Pov. Dylan
Die Aussicht vom Plateau ist atemberaubend schön und ich bin Tyler wirklich unfassbar dankbar, dass er mich hierher mitgenommen hat. Tylers offene Art hat es mir leicht gemacht, ihm einen kleinen Teil meiner Vergangenheit anzuvertrauen und mein Herz fühlt sich nun etwas leichter an.
Die Minuten verstreichen, während die Sonne langsam beginnt unterzugehen und die Landschaft in ein immer intensiveres goldenes Licht taucht. Ihre Strahlen tanzen auf Tylers blonden Haaren, die jetzt wie feiner Goldfaden wirken. Sein Profil - markante Kieferlinie, leicht schmunzelnder Mund - hebt sich klar gegen den leuchtenden Himmel ab. Ich merke, wie ich den Blick ein wenig zu lange auf ihm ruhen lasse, und schüttle innerlich den Kopf.
Ich versuche mir jeden weiteren Gedanken zu verbieten. Tyler ist straight und zwischen uns wird nie mehr als eine Freundschaft existieren können, trotzdem kann ich nicht verhindern, dass mein Herz kurz schneller schlägt, als er sich räkelt und dabei seine Schultern lockert.
„Ich glaube, wir sollten langsam wieder los", unterbricht er schließlich meine Gedanken und steht auf. Er klopft sich den Staub von seiner Jeans und deutet mit einem Nicken Richtung Horizont, wo die Sonne nur noch als ein glühender Streifen am Himmel zu sehen ist.
„Ja, gute Idee", stimme ich ihm zu und stehe ebenfalls auf. Ich schlinge meine Arme kurz um meinen Körper, um die abendliche Kälte abzuschütteln, die langsam aufzieht. Der Wind, der vorhin noch angenehm war, hat nun eine schneidende Frische.
Der Abstieg ist deutlich einfacher als der Aufstieg, und wir lassen die tiefgründigen Gespräche des Hinwegs hinter uns. Stattdessen tauschen wir uns über Alltagsdinge aus, von unseren absoluten Lieblingsessen - Tylers Begeisterung für Pizza mit Barbecuesoße und meine Vorliebe für mexikanische Burritos - bis hin zu den absurden Marotten unserer Mitbewohner. Tyler erzählt eine besonders lebhafte Geschichte darüber, wie sein Teamkollege Luke im ersten Semester einmal mitten in der Nacht das Feueralarm-System des Wohnheims ausgelöst hat, weil er unbedingt Tiefkühlpizza machen musste und sein betrunkenes Ich dabei vor dem Ofen eingeschlafen ist.
„Das klingt fast, als würdest du mit einem wandelnden Katastrophenfilm zusammenwohnen", sage ich und schiebe einige überhängende Äste beiseite „ist vermutlich das Beste für den Rest des Campus, dass ihr nun in einem eigenen Haus wohnt".
„Das ist noch harmlos", erwidert Tyler trocken. „Du solltest ihn mal nach einem Spiel erleben. Der Typ kann so laut schnarchen, dass die Wände vibrieren."
„Klingt wie eine echte Freude", sage ich grinsend.
Als wir schließlich den Parkplatz erreichen, ist es bereits dunkel geworden. Die Luft hat merklich an Wärme verloren, und ein kühler Wind fährt mir durch die Haare. Es ist still, fast unheimlich still. Nur das schwache, orangefarbene Licht einer einsamen Straßenlaterne wirft einen Schimmer auf die dunklen Umrisse des Autos, das Tylers Teamkollege ihm geliehen hat. Der Rest des Parkplatzes ist leer und in tiefes Schwarz getaucht.
Ich drehe mich ein letztes Mal zum Trail um, dann folge ich Tyler, der schon mit seinem Schlüssel klimpert und die hintere Tür des Wagens öffnet, um seine Tasche zu verstauen. Ich will gerade die Beifahrertür öffnen, als ich ein leises Geräusch höre.
„Hast du das gehört?", frage ich alarmiert und halte inne.
Tyler bleibt stehen und lauscht ebenfalls. Da ist es wieder - ein schwaches, klägliches Miauen. Mein Magen zieht sich zusammen. „Das kam von da drüben", sage ich und zeige auf eine dunkle Ecke des Parkplatzes, wo einige Mülltonnen stehen.
„Moment mal", sagt Tyler und stellt seine Tasche ab. Gemeinsam gehen wir den Geräuschen nach. Je näher wir kommen, desto deutlicher wird das leise Wimmern. Schließlich bleiben wir vor einem alten Kartoffelsack stehen, der achtlos hinter einer Tonne liegt. Mein Herz schlägt schneller, als Tyler vorsichtig den Sack öffnet.
Darin, zusammengekauert und zitternd, liegen zwei winzige Kätzchen, bestimmt nicht älter als ein paar Tage. Ihre Fellknäuel sind schmutzig, und ihre großen, ängstlichen Augen blinzeln uns an. „Oh mein Gott", murmelt Tyler fassungslos, während die Kätzchen verzweifelt versuchen, sich näher aneinanderzukuscheln.
„Wer macht so etwas?", frage ich wütend, während Tyler seine Jacke auszieht, um die Kleinen darin einzuwickeln.
„Ein absolutes Arschloch", knurrt er dabei und sieht genauso wütend aus wie ich. „Wir können sie nicht hierlassen."
„Natürlich nicht", stimme ich ohne zu zögern zu und helfe dem Blondschopf die winzigen Körper vorsichtig hochzuheben. Sie sind leicht wie Federn, und ich spüre ihre zitternden Bewegungen durch den Stoff der dünnen Jacke.
Zurück am Auto setzen wir die Kätzchen vorsichtig in eine improvisierte Box, die Tyler aus dem Rucksack und einem Handtuch bastelt. Sie beruhigen sich etwas, als sie die Wärme spüren, aber ihre erschöpften Augen machen mir klar, dass sie dringend Hilfe brauchen.
„Wir bringen sie in eine Tierklinik", sagt Tyler entschlossen, steigt ins Auto und startet den Motor. Bevor er den Wagen vom Parkplatz lenkt, sieht er nochmal zu den Kätzchen hinunter. Sein Blick ist weich, voller Fürsorge. „Wir schaffen das", sagt er leise, mehr zu den Kätzchen als zu mir.
Doch ich nicke dennoch zustimmend, während ich auf Google Maps nach der nächsten Tierpraxis suche, die noch immer offen hat.
Als wir über zwei Stunden später die Praxis wieder verlassen, ist es bereits fast Mitternacht. Die kühle Nachtluft schlägt uns entgegen, aber ich fühle mich erleichtert. Der Tierarzt hatte uns versichert, dass die beiden Kätzchen abgesehen von Unterernährung und einer leichten Dehydrierung soweit gesund sind. Mit der richtigen Pflege und ein wenig Aufmerksamkeit würden sie sich schnell erholen. Das Wissen darum hat die Spannung in meinen Schultern gelöst. Tyler trägt die zweckmäßige Box mit den zusammengerollten Fellknäueln, die mittlerweile erschöpft eingeschlafen sind.
„Das war echt Glück, dass die Praxis noch offen war", murmelt er, während wir zurück zum Auto gehen.
„Ja, und dass die beiden okay sind." Ich blicke in die Box und sehe, wie eines der Kätzchen sich im Schlaf leicht bewegt. Es ist ein schönes Gefühl, zu wissen, dass wir ihnen geholfen haben. „Also, was jetzt?"
Tyler öffnet den Kofferraum und stellt die Box vorsichtig hinein. „Der Tierarzt meinte, wir sollten sie morgen in ein Tierheim bringen. Dort können sie sich richtig um sie kümmern."
Ich nicke. Das ergibt Sinn, auch wenn der Gedanke, sie abzugeben, seltsam schwer ist. „Und heute Nacht?"
Tyler schließt den Kofferraum und sieht mich an. „Wir bringen sie ins Marlow-Haus", sagt er bestimmt und fügt nach kurzem Überlegen hinzu: „Es ist schon spät, wenn du möchtest, kannst du bei uns übernachten. Dann könnten wir uns auch mit der Beaufsichtigung der beiden abwechseln, der Tierarzt meinte ja, wir sollten sie über die Nacht am besten beobachten."
Sein Vorschlag überrascht mich, aber ich bin sofort einverstanden. „Klingt gut."
Im Marlow-Haus angekommen, ist es still. Die übrigen Bewohner scheinen entweder nicht da zu sein oder schlafen bereits. Tyler führt mich in die Küche, wo wir die Kätzchen in einer Ecke auf einer zusammengerollten Decke platzieren, die er aus einem der Schränke zieht. Er stellt noch eine flache Schale mit Wasser und ein kleines Tellerchen mit dem speziellen Futter hin, das uns der Tierarzt netterweise mitgegeben hatte.
„Das sollte erstmal reichen", sagt er, während wir die winzigen Tiere beobachten. Eines hebt den Kopf, schnuppert vorsichtig an der Luft und beginnt dann, zögerlich etwas von dem Futter zu schlecken.
„Das ist schon irgendwie süß", sage ich und merke, dass ich lächle.
„Auf jeden Fall", erwidert Tyler, „meinst du wir sollten den beiden einen Namen geben?"
„Klar, warum nicht", antworte ich und sehe mir beide Tiere genauer an. Wenn man alleine das Aussehen betrachtet, käme man kaum auf die Idee, dass es sich bei den beiden um Geschwister handeln könnte. Die kleinere von beiden hat schneeweißes Fell, nur die Schwanzspitze sieht dank des schwarzen Kleckses aus, als sei sie in ein Tintenfass eingetaucht worden, während die andere mit der Ausnahme der linken weißen Vorderpfote schwarz wie die Nacht ist. Doch das vertraute Verhalten der Katzen untereinander macht deutlich, dass sie aus dem gleichen Wurf stammen.
„Wie wäre es mit Yin und Yang?", schlage ich also vor und ernte dafür einen amüsierten Blick von Tyler. Doch dann lenkt der Jüngere ein und gibt zu, dass die Namen mehr als passend sind.
„Wir könnten uns das Wohnzimmer teilen", sagt Tyler schließlich und muss sich sichtlich ein Gähnen verkneifen. „Die Couch ist groß genug für uns beide. Ich hole nur noch ein paar Decken."
Ich willige schnell ein, denn auch bei mir macht sich die Müdigkeit bemerkbar.
Ein paar Minuten später sitzen wir also auf der Couch, beide in Decken gehüllt. Yin und Yang haben sich nach ihrem kleinen Snack eng aneinandergekuschelt und schlafen wieder. Tyler streicht sich durch die Haare und lehnt sich zurück. Sein Blick bleibt dabei auf den Tieren liegen und seine Gesichtszüge sind entspannt.
„Ich hätte nie gedacht, dass unser Ausflug damit enden würde, dass wir zwei Katzen aufnehmen", sagt er schließlich, ein Schmunzeln auf den Lippen.
„Tja, das ist jetzt wohl eine Sache, die du von deiner Bucket List streichen kannst", erwidere ich ironisch und lehne mich ebenfalls zurück, aber leise füge ich ernster hinzu: „Ich finde, wir haben heute was Gutes getan. Ich kann es immer noch nicht glauben, dass jemand den beiden einen sicheren Tod aussetzen wollte."
Er sieht mich an, und für einen Moment denke ich, dass er etwas sagen will, doch dann nickt er nur. „Ja, haben wir." Sein Lächeln ist ehrlich, und es trifft mich mehr, als ich zugeben will.
Die Nacht zieht langsam weiter, und für einige Minuten unterhalten wir uns über unsere Kurse und die Professoren. Welche wir mögen und welche eher nicht. Irgendwann schläft Tyler jedoch halbsitzend ein, und ich beschließe, die erste Wache zu übernehmen. Während ich ihn und die Kätzchen beobachte, denke ich daran, wie seltsam der Abend verlaufen ist - und wie gut es sich anfühlt, jetzt hier zu sein.
Tyler und Dylan sind jetzt also vorübergehend Katzendaddys 😍
Wie immer freue ich mich über jeden Stern und jeden Kommentar❤
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