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Kaum habe ich mit meinen Füßen den Kirchboden betreten, erheben sich alle Hochzeitsgäste. Im direkten Anklang ertönt eine männliche Stimme, die durch musikalische Begleitung das Lied "Can you feel the Love tonight " für unseren Einzug singt.
Die Stimme kommt mir bekannt vor, doch irgendwie fehlt mir das Gesicht vor meinen Augen. "Wer ist das?", flüstere ich Tom zu, worauf dieser seinen Kopf zu mir neigt und mir ebenfalls flüsternd mitteilt, dass das irgendein Elias sei. Ich bleibe abrupt stehen und schaue meinen Bruder ungläubig an: "Elias? Etwa Torstens Elias? Der Schrank von Mann hat solch eine Stimme?" "Ja, genau der. Lauf weiter!", antwortet mir jetzt mein Vater und zieht mich leicht hinter sich her.
Ich bin wieder so aufgeregt und mehr als gespannt, wie Alex genau aussehen wird. Bisher sind wir aber noch zu weit weg, um irgendetwas genauer erkennen zu können. Als ich einen seitlichen Blick wage und die ganzen auf mich gerichteten Augenpaare sehe, wird mir wieder schlecht, so dass ich Alex und Stephan ins Visier nehme.
Nachdem wir den beiden reichlich näher gekommen sind, senkt Stephan seinen Blick zu Boden und Alex wischt sich in Windeseile mit der Hand durch sein Gesicht. Sein Lächeln ist genauso wackelig, wie das von Tom vorhin.
Komischerweise baut sich in diesem Moment eine große Selbstsicherheit in mir auf, die meine Mundwinkel endlich dazu anregt, sich nicht mehr zitternd in meinem Gesicht zu bewegen. Das darauffolgende Lächeln kommt voller Überzeugung und mit massig Liebe aus meinem tiefsten Inneren.
Alex hat sichtlich mit sich zu kämpfen und ringt mit jeder Faser seines Körpers um Fassung, als wir direkt vor ihm zu stehen kommen. Herr Sindera schafft es erst gar nicht mir ins Gesicht zu schauen, denn wenn er seinen Kopf auch nur einen Millimeter bewegen würde, könnten wir wahrscheinlich sofort die Arche ordern.
Tom führt den Ersten Schritt aus, greift nach Alex' Hand und führt sie zu meiner: "Ihr habt euch einander so sehr verdient! Pass gut auf meine Schwester auf!" Herr Hetkamps Finger vereinen sich mit meinen, während er hart Schlucken muss und unter ein paar weiteren Tränen Tom zunickt: "Das werde ich. Versprochen!" Nach einem Kuss auf meiner Wange, tritt mein Bruder einen Schritt zurück.
Meinem Vater ergeht es nicht besser als Alex, denn bei ihm scheint der Wasserfall auch kein Ende mehr zu finden: "Hätte nicht gedacht, dass ich heute so viele Tränen vergießen werde... Alex, hiermit übergebe ich dir meine Tochter... Passt bitte gut aufeinander auf!" Auch Papa gibt mir einen Kuss auf die Wange und übergibt mich somit komplett an meinen Traummann. Kurz darauf laufen Nico und Tom auf ihre Plätze in der ersten Reihe.
"Schatz? Du kippst mir jetzt aber nicht um! Wenn ich dich wiederbeleben muss, zerstöre ich meine komplette Frisur", wenigstens lockern meine Worte den Mann vor meiner Nase etwas auf, denn er bekommt jetzt ein richtiges Lächeln zustande. "Josi... Mir fehlen absolut die Worte! Du siehst atemberaubend schön aus. Wenn ich nicht schon vorher gewusst hätte, dass ich dich heiraten will, dann würde ich es spätestens jetzt wollen!" Alex gibt mir einen kleinen Kuss auf die Wange, worauf ich ihm vorsichtig die Tränen aus dem Gesicht wische: "Du siehst auch wunderschön aus! Der Anzug steht dir fabelhaft und weißt du, was das Beste daran ist? Der Mann, der da drin steckt, gehört ganz allein mir!"
Genau dann, als der Pfarrer sich lauthals räuspert, wissen wir, dass wir endlich die restlichen Stufen erklimmen sollten. Oben angekommen, verziehen sich Stephan, Susi, Cora, Tammy und Phoebe auf ihre Plätze, die sich ebenfalls in der ersten Reihe befinden. Bevor wir uns vor den Altar begeben, riskiere ich doch nochmal einen Blick ins Publikum. Ich sehe die vielen bekannten Gesichter der Wache und vom Revier, doch ein Unbekannter scheint noch zu fehlen. Lucien sollte eigentlich bei Nico sitzen, aber der Platz ist immer noch frei. Da man davon ausgehen kann, dass es unterwegs Stau gab und das nunmal seine Zeit fordert, drehe ich mich mit meinem Mann zusammen zum Altar.
"Im...", gerade als der Pfarrer mit seiner Begrüßung starten möchte, werden die Kirchentüren aufgerissen. Natürlich zieht der junge Kerl, der da schnellen Schrittes durch den Gang flitzt, jegliche Aufmerksamkeit auf sich.
Ungefähr auf halber Strecke bleibt er stehen: "Ähm, ich weiß ja nicht, wem der schwarze Audi da draußen gehört, aber der braucht unter Umständen einen neuen Seitenspiegel!"
Jepp, das ist dann wohl mein Bruder.
Tom atmet schon schwer auf und dreht sich dem Fremden zu: "Kennzeichen?" "Öhm... irgendwas mit TM..." "Das ist dann wohl meiner!", stöhnt Tom lauthals auf und fährt sich mit der Hand durchs Gesicht.
Hahahaha, na dann... bleibt ja irgendwie in der Familie
Mein eventueller Bruder nimmt mich ins Visier und mustert mich für einen kurzen Augenblick. Plötzlich schießen seine Mundwinkel in die Höhe und er schaut sich in den Sitzreihen der Kirche um: "Hey, Paps?" Nico dreht sich darauf grinsend um: "Was ist denn mein Junge?" "Ist die hübsche Frau da vorne meine Schwester?"
Oh mein Gott... Wo ist das Loch in dem ich mich verkriechen kann?
"Deine Schwester hat dich auf ihre Hochzeit eingeladen und im Normalfall gibt es da nur eine Braut. Also wirst du dir die Schlussfolgerung hoffentlich selbst zusammenreimen können!"
Deine genetische Verbundenheit kannst du wirklich nicht abstreiten.
"Okay. Wow.... Achso, macht weiter und ignoriert mich einfach!", ihm scheint aufgefallen zu sein, dass er den Ablauf aufgehalten hat und rennt schon fast zu Nico nach vorne, um sich neben ihn zu setzten.
Wenn man Nico und Lucien genauer betrachtet, sieht man, dass es Vater und Sohn sind. Mein Bruder ist nur ein winziges Stück größer als mein Vater und hat die selbe braune Haarfarbe.
Auch die prägnantesten Gesichtsmerkmale stammen von Nico.
"Frau Hetkamp?"
Ob wir beide uns wohl auch irgendwie ähnlich sehen?
"Frau Hetkamp?", wiederholt der Pfarrer nochmals, worauf ich schnell meinen Kopf zu ihm drehe: "Meinen Sie mich?" Die gesamte Menschheit beginnt zu lachen, worauf ich komplett rot anlaufe: "Klar meinen sie mich.... Sorry... Ich muss mich daran erst noch gewöhnen!" "Kein Problem! Also gut. Sind alle Gesichter analysiert und alle abgefahrenen Seitenspiegel gebeichtet?", der Pfarrer muss schon selber lachen, als er sich fragend in der Kirche umsieht und auf eventuelle Reaktionen wartet. Als so gar keiner etwas sagt, nickt er zufrieden und eröffnet die Feierlichkeit mit dem Kreuzzeichen und seinem Eröffnungs Dialog. Im Anschluss setzen Alex und ich uns auf unser Bänkchen, das direkt vor dem Altar steht.
"Es freut mich, dass Sie an diesem schönen Tag alle zusammengefunden haben, um diesen beiden Menschen bei ihrem Start in die Ehe zur Seite zu stehen. Egal ob Eltern, Geschwister, Verwandte, Freunde oder Kollegen, ihre Anwesenheit ist von großer Bedeutung und bietet dem Brautpaar eine große Stütze. Nun lasset uns beginnen!"
Bevor es weiter geht, ertönt wieder Elias' Stimme. Er übernimmt den Gesangspart, der eigentlich für die gesamten Anwesenden gedacht war, und trällert in bester Tonlage das Kirchenlied für unser aller Ohren. Da mich jetzt doch interessiert, wo Elias sich aufhält, schaue ich kurz hinter mich und erblicke den talentierten Sänger oben auf der Empore. Torstens Freund ist genauso gut angezogen wie der Verkäufer selbst, jedoch spannt das Hemd bei ihm durch die Muskeln erheblich.
Als der Pfarrer dann wieder das Wort ergreift, werde ich von Alex' Blicken abgelenkt. Der starrt mir nämlich nonstop auf mein Dekolleté. "Was ist?", flüstere ich ihm leise zu. "Woher hast du die großen Brüste?" "Die habe ich mir heute Nacht noch schnell aufgepumpt!", mein Blick trifft auf meinen Mann, worauf wir beide lachen müssen und unsere Stimmen durch die ganze Kirche hallen. "Pscht, seid ihr ruhig da vorne!", brüllt Tom nicht sonderlich unauffällig. Alex beugt sich leicht zu mir und berührt fast mein Ohr mit seinen Lippen: "Kann ich mir das heute Abend mal anschauen?" Nachdem ich den Gänsehautschauer überwunden habe, grinse ich vor mich hin und hauche ihm ein leises "ja" entgegen. "Wir können auch direkt nach der Kirche alle nach Hause schicken und uns dann nur zu zweit irgendwo verschanzen!" "Hahaha. Nein, das machen wir nicht. Das musst du schon aushalten, Herr Hetkamp!"
"Oh, ich bin mir nicht sicher, ob ich das aushalten werde....", knurrt er leise vor sich hin und grinst mich zuckersüß an.
Dank des Herrn neben mir, schwebe ich irgendwo auf Wolke sieben umher und bekomme von den Worten des Pfarrers gar nicht allzu viel mit. Erst als Stephan und Susi neben uns auftauchen, weiß ich, dass es jetzt gilt.
Nachdem wir uns erhoben haben, erzählt der ältere Herr in Kurzfassung unsere Kennenlerngeschichte, natürlich nur in der schönen Fassung, und ergänzt immer wieder, mit ein paar biblischen Versen und Beispielen, seine Worte. Anschließend nimmt er Alex ins Visier: "Alexander Hetkamp, ich frage Sie: Sind Sie hierher gekommen, um nach reiflicher Überlegung und aus freiem Entschluss mit Ihrer Braut Josi Hetkamp den Bund der Ehe zu schließen?" Herr Hetkamp haut ein fest entschlossenes "JA!" heraus. "Wollen Sie Ihre Frau lieben und achten und ihr die Treue halten alle Tage ihres Lebens?" Wieder bestätigt mein Mann diese Frage mit einem "Ja!" Direkt darauf werden mir die gleichen Fragen gestellt, die ich diesmal bewusst wahrnehme und deshalb auch passend und aussagekräftig mit einem "Ja!" bestätigen kann. "So schließen Sie jetzt vor Gott und vor der Kirche den Bund der Ehe, indem Sie das Ja-Wort sprechen", der Pfarrer gibt uns mit einem Nicken die Erlaubnis loszulegen.
Herr Hetkamp macht wieder den Anfang: "Josi, ich verspreche Dir, ein liebender Freund und Ehepartner zu sein. Ich verspreche Dir, mit Dir zu reden und Dir zuzuhören, Dir immer zu vertrauen und Dich zu würdigen. Und ich verspreche Dir, Dich zu respektieren und Deine Einzigartigkeit wertzuschätzen. Ich will dich immer unterstützen , trösten und stärken in den glücklichen wie auch in den sorgenvollen Zeiten des Lebens. Ich verspreche Hoffnungen, Gedanken und Träume mit Dir zu teilen und unser gemeinsames Leben danach aufzubauen. Mögen unsere Leben für immer miteinander verflochten sein und unsere Liebe uns zusammenhalten. Mögen wir ein Zuhause schaffen, das zu allem barmherzig ist - voller Respekt und Stolz für andere und uns. Und möge dieses Zuhause immer voll Friede, Glück und Liebe sein!" Im Anschluss gebe ich genau den gleichen Vermählungsspruch von mir und schaffe es ebenfalls ohne Versprecher. "Kraft meines Amtes erkläre ich Sie nun zu Mann und Frau! Sie dürfen sich jetzt küssen!"
Noch bevor wir unsere Lippen aufeinander gelegt haben, ertönt wieder Musik. Dieses Mal singen Elias und Tammy zusammen das Lied "Time after Time".
Nach dem Lied und unserem Kuss macht der Pfarrer alle darauf aufmerksam, dass wir noch ein paar Worte zu sagen haben. Eigentlich möchte ich dieses Mal loslegen, doch Alex legt mir einen Finger auf die Lippen und schüttelt grinsend den Kopf. Ich merke Alex an, dass er wieder ziemlich nervös wird und lasse ihn deshalb gewähren. Tief durchatmend beginnt er direkt mit seiner kleinen Rede:
"Das Wort 'Liebe' ist ein weitläufiges Wort und wird von vielen Menschen unterschiedlich genutzt. Wenn ich für mich spreche, kann ich nur sagen, dass man nicht den Körper einer Person liebt. Man liebt auch nicht den Namen eines Menschen oder dessen Form. Das sind nur Oberflächlichkeiten. Man liebt den Charakter, die Stimme. Man liebt den Duft des Anderen, die Wärme dessen Körper. Man liebt die Berührung, den Blick und das Lächeln. Es findet sich in jedem von uns etwas Liebenswertes und wenn man etwas davon liebt, dann liebt man am Ende alles. Liebe heißt, Wärme auszustrahlen, ohne einander zu ersticken. Liebe heißt Feuer zu sein, ohne einander zu verbrennen. Liebe heißt, einander nahe zu sein, ohne einander zu besitzen. Liebe heißt, viel voneinander zu halten, ohne einander festzuhalten.
Liebe ist ein großes Abenteuer, bei dem man nie aufhört zu lernen. Manche Menschen glauben, dass es in einer Beziehung nur darum geht, auf ewig Schmetterlinge im Bauch zu haben. Dass dein Herz auf alle Zeit schneller schlägt, wenn der Partner den Raum betritt. Dass man Tag und Nacht miteinander kuschelt und immer eng umschlungen in den Schlaf gleitet. Aber so ist es nicht wirklich! Irgendwann werden die Schmetterlinge weniger, wenn man zusammen lebt. Das Herz nimmt kein rasantes Tempo mehr auf, wenn man einander sieht. Stattdessen beruhigt sich alles. Wenn man mit dem Partner im selben Raum ist, fühlt man sich ruhig und sicher. Wenn man miteinander kuschelt, fühlt man, wie der eigene Herzschlag langsamer wird, der Atem deines Partners dich beruhigt und du dich wohl fühlst. Es fühlt sich nicht mehr an wie eine Achterbahn, es fühlt sich wie Zuhause an und dieses Zuhause wird überall dort sein, wo du an meiner Seite bist!"
Der kleine Tränenschleier in Alex' Augen macht mir jetzt doch auch wieder zu schaffen. Ich atme noch einmal tief durch und beginne dann ebenfalls, meine vorbereiteten Worte meinem Mund entweichen zu lassen:
"Jemanden zu lieben bedeutet nicht bloß, immer glücklich zu sein. Es bedeutet nicht, dass alles immer reibungslos läuft. Es bedeutet manchmal, dass man Tränen vergießt und man leidet, da menschliche Liebe fehlerhaft ist. Jemanden zu lieben heißt auch, dass man bereit sein muss zu verzeihen - nicht weil die Fehler des anderen unbedeutend sind, sondern weil die Liebe das Verzeihen als Stärkung begreift. Liebe schließt niemals aus, dass man Sorgen hat. Ganz im Gegenteil, wenn man liebt, sorgt man sich nicht nur um sein eigenes Befinden und die eigenen Angelegenheiten, sondern auch um die des geliebten Menschen. Jemanden zu lieben bedeutet mehr als nur, dass man ihn oder sie mag. Es bedeutet vielmehr, dass man die Person wertschätzt, selbst wenn man nicht alles alles an ihr mag. Es heißt auch, dass man ihm oder ihr so sehr vertraut, dass man einen Teil von sich selbst schenkt. Jemanden zu lieben bedeutet, dass man gibt, ohne zu fordern oder zu verlangen. Die Liebe bedeutet eine Entscheidung zu treffen, denn Liebe ist nicht nur ein Gefühl, sondern auch eine Entscheidung - eine Entscheidung für einen Menschen, einen Neuanfang. Denn mit der Liebe zu einem Menschen beginnt ein neues Kapitel im Leben, in dem man nicht mehr die Hauptrolle spielt, sondern sie jemand anderem überlässt... Nämlich der Person, die man liebt. Jemanden zu lieben erfordert Stärke, Geduld, Verständnis und Selbstlosigkeit, denn die Liebe sollte aufrichtig sein!"
Alex und ich starren uns wie hypnotisiert an. Wenn ich könnte, würde ich ihn jetzt an der Hand schnappen und mit ihm zusammen verschwinden. Weit weg und nur wir zwei.
Da ein paar Leute ihre Näschen schnäuzen müssen und wir gerade nur auf uns konzentriert sind, singt Elias das Lied von John Legend "All of you".
"Sehr schöne und wahre Worte. Danke dafür. Wir beginnen jetzt mit den Fürbitten, die von einer Handvoll ausgesuchten Gästen verlesen werden!", der Liebes-Bubble-Unterbrecher sieht sich auffordernd in der Menge um, worauf sich Franco, Eva, Eddy, Anne, Anita und Christopher erheben und zu uns nach vorne laufen.
"HA! ICH HABE GEWONNEN!", brüllt Stephan auf einmal quer durch die ganze Kirche. Alex und ich drehen uns beide ungläubig zu dem Polizisten, der kerzengerade in der ersten Reihe steht. Da wir ihn so dumm anschauen, verdreht er gekonnt die Augen: "Alex, ich habe dir doch gesagt, dass deine Josi irgendetwas tragen wird, das total aus der Reihe tanzt!" "Was soll das sein?", während mein Mann einen flüchtigen Blick über mich gleiten lässt und rein gar nichts feststellen kann, weiß ich ganz genau, wovon Herr Sindera spricht. "Sie trägt Chucks zu einem Brautkleid!", löst Stephan das Rätselraten auf. "Du trägst niemals Chucks oder Josi?" Mein Bruder ist sich total unsicher, versucht aber doch irgendwie einen Blick auf meine Schuhe zu erhaschen.
Wie konnte er das denn jetzt sehen?
"Könnt ihr das nach der Kirche diskutieren? Ihr unterbrecht hier den Ablauf!", zische ich den beiden Polizisten zu und drehe mich wieder zum Pfarrer. Dieser glotzt nun aber auch stur auf den Boden und zieht seine Augenbrauen zusammen: "Also wissen Sie, Frau Hetkamp.... Mich würde dann doch auch brennend interessieren, ob sie Chucks tragen oder nicht. Das wäre die absolute Premiere. Das gab es bisher noch nie!" Da selbst der Gottesanbeter unbedingt die Auflösung meiner Schuhpracht herbeiwünscht, laufe ich um das Bänkchen und ziehe ein Stück weit mein Brautkleid nach oben. "Klar trage ich Chucks, das wäre doch sonst nicht Ich! Aaaaber, das sind ganz besondere und keine Standard Latschen! Da steht nämlich Mr. und Mrs. Hetkamp drauf", ich strecke Tom die Zunge raus, worauf die komplette Gästeschar zu lachen beginnt und der ein oder andere sogar Applaus liefert.
Nach diesem kurzen Einblick unter mein Brautkleid, kehre ich an die Seite meines Mannes zurück. "Ich muss schon sagen, du überrascht mich immer wieder. Die Schuhe sehen aber sehr gut aus!", flüstert mir Alex zu.
"Ich weiß, Schatzi!"
Die Fürbitten sind ziemlich schnell heruntergerattert und alle Menschen somit wieder in die Sitzreihen zurückgekehrt. Jetzt wird es nicht mehr lange dauern, bis wir fertig sind und wir uns dann endlich in die Freiheit bewegen können.
"Mama!" Aarons Gequengel dringt an meine Ohren und der Intensität nach, lässt der große Sturm nicht lange auf sich warten. Der Pfarrer redet und redet, während ich auf meinen Sohn konzentriert bin. "MAMA! Da!" Little Hetkamp windet sich wie verrückt in den Armen meines Vaters, der bald schon nicht mehr weiß, was er machen soll. "Komm her, Aaron!", rufe ich ihm laut zu und strecke meine Hand nach ihm aus. Zuerst schüttelt Nico den Kopf, doch als ich die Augenbrauen nach oben ziehe und ihm energisch zunicke, lässt er den kleinen Sturkopf auf dem Boden ab. Unser Junior grinst über beide Ohren und läuft mit dem Wort Mama in Dauerschleife auf uns zu. Die paar Stufen klettert er mit Hilfe seiner Hände nach oben, klopft sich im Anschluss die Hände ab und kommt mit weit ausgestreckten Armen auf mich zugelaufen. Ich nehme den Zwerg sofort entgegen und drücke ihm einen Kuss auf die Backe. Während der Pfarrer weiter redet, seufzt Aaron laut vor sich hin und fängt an dem Herrn zuzuwinken. Als dieser einen Blick auf den Kleinen wirft, holt Aaron tief Luft und legt einen strengen Blick auf: "Aon esse!" Die Mundwinkel des Gottesanbeter wandern augenblicklich in die Höhe: "Hahaha, okay. Ich beeile mich ja schon!" Mir kommt es so vor, als redet der Herr wirklich etwas schneller als vorhin, was mir eigentlich schon auch entgegenkommt. Mein Magen grummelt auch vor sich hin und wenn ich könnte, würde ich jetzt eine halbe Sau verdrücken.
"Bat!", einer der kleinen Fingerchen versucht den Bart des Pfarrers zu erreichen, während der weiterhin stur und ernsthaft versucht, aus seiner Bibel vorzulesen. "Bat!", wiederholt die Sabberschnute etwas eindringlicher, worauf sich auch seine Schwester lauthals einmischt: "Bat kitz!" Malea lacht sich auf Toms Schoß einen Ast ab und löst auch bei dem Herrn vor uns einen kleinen Lachflash aus, dass natürlich ein Massenlachen auslöst. Alex erbarmt sich, seinen Bart zur Verfügung zu stellen, damit sein Sohn zufrieden gestellt wird und nimmt ihn deshalb auf seine Hüfte. Somit haben wir die letzten Minuten erfolgreich überbrückt und hinter uns gebracht.
Für den Auszug trällert Elias das Lied von Ronan Keating "When you say nothing at all", dass wir uns in aller Ruhe anhören können, da zuerst die ganze Gästeschar die Kirche verlässt und wir das Schlusslicht bilden.
Nach einem Blick zu meinem Mann stelle ich fest, dass dieser jetzt endlich etwas entspannt und mich kurz darauf ebenso mustert: "Alles okay, Frau Hetkamp?" "Ja. Allerdings muss ich gleich unbedingt irgendetwas trinken und auch was essen. Mir wird ganz komisch!" "Gut, dass du es sagst! Das ist der Erste Punkt, der da draußen erledigt wird. Schaffst du es noch so lange?" "Klar doch!", ich lächle ihm entgegen und hoffe, dass ich meinen Worten selbst glauben kann.
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