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"Hey Josi! Aufwachen!" Stephan's Stimme führt mein Bewusstsein zurück in die Realität. "Mag nicht. Mir tut alles weh!", nörgele ich vor mich hin und drehe mich von meinem lebenden Kissen weg. "Christopher war gerade schon da und hat gesagt, dass ihr bald los müsst!" Diese Worte lassen meinen Körper fast versteinern, während ich schwer aufatme. "Hey, schau mich mal an!" "Nö. Geht nicht!" "Warum?" "Ich bin vor drei Sekunden erblindet!" "Josi!" Stöhnend drehe ich mein Kopf zu Herrn Sindera und treffe auf einen gequälten Gesichtsausdruck: "Magst du mir verraten, was du heute Nacht geträumt hast?" "Ach, Stephan! Das ist doch nicht so wichtig", eigentlich will ich meine Augen wieder schließen, um die Blicke meines Gegenüber auszuweichen, doch der zieht mir mit beiden Daumen die Augenlider nach oben. "Sag mal, bist du bekloppt?", ich schlage Stephan's Hände weg und richte mich schnell auf, damit er das nicht nochmal machen kann. "Nein, bin ich nicht. Das heute Nacht war richtig übel und wir hatten alle drei richtig Panik, dass du uns unter den Fingern wegstirbst! Dein Körper hat total schlapp gemacht! Ich hatte verdammt nochmal Angst um dich! Das war nicht mehr normal!" Diese Worte geben mir wirklich zu denken, denn Stephan sagt mir immer unverblümt die Wahrheit ins Gesicht, worüber ich aber mehr als dankbar bin.
Vielleicht ist unser Vorhaben heute nicht die beste Idee, aber ich weiß mir nicht anders zu helfen. Außerdem denke ich, dass Finn und Christopher schon wissen werden, was sie tun.
"Ich hatte halt einen Albtraum, der sehr realistisch war". "Das weiß ich selbst. Aber WAS hast du geträumt?", ich habe das Gefühl, dass Stephan nicht locker lassen wird und entscheide mich daher für die Wahrheit: "Spritze. Ich habe von einer Spritze geträumt, die mindestens einen Meter lang ist und mir mit voller Wucht in den Körper gerammt werden soll. Zufrieden?", meine Hände reiben grob durch mein Gesicht, da mein Kopf, allein schon bei den Gedanken an die Spitze, fast schon wieder durchdreht. "Nein, ich bin nicht zufrieden. Das entwickelt sich sowas von in eine falsche Richtung und ist extrem gefährlich. Wie oft hattest du schon solche Träume?"
Super, jetzt hast du wieder eine Welle losgetreten...
"Das war das erste Mal!" "Sicher?" "Ja. Ich lüge dich nicht an!" "Darüber reden wir heute Abend mit Alex!", ohne auf irgendeine Antwort von mir zu warten, rutscht Stephan aus seinem Bett und zieht sich eine Jogginghose an. "Nein! Alex kommt jetzt selbst erst aus dem Krankenhaus und hat genug Sachen, um die er sich kümmern muss. Das kann warten", eigentlich gehe ich davon aus, das Herr Sindera einlenkt und mir zustimmt, doch er wird eher ein bisschen wütend: "Das kann nicht warten, verdammt nochmal. Weißt du, wie gefährlich das werden kann? Nimm das nicht auf die leichte Schulter! Wir müssen das Alex erzählen, damit er im Bild ist und wir zusammen überlegen können, wie wir dagegen vorgehen. Tut mir echt leid, dass ich jetzt so impulsiv reagiere, aber du bedeutest uns wirklich allen viel und darum wollen wir auch nichts riskieren. Ende der Diskussion!" Der Herr dampft nach seiner Predigt aus der Tür und lässt mich mit einem saudummen Gesichtsausdruck zurück. Diese Reaktion lässt mich unserem Vorhaben nicht wirklich positiv gegenüberstehen.
Langsam quälte ich mich aus meiner warmen Kuschelhöhle und fühle mich jetzt noch schlechter als vorher. Stephan's Worte haben gesessen!
Murrend schlendere ich die Treppe hinunter, auf direktem Weg ins Badezimmer. Der Spiegel ist meine erste Anlaufstelle, was ich aber lieber hätte auslassen sollen: "Und wer bist du genau? Die Sensenfrau? Mein Gott, so beschissen hast du schon lange nicht mehr ausgesehen!" Seufzend schnappe ich mir meine Zahnbürste und verschaffe meiner Mundhöhle eine frische Brise.
"Josi? Bist du fertig?" Christopher klopft fast schon melodisch gegen das Holz der Türe und verschafft meinem Körper damit eine Welle der Furcht. "Nein. Noch nicht!", gebe ich ihm zu verstehen, während ich schon die dritte Lage Spachtelmasse auf meinem Gesicht auftrage. Mein Hautton möchte unter keinen Umständen lebendiger wirken. "Dann hopp hopp. In spätestens zehn Minuten sollten wir los. Die Kinder sind schon fertig!" "Jaaaaaaa!", ich überlege mir gerade, ob etwas Rouge helfen könnte, aber das würde wohl zu viel auffallen, da ich mich niemals SO dermaßen schminke.
Wenn mir heute einer auf den Rücken klopft, fällt mein komplettes Gesicht zu Boden, hahaha.
Mein nächster Gang führt mich in die Küche, in der ich meinen Bruder, Phil und Stephan antreffe. Die drei sehen auch nicht gerade wie überglückliche Lottogewinner aus, was eventuell an der ausgearteten nächtlichen Situation liegen könnte. "Morgen!", schwer durchatmend laufe ich zur Kaffeemaschine und lasse mir noch einen schnellen Kaffee durchlaufen, damit mein Gehirn etwas wacher wird.
Vielleicht sollte ich mich auch in einen Dämmerzustand versetzen lassen, dann klappt die Sache nachher ganz bestimmt. Oder ich lasse mich k.o. hauen, dann kann gar nichts schief gehen.
Gefühlt, habe ich jetzt schon mein Oberteil durchgeschwitzt und nehme mir vor, bevor wir das Haus verlassen, mindestens eine Deodose unter jedem Arm zu versprühen. "Wie geht's dir, Josi?", ich drehe mich zu Phil um und kann auch bei ihm die zwiegespaltenen Emotionen in seinem Gesicht ablesen. "Ganz gut, schätze ich", flüstere ich ihm fast schon entgegen und begegne dem Blick meines Bruders der nachdenklich auf mir liegt. "Was ist?" Tom schüttelt leicht den Kopf und setzt ein kleines Lächeln auf, wobei seine Mundwinkel kaum an Höhe gewinnen: "Ich bin stolz auf dich, dass du gestern so vernünftig warst. Keine Ahnung, was mit Tammy los war, aber mittlerweile hat sie auch eingesehen, dass ihr Verhalten total daneben war." "Kein Ding, kann passieren. Da habe ich mir schon wesentlich mehr Fehltritte geleistet", winke ihm ab und schlürfe einmal an meiner braunen Brühe. Kaum haben sich meine Lippen wieder von der Tasse gelöst, nimmt Tom mir diese ab, stellt sie auf die Seite und zieht mich in eine Umarmung. "Warum zitterst du so?", erst jetzt, nachdem mein Bruder mich darauf aufmerksam gemacht hat, merke ich selbst, dass mein Körper sehr unruhig ist. "Mir ist nur kalt!", auf meine Antwort hin seufzt Tom nur auf, da wir beide wissen, dass es nicht an einer zu niedrigen Körpertemperatur liegt.
"Frau Mayer, los geht's! Die Kinder sind fertig und wir müssen jetzt wirklich!" Christopher steht im Türrahmen, mit Malea auf der Hüfte und Aaron an der Hand. "Oh, wer läuft denn da?" Mein Körper wird kurzzeitig von einer übermäßigen Freude durchströmt, was mein Zittern ebenso verdrängt. Malea zeigt auf ihren Bruder und hüpft auf Opas Arm herum: "Aon auft!" "Hahaha, ja, Aaron läuft. Das ist ja super!", vor Stolz könnte ich schon fast heulen, doch ich versuche meine Tränen unter Kontrolle zu halten, da ich befürchte, dass das sonst ausarten könnte. Mein kleiner Junge ist eher unbeeindruckt von seinen Künsten und versucht Christopher zur Haustüre zu ziehen.
"Okay, ich muss dann!", ich drücke Tom ein Küsschen auf die Backe und befreie mich aus unserer Umarmung. "Alex hat sich noch bei niemanden gemeldet, oder?" Ich befürchte fast, dass er sich genau dann bei mir melden wird, wenn ich eventuell ausgeknockt bin. Die Männer verneinen allesamt, worauf ich mich dann schnell verabschiede und mich an die Fersen von Christopher und den Kindern hänge.
Meine, von Aaron gepushte Laune, hält sich genau bis kurz nach der Ablieferung der Kinder.
Christopher sitzt schon längst auf dem Fahrersitz und wartet auf meine Gesellschaft. Mein kompletter Körper sträubt sich allerdings dagegen, erneut in das Auto meines Schwiegervaters zu steigen. Diesmal bemerke ich selbst, dass meine Hände zittern und der Schweiß wieder aus jeder Pore drückt.
Ob er von den Männern, von meinem Alptraum in Kenntniss gesetzt wurde? Bestimmt nicht… Die wissen ja gar nicht, was wir heute vorhaben... Vielleicht hätte ich ein Testament schreiben sollen.
Die leicht aufsteigende Übelkeit verpasst meinen kompletten Rücken einen Gänsehautschauer. "Josi?", die Stimme, die plötzlich wie aus dem Nichts in meinem Gehörgang Anklang findet, lässt mich stark zusammenzucken. Ich muss kurzzeitig so abwesend gewesen sein, dass ich nicht einmal mitbekommen habe, dass Alex' Vater wieder aus seinem Gefährt ausgestiegen ist und nun neben mir steht. "Komm, steig ein. Denk einfach nicht daran, was wir jetzt machen, sondern lenke dich ein bisschen ab!"
Jaaaaa, genau… Mir wird in ein paar Minuten eine spitze Nadel in den Körper gerammt, die mir mit Sicherheit meine kompletten Sender raushaut, aber ja... Ich denke einfach an Bienchen und Blümchen und Schmetterlinge..
Christopher drückt mich etwas energischer auf den Beifahrersitz und schließt die Türe. Als er ebenfalls wieder auf seinem Platz sitzt, überlege ich zwanghaft, über was ich mit meinem Schwiegervater reden könnte.
Als ich ganz kurz an Alex denken muss, fällt mir doch auch ein wunderbares Thema ein. "Du sag mal, Christopher? Gibt es bei euch in der Verwandschaft auch unbeliebte Personen? Irgendwie habe ich das Gefühl, dass es überall diese schwarzen Schafe gibt", ich versuche meinen Schwiegervater in ein unverfängliches Gespräch zu verwickeln, ohne dass er Verdacht schöpft. "Wie kommst du denn jetzt da drauf?" Der Herr Doktor zieht eine Augenbraue nach oben und scheint sich nicht sicher zu sein, was er denken soll. "Nur so... Ich weiß von eurer Seite einfach nicht so viel und als zukünftige Hetkamp, würde ich mich doch ganz gerne ein bisschen in eurer Familie auskennen!", mit einem engelsgleichen Lächeln bekomme ich Christopher doch tatsächlich locker um den Finger gewickelt. "Da hast du Recht! Ich habe noch zwei Brüder. Meine Schwester ist leider vor vier Jahren bei einem Verkehrsunfall ihren Verletzungen erlegen!" "Das tut mir leid!" "Alles gut! Wir kommen mittlerweile ganz gut damit klar. Meine Brüder sind... nunja... etwas speziell... Kurt ist der schlimmste. Das ist ein hochnäsiger Besserwisser und er hat sich fast schon selbst davon überzeugt, dass er die Welt erschaffen hat!"
Da mir leider ein paar gemeine Gedanken durch den Kopf schießen und ich irgendwie mein Lachen unterdrücken muss, fange ich an, wie gestört zu husten, damit ich mir wenigstens etwas Erleichterung schaffen kann und meine Gesichtszüge hoffentlich wieder entspannen.
"Alles okay? Hast du dich verschluckt?" "Ja, an meiner eigenen Spucke. Geht schon wieder. Erzähl ruhig weiter...", nachdem ich mir ein paar kleine Tränchen aus den Augenwinkeln gewischt habe, fährt Christopher mit seinen Erzählungen fort: "Tja und dann hätten wir noch Karl. Karl ist ein fauler Sack und lässt sich von seiner Frau aushalten. Er geht ab und zu ein paar kleinen Jobs nach, aber sonst weiß er nicht viel mit seinem Leben anzufangen. Er hat seine große Liebe im Alkohol gefunden und... Es ist besser, wenn man ihn nicht unbedingt kennt!" Christopher wirkt schon fast beschämt, als er von seinen Brüdern erzählt und mir kommt unweigerlich die Frage in den Kopf, ob Karl der Grund dafür ist, dass Alex so gut wie kein Alkohol trinkt. Diese Frage lasse ich aber besser stecken.
Kurt und Karl also.... Kurt scheint mir eine spannende Persönlichkeit zu sein, vielleicht könnte ja aus Versehen eine Einladung bei ihm eintrudeln.
"Wie kommt Alex mit seinen Onkels klar?" "Karl kennt er nicht besonders gut und gegen Kurt hegt er eine gewisse Abneigung, aufgrund dieser penetranten Überheblichkeit."
Ohne Helm und ohne Gurt.... einfach Kurt… Und wo Kurt ist tobt das Leben, Kurt ist da, wo alle sind...
Hahaha, dann sorgen wir mal dafür, dass Kurt auch wirklich dort ist, wo all die anderen sind! Schatzi, wir lernen jetzt, was Gleichberechtigung in der Ehe heißt.
"Na hoffentlich wohnen die auch weit genug weg!" Irgendwie muss ich herausbekommen, in welcher Region ich nach der Verwandtschaft suchen muss. Ich gehe nicht davon aus, dass Christopher mir die Adresse freiwillig aushändigen wird. "Jaja", der Herr konzentriert sich jetzt wieder voll auf die Straße, was mich innerlich aufstöhnen lässt.
Boah, muss man dem wieder alles aus der Nase ziehen?
"Jaja?", versuche ich ihn aus der Reserve zu locken. "Ich schätze die Strecke Berlin und Hamburg ist weit genug. Zumindest besser als direkt in Köln!", damit scheint Christopher das Gespräch beenden zu wollen, worauf ich dann auch eingehe, da ich mit diesen Informationen mein Ziel erreichen konnte.
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Hey liebe Suchtis😁💚💙💚💙
Ich wünsche euch allen wunderschöne Weihnachten und hoffentlich nicht allzu stressige Feiertage 🎄🎄🎁
Lasst es euch gut gehen!
Die nächsten zwei Tage bin ich viel unterwegs, daher werde ich eine kleine Pause mit den Updates einlegen.
Danach geht es in alter Frische weiter.
Bleibt gesund💚💙
Wir lesen uns
💚💙💚💙💚💙💚💙💚💙💚💙💚💙
Eure Rojo
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