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Alex' Sicht
Als ich meine Augen öffne, ist der Platz neben mir leer. Wie es aussieht, ist Josi schon aufgestanden. Langsam aber sicher quäle ich mich aus dem Bett und werfe einen Blick auf den Wecker.
Viertel elf? Wow, seit wann schlafe ich denn so lange?
Immer noch ziemlich müde, obwohl ich so lange geschlafen habe, werfe ich mir ein paar Klamotten über und begebe mich auf den Weg in die Küche. "Morgen!" Stephan erhebt sofort seinen Blick, als ich die Küche betrete und grinst mich freudig an. Nach einem lauten Gähnen werfe ich ihm ebenso ein "Morgen!" entgegen und bremse bei der Kaffeemaschine ein. "Sag nur, du bist noch müde?"
"Ja, keine Ahnung... Vielleicht war gestern alles ein bisschen zu viel Action... Mein Kreislauf war gestern abend zumindest nicht so mein Freund!", mit gefüllter Tasse in der Hand, laufe ich zu unserem Esstisch und setze mich direkt gegenüber von Stephan. "Gestern Abend hast du noch recht fit gewirkt oder habe ich irgendwas verpasst?", mein Gegenüber zieht die Augenbrauen zusammen und lässt sich anscheinend das gestrige Spektakel nochmal durch den Kopf gehen. "Mhm. Sportliche Aktivitäten unter einer heißen Dusche waren wahrscheinlich doch nicht die beste Option vor dem Schlafengehen!", ich zucke grinsend mit den Schultern und vernehme bei Stephan ein grinsendes Kopfschütteln:
"Oh, ihr zwei... ihr passt schon gut zusammen!" "Dankeschön, haha. Apropos, weißt du, wo Josi abgeblieben ist? Es ist so ruhig hier!" "Du, die ist vor einer Stunde ungefähr mit den Kindern abgedampft. Sie hat nur gesagt, dass sie etwas erledigen muss und gegen Mittag wieder nach Hause kommt!" "Okay. Na dann! Hast du Franco schon gesehen?", mich wundert es fast, das heute so gar niemand zuhause ist und frage mich, ob ich irgendetwas verpasst habe. "Der ist anscheinend schon ziemlich früh aus dem Haus. Hat Dienst und musste vorher noch etwas erledigen, hat zumindest Paul gesagt. Den habe ich noch gesehen, bevor er zur Arbeit ist!" Ich fahre mir mit der Hand durch mein Gesicht und visiere Stephan genauer an: "Franco's Tussi spielt mit ihm. Naja, zumindest sehe ich das so. Ich war gestern mit ihm und den Kindern spazieren. Mich hat es ehrlich gesagt gewundert, dass er mitlaufen wollte, aber nach ein paar Minuten war mir klar warum. Er wollte sich einen Rat einholen. Unser kleiner Italiener hat sich wirklich über beide Ohren in diese Frau verliebt. Diese Dame meldet sich leider kaum noch bei ihm und schiebt immer wieder den Grund vor, dass ihr Mann ihr hinterher spioniert. Franco hat daher selbst Spion gespielt, um zu sehen, was seine Angebetete die ganze Zeit so treibt. Du wirst es nicht glauben... Die trifft sich noch mit einem weiteren Kerl!" "Nich dein Ernst? Und jetzt? Er beendet das ganze doch hoffentlich, oder? Die führt ihn doch nur an der Nase herum!" Stephan verzieht sein Gesicht zu einer gequälten Grimasse, denn er scheint genau die gleiche Vorahnung zu haben wie ich. "Naja, ich habe ihm genau das geraten, was er daraus macht, weiß ich nicht. Er hat mir keine Antwort darauf gegeben. Allerdings habe ich bei der ganzen Sache ein ziemlich ungutes Gefühl!", ich schnaube laut auf, da ich das nächste Drama schon heraneilen sehe.
Stephan trinkt den letzten Schluck Kaffee aus seiner Tasse und verdreht kurz darauf die Augen. "Schon zu kalt?" "Ja, auch, aber mir ist gerade eher in den Sinn gekommen, dass wir dieses Thema nicht so offensichtlich breit treten sollten!" "Ich spüre schon, was du sagen willst. Wenn Josi davon Wind bekommt, hat entweder das Revier oder die Wache zusätzliche Arbeit! Oder sie gerät noch selbst ins Kreuzfeuer. Das wäre ja wieder typisch!", ich reibe mir mit meinen Händen durch mein Gesicht und lege kurz meinen Kopf in den Nacken. "Wir hoffen einfach mal das Beste!" Herr Sindera versucht positiv zu denken, doch mich plagt schon eine gewisse Vorahnung: "Haha. Ja. Einfach das Beste hoffen!"
Während sich mein Kumpel einen weiteren Kaffee durchlässt, drehe ich mich auf der Sitzfläche meines Stuhl, damit ich direkt Stephan zugewandt bin: "Du, Stephan. Ich hätte da mal noch eine Frage an Dich!" "Mhm, schieß los! Bin ganz Ohr!", er wendet sich mir nun ebenfalls zu und lehnt sich seitlich gegen den Kühlschrank.
"Ich würde mir wünschen, dich als Trauzeugen an meiner Seite zu haben. Würdest du das machen?", ich kann direkt sehen, wie Stephan die gesagten Worte erst verarbeiten muss und dann auf einmal die Erkenntnis zuschlägt: "Dein Ernst jetzt?" Meine Mundwinkel schießen rasant in die Höhe: "Mein voller Ernst!" Daraufhin kommt Stephan sofort auf mich zugelaufen und als ich mich in einen aufrechten Stand erhoben habe, packt er mich sofort in eine feste Umarmung:
"Sehr sehr gerne! Danke!" "Ne, ich danke Dir, dass du zustimmst!", ich freue mich wahnsinnig, das er dieses Amt annimmt und bin wirklich erleichtert, das auch dieser Punkt endlich abgehakt werden kann.
"Zerquetscht euch nicht. Ich wische die Reste nicht auf! Hatte heute Nacht schon genug Eingeweide zum einsammeln!" Florian kommt in die Küche gelaufen und stürmt direkt auf den Kühlschrank zu. Als ich mich von Stephan endlich löse, sehe ich wie blass unser Mitbewohner ist: "Was ist denn los? Du bist blass wie eine weiße Wand!" "Frag lieber nicht!", winkt er ab, schüttelt den Kopf und verschwindet wieder in sein Zimmer. Die Kühlschranktüre steht immer noch offen und mitgenommen hat er auch nichts. "Okay, der Herr Wehr wäre dann auch Beobachtungswürdig!", stellt Stephan fest und schließt nebenher den Kühlschrank. "Auf alle Fälle! Vielleicht kann ich Phil ja fragen was los war, der hatte auch Nachtschicht, soweit ich weiß!", in den meisten Fällen können wir Notärzte und Sanis die Geschehnisse gut verarbeiten. In manchen Fällen aber brauchen auch wir etwas seelische Unterstützung, um über erschreckende Einsätze hinwegzukommen. So wie ich das eben auch bei Flo vermute.
"Kannst ja mal nachfragen, damit wir für den Fall der Fälle schonmal Bescheid wissen!" "Mach ich!" Ich nicke auch zu meiner eigenen Bestätigung vor mich hin und setze mich wieder auf meinen Platz.
"Ab wann musst du wieder ran?" Stephan gesellt sich wieder zu mir dazu, während er einen Blick auf die Uhr wirft. "Ab Montag wieder. Schätze ich zumindest. Oh, wie arbeitest du denn diese Woche? Wenn du am Wochenende frei hast, könnten wir doch nach Anzügen Ausschau halten. Ich sollte jetzt auch ein bisschen Gas geben, wenn sogar Josi schon so weit durch ist!" "Das ist ja sowieso der Hammer, oder? Da geht diese Frau einmal alleine weg und findet ein Kleid. Ich bin so gespannt, wie sie aussehen wird. Ehrlich gesagt, kann ich es mir nicht wirklich vorstellen.... Aaaaber, ich rechne mit irgendeinem Hammer!" "Wie meinst du das jetzt?" Stephan's Aussage irritiert mich jetzt ein bisschen. "Hahaha, Alex, ich bitte dich! Du wirst doch nicht glauben, dass unsere JOSI in einem normalen Brautstyle auftauchen wird. Das wäre ganz und gar nicht Sie! Mit irgendetwas wird diese Frau aus der Reihe tanzen! Ich verwette meinen Arsch darauf!", die mir entgegengestreckte Hand schreit schon förmlich danach, ergriffen zu werden: "Mir fällt absolut nichts ein, womit sie quer schießen könnte. Was willst du da viel falsch machen? Weißes Kleid, Schuhe, eventuell Haarschmuck... Ich denke nicht, dass sie sich zum Affen machen wird!" Bei dem Stichwort "Affe" müssen wir dann doch beide lauthals loslachen. "Weißt du, ich schätze eher, dass sie irgendetwas tragen wird, was nicht typisch für Bräute, dafür umso typischer für Frau Mayer ist. Hundert pro!" Herr Sindera scheint so felsenfest davon überzeugt zu sein, das in mir langsam Zweifel aufkommen, ob ich hätte wirklich dagegen wetten sollen. "Wenn ich Gewinne, gibt es eine Brautentführung, wenn du gewinnst, gibt es eben keine!" "Du weißt, dass ich Brautentführungen hasse!" "Ja, deswegen verbinde ich das auch mit dieser Wette" Das dreckige Grinsen macht mir jetzt schon zu schaffen, denn mein Gegenüber scheint sich so richtig siegessicher zu sein.
Irgendwann in einer kleinen Männerrunde, hatte ich mal erwähnt, dass ich so etwas, wie unseren Wetteinsatz, nicht wirklich leiden kann. Stephan, Tom und Paul sind seit eh und je Feuer und Flamme für eine Brautentführung, haben mir allerdings aus Rücksichtnahme zugesichert, dass sie solche Aktionen sein lassen werden. Jetzt nutzt dieser Schlawiner leider die gegebene Chance aus. "Falls es dazu kommen sollte, müsst ihr mit Josi aber schonend umgehen, okay? Ich habe wirklich keine Lust, dass sie auf ihrer eigenen Hochzeit an einem Herzinfarkt stirbt!" "Hallo? Wer bin ich denn? Natürlich werde ich auf meine Freundin aufpassen!" Aufgrund dieser Antwort stimme ich dann auch ergeben zu. "Yes. Nimm bequeme Schuhe mit, die wirst du für deinen Sprint brauchen, hahaha".
"Hey Leute!" Tom kommt ziemlich langsam in die Küche geschlurft und gesellt sich, erschreckenderweise ohne Kaffee, zu uns dazu. "Hey. Geht es dir nicht gut?", ich scanne Tom einmal ganz genau ab und werde auch gleich auf seine müden Augen aufmerksam. "Weiß nicht. Magenschmerzen. Hab die halbe Nacht nicht geschlafen!" Um seine enorme Müdigkeit zu demonstrieren, reißt er seinen Mund während dem Gähnen so weit auf, dass man einen Bus quer reinschieben könnte. "Und sonst?" "Keine Ahnung. Mir ist einfach nicht so wohl!" Stephan steht sofort auf und wirft einen Blick auf den Dienstplan: "Komm, Tom, ich melde dich krank und du legst dich wieder hin. So brauchst du nicht zur Arbeit zu gehen!" "Aber ich muss doch heute noch den Bericht von vorgestern fertig schreiben. Ne gestern. Ähm, wann war das mit dem Autodieb, den Moritz und ich auf frischer Tat ertappt haben? Weiß gar nicht mehr..." Herr Mayer ist total durch den Wind, was sogar ein blinder mit Krückstock erkennen würde. "Das kann in dem Fall auch Moritz erledigen. Also, Abmarsch!" Stephan scheint heute gnadenlos zu sein, doch er nimmt mir einfach nur die Worte aus dem Mund, denn so hätte ich Tom auch nicht zur Arbeit gehen lassen. Mürrisch, aber gehorsam, macht sich Josi's Bruder auf den Weg in sein Zimmer und lässt unüberhörbar die Türe knallen, worauf ein lautes "Sorry, war keine Absicht!" zu hören ist.
"Wenn da mal keine Männergrippe im Anmarsch ist!" Herr Sindera schnappt sich lachend sein Handy vom Esszimmertisch und verlässt kurz den Raum, um in Ruhe telefonieren zu können. Im selben Moment bekomme ich selbst auch einen Anruf. Mein Handy liegt immer noch seit gestern abend auf dem Esszimmertisch, worauf ich auch nur zur Seite greifen muss um kurz darauf das Gespräch anzunehmen:
Ich: "Hetkamp!"
Christopher: "Hallo Alexander, ich bins!"
Ich: "Hi Dad. Was gibt es denn?"
Christopher: "Mama und ich haben morgen einen Besichtigungstermin und ich wollte dich fragen, ob du vielleicht mitkommen möchtest?"
Ich: "Was willst du denn besichtigen?"
Christopher: "Haha. Ein Haus, mein Junge!"
Ich: "Oh, das ging aber flott!"
Christopher: "Ja, allerdings habe ich da meine Beziehungen spielen lassen und deshalb... Naja, egal. Das Haus ist fünfunddreißig Gehminuten von euch entfernt. Ich war dort schon einmal vor ein paar Jahren. Das wäre optimal für uns. Es ist komplett ebenerdig. Nichts mit Treppenlaufen im Alter. Insgesamt sind es sieben Zimmer und im Garten gibt es sogar einen Pool!"
Ich: "Sieben Zimmer und Pool?"
Christopher: "Ja. Unser Schlafzimmer, Wohnzimmer, zwei Büros, ein Spielzimmer, ein Kinderzimmer und ein Gästezimmer. Der Pool ist doch super für den Sommer, da könnt ihr mit den Kindern zum Baden kommen"
Ich: "Kann man sich trauen zu fragen, was das für ein Spielzimmer ist?"
Christopher: "Für meine Enkel. Ein Spielzimmer eben. Was denn sonst?"
Eventuell könnte man merken, dass meine Verlobte die letzten Jahre ziemlichen Einfluss auf mich hatte.
Ich: "Hätte ja sein können, dass du oder Mama ein neues Hobby habt. Ja gut, wann ist denn die Besichtigung?"
Christopher: "Ich würde dich um neun Uhr abholen, wenn du willst"
Ich: "Hört sich gut an! In dem Fall, bis morgen um neun"
Christopher: "Das freut mich, Alexander. Dann bis morgen!"
Wow, das ging ja jetzt wirklich schnell....
Das einzige Stoßgebet, das ich in den Himmel schicke, ist, dass mein Vater ein wundervolles Umzugsunternehmen beauftragt und nicht auf die Idee kommt, das alles mit unserer Hilfe stemmen zu wollen. Das würde mir gerade noch fehlen, inmitten der Hochzeitsvorbereitungen auch noch einen Umzug zu organisieren.
Mein Handy verlangt nochmals nach meiner Aufmerksamkeit, die ich ihm natürlich sofort zukommen lasse:
Ich: "Hetkamp!"
Markus: "Hey, ich bins, Markus. Wollte mal nachfragen, wie es dir geht!"
Ich: "Ganz gut eigentlich! Mein Kreislauf ist noch nicht so mein Freund, aber das wird schon wieder!"
Markus: "Schone dich diese Woche bitte noch ordentlich, damit ist nicht zu spaßen. Was macht Josis Arm?"
Ich: "Ja, werde ich machen. Sie meckert mal nicht, aber es scheint ziemlich schmerzhaft zu sein. Ist nicht so einfach, wenn eins der Kinder immer genau die Stelle begrabscht."
Markus: "Kann ich mir vorstellen. Sie soll Heparin- und Arnika Salbe benutzen. Ich habe es ihr zwar schon gesagt, aber vielleicht könntest du sie nochmal daran erinnern. Was ich übrigens auch noch loswerden wollte: Ich schicke dir nachher eine Nummer von einem Psychologen. Das ist ein alter Hase in seinem Gebiet und er arbeitet sehr gerne mit Hypnose. Vielleicht wäre das etwas für deine Verlobte!"
Ich: "Dankeschön! Ich schaue es mir nachher mal an. Du sag mal.... Hattest du nicht die Nummer von diesem Professor, der diese Parkinsonklinik in der Nähe leitet?"
Markus: "Doch doch. Die hat er mir damals auf so einer Fortbildung gegeben. Kann sie dir mitschicken, wenn du willst. Allerdings dann erst heute Abend, bin momentan noch im Dienst und die Nummer liegt zuhause."
Ich: "Kein Problem. Passt schon. Danke nochmal."
Markus: "Kein Ding. Vielleicht komme ich die Tage mal vorbei. Kleiner Krankenbesuch!"
Ich: "Hast du Angst, dass wir jetzt unterversorgt sind, da Phil nicht mehr hier wohnt und ich nicht so fit bin?"
Markus: "Hahaha. Niemals!"
Ich: "Tu, was du nicht lassen kannst. Mir egal. Bin ja eh zuhause. Dann noch eine ruhige Schicht!"
Markus: "Bitte nicht! Haha. Bis dann!"
"Also, Tom ist vorerst entschuldigt. Ich mache mich jetzt gleich auf die Socken und unterstütze die Jungs auf dem Revier noch ein bisschen. Das mit der Shoppingtour behalte ich im Hinterkopf. Warten wir mal ab, wie es dir und Tom bis am Wochenende geht, dann sehen wir weiter. Wenn was ist, dann ruf an ok?", während Stephans Worte wie ein Wasserfall aus ihm heraussprudeln, zieht er sich im Eilverfahren seine Schuhe an. "Passt!", ich winke ihm halbherzig grinsend zu und lege anschließend meinen Kopf in meine Hände. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass die nächsten paar Tage nicht so ruhig werden, wie sie eigentlich sein sollten. Schon allein, weil ich mir wieder so viel vorgenommen habe.
Oh Alex.... Wenn Du jetzt deine Zukünftige wärst, hättest du bei dieser Terminplanung schon einen Satz heiße Ohren bekommen, da du dich eigentlich schonen solltest!
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