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Durch ein paar Küsse an meinem Hals werde ich wach. Ich liege mit meinem Rücken dicht an die Brust meines Verlobten gepresst, der seine Arme fest um mich geschlungen hat.
"Morgen Schatz!", haucht mir Alex in mein Ohr, worauf ich sofort eine saftige Gänsehaut bekomme. "Morgen... Du bist ja schon wach!", ich versuche mich zu drehen, doch mein Hintermann verhindert dies und kuschelt sich fest an mich. "Mhm. Ich schätze mein Körper hat jetzt endlich genug geschlafen!" "Fühlst du dich denn auch gut?", sein Verhalten deutet zwar auf ein gutes Wohlbefinden hin, aber fragen kann man nie oft genug. "Ja, so ziemlich. Ich kann bestimmt noch keinen Marathon laufen, aber der normale Alltag sollte klappen!" "Das hört sich sehr gut an!", ich schließe zufrieden die Augen, um noch ein bisschen vor mich hinzudösen. Für ein paar Minuten herrscht Stille und ich denke schon, dass Alex vielleicht doch nochmal eingeschlafen ist. "Wie fühlst du dich? Ich meine... mit den Babys...", diese Frage kommt ganz leise und vorsichtig, als wenn er Angst hätte, dass es mich viel zu sehr aufwühlen würde. Ich versuche mich wieder in seiner Umarmung zu drehen und dieses Mal lässt Alex es auch zu. Zwar kann ich kaum etwas sehen, da die Dunkelheit noch die Oberhand behält, doch ich kann mir seinen verunsicherten Gesichtsausdruck direkt vorstellen.
"Mh.. Wenn ich sagen würde, dass ich mich total damit abgefunden habe, wäre das gelogen. Allerdings habe ich mich mit dem Gedanken an ein weiteres Zwillingspärchen schon besser anfreunden können. Ab und zu habe ich natürlich immer noch Angst und ein paar Bedenken, aber.... Gestern bei der Besichtigung hatte ich das erste Mal das Gefühl, dass wir das schon irgendwie hinbekommen!", ich kraule meinem Verlobten im Nacken über den Haaransatz und schenke ihm zum Schluß einen kleinen Kuss. "Das werden wir auch schaffen. Da bin ich mir total sicher. Stephan, Phil, Tom und ich wollen uns ins Zeug legen, dass wir noch vor der Geburt der Zwillis umziehen können. Für den Umbau der Scheune werden wir eine Firma beauftragen, da wir sonst viel zu lange brauchen würden. Unsere Wohnungen wollen wir aber so weit wie möglich selbst auf Vordermann bringen!" "Wann habt ihr das denn bitte beratschlagt?" Jetzt bin ich wirklich überrascht, denn der Herr war ja eigentlich die ganze Zeit am schlafen. "Als wir mit Frau Poris das Finanzielle geregelt haben. Die hat uns die Kontaktdaten von ihrem Schwager vermittelt. Der sei richtig gut und vor allem schnell" "In was?" "Hahahaha. Der kann im Prinzip alles.... Trockenbau, Böden verlegen, Wände verputzen... Ein Allrounder eben." "Oh, okay. Nico und Eddy werden auch helfen. Wie es aussieht, haben wir genug helfende Hände!" "Meine Eltern werden sicherlich auch mitanpacken!" Für einen ganz kurzen Moment versuche ich mir Christopher auf einer Baustelle vorzustellen, bekomme dabei aber nur lauter lustige Bilder in den Kopf: "Hahaha. Dein Vater? Sorry, aber will er mit dem Skalpell die Tapetenbahnen voneinander trennen oder....", weiter komm ich gar nicht, denn Alex hält mir seine Hand vor den Mund: "Hahaha, sag ihm das ja nicht! Er wird sich sicherlich gerne mit Aaron und Malea beschäftigen. Damit wäre ja auch viel geholfen. Außerdem kann ich ihn als Wachhund einsetzen, denn Frau Mayer wird man sicherlich sehr oft ausbremsen müssen!" "Vergiss es. Ich helfe mit, wo ich kann!" "Jaja, denk du mal lieber an die zwei Kinder in deinem Bauch. Da ist dann nichts mit schwere Sachen heben und überanstrengen!" Der Herr nimmt gnädigerweise seine Hand wieder von meinem Mund und drückt mir einen versöhnlichen Kuss auf die Lippen. "Ich weiß doch! Aber so ein bisschen nützlich will ich mich doch auch machen", auch wenn er es nicht sieht, ziehe ich einen Schmollmund und verenge meine Augen.
Alex seufzt laut auf, da er sich wahrscheinlich bildlich vorstellt, wie ich Hochschwanger auf der Baustelle herum renne und man mich tausend mal ermahnen muss, endlich mal eine Pause einzulegen. "Ich versuche, artig zu sein. Wahrscheinlich habe ich eh verschissen, wenn dein Vater und meiner ebenfalls anwesend sind. Die werden mir dann schon den Marsch blasen hahaha. Man vergesse auch nicht meinen Bruder, Stephan und den anderen Notarzt. Da werde ich eher nichts zu lachen haben.... Was ist eigentlich mit Paul und Franco? Wollen die nicht mit?" "Ob dich das aufhalten wird? Wir kennen dich ja alle gut genug.... Ne, Paul wird hier die Stellung halten und Franco hat mit Stephan geredet und wird ebenfalls hier bleiben. Seine Flamme wird einziehen und eventuell suchen sie dann noch ein paar passende Mitbewohner!" Alex scheint schon voll im Bilde zu sein und klärt mich deshalb auch auf. "Der meint das wirklich ernst mit seiner Tussi. Ich hoffe nur, dass die Franco nicht nur ausnutzt und ihn dann links liegen lässt, wenn sie ihr Leben wieder geordnet hat! Wann kommt die denn eigentlich?" "Keine Ahnung, wann die hier erscheint. Naja, weißt du, er ist alt genug und muss wissen, was er tut. Paul hat da wohl auch schon an der Fassade herum gekratzt, aber Franco blockt da gleich total ab und sagt, dass er das alles im Griff hätte. Warten wir mal ab, ob wir ihn aus den Krallen einer Hexe befreien müssen oder ob am Ende doch alles gut wird!" Alex löst sich von mir, setzt sich auf und krabbelt aus dem Bett.
"Was machst du?" "Aufstehen. Ich dachte mir, wir könnten uns schon mal fertig machen und sobald die Kinder wach sind, schnappen wir die zwei und gehen irgendwo gemütlich Frühstücken. Da hätte ich jetzt richtig Lust drauf!" Über den neuen Tatendrang des Herrn Notarzt bin ich wirklich überrascht und habe nichts gegen seinen Vorschlag einzuwenden.
"Bin dabei!", somit schäle ich mich ebenfalls aus der Bettdecke und mache mich mit meinem Verlobten zusammen auf den Weg ins Badezimmer.
Unser Timing ist heute mehr als perfekt, denn gerade als wir die sanitären Räumlichkeiten wieder verlassen, hören wir auch schon die zwei Sabberschnuten rufen.
Als wir die Beiden ebenfalls fertig gemacht und alles nötige eingepackt haben, verlassen wir das Haus und bleiben direkt vor dem Marv stehen. Alex hält mir den Schlüssel vor die Nase und grinst mich herausfordernd an: "Du fährst!" "Neeeee. Du weißt doch, dass..." "Genau deswegen! Wenn wir noch zwei weitere Kinder haben, wirst du nicht drumrum kommen, den Marv zu fahren! Deshalb wirst du dich jetzt jedes mal hinter das Steuer klemmen, damit du dich daran gewöhnst und eventuell sogar deine Abneigung verlierst", der Herr hat das ganz schön schlau gemacht, denn bevor die Kinder noch anfangen zu quengeln, muss ich mich geschlagen geben und diesen unliebsamen Haufen Blech zu einem Bäcker lenken.
Meinen Blick lasse ich Bände sprechen, doch Alex interessiert das kein bisschen. Der pfeift sogar fröhlich vor sich hin, als er die hintere Schiebetüre öffnet und Aaron in seinen Sitz verfrachtet. Breit grinsend nimmt er mir dann auch Malea ab und schnallt diese ebenfalls in ihrem Kindersitz fest.
Als Herr Hetkamp die Schiebetüre wieder zugezogen hat, drückt er mir einen fetten Kuss auf die Backe und schwingt sich ohne Umweg auf den Beifahrersitz. Seufzend umrunde ich unser Fahrzeug und setze mich somit auf den Fahrersitz.
Bevor ich den Schlüssel ins Zündschloss stecke, atme ich noch einmal tief durch. "Schatz, mach dir doch nicht so einen Stress! Das ist nur ein Auto. Nicht mehr und nicht weniger! Bisher hast du es doch auch geschafft, ihn nirgends hängen zu lassen!"
Hast du ne Ahnung!
Da er keine Antwort von mir bekommt, legt Alex seine Hand auf meine und drückt sie leicht: "Wovor hast du denn Angst? Mehr als das du irgendeine Delle reinfährst, kann doch nicht passieren. Wenn du dich immer so verrückt machst und nur daran denkst, das etwas passieren könnte, dann beschwört du das zwangsläufig herauf. Ich werde dir nicht den Kopf abreißen wenn du einen Macken rein fährst. Also entspann dich!"
Kann ich das schriftlich haben?
"Vielleicht hast du recht. Ich gehe viel zu verkopft an die Sache ran. Mir bleibt keine andere Wahl, als das jetzt zu lernen und zu akzeptieren!", somit starte ich also das Auto und bringe uns direkt auf die Straße. Alex dirigiert mich zu einem Bäcker, bei dem er anscheinend schonmal mit seiner Mutter und den Kids Frühstücken war und scheint mit meinen Fahrkünsten doch ziemlich zufrieden zu sein. Zumindest hat er nicht gemeckert und dann kann man das ja wohl irgendwie als Lob ansehen. Ich selbst muss mir auch eingestehen, dass es gar nicht so schlimm ist, den Marv zu fahren, wenn man locker hinter dem Steuer sitzt und nicht so wie ich sonst, bis auf den letzten Muskel angespannt ist.
Wir vier verbringen den ganzen Morgen in dieser Bäckerei und schlemmen wie die Könige. Zu unserer Überraschung sind die Kinder heute absolut chillig und spielen sogar eine Zeit lang zusammen in der Spielecke, so dass Alex und ich noch Dinge besprechen können, die in letzter Zeit etwas zu kurz gekommen sind. Unter anderem gehen wir die Punkte durch, die noch für die Hochzeit erledigt werden müssen und stellen fest, dass mein Verlobter total hinterher hängt. Ansonsten besprechen wir noch den Möbelkauf unserer zukünftigen Behausung, denn da müssen wir auch ordentlich aufstocken. Bis auf ein Schlafzimmer und das eine Kinderzimmer besitzen wir fast nichts.
Total entspannt und glücklich kehren wir in die WG zurück. Als wir die Haustüre öffnen, trifft uns allerdings gleich der Schlag: Der komplette Flur ist mit Koffern vollgestopft und aus dem oberen Stockwerk ist ein unbekanntes weibliches Gemecker zu hören. Ich schiebe ein paar der Koffer zur Seite, damit wir wenigsten in die Küche vordringen können. Dort treffen wir auf einen finster dreinblickenden Stephan. "Ähm, will man wissen, was da vor sich geht?", ich taste mich erst vorsichtig an das Thema heran, da Herr Sindera normalerweise viel abkann und es mich jetzt umso mehr verwundert, dass er so mies drauf ist. "Am besten packen wir gleich alle unsere Koffer und ziehen sofort um. Egal ob der Bauernhof fertig ist oder nicht....", obwohl er nicht mit mir sauer ist, ziehe ich vorsorglich schon mal das Genick ein.
"Wer ist denn das?" Alex entfernt nebenher den Kindern die Jacken und wirft immer wieder einen Blick auf den grummelnden Herrn Sindera. "Francos Freundin. Oder sollte ich eher Francos Herrscherin sagen? Das wird ein Spaß, das sage ich euch!" Das Wort Spaß setzt er mir Zeige-und Mittelfinger in Anführungszeichen. Ich wundere mich über solch angepriesene Charakterzüge, denn ich hätte unserem Italiener eher eine Frau, die auf gleicher Gemüts Ebene schwebt, zugedacht. Vielleicht etwas temperamentvoller, ja, aber doch nicht gleich so, das sie unseren ausgeglichenen Stephan aus der Ruhe bringt.
"So schlimm?", frage ich deshalb nochmal nach. "Schlimmer! Zum Glück muss ich jetzt zum Dienst.... Vielleicht gehe ich danach auch zu Cora. Lass dich nicht unterbuttern und halt die Kinder von ihr fern!" Stephan springt von seinem Stuhl auf, schenkt uns ein mühsam auferlegtes Lächeln und verschwindet im Nu aus dem Haus.
Alex und ich starren uns perplex an. "Meinst du, er war heute einfach schlecht drauf?", ich hoffe inständig, dass mein Verlobter das bejaht, aber er zieht nur beide Augenbrauen nach oben.
"Kann irgendjemand das Kind von meinem Koffer entfernen? Der war teuer und ich will keine Sabberflecken auf dem Material haben!" Alex zieht scharf die Luft ein und schenkt mir einen ungläubigen Blick: "Sag mir bitte, dass ich mich gerade verhört habe!"
Die hat doch selbst ein Kind...
Um jegliche Eskalation vorzubeugen, laufe ich sofort zum Ort des Geschehen und sehe auch gleich Aaron, der sich an einem der Reißverschlüsse zu schaffen macht. "Komm her, Schatzi, der gehört nicht uns!" Zu meiner Freude gehorcht mir mein Kleiner sofort und kommt zu mir gelaufen. Als ich mich mit Kind im Arm umdrehe, sehe ich im Augenwinkel eine Frau auf der Treppe stehen.
Leck mich fett.... Wenn ich ein Mann wäre, würde ich die nicht von der Bettkante stoßen!
Ich muss zugeben, dass diese Frau, rein äußerlich gesehen, eine absolute Granate ist. Sie ist in etwa so groß wie Franco, hat so riesige Hupen, dass man darunter locker erstickt werden könnte und schulterlange gelockte schwarze Haare. An ihrem gesamten Körper kann man vermutlich kein Gramm Fett finden.
Ich lächle ihr freundlich entgegen und will sie herzlich willkommen heißen, doch sie ist einen Tick schneller als ich: "Hi, äh... wohnt ihr auch hier?" "Hi. Ja, ich bin J..." "Jaja. Kannst du bitte dafür sorgen, dass die Kinder von den Koffern wegbleiben? Das wäre wirklich super! Wo ist denn der Typ von vorhin? Der könnte mir bei den Koffern helfen!" Die namentlich Unbekannte schaut sich suchend um und läuft darauf wie ein Model die restlichen Stufen hinunter, um anschließend in die Küche zu gehen. "Oh. Hiiii. Kannst du mir mit deinen großen starken Armen kurz behilflich sein?", schnurrt Frau "ich-weis-das ich-gut-aussehe" allem Anschein nach, meinem Verlobten entgegen.
Oookay, schon verschissen!
"Sorry, leider nicht möglich. Ich muss meine Kinder von den Koffern fernhalten!" Genau nach diesen Worten, kommt Alex mit Malea auf dem Arm aus der Küche gestürmt und zwinkert mir sofort zu. Mein Herz vollführt einen spontanen Luftsprung und lässt mich diesen Mann noch ein kleines Stück mehr lieben. Wir beschließen, uns mit den Kindern im Wohnzimmer zu verschanzen und hoffen, dass wir dort die königliche Hoheit nicht stören.
"Ist das wirklich Franco's Ernst?" Alex wirft mir einen ungläubigen Blick zu und schüttelt schwer aufatmend seinen Kopf. "Vielleicht ist sie ja nur aufgeregt und total durcheinander wegen dem Umzug und so...", ich will Francos Freundin jetzt nicht in Schutz nehmen, ihr aber eine zweite Chance einräumen, da ich früher in Stresssituationen auch oft nicht ich selbst war. "Weißt du, es ist eine Sache, wenn man mich blöd von der Seite angräbt oder irgendjemand anderen übers Maul fährt. Aber meinen Kindern sagt niemand, dass sie sich nicht frei im Haus bewegen dürfen. Die wohnen hier und sind auch schon länger anwesend, als diese... Ach... Ich schau mal kurz nach, wo Herr Fabiano rumschleicht!" Alex dampft ziemlich angepisst ab und stampft kurze Zeit später die Treppen hoch.
Ich sehe es schon kommen, dass hier in naher Zukunft ein Krieg ausbricht und eigentlich würde ich gerne in keine der Fronten geraten. Doch das lässt sich bestimmt nur schwer vermeiden.
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