Kapitel 16.5 - Ständige Verleugnung und der Fluch eines Lächelns
"Du kannst mich jederzeit anrufen, wenn du Hilfe oder jemanden zum Reden brauchst, Lovino. Vorausgesetzt ich bin zuhause. Du kannst mir aber auch Briefe schicken. Warte! Ich schreibe dir meine Adresse und die Nummer von meinem Wohnhaus auf! Vielleicht sieht man sich ja wieder. Ich würde mich sehr darüber freuen!"
Das waren die letzten Worte, die Isabella Lovino, neben dem typischen Abschied, schenkte. Nun steckte der Zettel zusammen mit den erhaltenen Briefen der letzten Zeit in seiner Jackentasche. Vielleicht nutzte es ihm eines Tages.
Lovino hatte Glück, dass das kleine Abschiedstreffen mit Isabella nicht zur Gänze in einem Reinfall endete. Nach ihrer kleinen Aufmunterung hatte Lovino es tatsächlich geschafft, sich ablenken zu lassen und einmal den Kopf freizubekommen. Dabei kamen die zwei immer wieder auf die altbekannten idiotischen Aktionen, die sie mit ihren Freunden und Freundinnen fabriziert hatten.
Isabella erzählte darüber, dass Julia einmal eine fette Absturzparty in ihrem Keller veranstaltete, während ihre Eltern ihre Anstandsfutzi-Schwester Monika bei der Überreichung ihres Arzt-Stipendiums in Berlin begleiten wollten. Da sie freie Bude hatte, konnte man sich bereits denken, dass im Laufe der Nacht beinahe der gesamte Bierkeller leergesoffen wurde und neben ihren besten Freundinnen, wo Isabella natürlich dazugehörte, sich auch einige Unbekannte selbst eingeladen hatten. Der darauffolgende Morgen war offensichtlich von Übelkeit, Kater und Filmrissen geprägt und auf der Stirn einiger uneingeladener, aber willkommener Gäste fand man hässliches Lippenstiftgekrakel.
Lovino hingegen laberte eher davon, wie dumm und hirnrissig Antonio eigentlich war, sodass er sein gesamtes Monatsgehalt und einiges von seinem Eigentum weggegeben hatte, um ihm die weinrote Brosche wieder zu besorgen, die ihm gestohlen wurde und anschließend wieder auf dem Markt landete. Jedes Mal, wenn er nun dieses alte Schmuckstück ansah, dachte er nicht nur an seine Familie zuhause, sondern auch an Antonios nicht existierendes Hirn.
Aber auch daran, dass dieser meinte, er wäre ihm diese immense Summe an Geld wert gewesen...Letzteres erwähnte Lovino natürlich nicht, aber er dachte daran. Seine minimal gehobenen Mundwinkel und seine entspanntere Stimmlage, die er bei den Geschichten über seinen Vollidioten-Freund unbewusst benutzte, brachten Isabella jedoch dazu heimlich zu ihm zu grinsen.
Antonio schien Lovino gut zu tun.
Jedes Mal, wenn er ihn erwähnte, schimpfte er zwar über ihn, aber Lovino zeigte sich in seiner Körpersprache und Tonmelodie ganz anders, wenn man genau hin lauschte. Zudem schien er dann doch am meisten in seinen Erzählungen vorzukommen, obwohl er mit Abel, Emma und Michelle ebenso viel Zeit verbrachte.
Isabella ahnte etwas. Und gerade das stimmte sie fröhlicher.
Lovino war in guten Händen.
Und gerade deshalb war sie fest entschlossen, dass der kleinere Mann, irgendwann selbst sein Glück fände und es auch annahm.
Er müsste es nur zulassen.
Doch nun waren die beiden wieder getrennt, Isabella blieb in Rom zurück und Lovino schob bereits seinen Koffer in die Ablage des Zuges, der ihn zurück nach Hause bringen sollte. Die Sonne bereitete sich bereits auf ihren Untergang vor, tunkte das fast leere Zugabteil in ihr orange-goldenes Licht und illuminierte Lovinos gebräunte Haut und verwandelte sein dunkles Haar in seidenes, fließendes Kupfer. Seine Augen ähnelten einmal mehr einem kostbaren, funkelnden Edelstein, sobald ein sanfter Sonnenstrahl auf seine Iris traf.
Schnaufend sank er auf seinen neuen Sitzplatz zurück und beobachtete, wie sich der Zug allmählich wieder in Bewegung setzte, die Szene des Bahnhofs aus seinem Blickfeld wich und das Klacken und Rattern wieder dominanter wurde. Mit jeder vergehenden Sekunde ließ er nun die ewige Stadt hinter sich und stürzte sich wieder in sein altes Leben hinein.
Enrico saß ihm einmal mehr gegenüber, den Blick auf seine Tageszeitung gerichtet. Auf dem kleinen Tischchen an der Wand, welche ihnen durch das Fenster einen faszinierenden Anblick auf die Hügellandschaft mit den kerzengerade wachsenden Zypressen bot, verteilte sich die kleine Anzahl von Briefen, die Enrico im Laufe der Woche erhalten hatte; darunter auch das Schreiben Chiaras.
Als hätte das leblose Stück Papier Lovinos Gedankengänge erhört, rüttelte ihn auf einmal das steife Briefpapier wach und erinnerte ihn an seine eigenen Nachrichten, die man ihm übermittelt hatte.
Lovino stützte den schweren Kopf mit seinem Arm, indem er seinen Ellbogen an dem Tischchen ablegte und ungeduldig nach draußen schaute und dabei beobachtete, wie grüner und freier ihre Umgebung wurde, je weiter sie in den Süden zurückkehrten. Diese Natur beruhigte den sonst so aufgewühlten Italiener in der Seele und animierte ihn fast dazu, einfach auszusteigen und sich durch die Wärme der Sonne im Gras in den Schlaf wiegen zu lassen, während eine sanfte Brise ihm eine Abkühlung bescherte.
Ein paar verwitterte, aber intakte Bauernhöfe blitzten am Horizont hervor und so manches Dorf hatte seine kleinen Häuser inmitten der höheren Hügel angesiedelt. Von weitem erkannte Lovino auch einzelne Tiere, die auf ihrer Weidefläche seelenruhig herumspazierten.
Als er die Idylle von Weitem sah, bemerkte Lovino erst wie seine Glieder zerrten und seine Augen müde und träge geworden waren. Es wurde schwierig für ihn, aufmerksam zu bleiben, ohne direkt in einen Tagtraum zu verfallen.
Oje, das musste wohl das Endergebnis dieser absolut anstrengenden Woche sein. Sein Kopf brummte und pochte heftig. Bestimmt kam all jenes Leid von dem neuen Lernstoff, den er sich aufgezwungen hatte. Am liebsten wäre er sogar auf der Stelle eingeschlafen, aber dafür war das Licht in ihrem einfach gestalteten Zugabteil noch viel zu hell.
Diese beschissene Sonne ging ihm bereits jetzt auf den Sack.
Und dieses verdammte Abendrot sollte auch verschwinden, egal wie schön es war. - Es erinnerte zu sehr an seine Brosche, die er sich wie eine Kreuzkette fast täglich anlegte, seitdem Antonio ein halbes Vermögen dafür rausgeschmissen hatte, um sie ihm wieder zurückgeben zu können.
Wer hat es erlaubt, dass ihm bei diesem Familienerbstück als erstes Antonio in den Sinn kam, anstatt seiner Nonna. - Obwohl, man musste zugeben, dass seine Nonna die Brosche nur zu speziellen Anlässen trug und das neutrale Schmuckstück meistens nur in der beigefarbenen Box verstaubte.
Lovino wischte sich genervt mit der Handfläche über die Stirn und vergrub seine Finger in seinem aufgeheizten Haaransatz.
Das war schon genug Kopfzerbrechen über den Bastard für den heutigen Tag. Er wollte gar nicht erst wieder damit anfangen, sich in etwas Unnötiges hineinzusteigern.
Antonio war immerhin nicht das einzig Wichtige auf der Welt.
Klar, er war sein bester Freund geworden - Das war auch nicht allzu schwierig bei Lovino, er fand ja nur dann Freunde, wenn ein Extrovertierter ihn in eine Freundesgruppe eingliederte. - aber dass man da immerzu an ihn denken müsste...?
Das war verdammt gruselig. Oh Gott, Lovino könnte sich übergeben.
Gänsehaut überzog den Körper des jungen Erwachsenen und er kühlte sich rasch ab - und das obwohl es doch sehr heiß war! Bestimmt war er krank geworden, zumindest hoffte er das. Kein Mensch mit normalem Menschenverstand würde derartig verrückten Gedanken ausgesetzt werden, es sei denn, man erlebe einen Fiebertraum.
Das war es!
Lovinos Augen leuchteten spontan auf.
Der Traum, den er in jener Nacht hatte, war nichts weiter als eine Wahnvorstellung, ein Fiebertraum!
Endlich beruhigte sich sein heftiger Puls und Entspannung deckte seinen Körper ein.
Doch dann spannte der Einundzwanzigjährige prompt seine Hände unauffällig an, verkrampfte sie und bohrte sich mit den Nägeln in seine Handinnenfläche.
Verdammt! Er machte sich eindeutig zu viele Gedanken! Schon wieder!
Wenn es ihm möglich gewesen wäre, hätte Lovino schon irgendwas zu Bruch geschlagen, um seine seelischen Konflikte zur Ruhe zu zwingen!
Konnte ihm denn keiner in die Fresse schlagen, um wieder zur Besinnung zu kommen?
Das musste doch endlich aufhören...
"Lovino? Hast du Kopfschmerzen?", Enrico durchbrach die ewige Stille mitsamt Lovinos Nervenzusammenbruch, "Du siehst aus, als quält dich etwas."
Kaum hatten diese Worte seine Ohren erreicht, setzte sich Lovino gerade hin und tat so, als wäre nie etwas geschehen. "Nein, alles in Ordnung! Ich bin nur...Ich bin nur wahrscheinlich deshalb so müde, weil ich dieses ganze Lernen nicht mehr gewohnt bin!" Trotz der Nervosität, die durch seine Adern schoss, zwang sich Lovino zu einem falschen Lächeln, das sein Boss hoffentlich ohne Nachfrage annahm.
"Achso. Kann ich mir gut vorstellen!", Lovino hatte solches Glück, dass Enrico diese Notlüge glaubte, "Deshalb ist es immer wichtig, im Training zu bleiben, dann bleibt das Gehirn in Takt!"
"Ich weiß..." Lovino interessierte sich keineswegs für Enricos Worte, allerdings sah er sich gezwungen, zumindest so zu tun, als fände er Gefallen an dem Gespräch, das durch sein Verheimlichen entstanden war. Leider war ihm da die Müdigkeit seiner Augen in die Quere gekommen, die bereits dunkle Schatten unter seine Augen malte und ihm die Kraft raubte, sich zu konzentrieren. Zumal er durch seinen Nervenzusammenbruch nur noch mehr Schwierigkeiten damit hatte, nicht endgültig zu zerfallen.
"Ich glaube, du brauchst einfach mal eine Mütze Schlaf, Junge. So wie du aussiehst, könntest du jeden Moment einschlafen." Mit einer lockeren Handbewegung stellte Enrico pantomimisch dar, dass sein junger Mitarbeiter schon mit Augenringen und einem erschöpften Blick zu kämpfen hatte. Die Bewegungen imitierend bemerkte Lovino jene Aspekte an sich selbst umso stärker. Wie konnte es sein, dass die Anstrengung der gesamten Woche sich genau auf einen Zeitpunkt hin entlastete und jegliche Mühe wie einen Mehlsack auf ihn herabfiel?
"Kann gut sein...", gab Lovino letzten Endes doch zu und kratzte sich nervös die Wange, ohne dabei seinen alten Boss anschauen zu müssen. Doch gerade als er sich auch mental davon überzeugen konnte, doch ein Nickerchen einzulegen, preschte plötzlich ein immenses Rütteln auf seinen Körper ein. Es weckte jede einzelne Zelle auf und erschütterte ihn in Mark und Bein. Der Boden vibrierte, seine Sicht verschwamm für den Moment und mit Glück schaffte er es noch, Enricos Briefe während dieses unerwarteten Ruckelns festzuhalten. In seinem Kopf brummte es umso mehr; danach brach ein lautes, katastrophales Quietschen über ihn hinein, gefolgt von dem miesen Geruch von stinkender, verbrannter Kohle, der durch das geöffnete Fenster in das Abteil gelangte. Und plötzlich...stand alles still.
Was zum Teufel war jetzt auf einmal los?!
Der Zug sollte doch erst in einer Stunde in Vietri Sul Mare stehen bleiben!
Irritiert wagte Lovino einen Blick nach draußen aus dem Fenster, dabei überraschte ihm eine seichte Wand warmer Luft und Gestank, die er durchbrechen musste. Tatsächlich, sie waren spontan im Nirgendwo stehen geblieben! "Was soll die Scheiße, ey?!"
"Lovino, was siehst du?", Enrico rückte seine dicke Brille zurecht und lugte ebenfalls für eine Sekunde nach draußen, "Sieht so aus, als hätte der Zug gerade vollgebremst...Ob etwas passiert ist?"
Mit einer raschen Handbewegung wedelte sich der Italiener den Rauch aus dem Gesicht, hustete dreimal, bevor er einen weiteren Blick aus dem Fenster wagen konnte.
Jedoch erwies sich das als ein Reinfall. Sie waren doch nur in dem Wagen in der Mitte stationiert, was auch immer geschehen war, konnte für sie mit freiem Auge nicht sichtbar sein.
"Ich seh 'nen Scheiß."
Der alte Mann stand bereits auf, öffnete auch den Mund, um darauf etwas zu entgegnen, als es auf einmal regelmäßig zu klacken begann und sich der Ton der immerwährend näherkommenden Schritte verstärkte. Im nächsten Moment öffnete sich schon die Tür zu ihrem Abteil und ein junger, kurzgewachsener Zugbegleiter betrat die Stube. Kleine Schweißperlen sammelten sich auf seiner Stirn wie Regentropfen und seine blonden Locken standen zerzaust in alle Richtungen. "L-Liebe Fahrgäste", seine Stimme klang noch relativ hoch, womöglich war er noch im Jugendalter und war ein Arbeitsanfänger, zudem war er mehr als von Nervosität und Unsicherheit geprägt, "Wir bitten Sie, den Zug zu verlassen, auf der Strecke zwischen Neapel und Nocera Inferiore hat sich eine Störung am Triebwerk aufgetan...Wir hoffen darauf, die Reise gegen halb elf wieder antreten zu können. Wir bitten um ihr Verständnis!" Der junge Mann, dessen Name laut Namensschild 'Raivis Galante' war, lief vor Peinlichkeit rot an.
Lovino hatte tatsächlich etwas Mitleid mit dem Jungen, er befürchtete schon, dass er sich womöglich vor einer Standpauke verärgerter Zuggäste fürchtete. Dabei konnte ein geschätzt...Fünfzehnjähriger nichts dafür, dass die Maschinerie versagte. Gott, das Kind war wahrscheinlich noch ein Auszubildender. Lovino schluckte seinen Ärger zum Wohle dieses verschreckten Jugendlichen ausnahmsweise runter. Er wollte nicht verantwortlich sein, dass dieses wandelnde Sensibelchen sich in der Zugtoilette weinend einschloss.
Glücklicherweise kam ihm Enrico zuvor und rettete die Situation, bevor Lovino mit seinem Unvermögen in der ausgedrückten Empathie ein Chaos fabrizierte. "Ist in Ordnung, Junge. Danke." Er schenkte dem Kleinen ein warmes, väterliches Lächeln, das ihn etwas beruhigte. Raivis stand nun etwas mutiger da, setzte seine Arbeit nach einer abermaligen Entschuldigung fort, wischte seine schwitzenden Hände an seiner Uniform ab und verschwand innerhalb von Sekunden im nächsten Abteil.
Doch nun waren Enrico und Lovino erneut allein und der junge Griesgram ließ sich genervt seufzend in seinen Sitz zurückfallen, legte ein Bein über sein Knie und verschränkte die Arme vor der Brust. Die angepisste Mimik gab der ganzen Gestalt den Rest. "Na toll, ey. Jetzt muss ich meine Zeit draußen wo verschwenden...Hab kein Bock dazu, aufzustehen."
Ein kleines Lachen entfloh Enricos Mund und er faltete seine Zeitung zweimal zusammen, bis sie ein kleines Päckchen war. "Ach, Lovino, dir wird trotzdem nichts Anderes übrigbleiben." Geduldig nahm der alte Mann seinen Koffer von der Ablegefläche und hielt sich sofort den Rücken.
Oje, so langsam wurde er alt.
"Du hast ja den Kleinen gehört. Bis halb elf ist es nicht so lange. Nutze die Zeit lieber und schau dir vielleicht ein bisschen die kleine Ortschaft hier an. Dann bleibst du ein wenig in Bewegung." Darauf achtend, seinen stechenden Rücken nicht noch mehr zu belasten, machte sich der alte Mann nur langsam auf den Weg zur Tür und warf immer wieder einen Blick auf seinen Mitarbeiter - und irgendwie auch aufgetragenen Schützling - zurück, der sich keinen Zentimeter rührte. "Also, hop-hop!"
Lovino brummte, wehrte sich vehement gegen die widerwillig angenommene Aufforderung. Viel lieber hätte er jetzt ein warmes Bett gehabt, in dem er schlafen könnte.
Ein weiches...mit warmer Decke...und vielleicht noch einer Platte voller Essen am Nachttisch für den Mitternachtssnack. Leider war er dazu gezwungen, sich diesen Wunsch abzuschminken.
Seufzend überwand er also seinen inneren Schweinehund und schnappte sich letztendlich doch seinen schweren, vollbepackten Koffer von der Ablage. "Ich will zwar nicht, aber wenn's sein muss..."
~o~
"Scheißdreck!" Ein weiteres Mal schaffte es ein Schimpfwort aus dem Mund des Einundzwanzigjährigen, als er sich nervenzerfressen, müde und hungrig auf die Sitzfläche des kleinen Steinbrunnens hinter sich setzte. Er hatte also die ultimative Kombi an Nervigkeit auszuharren, die er keinem anderen sterblichen Wesen empfahl. "Meine Fresse, warum muss so ein Scheiß auch immer mir passieren?!"
Es ging ihm dermaßen auf den Sack, um diese späte Uhrzeit in einem kleinen Park nahe dem Bahnhof herumzulungern. Wer wusste schon, welche zwielichtigen Gestalten sich um diese Zeit herumtrieben? Bestimmt taumelten schon die ersten stockbetrunkenen Vollidioten aus den Bars heraus und pennten auf irgendwelchen Parkbänken.
Lovino hatte sich entschieden, für einige Zeit allein zu sein. Er benötigte, trotz seiner endlosen Beschwerden über alles und jeden, eine lange, erholsame Pause mit Frischluft, weit weg von Enrico, damit er endlich wieder Zeit für sich finden konnte.
Tief einatmend lehnte sich Lovino nach hinten, stützte sich mit den Armen ab und schaute hinauf zum sternenbesetzten Himmel. Der silbrige Mondschein fiel wie ein seidenes Tuch auf ihn herab, verschleierte sein trübes, müdes Gesicht mit natürlicher, leuchtender Kostbarkeit -Das Licht. Hinter seinem Rücken tänzelten die feinen Wellchen herum und stießen gegen das helle Gestein des Brunnens, auch diese trugen das Licht in sich wie ein Schatz.
Als wäre es ein Teil ihres Lebens, ihres Körpers.
Jeder Mensch, jedes Tier, jedes noch so kleine Lebewesen trug Licht in sich, das wie eine Kerze bis zu ihrem Ableben stetig herumflackerte.
Und jeder fand Licht in etwas anderem.
So mancher fand es in seinen Leidenschaften.
So mancher fand sein Licht in Worten oder in Taten für andere.
So mancher fand sein Licht in der Natur.
Und Lovino?
Wo fand er sein Licht? Trug er überhaupt eines in sich?
Zögerlich legte er eine Hand auf seine Brust, atmete tief ein und stellte sich vor, wie es wäre, ein Licht in sich zu tragen. Aber er fühlte nichts. Ein Licht gab es nicht. Lovinos Licht war schon lange erloschen, so redete er es sich seit Monaten, wenn nicht sogar Jahren ein. Nichts schien ihn wahrlich glücklich zu machen und wenn doch, hielt diese kurze Phase der Freude nur für eine geringe Zeitspanne an.
Lovino schien erloschen zu sein. - Er lebte und doch lebte er nicht.
Wie war es nur, in einer Zwischenwelt zwischen Leben und Lebendigkeit zu existieren? Es war schwer zu fassen, sogar für jemanden, der sich gerade in dieser Lage befand.
Sich die Haare raufend und überrascht über seine plötzlichen, monologischen philosophischen Gedankengänge, zog er beide Beine zu sich, machte sich klein und rastete eine Weile, indem er seinen schweren Kopf auf seine Knie stützte.
Was war nur Lovinos Licht?
Wo fand er es nur?
Antonio...
Nein! Bevor er den Gedanken auch nur zu Ende denken konnte, patschte sich Lovino dreimal mit den flachen Händen gegen die Wangen.
"Reiß dich zusammen, du Bastard!", schimpfte er in Gedanken mit sich selbst und ignorierte gekonnt, die ungewohnte Wärme, die in seinem Körper entfachte. "Das kann doch nicht wahr sein, dass du dich selbst wahnsinnig machst! Wegen eines einzelnen dummen Traumes, der nichts zu bedeuten hatte!" Wenn Lovino etwas verabscheute, dann war das seine Tendenz alles tausende Male zu überdenken und sich dabei selbst in den Abgrund vieler Ängste einkesselte. Er schaufelte sich andauernd selbst das Grab!
Oh nein. Er ließ sich unter keinen Umständen von so etwas Bescheuerten in Unsicherheit bringen!
Schnaufend stand Lovino wieder von seinem Platz auf, schlenderte planlos und ziellos durch den Rest des kleinen Parkes, einzig und allein, um seine reißerischen Gedanken zu verdrängen. Zunächst versuchte er, sich auf die wunderschönen weißen Lilien zu konzentrieren, die im Mondschein geisterhaft leuchteten, wie die Flügel eines zur Erde herabgestiegenen Engels. Hier und da fand er einzelne Enzian, die dem sonst so himmlisch weißen kleinen Parkgarten ein bisschen Lebendigkeit und Farbe schenkte. Doch auch Anemonen und Vergissmeinnicht fanden ihren Platz inmitten dieser Blumenpracht.
Enzian... Er stand für Treue, aber auch für überwältigende Schönheit.
Anemonen...Sie sagten: „Ich möchte gerne bei dir sein."
Vergissmeinnicht... Es symbolisierte Erinnerungen, Liebe, Treue und Zusammengehörigkeit.
Weiße Lilien...Sie bedeuteten wahre, echte Liebe.
Lovino verkrampfte sich sofort. Trockenheit quälte seinen Rachen und verhinderte, dass er genug Luft erwischte. Dieser Plan, das Thema Liebe hinter sich zu lassen, scheiterte maßlos! Dieses gottverdammte Schicksal sollte endlich aufhören, ihn mit seinen Zufällen in den Wahnsinn zu treiben!
Dieses aufkochende, bittere und doch süße Gefühl in seiner Brust trieb ihn weiter an, als er das seichte Wasserbecken vor sich sah, das mit rundlich geformten Steinen einen Weg zur anderen Seite des Parks eröffnete. Der silbrige Mond spiegelte sich im Spiel der Wellen, welches sich wie aufwallende Seide erhob und niederlegte. Einige lose Blätter schwammen bereits an der Oberfläche herum und bewegten sich wie kleine Schiffchen fort. Lovino warf einen Blick über die Schulter. Wenn er diesen kleinen Parkour über das seichte Becken schaffte, wäre es ihm möglich, von den irren Gedanken zu fliehen, die bereits wie Beton an diesem Ort hafteten und sich nicht mehr auflösen wollten. Also schritt Lovino einige Schritte rückwärts, fokussierte seinen Blick auf die kleinen säulenähnlichen Plattformen vor sich, nahm Anlauf und sprang direkt auf den ersten Stein, nur um dann, keine Sekunde später, den nächsten zu erreichen.
Für wenige Augenblicke schien er in der Luft zu schweben, seine Seele verblieb federleicht und unbeschwert, ehe er wieder den Boden unter seinen Füßen spürte und anschließend das nächste Hindernis bewältigte. Plötzlich, kurz bevor er die andere Seite des Beckens erreichen vermochte, begann Lovino heftig zu taumeln! Sein Fuß traf die schützende Plattform an der falschen Stelle, sein Gleichgewichtssinn setzte sofort aus. Ein überrascht klingender Ausruf, geprägt von dem schmerzvollen, dumpfen Schlag seines Herzens, welcher sich wie Lauffeuer in seinem Körper ausbreitete, kam ihm sekundenschnell über die Lippen.
Oh verdammt, er verlor den Halt!
Lovino stolperte, tollpatschig wie er war, nach vorne, krallte sich mit aller Kraft an das nächste Objekt in Greifnähe - in diesem Fall der ausgestreckte Arm einer Marmorstatue - und bewahrte sich somit blitzschnell vor dem Fall ins kalte Wasser. Das Letzte, was er gebrauchen könnte, war nasse Kleidung während der Zugfahrt zu tragen.
Zögerlich raffte er sich auf, zupfte sein Hemd zurecht, führte seine Faust zu seinem Gesicht und räusperte sich, als ihm peinliche Hitze in die Wangen schoss.
Wie peinlich! Er verhielt sich wie ein Kind mit diesem Rumgehüpfe. Hoffentlich sah ihn keiner, als er derartig jämmerlich stolperte, ansonsten würde er liebend gerne auf der Stelle ins Gras beißen.
Flott spickte Lovino um sich herum, versicherte sich, dass niemand ihn gesehen hatte und machte sich daraufhin wieder auf den Weg geradeaus und weit weg von den Schauplätzen, an denen er in Selbstscham versank. Doch da knallte Lovino auf einmal gegen ein größeres, kaltes Hindernis, das er wohl vor lauter Kopfzerbrechen übersehen hatte. Erschrocken riss er die Augen auf, sein Herz hämmerte für die Sekunde blitzschnell und hinterließ schmerzliche Spuren in seiner Brust. Daraufhin folgte ein stumpfer Ton, etwas zerbröckelte und fiel wie ein Stein zu Boden, vor seine Füße. Lovino zuckte zusammen. Oh Scheiße! Sein Blick wechselte zwischen dem Gesicht der Statue und dem fingergroßen Marmorstück, das an den Enden zerbröselt auf dem harten, stellenweise mit Moos bedeckten Steinpflaster lag. In der Visage des gemeißelten Steins fand sich auf einmal eine raue, ungewollte Spur. Dann realisierte er endlich und Scham schlug wie ein Blitz auf ihn ein. Er hatte der Statue die Nase abgeschlagen!
"Scheiße!", fluchte er wie aus der Pistole geschossen und hob die abgetrennte Marmornase vom Boden auf, betete darum, dass keiner bei seiner ungewollten Sachbeschädigung zugesehen hatte und bemühte sich, die Nase auf gut Glück wieder auf das schneeweiße Gesicht zu setzen, ohne weiteren Schaden zu riskieren. Kontrolliert und ruhig bewegte er seine Hand, balancierte das abgetrennte Stück Stein auf seinem Ursprungsplatz auf und hielt dabei die Luft an.
Oh Gott, hoffentlich sah man seine Dummheit nicht an, die er da fabriziert hatte! Zumindest hatte Lovino das Glück, dass die Statue einen leicht nach oben gerichteten Blick besaß, somit hatte er noch die Chance, alles so zu präparieren, dass niemand etwas bemerken konnte.
Lovino probierte herum und erst als er seine Griffel langsam und zitternd entfernte, als er sich sicher war, dass die Nase nicht abrutschen könnte, atmete er erleichtert aus.
Niemand. Absolut niemand dürfte über dieses Missgeschick erfahren. Das war noch schlimmer als damals, als er aus Aggressionsproblemen seinen Kochlöffel entzwei gebrochen hatte! Lovino biss sich auf die Unterlippe, betrachtete das menschlich gestaltete Kunstwerk ein letztes Mal und inspizierte es auf weitere verursachte Schäden.
Beruhigten Herzens seufzte er und strich sich mit dem Handrücken über seine Stirn.
Zumindest war es nicht mehr als das...
Ein letztes Mal checkte er ab, ob die Nase wirklich wie unversehrt auf ihrem Platz hielt, als ihn plötzlich eine Gänsehaut über den gesamten Körper überrannte und ein spontaner Blitz an unerwünschten Gedanken in seinem Kopf einschlug.
Irgendwie erinnerte ihn das Gesicht der Statue an Antonio...
Nein! Lovino drehte sich direkt um und verschwendete keine weitere Sekunde an diesem Ort. Jetzt reichte es ihm! Ansonsten brach er der Statue gleich nochmal ein beschissenes Körperteil ab. Über sich selbst verärgert schnaufte er und ballte die Fäuste.
Was sollte das denn?!
Zügigen Tempos stapfte er nun zum Bahnhof zurück. Er hatte nicht mehr die Nerven dazu, an diesem scheiß Ort rumzustehen. Es machte ihn verrückt!
Nicht nur dieser bescheuerte Platz machte ihm zu schaffen...der gesamte Tag war nichts als ein Reinfall! Tag ein, Tag aus gab es nichts als Ärger! Antonio sollte schnellstmöglich aus seinem Kopf verschwinden!
Wehe er besann sich nach einer weiteren Mütze Schlaf nicht wieder. Ansonsten zwänge er sich regelrecht dazu, auch wenn das bedeutete, noch länger von seinen Freunden getrennt zu sein.
Irgendwann war das dann doch einmal zu viel des Guten.
Verflucht sei sein ständiges Überdenken und seine Kopfkino-Dramen, die seine Wirklichkeit überspitzt darstellten und ihn zum Überreagieren verleiteten!
Lovino verlor so langsam die Nerven und das komische, unbekannte Gefühl in seiner Magengegend, das ihn nun schon seit Minuten verfolgte und leise vor sich hin blubberte, machte es nicht besser.
"Ich glaub ich kotz gleich."
~0~
Die Räder standen schon lange Zeit still. Sie ratterten nicht, das Zischen war seit geraumer Zeit ebenfalls erloschen. Der Menschenstrom am Bahnhof verdünnte sich nach und nach; die Zeiger der Uhren drehten geduldig ihre Runden und verfolgten von weitem den Stand der Sonne.
Aus der Bahnhofsszene, geprägt von der Schnelllebigkeit der Gesellschaft und dem Stress, rechtzeitig an seinem Ziel anzukommen, wurde endlich Vertrautes. Es eröffnete sich ein Blick auf die altbekannten Straßen und Gassen; ein Blick auf die Wohnsiedlungen und das Stadtinnere, das seit neuestem mit ein oder zwei Telefonzellen ausgestattet war.
Lovino atmete tief ein, schloss die Augen und stützte sich mit ausgestreckten Armen an seinen Koffer.
Endlich war er wieder zuhause...
Ob ihn seine Freunde ebenso vermissten wie er sie insgeheim vermisst hatte?
Die kleine Stadt hatte sich während seiner Abwesenheit kaum verändert. Noch immer erblickte man dieselben Menschen im Ortszentrum; noch immer lungerte einer der Straßenmusiker in der Nähe von stark besuchten Plätzen und spielte auf seiner Violine.
Lovino gähnte. Die lange Reise mit dem Zug hatte ihn müde gemacht und sein Sitzfleisch schmerzte schon vom vielen Rumsitzen. Am liebsten würde er sich direkt in die Federn schmeißen, aber der Weg zu seiner Wohnung war doch noch ein ganzes Stück Fußweg. Enrico hatte dagegen dieses dreiste Glück, so ziemlich in der Nähe des Stadtbahnhofs zu wohnen, da ersparte er sich die Strecke, die Lovino zuteilwerden musste.
Noch dazu sah Lovino sich dazu gezwungen, sich durch den Massenandrang an Menschen an einem späten Samstagnachmittag zu navigieren. Ugh, er hatte jetzt schon keinen Bock mehr zu laufen, als er die herumwuselnden Bürgerinnen und Bürger sah, die auf den letzten Drücker einkaufen gingen, bevor der Markt schloss und erst am Montag wieder öffnete.
Also war dann doch wirklich alles noch beim Alten: Lovino fand immer wieder etwas Neues, über das er sich beschweren könnte. Manche Dinge blieben also doch permanent.
Leider zählten da auch die Sommerhitze und die Anzahl an Menschen, die anscheinend nicht fähig waren, früher als siebzehn Uhr am Samstagabend einzukaufen, dazu.
Schnaufend setzte Lovino seinen Heimweg fort, hob den ledernen Koffer einmal mehr an und schleppte sich Schritt für Schritt ab. Die Abendsonne strahlte noch hell, aber sie nahm allmählich ihre wunderbar gold-orangene Farbe an, die immer wie ein Bernstein den Himmel erleuchtete. Lovino spürte ihre wärmenden Strahlen wie eine Umarmung auf der Haut.
Doch gerade, als er den Brunnen am Marktplatz passierte, zuckte er urplötzlich zusammen.
"Lovino!", ein Mädchen rief überglücklich seinen Namen, sodass es schon die halbe Stadt hören müsste, "Lovino, du bist wieder zurück!"
"Was-?", Lovino drehte sich blitzschnell in die Richtung, aus der die Stimme kam und entdeckte direkt Emma, die auf ihn zu rannte, als wäre er für gefühlte fünf Jahre fort gewesen. Zwei Arme zwängten ihn keine Sekunde später in eine enge Umarmung. "Wie war es in Rom? Gott, es ist so viel passiert, als du weg warst!"
"Also-", gerade als Lovino Antworten wollte, umarmte man ihn zur selben Zeit von der anderen Seite und Lovino vermutete bereits, bald an Platzmangel zu sterben.
"Lovino, wir haben dich total vermisst!" Michelle, die die Umarmung gemeinsam mit Emma verstärkte und Lovino beinahe zwischen sich erdrückte, lächelte herzlich. Auch sie war heilfroh darüber, ihren guten Freund nach dieser turbulenten Woche wiederzusehen.
"Jaja, schon gut! Ihr erdrückt mich fast! Ich bekomme keine Luft! Ahh!" Lovino hustete gespielt und patschte den beiden energiegeladenen und emotionalen Mädchen vorsichtig auf den Rücken, um endlich aus den Fängen der beiden loszukommen. Der aufkommende impulsive Redefluss ließ sich allerdings nicht so leicht auflösen; das erzählfreudige, stolze Funkeln in den Augen der zwei jungen Damen strahlte heller als nie zuvor.
"Du glaubst echt nicht, was hier alles passiert ist!" Emma schwirrte ein weiteres Mal um ihn herum. "Genau, es war echt verrückt! Wir haben dir zwar im Brief ein bisschen was darüber geschrieben, aber es gibt immer noch so viel zu erzählen!", setzte daraufhin Michelle mit einem breiten Lächeln fort.
"Oh, da fällt mir ein... ", die Brünette legte einen Finger auf die Lippen und grübelte, "Hey, Lovino! Hast du in Rom brav die Zeitungen angesehen? Michelle und ich waren sogar am Titelblatt!" Schon zog das Mädel mit der linken Hand ein zusammengefaltetes Zeitungsblatt aus ihrer Kleidtasche und hielt das bekannte Bild mit dem Artikel vor Lovinos Nase.
Ach stimmt, da war ja was.
"Was glaubst du denn?! Die Geschichte hat sich in der ganzen Region und darüber hinaus rumgesprochen! Ich wurde gefühlt dreimal angesprochen deswegen!", er schnaufte und schob Emmas Arm beiseite, "Und bitte nimm den Zettel weg, ich mag es nicht, wenn man mir so nah vorm Gesicht herumfummelt!"
"Also weißt du das alles schon? Dass wir bei dem Überfall ein Buch gefunden haben und dadurch rausgefunden haben, dass dieses Mordmysterium weitaus strukturierter vorgeht als gedacht? Oh Mann, und ich dachte, wir können dir jetzt Neuigkeiten erzählen. So ein Mist!" Schmollend verschränkte Michelle die Arme vor der Brust und schob die Unterlippe beleidigt nach vorne. Dass dabei Emma herumprahlte, wie cool Michelles Rettungsaktion war und sie tatsächlich gemeinsam derartig wichtige Beweise zur Lösung des Mysteriums beigetragen hatten, blendete sie komplett aus. "Aber egal, es ist wirklich schon, dich wieder zu sehen, Lovino!" Endlich zeichnete sich wieder ein liebevolles Lächeln auf ihrem Gesicht ab und nun nahm auch Emmas plötzliche Impulsivität ein wenig ab.
"Ja, ohne dich, war es echt irgendwie ungewohnt, muss ich sagen. Wir waren schon so daran gewöhnt, dass du dich hier in der Gegend immer rumtreibst." Emma kratzte sich nervös am Kopf. Ein bisschen Scham machte sich in ihrem Herzen breit, als sie an ihr ungebändigtes Verhalten nur wenige Sekunden zuvor dachte.
"Wir haben dich echt vermisst, Lovino", fügte Michelle noch schnell hinzu, bevor Lovino auch nur die Möglichkeit dazu hatte, sich gedanklich eine Antwort zusammenzufinden.
Stattdessen schaffte es ein schiefes Grinsen auf Lovinos dauerhaft emotionslose Visage.
Er hatte also tatsächlich Freunde, die ihn vermissten und sich für ihn interessierten.
Freunde...
Lovino hatte damit nur bedingt viel Erfahrung, doch umso mehr bedeuteten ihm diese kleinen, flüchtigen Worte.
Diese Worte; sie machten ihn ein Stück glücklicher.
Doch plötzlich schummelte sich eine weitere Stimme ins Gespräch.
"Tag."
Anhand dieses unbeholfenen Einwortsatzes war es Lovino bereits möglich zu wissen, dass Abel sich ihrem kleinen Tratschtrüppchen angeschlossen hatte. Der Niederländer hatte sich im Laufe der Woche keineswegs verändert. Noch immer trug er dasselbe blau-weiß gestreifte Halstuch wie die vielen Male zuvor und seine Haare zeigten gerade zum Himmel hoch. Er sah somit aus wie beim letzten Mal.
Doch...
War das auf seiner Stirn eine Narbe?
Lovino konnte sich nicht daran erinnern, dass Abel schon immer eine Narbe auf seiner Stirn hatte. Ob er sich beim Arbeiten verletzt hatte?
"Hattest du eine gute Reise?", nüchtern mit Worten, wie Abel sich nun einmal erwies, bemühte er sich trotzdem darum, seine Gefühle halbwegs richtig auszudrücken. Aber auch Lovino zeigte sich unter anderem ebenso inkompetent, eine normale Antwort zu geben.
"Wie du siehst bin ich weder verreckt noch hab ich einen Arm oder ein Bein verloren. Beantwortet das deine Frage?"
Verwirrt blinzelte ihm Abel zu und hob dabei beide Augenbrauen an. Schon öffnete er den Mund, um etwas zu erwidern, als Lovino ihn längst unterbrach.
"Ugh, dann nochmal auf normal: Ja, ich hatte eine gute Reise, danke der Nachfrage."
Da wurde Abels Gesichtsausdruck etwas weicher. Womöglich hatte er zuvor gedacht, Lovino verärgert zu haben, wenn dieser doch in Wirklichkeit nur ein wenig vulgär in seiner Alltagssprache sein wollte.
"Das ist schön. Du hast bestimmt viel Spaß gehabt."
"Wenn am Sitzplatz in der Uni verrotten und sich gedankenlos berieseln lassen Spaß sein soll, dann weiß ich es auch nicht." Mit den Augen rollend stemmte der Hitzkopf die Hände in die Hüften.
Nun lachte Abel aber doch ein bisschen. - Eine Rarität bei ihm!
Lovino war ihm auf seine eigene Art und Weise durchaus sympathisch, auch, wenn seine Worte aus allem Möglichen ein riesiges Drama machten.
Emma und Michelle beobachteten die Szene derweil und tauschten auffällige Blicke aus.
Es schien so, als wäre Lovino weitaus gröber mit seinen Worten, wenn er mit Männern seines Alters sprach. Sogar mit den Männern, mit denen er sich ganz gut verstand. Denn zu Emma und Michelle war Lovino mit sonnigerem Gemüt zugewandt.
Auf einmal zuckte Lovino mit den Schultern und strich sich ein paar lose Strähnen aus der Stirn, ehe er die Freundestruppe mit flüchtigem Blick beäugte. Es war wirklich schön, mal wieder mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Allerdings wurde er von Sekunde zu Sekunde müder und schläfriger. Seine Reisemüdigkeit schien anzuschlagen. "Naja, ich muss jetzt so langsam nach Hause. Meine Koffer leeren sich nicht von alleine aus..."
"Och, schade...", Emmas Augen senkten sich zu Boden, sie hätte Lovino noch wirklich gerne über seinen Aufenthalt in Rom ausgefragt, aber zugleich sah sie die immense Schläfrigkeit in seinen bernsteinfarbenen Augen, sodass sie schon befürchtete, er könnte bald im Stehen einschlafen.
Doch dann...
Emma wandte sich zu Michelle, die sich in aller Ruhe, aber mit konzentriertem Blick mit den Augen durch die Schlangen und Menschenansammlungen bei den Lebensmittelständen des Marktes durchkämpfte. Suchte sie etwas oder jemanden?
Michelle lehnte sich leicht zu Emma rüber und wisperte ihr zu, ohne aber den Fokus von einem gewissen Punkt zu nehmen. Sie zeigte grobflächig die Gegend, in der sich ihre Entdeckung befand. "Schau mal da hinten..."Nun suchte auch Emma nach dem anvisierten Ort Michelles, fand ihn aber nicht direkt.
"Da hinten...Ist das nicht Antonio?", Michelle kniff ihre Augen etwas zusammen, "Ich seh nur seinen Hinterkopf..."
Als wäre es ihr Stichwort gewesen, suchte Emma augenblicklich alles nach Antonio ab. Wenn er hier war, dann musste er unbedingt wissen, dass Lovino wieder da war! Diese gesamte, unglaublich lange Woche...wie oft machte Antonio da schon den Eindruck, dass ihm etwas fehlte? Dass er etwas oder jemanden vermisste?
Emma hatte leider nicht Buch geführt. Aber es war offensichtlich genug, dass Lovinos Abwesenheit mit ihm etwas angestellt hatte.
Und dann. Emma weitete die Augen, als sich einer der herausschauenden Köpfe knapp zur Seite drehte und sie Antonios Profil entdecken konnte. Ein Lächeln malte sich direkt auf ihr Gesicht und ohne noch eine Sekunde länger zu verschwenden, lief sie die paar Schritte hinter Lovino her, schnappte ihn an einem Zipfel seines Hemdes und erlangte so seine Aufmerksamkeit.
"Lovino, warte kurz!"
Unverständnis was in seinem Gesicht geschrieben, als er endlich zum Stillstand kam und er seine gute Freundin über die Schulter aus ansah. "Hä? Was ist jetzt schon wieder los?"
"Es ist-", kaum konnte die Dame mit der markanten Haarschleife ihren Satz beginnen, unterbrach sie schon ein lauter Ruf Michelles, der weit über der Ecke des kleinen Hauptplatz hinaus zu hören war.
"Antonio! Antonio! Komm her, Lovino ist wieder da!" Michelle hob ihre Hände, winkte Antonio freudig zu, in der Hoffnung, er bemerkte die rasche Handbewegung, nachdem her perplex herumschaute, weil jemand nach ihm schrie.
Antonio nahm nur einen Bruchteil des Gesagten war, denn die Gespräche der anderen Kunden, die sich geduldig in der Schlange anstellten, preschten umso lauter in seinen Kopf. Dennoch bemerkte er, dass jemand seinen Namen gerufen hatte.
Weswegen nur?
Verwirrt drehte er den Kopf in alle Richtungen: nach rechts, nach links, auch hinter sich schaute er. Erst als er knapp an der Schulter eines weiteren Kunden vorbeischauen konnten, verstand er endlich.
Und oh...
Wie sein Herz gerade aufging.
Glück strömte durch seine Adern.
All das, was er gerade noch vorhatte, wurde unwichtig, sogar die Drängelnden in der Schlange, die ihn anrempelten, schaltete er voll und ganz aus seiner Welt aus.
Denn in seiner Welt existierte nichts mehr...
Nichts...
Nichts außer ihn selbst und der kleine, schmale, gedankliche Pfad, der ihn zu einem sanften, wunderbar warmen Licht führte.
Und dieses sanfte Licht existierte an derselbigen Stelle, an der...
Antonios Herz setzte aus und er hielt den Atem an, als er ihn wiedersah.
Lovino...
Lovino!
Lovino war wieder da!
Antonio spürte einen spontanen, reißerischen Hüpfer in seiner Brust, sein Blick wurde weicher.
Lovino stand nur einen Katzensprung von ihm entfernt weg. - Das goldene Sonnenlicht umgarnte seine Gestalt wie einen Engel, erweichte seine Gesichtszüge durch die sanften Strahlen. Die Haare fielen ihm ins Gesicht wie schwerelose Seide und glänzten wie rötliches Kupfer in der grenzenlosen Schönheit des Sonnenuntergangs.
Antonio vermutete bereits, dass er träumen musste...
Warte. Woher kamen diese Gedanken?
Mit einem Mal vergaß er, was er vorhatte.
Mit einem Mal vergaß er, wo oder wer er war.
Mit einem Mal schienen seine Beine ein Eigenleben zu entwickeln...denn er gab, ohne Weiteres, seinen Platz in der Schlange auf, steuerte vernebelt von dieser neuen Perspektive zur Welt auf Lovino zu.
Oh, wie sehr hatte er ihn schon vermisst!
Auch wenn er nur wenige Tage zuvor mit ihm telefonieren konnte und seiner Stimme lauschen konnte...Es war doch etwas Anderes, wenn Lovino physisch und real vor ihm stand.
Aber auch Lovino wendete seine Augen nicht von Antonio ab, nachdem er ihn in der Menge wiederfand.
Kaum hatte er seinen Namen durch Michelles Ruf vernehmen können, schien die Zeit langsam wie Sand in einer Sanduhr herabzurieseln. Die Schnelllebigkeit seines impulsiven Daseins setzte aus und schenkte ihm die Möglichkeit diese nahezu schicksalshafte Stunde mit allen Sinnen bewusst zu genießen.
Mit pulsierender Aufregung und Nervenkitzel in seiner Brust, hob er seinen Arm an, legte seine rechte Hand an seine Brust und klammerte sich mit seinen Fingern an den Saum seines Gilets.
Antonio...
Lovino...
Die Sonne erreichte den Horizont und warf einen raschen, kraftvollen Strahl auf diesen kleinen unbedeutenden Stadtplatz, bevor ihr Licht drohte, durch die Abendröte zu erlöschen.
Doch gerade jetzt...
Jetzt in diesem alltäglichen, unwichtigen Moment des Tages...
Jetzt standen sich Lovino und Antonio wieder gegenüber.
Jetzt sahen sie einander wieder: ihr Gegenüber mit all den Fehlern und Besonderheiten.
Jetzt waren sie hier...vereint in der Stille, die allein ihr Blick und das warme, wohlige Gefühl in ihren Bäuchen und in der Brust ausmachte.
Und sie standen still.
Lovinos Kinnlade senkte sich minimal nach unten. Er wollte etwas sagen. Doch seine Worte verloren sich in der Ewigkeit dieses flüchtigen Moments. Letztendlich war es dann doch Antonio, der ihre peinliche Stille überwand.
"Bienvenido de nuevo, Lovinito." Seine Stimme war alles andere als übereifrig und energetisch, wie es bei ihrem Telefonat der Fall war. Antonio sprach bedächtig, sanft und ganz so, als wäre er selbst auf der langen Suche nach den Worten, die beschrieben, was er hier und jetzt in diesem Augenblick fühlte.
Ebenso kämpfte Lovino damit, seine Sprache wiederzufinden, sodass er den Spitznamen, den er seit Tag eins verboten hatte, überhörte. "Hey..." Ihm fehlte auf einmal der Atem, das Gesagte schaffte es geradezu hauchend heraus.
Emma, Abel und Michelle dachten wohl bereits, dass Lovino kaputt gegangen wäre.
Aber warum sagten sie nichts mehr? Lovino schielte knapp zur Seite. Sie waren immer noch da, aber sie zogen sich stark zurück.
Doch genau in diesem Moment machte Antonio einen Schritt auf ihn zu, öffnete zögerlich und unsicher seine Arme, als wüsste er nicht, ob das, was er vorhatte für Lovino in Ordnung war. Seine Arme verweilten für den Moment in der Luft, umfassten Lovinos Körper, ohne ihn allerdings zu berühren.
Ganz so, als hätte Antonio Angst davor, ihm zu nahe zu treten oder ihn wie einen zierlichen Glasengel zu zerbrechen.
Schließlich gab er sich allerdings einen finalen Ruck und umarmte Lovino zunächst vorsichtig, mit der Zeit aber fester, als hinge ein gewaltiger Teil seines Lebens an Lovinos bloßer, einfacher Existenz, den er unter keinen Umständen jemals verlieren wollte.
Lovino verstummte, sein Puls schlug aber höher und kräftiger, als er Antonios Arme um sich spürte und sie nun, Brust an Brust im goldenen Schein der Abendsonne wiedervereint waren. Seine Augen weiteten sich, seine Perspektive auf seine Realität brach zusammen und er sah sich gezwungen, sich neu zu ordnen; sich neu zu orientieren. Nur wenige Momente später raffte sich der Kleine allerdings zusammen und erwiderte mit leichtem Bangen diese liebevolle Umarmung.
Und kein Blatt der Welt hätte mehr zwischen sie gepasst.
Antonio gab sich der Umarmung voll und ganz hin, atmete tief ein und trug einmal mehr sein dämliches Lächeln auf den Lippen. Lovinos warmer Körper und Geruch beflügelten sein Herz und hoben jegliche seelische Schwere mit einem Mal auf.
Lovino war einfach wieder hier...
Lovino erstarrte erneut, als er die wärmenden Hände an seinem Rücken verspürte, die ihm mit Nähe und unbekannten Emotionen bescherten.
"Willkommen zurück, Lovino", wisperte Antonio mit geschlossenen Augen und allein durch seinen Ton war Lovino klar, dass sein Freund ehrlich und freudig grinste.
Und auf einmal erhellte sich die Welt.
Die Farbe kehrte zurück, übermalte das lasche, ewige Grau mit ihren atemberaubenden Farben und ihrer Schönheit.
Frieden kehrte ein: in seine Seele, in seine Welt.
Und als lebte er selbst inmitten eines Kaleidoskops aus goldenen Lichtfunken, die sich wie Edelsteine an seinen und Antonios Körper verewigten, erhellte sich seine eigene Person.
Lovino fand sein Licht.
~ ♡~
Abel grinste verschmitzt auf die Szene, die sich ihm anbot. Insbesondere als er seinen Kumpel aus alten Tagen wieder ausgeglichen und vollständig im Leben stehen sah. All die Tage zuvor machte er den Eindruck, nach Unbeschreiblichem zu suchen. Es wirkte, als hätte er etwas verloren, das er nun mit der Umarmung mit dem knapp kleineren Lovino wiederfand. Freude kam in ihm auf und er könnte für beide nicht glücklicher sein. Sie beide schienen sich mehr als alles Andere vermisst zu haben.
So langsam hatte Abel das schleichende Gefühl, dass den beiden etwas Wunderbares geschenkt wurde.
Etwas Wunderbares, ohne materiellen Wert und doch wäre es unbezahlbar.
Doch ebenso ahnte Michelle, dass trotz der Schönheit der in Schüchternheit aufblühenden Herzensemotion viele Ängste und Probleme auftreten würden. Denn das, was in den Herzen beider Männer in diesem Augenblick entfachte, schürte ihnen bestimmt Unsicherheiten, sobald sie sich ihrer neuen Gefühle bewusst wurden.
Michelle betete, dass sie sich einander trotzdem voll und ganz öffneten und sie ihr wohlverdientes Happy End erhielten.
Aber auch Emma zeigte sich nicht blind gegenüber der Vertrautheit, die sich Antonio und Lovino entgegenbrachten. Im Gegenteil, am liebsten hätte sie hier und jetzt kommentiert, wie niedlich und liebevoll sie zueinander waren und ihnen aufgezeigt, dass sie das, was sie in diesem Augenblick empfingen mit offenen Armen willkommen heißen sollten.
Denn jeder, der nicht Augen, Ohren und das Herz in dieser verleugnenden Gesellschaft verschloss, konnte allein in den sachte funkelnden Augen erkennen, dass es zu knistern begann.
"Wie war es in Rom, Lovino?", Antonio sprach weiterhin sanftmütig zu seinem Freund, ein mildes Lächeln auf dem Gesicht tragend, als er die Umarmung auflöste.
Seine smaragdgrünen Augen funkelten freudig im Licht der Sonne.
Doch kaum als Antonio ihn wieder frei ließ, wurde Lovino auf der Stelle kalt...mitten im warmen August! "Es war ganz schön...", gab er nüchtern zurück, denn der Wirbelsturm in seiner Seele wollte keine Ruhe mehr geben, "Aber mir ging es tierisch auf den Sack, dass mein Boss mich in ein scheiß Konzert geschleppt hat, das mich null interessiert hat! Schau ich etwa so aus, als bockt mich sowas?"
Antonio lachte leise auf. "Nein, eindeutig nicht!" Auf einmal wurde er leiser und ernster, aber er bemühte sich um ein ehrliches, unterstützendes Lächeln. "Wie hat's denn mit dem Mädel funktioniert, das du getroffen hast? Hattest du Glück bei ihr?"
Lovino verstummte, wandte den Blick betroffen ab und sah auf seine Füße, ehe er bitter, aber akzeptierend mit dem Kopf schüttelte. Antonio verstand sofort, auch ohne Worte seinerseits zu hören und legte daraufhin besänftigend seine Hand auf seine Schulter und sprach ihm wohlwollend zu. "Hey, beim nächsten Mal klappt es bestimmt! Ich meine, sieh dich doch an! Wer würde dich denn nicht als seinen Freund haben wollen? Sie verpasst etwas!"
Obwohl Antonio sich für den offensichtlichen Herzschmerz Lovinos schlecht fühlte und ihm das Beste gewünscht hätte, stammelte ein leises Stimmchen voller Erleichterung in seinem Herzen herum und ein unbekannter Druck nahm von seinem Herzen ab.
Was war das denn?
Lovino nahm die Aufmunterung allerdings nur halbherzig an, verschränkte die Arme vor der Brust und wagte es nicht, in Antonios Augen zu blicken. "Ts, sag das den neun anderen Mädchen, die mich in den letzten einundzwanzig Jahren auch gekorbt haben. Das Einzige, was sie verpassen, sind mein grottenschlechter Humor, meine Schadenfreude und meine Wutausbrüche." Lovino krächzte gegen Ende. Die Verzweiflung stand ihm bereits im Gesicht geschrieben.
Antonios Herz sank herab und wurde wieder schwer wie Blei, als er seinen Freund so verletzt erlebte. "Lovino-"
"Nichts 'Lovino'!", immer noch weigerte er sich den Spanier anzusehen und gestikulierte mit den Händen seinen inneren Frust, "Es passt schon so..."
Antonios Augenbrauen hoben sich besorgt an und er bekam das Bedürfnis, ihn einmal mehr in den Arm zu nehmen. Es zerstörte ihn, seinen liebsten Freund so verletzlich und deprimiert zu sehen. "Trotzdem...Trotzdem verdienst du jemanden, der dich so lieb hat, wie du bist..."
Aber Lovino wehrte einmal mehr das Thema Liebe ab und ließ seine abweisende Handbewegung sprechen, ehe ihm ein Gähner herausrutschte. "Jaja, was auch immer...Ich verpiss mich nach Hause, sonst kann mich bald einer von der Straße runterkratzen, weil ich ohnmächtig in den Schlaf falle und darauf hab ich keinen Bock."
Lovino schluckte seine Trauer einmal mehr hinunter, um Antonio nicht mit einem schlechten Gefühl verlassen zu müssen. Leider funktionierte das nicht wie geplant und der Idiot fiel nicht auf seine Ausrede ein, beließ ihn aber bei dieser Entscheidung.
"Okay, dann komm sicher nach Hause und ruh dich aus. Nach so einer anstrengenden Woche hast du dir eine lange, lange Siesta wirklich verdient."
"Das brauchst du mir nicht sagen. Ich bin nicht blöd, ich weiß das selbst." Schon schnappte sich Lovino einmal mehr den Koffer und schaute zurück auf die kleine Freundesgruppe, die er nun hinter sich ließ.
"Arrivederci, ihr Bastarde, danke für das nette Gespräch, oder so..." Der neckende Aspekt mit den Beleidigungen musste sein, so sollten sie wissen, dass er immer noch derselbe ungehobelte Hitzkopf war, wie vor seiner Reise. Dennoch lächelte Lovino dezent.
Er war tatsächlich glücklich, sie wieder getroffen zu haben.
"Arrivederci, Lovino! Bis morgen!", riefen die vier im Chor und winkten ihm freudig zu und Lovino erwiderte die Geste geradezu schüchtern. Doch gerade als er seinen Weg fortsetzen wollte, meldete sich Antonio einmal mehr zu Wort. Ehrlichkeit und Emotion hingen an seiner Stimme.
"Lovino!"
Der Italiener hielt inne, blieb stehen und drehte sich ein letztes Mal um. "Was ist denn jetzt schon wieder?!"
"Ich bin so, so froh, dass du wieder hier bist!" Antonios Lippen formten ein liebes Lächeln und ein weicher Blick lag auf Lovino. Beides hatte Lovino in dieser Form noch nie erlebt. Er meinte schon, eine neue Seite an Antonio aufgeschlagen zu haben. Verwundert hielt er die Luft an und sein Herz setzte einmal mehr an Geschwindigkeit zu.
"Denn ohne dich war es echt langweilig hier! Mit dir ist das Leben hier umso schöner!"
Und mit diesen beiden Sätzen war es nun endgültig geschehen. Lovinos Beine gaben nach, wurden weich wie Pudding. In seinem Bauch kribbelte es wie wild, parallel dazu klopfte sein Herz stark und kraftvoll gegen seine Brust. Und sein Gesicht?
Auf sein Gesicht legte sich ein roter Schleier, sachte und vorsichtig, der erst mit der Realisation intensiver und brennender auf seiner Haut wurde...
Und seine bernsteinfarbenen Iriden funkelten wie die ersten Sterne an jenem Nachthimmel, der sich nach all der Zeit endlich über die Stadt legte...
Antonios Lächeln...dieses verfluchte Lächeln...was machte es nur mit ihm?
~0~
Author's Note:
Die letzten Kapitel waren echt zu 80% random und spontan. Irgendwie bin ich nicht gerade zufrieden, wie ich es geschrieben habe. Irgendetwas stört. Vielleicht das Pacing? Egal, die ersten Drafts sind nie perfekt oder gut, dann wird halt das Editing am Ende umfassender-
Nun zur eigentlichen Mitteilung: Es könnte für die nächsten Kapitel eine leichte/mittlere Verzögerung geben, da ich ab nächster Woche für die Matura lernen muss und nicht versprechen kann, wie regelmäßig ich da zum Schreiben komme. Nach dem 6. Mai dürfte allerdings wieder schneller ein Kapitel kommen.
Ich bedanke mich an dieser Stelle bei allen Lesern, die bis hierhin die Fanfiction regelmäßig verfolgt haben! Danke!^^
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