Säckchen auf die Theke, verschränkte ein weiteres Mal die Arme und wartete darauf, dass Antonio endlich das Geld annahm. Doch dieser stand lediglich mit geweiteten Augen da, wechselte überrascht den Blick zwischen dem Ledersäckchen und Lovino. Sein Mund war leicht geöffnet, unterstrich seine Verwunderung nur noch mehr. "Du hättest mir doch nichts zurückzahlen müssen!", angespannt fuchtelte der gutaussehende Spanier mit den Händen herum und lehnte das Angebot ab, "Ich hab dir doch gesagt, es sei ein Geschenk."
Aber das konnte Lovino nur wenig davon überzeugen, das Geld wieder zurückzunehmen. "Und? Dann ist das hier mein Geschenk an dich. Es beruht auf Gegenseitigkeit und wir sind dann quitt."
"Ich kann das aber nicht annehmen...auch wenn es lieb gemeint ist..." Antonio wurde sichtlich nervös, vielleicht sogar scheu.
"Wenn ich das konnte, dann du auch."
Prüfenden Blickes musterte Lovino Antonio, erkannte seine plötzliche Veränderung der Körpersprache und fand sich selbst nicht mehr am kürzeren Ende. Lovino hatte es tatsächlich geschafft, den Dummkopf zum Nachdenken aufzufordern und ein Blick in Antonios smaragdgrüne Augen verriet, dass er dem Ganzen gar nicht so abgeneigt war, wie er behauptete. Antonio gab nach, nahm das sogenannte "Geschenk" Lovinos ohne weitere Widerrede an und ließ das Ledersäckchen in seiner Jackentasche verschwinden - ein beschämtes Lächeln zeichnete sich auf seine Lippen.
"Na also...", setzte Lovino triumphierend fort und zuckte mit den Schultern, "...war doch nicht so schwer." Plötzlich hörte man das langgezogene Knarzen der Bodenplatten und die Schritte ertönten immer intensiver. Es dauerte eine Weile, bis die gedämpfte Stimme Giorgias aus dem Hintergrund trat. Den Kopf zu ihr schnellend erblickte Lovino, dass die alte Dame ein breiteres Päckchen in zäher Geschwindigkeit zur Theke schleppte. Beinahe hätte Lovino Giorgia gefragt, ob sie Hilfe bräuchte, jedoch schien sie keinerlei Beschwerden zu haben.
"Ah, Antonio!", Giorgia zeigte sich besonders freundlich zu der Kundschaft, "Gut, dass du hier bist! Ich habe dein Paket vorbereitet, sag deiner Familie schöne Grüße von mir, ja?"
Still beobachtete der Italiener das Geschehen; er ging ein weiteres Mal unter, sobald jemand anderes auf Antonio traf.
"Muchas gracias, señorita!", das Paket abnehmend zeigte sich der Spanier wieder so freundlich wie nur wenige Sekunden zuvor - seine Scham schien er bereits vergessen zu haben. Kaum hatte er das liebevoll verpackte Paket angenommen, verabschiedete sich Antonio bereits, ohne die beiden hinter der Theke nochmals anzusehen und öffnete frohen Gemüts die Tür. "Adiós, amigos!" Ein "Arrivederci!" seitens Giorgia war die einzige Rückmeldung, die darauf gegeben wurde.
Lovino schwieg, starrte einen Augenblick lang verloren auf die Zettel, die in der Ecke der hölzernen Theke vergammelten. Er hatte sie wohl liegen gelassen und hätte sie keines Blickes mehr gewürdigt, wäre ihm nicht ein kleines Detail ins Auge gesprungen. Rasch schnappte er sich das verdächtige Stück Papier, ärgerte sich über die geknickte Ecke und konnte nur unschwer erkennen, dass jemand so "lustig" war, ein kleines Männchen mit Tomatenkopf mit einem Bleistift in die Ecke zu kritzeln. Lovino musste nicht einmal die Schrift neben der Kritzelei lesen, um zu wissen, wer sich an seinen Aufzeichnungen vergriffen hatte, um seine Blödheit der Welt mitzuteilen.
"Antonio", murmelte er in Gedanken, rollte genervt die Augen und suchte automatisch nach dem nächstbesten Radiergummi, um sich das hässliche Gekritzel im Eck ersparen zu können. Antonio benahm sich einfach nur peinlich und kindisch... Lovinos impulsive Persönlichkeit nagte bereits an seinen Nerven, provozierten ihn derartig, losschreien zu wollen, jedoch verpflichtete er sich dazu, sein Temperament in der Gegenwart Giorgias unter Kontrolle zu halten. Er wollte der alten Frau nicht zusätzlich Stress bereiten, wenn er ihr schon womöglich jeden Moment erzählen müsste, wo denn ihr Mann hin verschwunden sei.
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