
Follow me... (31)
Gegen Nachmittag verlasse ich mit Malea die KaS. Stephan bleibt noch ein bisschen bei den beiden Männern, um sie zu unterhalten, doch ich brauche einfach ein bisschen Luft, um klare Gedanken fassen zu können. Nachdem das Töchterchen im Marv verstaut ist, klemme ich mich hinter das Steuer und lasse den Innenraum durch Musik beschallen. Malea klatscht sofort in die Hände und grinst so breit, dass ich mich von ihrer guten Laune anstecken lasse.
Etwas Gedankenverloren fahre ich durch Köln und fluche vor mich hin, als irgendein Depp mich überholt und versucht mich leicht auszubremsen. Um meine Nerven im Zaum zu halten, drehe ich die Musik lauter und gröle bei dem gute Laune Song lauthals mit: "Follow me, everything is all right...."
Als ich bei meinem Vordermann, was sich bei bewusster Betrachtung als Polizistenkutsche herausstellt, die leuchtende Schrift "Bitte folgen" sehe, muss ich leise lachen. "Malea. Ich glaube, die Polizisten hören gerade die gleiche Musik wie wir!" Abgelenkt durch das passende Lied und den quietschenden Tönen des Kindes, bin ich fast schon traurig, dass die Leuchtschrift inklusive Auto bei der nächstmöglichen Gelegenheit rechts abfährt. Ich drücke anschließend wieder etwas aufs Gaspedal und verlasse Köln, was eigentlich gar nicht geplant war, jetzt aber auch egal ist. Mir fällt ein, dass es außerhalb einen Badesee gibt, an dem ich mit Malea ein wenig spazieren gehen könnte.
Das gleichzeitige Klingeln meines Handys und die blauen blinkenden Lichter hinter mir bringen mich total aus dem Konzept. Ich versuche durch den Rückspiegel zu erkennen, wer denn in der Karre sitzt, sehe aber leider nicht viel. Anschließend krame ich mit einer Hand in der Wickeltasche auf dem Beifahrersitz herum, bis ich mein Handy gefunden habe. Nach einem kurzen Blick auf das Display stelle ich fest, dass Marc mich anruft.
Was will der denn jetzt?
Da ich immer wieder vergesse die Bluetooth Funktion meines Handys zu aktivieren, damit ich über die Freisprecheinrichtung telefonieren kann, klemme ich mir das Smartphone einfach zwischen Ohr und Schulter.
Ich: "Ja, hi. Was gibt's denn?"
Marc: "Weißt du was "Bitte Folgen" bedeutet?"
Ich: "Klar. Ich bin doch nicht doof."
Marc: "Warum ignorierst du uns dann?"
Ich: "Hä? Wo warst du?"
Marc: "In dem Streifenwagen vor dir, der dich zum Folgen aufgefordert hat."
Ich: "Stimmt. Da war ja was. Hups. Wars denn wichtig?"
Marc atmet schwer auf und lässt ein leises "unglaublich" aus seinem Mund entfliehen.
Marc: "Wenn die Polizei vor dir fährt und dich auffordert, ihr zu folgen, was machst du dann?"
Ich: "Ihr folgen. Blöde Frage"
Marc: "Warum machst du das dann bitte nicht?"
Ich: "Sorry. Das war so ein passendes Lied im Radio. Kennst du den Song von Uncle Kracker?"
Marc: "Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder?"
Ich: "Doch. Das lief gerade tatsächlich im Radio."
Marc: "Wir überholen dich jetzt und dann fährst du uns bitte hinterher. Okay?"
Ich: "Ja. Sei nicht so grummelig!"
Eine Antwort bekomme ich nicht mehr, denn kurz nach meiner Antwort ist auch schon die Leitung tot.
Mein Gott, Josi... Wie verballert bist du eigentlich?
Gerade als ich mein Handy auf der Wickeltasche abgelegt habe, klingelt es wieder.
Ich: "Ja?"
Alex: "Schatz? Wo bist du und was treibst du?"
Ich: "Auf der Autobahn."
Alex: "Fährst du etwa?"
Ich: "Nein, ich arbeite hier als Leitplanke"
Alex: "Ich wollte eigentlich wissen, ob du immer noch im Auto sitzt und durch die Gegend rast. Marc hat vorhin angerufen und..."
Ich: "Ja ja. Marc ist vor mir und ich muss ihm folgen. Alles gut."
Alex: "Warum bist du denn nicht gleich nach Hause gefahren? Wo willst du denn hin?"
Ich: "Schatz. Ich war etwas verwirrt und bin nur aus Versehen auf der Autobahn gelandet. Ich muss jetzt auch das Handy weglegen, sonst bekomme ich deswegen bestimmt noch eine Verwarnung. Mach dir keine Sorgen. Ich melde mich später. Ciao!"
"Meine Güte. Das ist wieder ein Theater... Malea? Alles gut bei dir?", frage ich meine Tochter, da sie gerade sehr still ist. Anstatt einer Antwort aus ihrem Mund, bekomme ich duftende Grüße nach vorne geschickt. "Boah, Kind. Was hast du da produziert? Das riecht nach Bauernhof der Extraklasse!" Ich kann wirklich viel ertragen, aber an manchen Tagen bewegen sich die kleinen Allesfresser mit ihren Absonderungen hart an der Grenze. Nach einem kurzen Blick auf die hintere Sitzbank sehe ich, das Töchterchen einen hochroten Kopf hat. Die Produktion ist also noch nicht abgeschlossen. Mit leichtem Würgereiz folge ich dem Streifenwagen, bis wir auf dem Parkplatz des Badesees ankommen. "Können die Gedanken lesen? Perfekt!" Zuerst freue ich mich, dass wir an meinem Ziel angekommen sind, doch als ich die Gesichter von Paul und Marc sehe, als sie aus ihrer Karre aussteigen, vergeht mir die Freude.
Anstatt auszusteigen, warte ich, bis einer der beiden Polizisten meine Türe öffnet und mir einen bitterbösen Blick schenkt. "Klopft ihr nicht normalerweise erst an die Scheibe?", frage ich ganz unschuldig und lächle Marc übertrieben freundlich zu. "Warum steigst du... Boah.. Igitt. Was ist das?" Marc hält sich die Nase zu und wirft mir einen entsetzten Blick zu.
Vielleicht kannst du Maleas Geschenk zu deinem Vorteil nutzen? Was hat Alex gesagt? Irgendwas mit rasen. Bestimmt war ich zu schnell unterwegs...
Ich würge zweimal herzhaft und streiche mir anschließend über meinen Bauch: "Sorry. Ich muss jetzt unbedingt zuerst Maleas Windel wechseln, sonst kotze ich noch ins Auto!" Herr Westernhoven schüttelt sich einmal, wirft mir ein "Mach das!" zu und gesellt sich zu Paul, der etwas abseits steht und die Situation beobachtet. Wahrscheinlich war ich noch nie so dankbar über eine gefüllte Windel wie heute.
Innerhalb weniger Minuten ist der Kinderhintern wieder frisch und ich laufe mit Malea auf dem Arm zu den beiden Gesetzeshütern. "Naaa? Ist die kleine Maus wieder frisch?", will Marc wissen und kneift Malea in die Backe. "Gott sei Dank, ja. Ich bin in dem Auto fast gestorben. Wahrscheinlich bin ich zu schnell gefahren, aber ich wollte nicht ins Auto kotzen und Gefahr laufen, dadurch womöglich noch einen Unfall zu bauen. Natürlich nehme ich aller Art von Strafzettel entgegen, schließlich habe ich gegen das Gesetz verstoßen!" Das viele Geplapper verwirrt die beiden Herren zuerst, doch Paul hat sich schnell wieder gesammelt: "Josi, atme mal durch. Die Geschwindigkeitsüberschreitung war nicht übermäßig und wir belassen es bei einer mündlichen Verwarnung. Wenn man bedenkt, dass Marc von einer einminütigen Inhalation schon ganz grün im Gesicht wurde, möchte ich nicht wissen, wie es dir ergangen sein muss. Was wir aber nicht außer Acht lassen können, ist der seit vier Monaten abgelaufene TÜV. War dir das bewusst?" "Nö. Das ist Alex' Job. Ich dachte, der TÜV hält zwei Jahre. So lange haben wir den Marv doch noch gar nicht!", sage ich verwundert, werde aber freundlicherweise von Marc darauf hingewiesen, wie das zustande gekommen ist: "Ihr habt einen Gebrauchtwagen gekauft und daher hatte der seinen TÜV schon bevor ihr ihn gekauft habt. Willst du gleich bezahlen oder sollen wir dir ein Briefchen zukommen lassen?" "Pfff. Das schickst du mal schön an Herrn Hetkamp. Schließlich ist der Marv seine Baustelle. Wie lange sind wir denn drüber?", will ich wissen, denn ich habe wirklich nicht einmal daran gedacht, auf so etwas zu achten. "Vier Monate. Das sind bei uns fünfundzwanzig Euro und wenn ihr euer Gefährt zum Durchchecken abgebt, dann wird es auch teurer. Die machen nämlich bei einer deutlichen Überziehung eine vertiefte HU", klärt mich Herr Westernhoven auf und zeigt mir im Anschluss die Plakette auf dem Nummernschild. "Wenn du dort ab und zu einen Blick drauf wirfst, dann verpasst ihr in Zukunft auch die Frist nicht mehr!" "Super, danke, Marc. Entschuldigung wegen den Umständen!" "Versprich mir nur, dass du in Zukunft keine Aufforderungen der Polizei einfach so ignorierst, okay? Wenn sich mal andere Polizisten an deine Fersen heften, könnte das ganz anders ausgehen", sagt Marc und bedenkt mich mit einem strengen Blick. "Ehrenwort. Ich bemühe mich die Geschwindigkeit zu drosseln und in Zukunft die Plaketten zu überprüfen!", verspreche ich und setze mein Prinzesschen auf dem Boden ab, da sie nicht mehr gewillt ist uns zuzuhören, sondern ihren Bewegungsdrang ausleben möchte.
"Wie geht es Tom? Kommt er bald aus der Klinik raus?", will Paul wissen. Ich atme schwer auf und erzähle den beiden, was überhaupt vorgefallen ist, dass die Antibiotika angeschlagen haben und er gerade keinen Wert auf menschlichen Umgang legt. Als sich unsere Wege trennen, sind die beiden Männer sehr niedergeschlagen und bitten mich, sie auf dem Laufenden zu halten.
Malea und ich gönnen uns danach an dem menschenleeren Badesee eine kleine Auszeit. Mini-Me erkundet jedes Steinchen, das sie findet und ich genieße die frische, wenn auch kalte, Luft. Die Käselaugenstange, die Alex zum Glück nicht gegessen hat, rettet uns vor dem absoluten Hungertod und bewahrt meine Nerven vor einer erneuten Heulattacke meines Kindes. Als es langsam dunkel wird, brechen wir wieder Richtung Heimat auf. Mein Wohlbefinden hat sich durch die kleine Auszeit wieder etwas gesteigert und das kleine Monster scheint genug ausgepowert zu sein, um nachher ohne Probleme in den Schlaf gleiten zu können.
Beim Eintreffen auf dem Bauernhof sehe ich Tammy mit einer Tasche aus der Wohnung kommen. Zuerst denke ich mir nichts dabei, doch als die Scheinwerfer ihr Gesicht erleuchten, sehe ich, dass irgendetwas gewaltig nicht stimmt. Vor lauter Hektik, da Toms Freundin die Tasche sehr schnell in ihren Kofferraum wirft und diesen unüberhörbar laut zuknallt, würge ich den Motor ab und reiße die Fahrertüre auf: "Tammy?" Die Schwarzhaarige ist nicht gewillt mir eine Antwort zu liefern, darum stolpere ich schnell aus dem Marv heraus, umrunde mein Gefährt und halte sie am Arm fest, bevor sie in ihr Auto einsteigen kann. "Was ist denn los?"
Zuerst schnieft sie ein paar Mal und wischt sich dann die Tränen aus dem Gesicht, bevor sie mir abgehackt ein paar Infos zukommen lässt: "Ich gehe.. zu.. meiner Mutter!" "Warum?", frage ich völlig irritiert. "Frag doch... deinen Bruder!", schluchzt sie mir zu und versucht, mir ihren Arm zu entreißen. "Stop mal. Hat er dich wieder rausgeschmissen?"
Tammy dreht sich nun komplett zu mir um und kommt mir mit ihrem Gesicht sehr nah: "Er hat unsere Beziehung... beendet. Er meinte, dass ich etwas... Besseres verdient hätte! Eine richtige Erklärung bekomme ich aber nicht. Er... möchte nur nicht mehr mit mir zusammen sein!" Ich lasse Tammys Arm los und schaue sie geschockt an. Vielleicht kann man verstehen, dass Tom gerade seine Ruhe will und mit niemandem reden will, aber dass er einfach so seine Verlobte in die Wüste schickt, das ist mir unverständlich. Zumal die beiden wie füreinander geschaffen sind und man beiden auch angesehen hat, wie sehr sie sich lieben. Tammy nutzt die Gelegenheit meiner Starre natürlich sofort aus und flüchtet sich in ihr Auto.
Verdammte Kacke, was läuft hier für ein schräger Film? Warum dreht Tom so ab? Das ist überhaupt nicht seine Art!
Die Flüchtige aufzuhalten würde jetzt absolut gar nichts bringen, darum schaue ich ihr einfach nur entgeistert hinterher. Sie braucht jetzt auf alle Fälle eine kleine Auszeit, um sich von diesem Schock zu erholen. "MAMA", kreischt Malea, da sie gerne aus dem Auto befreit werden möchte.
Was mache ich jetzt? Warum eskaliert denn in letzter Zeit alles so schnell?
Völlig überfordert drehe ich mich dem Marv zu und lausche einen Moment lang den schrillen Schreien, während ich selbst im Pool der Verzweiflung bade. Obwohl es Tammy wesentlich mieser geht als mir, wünsche ich mir jetzt eine Person, die mich in den Arm nimmt und mir versichern kann, dass bald alles wieder beim Alten ist und in geregelten Bahnen läuft. Erst als Malea mit ihrer Hand gegen die Scheibe schlägt, besinne ich mich ein bisschen und umrunde wieder den Marv. In meinem Kopf lasse ich alle mir möglichen Optionen abspielen, wie ich diese Situation retten könnte, denn gar nichts tun ist absolut keine Option. "Malea? Fahren wir noch schnell zu Opa Nico und Oma Eva?"
Das Gebrüll ebbt auf einen Schlag ab. Ich deute das mal als ein "Ja" und steige wieder in den Marv ein, um zu meinem Vater zu fahren. Wenn ich die Sache in die Hand nehmen würde, könnte die Möglichkeit bestehen, dass ich Tom irgendwann in der Luft zerreiße. Papa hat sich da schon mehr unter Kontrolle und meistens auch die richtigen Worte im Petto.
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