Chapter 5
Der Schultag war grässlich. Es folgten lauter dumme Bemerkungen, Witze über mich und unterschwällige Beleidigungen.
Ich war froh, als diese Hölle endlich ein Ende hatte und ich aus diesem viel zu kleinen Klassenzimmer fliehen konnte.
Schnell schulterte ich meine Tasche und stürmte aus den Raum.
Ich hörte, wie die Jungs hinter mir tuschelten. Dass ich eine ernstzunehmende Konkurrenz war, schienen sie schon vergessen zu haben.
Das Training würde in einer Stunde anfangen. Das heißt wir hatten jetzt Mittagspause.
Ich lief in den Keller zu meinem Zimmer und holte dort meine Eislaufschuhe. Dann ging ich wieder nach oben, um mir in der Kantine etwas zu essen zu holen.
Zum Glück gab es noch freie Tische, denn ich hätte mich ganz bestimmt nicht zu einem dieser Idioten gesetzt.
Nachdenklich stocherte ich in meinem Salat herum. Eigentlich hatte ich nichtmal Hunger, doch ich wusste, dass ich etwas essen musste. Sonst würde mir die Kraft zum springen fehlen.
»Was sitzt du denn hier so allein?«, fragte mich plötzlich jemand.
Justin. Natürlich. Wer sonst?
Leicht verdrehte ich die Augen und schob mir eine Gabel in den Mund.
»Ich bin gern allein«, gab ich zurück, in der Hoffnung, er würde dann endlich gehen. Ich konnte nicht mit seiner Nähe umgehen. Es kam mir so vor, als würde man sofort sehen, was ich ihm gegenüber empfand und das wollte ich nicht. Ich wollte kein offenes Buch sein und mir die Blöße geben, einen Korb von ihm zu bekommen, damit die anderen Jungs blöd lachen konnten.
Nein, das wollte ich ganz bestimmt nicht!
Leider funktionierte das ganze nicht so, wie ich es gerne hätte.
Justin setzte sich und lächelte.
»Ach komm. Keiner ist gern alleine. Ich denke einfach, dass du jemanden brauchst, mit dem du reden kannst«, sprach er und legte seine Arme verschränkt auf den Tisch.
Leicht schnaubte ich und schüttelte den Kopf.
»Wenn ich reden will, dann rufe ich meine Freundinnen an.«
Ich kniff meine Lippen zu einer schmalen Linie zusammen und fing dann an, den Salat in mich hinein zu stopfen, damit ich schneller fertig war und dann hier weg konnte.
»Ich hab dich heute morgen gesehen.«
Dieser Junge gab aber auch wirklich nicht auf oder?
Ich hob meinem Blick und sah direkt in seine braunen Augen.
Dieser verdammte Hundeblick. Wie sehr ich ihn dafür hasste. Naja, zumindest soweit ich ihn in meiner Lage hassen konnte.
»Ich weiß. Ich hab dich gesehen. Hattest du keinen Unterricht?«
Justin sah mich ein paar Sekunden einfach nur an, bevor er wieder zu sprechen begann.
»Du warst echt unglaublich. Die meisten Jungs hier laufen nichtmal halb so gut wie du.«
Ich starrte auf die graue Tischplatte und versuchte, klar zu denken und nicht wie ein verliebter Teenager zu lächeln.
Natürlich freute mich das Kompliment, auch wenn er es wahrscheinlich nicht ernst meinte. Er wollte mich doch bestimmt nur ins Bett bekommen, denn besonders viel Auswahl hatte er hier ja nicht.
»Und zu deiner Frage, doch ich hatte Unterricht, aber mein Gott, wenn ich einmal kurz fehle, weil ich mich um die neue Schülerin gekümmert habe, sehen sie darüber hinweg«, grinste der Junge mit den roten Haaren und zwinkerte mir zu.
»Gekümmert? Ich würde eher sagen, dass du mich gestalkt hast, aber gut.«
Justin lachte leicht und schüttelte den Kopf.
»Naja, ich muss jetzt los, aber falls du Mal wieder gestalkt werden willst, weißt du ja, wo mein Zimmer ist. Man sieht sich.«
Und damit stand er auf und erlöste mich endlich.
Ich stieß die Luft aus und schluckte. Verdammt, dass konnte hier doch nicht gut gehen.
Ich hatte mir das alles viel einfacher vorgestellt, hatte geglaubt, mich endlich voll und ganz auf mich konzentrieren zu können und dann funkte dieser Idiot dazwischen und machte alles kaputt. Meine beste Freundin würde sich freuen, wenn ich ihr erzählen würde, dass Justin hier war. Sie war ja schon immer der Meinung gewesen, dass Justin ein Auge auf mich geworfen habe, aber ich glaubte nicht daran, dass Justin Fork sowas wie Liebe empfinden konnte.
Ich erhob mich, als ich meine Gedanken wieder geordnet hatte und schob das Tablet über die Theke und machte mich auf den Weg zur Eishalle.
Es war noch keiner da. Perfekt!
Schweigend ging ich hinaus zu den Tribünen und setzte mich auf einen Stuhl.
Ich sah hinaus auf das Eis und stellte mir vor, wie es wäre, wenn ich hier an der Olympiade teilnehmen konnte.
Die Tribünen würden alle voll sein. Ich würde alles geben müssen, aber das tat ich immer. Ich würde es schaffen.
»Oh, das Zuckerpüpchen!«
Ich verdrehte die Augen und sah über meine Schulter zu der Gruppe von Jungs, die auf ihren Eislaufschuhen mehr oder weniger elegant in Richtung Eis liefen.
»Haltet doch einfach die Klappe«, fauchte ich und stand auf.
Ich ging an ihnen vorbei und sprang leichtfüßig hinaus auf das Eis. Die Jungs blickten mir nur hinterher und standen am Eingang herum.
Sie schien es zu faszinieren, eine Frau so gut fahren zu sehen.
Ich wärmte mich ein wenig auf und blendete alles andere völlig aus. Für mich gab es gerade nichts wichtigeres, als das Eis.
Ich drehte mich um mich selbst und fuhr rückwärts.
Irgendwann konnten wohl auch die Jungs sich von mir los reißen und stiegen auf das Eis, denn ich hörte weitere Schuhe, die über das Eis kratzten.
Mich störte es nicht, doch plötzlich fingen sie an zu versuchen, mich zu Fall zu bringen. Sie rasten auf mich zu, aber ich wich mühelos aus.
Im Zickzack fuhr ich zwischen ihnen hindurch und lächelte leicht, als ich hörte, wie sie sich aufregten.
»So, Schluss mit dem Kindergarten! Das Training beginnt!«, rief ein junger Mann aus, den ich noch nicht kennengelernt hatte.
Die Jungs stellten sich brav in einer Reihe auf und ich stellte mich als letztes ebenfalls in die Reihe.
Alle hörten brav zu, was der Trainer verlangte.
»Zuerst werden wir einfache Doppelsprünge üben, die wir dann sauber ausdrehen«, sprach er.
Plötzlich landete eine Hand auf meinem Hintern. Ich tat so, als wäre nichts, aber als der Junge neben mir, den die anderen mit "Mikey" riefen, keine Anstalten machte, die Hand wieder dort weg zu nehmen, sah ich kurz zu ihm hinüber.
»Wenn du nicht gleich deine Hand von meinen Hintern nimmst, dann kannst du gleich Mal das Eis abtasten«, zischte ich ihm zu, aber Mikey schien es nicht zu beeindrucken, weshalb ich mit der Spitze meiner Schuhe unter seine fuhr und ihn zu Fall brachte.
»Spinnst du?«, schrie er mich an während ich unschuldig da stand und den Trainer ratlos ansah.
»Ich hab nichts gemacht«, meinte ich nur.
»Mikey, steh auf. Du bist der erste. Doppelsprünge. Na los!«
Der Junge rappelte sich auf und warf mir einen giftigen Blick zu. Dann zog er ab und ich grinste in mich hinein. Er wollte es eben nicht anders.
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