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"Alex! Aufwachen!" "Hmmmmm", ich drehe mich auf die andere Seite und ziehe mir die Decke über den Kopf, da ich noch nicht wirklich bereit für die Welt bin. "Alex, du wolltest pünktlich aufstehen und mit Josi noch nach Ringen schauen!" Auf einen Schlag bin ich hellwach und sitze Kerzengerade im Bett: "Ich heirate heute!" "Richtig. Wenn alles einigermaßen nach Plan laufen soll, dann musst du jetzt auch aufstehen!" Stephan scheint selbst erst aufgestanden zu sein, denn er sieht noch mega zerknautscht aus. Während Herr Sindera nur in Boxershorts vor mir steht, liege ich in voller Montur im Bett. Ich schaue fragend an mir herunter, bekomme aber sofort eine Antwort von dem Polizisten: "Du bist gestern eingeschlafen. Wir haben dich nicht mehr geweckt, damit du heute auch fit bist!" "Okay. Aufstehen. Umziehen. Josi abholen!" Ich werde sofort von einer Welle der Hektik erfasst, der ich sofort nachgebe und mich so schnell wie möglich aus dem Bett robbe. "Mach langsam. Du hast noch genug Zeit!" Stephan hilft mir, mich von der Bettdecke zu befreien, da ich mich in der Nacht anscheinend in die Lage eines Wraps versetzen wollte. Als ich auf beiden Beinen stehe, wird mir auf einen Schlag kotzübel. Meine Hand platziert sich auf meinem Mund, da ich nicht weiß, ob ich Stephan ausversehen ankotze oder es doch schaffe meinen Mageninhalt bei mir zu behalten. "Alex, mach jetzt ja keinen Scheiß! Stress dich nicht so. Ganz ruhig bleiben!"
Jaaaaa genau. Ich heirate heute, habe die Ringe vergessen, die Zeit wird knapp… Nicht einmal unsere Hochzeit kann reibungslos über die Bühne gehen.
Da ich merke, dass meine Knie langsam butterweich werden, setze ich mich nochmal kurz auf das Bett und versuche mich in eine neutrale Stimmungslage zu atmen.
Ganz ruhig.... Ihr schafft das schon. Wenn es keine Ringe gibt, ist das halt so. Aber ich weiß nicht, ob Josi das so prickelnd findet. Wenn wir zu spät zu dem Standesamt Termin kommen, fällt alles ins Wasser und...
"ALEX!! Hey!!!" Meine Gedanken überschlagen sich rasant und sorgen für ein Ganzkörper Zittern der Extraklasse. "Alexander Hetkamp!", irgendjemand klopft mir energisch auf die Wange und schafft es somit, das ich wenigstens kurzzeitig von dem Gedankenwirrwarr los komme: "Mh?" Direkt vor mir kniet Tom und sieht mir eindringlich in die Augen: "Wir klappen jetzt nicht zusammen, okay? Atme ein paar Mal tief ein und beruhige dich. Wenn ihr schnell fündig werdet, dann werdet ihr trotz allem gut in der Zeit liegen!" Ich nicke dem Polizist nur zu, da mir so zu heulen zumute ist und ich vermute, dass meine Stimme ihre Festigkeit verloren hat. Neben mir lässt sich Stephan nieder, der mir beruhigend über den Rücken streicht: "Selbst wenn ihr keine Ringe findet, ist das kein Weltuntergang. Ihr seid deswegen nicht weniger verheiratet als wenn ihr welche habt!" "Aber...." "Ich weiß, Alex. Die letzten Monate waren nicht einfach und wir hatten alle die Köpfe voll mit anderem Zeug. Es wäre viel schlimmer, wenn ihr vergessen hättet, einen Standesamt Termin zu vereinbaren oder wenn es kein Essen gäbe." Herr Sindera ist immer noch die Ruhe selbst, was ich irgendwie ganz und gar nicht nachvollziehen kann. "Wir starten schon völlig chaotisch in unsere Ehe.... Das habe ich mir wirklich anders vorgestellt!", seufze ich vor mich hin und vergrabe mein Gesicht in den Händen. "Jetzt mal ganz ehrlich: Hast du wirklich geglaubt, dass heute alles ohne irgendwelches Chaos funktioniert? Außerdem heißt es nicht, dass ihr euch durch die Hochzeit komplett verändert und sich die chaotischen Adern nach dem Ja-Wort in Luft auflösen. Das, mein Lieber, gehört zu eurem und unserem Leben dazu und ist in gewisser Hinsicht ein gewisser Vorteil. Uns wird es nie langweilig werden!" Tom hat schon irgendwie recht, doch heute hätte ich wirklich viel lieber Langeweile anstatt Stress gehabt. "Geht es wieder? Dann gehen wir jetzt runter, du trinkst einen Kaffee und anschließend ziehst du dir schnell was anderes an.... Soll ich lieber mitkommen und fahren? Irgendwie bin ich mir nicht sicher ob du heute Fahrzeuführunhsgtauglich bist!" "Geht schon wieder. Du brauchst dir keine Sorgen machen, ich habe das im Griff. Wäre gut, wenn Ihr euch wenigstens alle ohne Stress fertig machen könnt. Lasst uns runter gehen." Ich werde von Tom auf die Füße gezogen und im körperlichen Begleitschutz nach unten gebracht.
In der Küche sind schon Paul, Franco und Flo zugange und stellen mir auch sofort eine Tasse Kaffee auf den Tisch. "Eigentlich sollte heute nur das Brautkleid weiß sein und nicht die Gesichtsfarbe des Bräutigam!" Paul zieht seine Augenbrauen zusammen und legt eine undefinierbare Grimasse auf. "Herr Hetkamp hat ein bisschen Nervenflattern. Das wird schon wieder!" Tom drückt mich auf einen der Stühle und wandert daraufhin weiter zur Kaffeemaschine. Franco setzt sich neben mich und legt sofort seine Finger an mein Handgelenk, um kurz darauf sein Gesicht zu verziehen: "Vielleicht lässt du die braune Brühe lieber ausfallen..." "Nein. Das brauche ich jetzt wirklich!", meine zitternde freie Hand greift nach der Tasse vor meiner Nase und sorgt dafür, dass Sekunden später das heiße Coffein in meinem Mundinnenraum eintrifft. "Alex... Egal wie es jetzt läuft, ihr müsst einfach nur um dreiviertel elf vor dem Standesamt stehen. Okay?" Tom gesellt sich nun auch zu uns an den Tisch dazu und scheint unglaublicherweise sehr entspannt zu sein, während ich gedanklich schon Bilder im Kopf habe, wie Josi und ich uns völlig gestresst und abgehetzt in normaler Alltagsklamotte das Ja-Wort geben. Die Hand, die vor mir herum fuchtelt, vertreibt die absurden Bilder in meinem Kopf und lässt mich wieder im Hier und Jetzt ankommen. "Hat Josi auch die richtigen Klamotten für die Kinder eingepackt? Nicht, dass ich ihr nichts zutraue, aber.... Ja..." Herr Mayer lacht vor sich hin und schlürft an seiner Tasse herum. "Ruf doch am besten kurz bei Nico an, bevor der von zuhause aufbricht. Dann weißt du es. Wenn sie es vergessen hat, dann können wir das noch schnell retten!", schlägt Stephan vor und sorgt dafür, dass Tom darauf nickend die Küche verlässt. Ich hingegen leere mir den kompletten restlichen Kaffee in den Rachen und begebe mich in Windeseile in mein Zimmer, um mir frische Klamotten zu organisieren. Mit diesen treffe ich kurze Zeit später im Badezimmer ein und überlege mir, ob ich noch schnell duschen soll. Da wir nachher wahrscheinlich eh kaum Zeit haben, erledige ich das lieber sofort. So schnell wie heute habe ich noch nie in meinem Leben geduscht, was ich leider ganz leicht an meinem Kreislauf bemerke. Der ist heute auf jeden Fall nicht unbedingt der Stabilste und möchte etwas mehr wertgeschätzt werden. Deshalb versuche ich mich auch immer wieder selbst auszubremsen und schaffe es zum Glück, ohne Kreislaufzusammenbruch wieder aus dem Badezimmer heraus.
Als ich in die Küche zurückkehre, kommt Tom von der oberen Etage heruntergerannt. In seinen Händen hält er die Hochzeitsklamotten der Kinder, die er kurz auf dem Küchentisch ablegt. Zeitgleich kommt Florian zur Haustüre hereingeschneit, der allem Anschein nach beim Bäcker war. "So, Herr Hetkamp! Sie essen jetzt kurz eine Hesel und dann können Sie abdampfen!" Da Tom die Worte der Sabberschuten so ernst ausspricht, muss ich sofort lachen: "Hahaha. Also gut, dann lass mal eine Hesel rüberwachsen!"
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Punkt acht Uhr stehe ich vor Nico's Haustüre. Da Josi weit und breit nicht zu sehen ist, klingele ich mir die Finger wund, damit sich meine baldige Ehefrau in Erinnerung ruft, dass wir uns beeilen sollten. Völlig überraschend wird die Holzabtrennung aufgerissen und zum Vorschein kommt eine völlig zerzauste Frau Mayer. Schneller als ich gucken kann, schlägt sie die Türe hinter sich zu und zieht mich mit sich mit zum Auto. Als wir auf unseren Sitzen thronen, bekomme ich endlich meinen lang ersehnten Kuss: "Sorry, aber da drin herrscht totales Chaos. Der Fotograf kam vor zehn Minuten und Aaron ist völlig durchgedreht. Er will kein Foto von sich machen lassen und schreit die ganze Bude zusammen. Als ich ein Machtwort gesprochen habe, hat er mir sein Marmeladenbrot ins Gesicht gepfeffert. Ich hatte nicht einmal mehr Zeit, meine Haare zu kämmen!" "Ganz normaler Wahnsinn also", lache ich vor mich hin und entferne mit meinem Zeigefinger noch etwas Marmelade, die auf Josis linker Wangenseite klebt. Nach der Geschmacksprobe wird mir etwas klar: "Was ist das? Mango Marmelade? Dann ist klar, warum Aaron sein Essen geopfert hat!" "Ähm... Ich weiß nicht. Eva hat ihm das Brot gemacht!", seufzend klappt Josi die Sonnenblende herunter und kontrolliert ihre Haarpracht im Spiegel, während ich den Motor starte und Vollgas durch die Straßen brettere. "Die Fotografen werden sich über dieses Chaos auch nicht freuen..." "Ach. Der Typ hat gesagt, dass er so lange mein Brautkleid ablichtet und die Kinder fotografiert. In der WG gibt es ja auch genug Menschen, die in Beschlag genommen werden können. Mach dir darum keinen Kopf!", mich überrascht es fast, dass Josi das so gechillt hinnimmt und nicht annähernd die Spur von Hektik aufweist. "Warum guckst du jetzt so komisch?" Frau Mayer streicht mir mit ihrer Hand über den Oberschenkel und beobachtet nonstop mein Gesicht. "Du bist entspannter als ich dachte!" "Hahaha. Ach, ich bin das Chaos mehr als gewohnt. Es hätte mich eher überrascht, wenn bisher alles glatt gelaufen wäre!" Ich schüttel lachend meinen Kopf, da sie ja irgendwie recht hat und versuche mich auch etwas mehr zu entspannen.
Als ich vor dem ersten Juwelier parke, beschleicht mich schon eine dunkle Vorahnung. So wie es aussieht, herrscht hier noch gar kein Betrieb. "Haben die noch zu?" Josi ist ebenfalls aufgefallen, dass keinerlei Lichtquelle in Gebrauch ist und steigt schnell aus dem Auto aus, um die Öffnungszeiten zu überprüfen. Mit niedergeschlagenen Gesichtsausdruck kehrt Sie auf ihren Sitzplatz zurück:
"Die machen erst um halb elf auf!"
"Nicht dein Ernst?", ich schnaube genervt auf und starte wieder den Motor, um nach einem anderen Juwelier zu suchen. Leider haben auch die nächsten zwei
Geschäfte noch geschlossen und öffnen ihre Pforten erst, wenn es für uns schon viel zu spät ist. "Hast du dein Handy dabei?", fragt Josi und streckt mir schon mal ihre Hand entgegen. Wortlos ziehe ich mein Smartphone aus der Hosentasche und drücke es ihr in die Hand, worauf sie wie wild auf dem Bildschirm herum tippt. "Was machst du denn?", ich versuche einen Blick auf das Display zu erhaschen, allerdings kann ich durch die Spiegelung kaum etwas sehen. "Also pass auf. Der Laden, in dem ich mit Phil den Verlobungsring für Susi gekauft habe, öffnet um zehn Uhr. Das ist auch der Einzige, der so früh für die Öffentlichkeit zugänglich ist. Wir gehen jetzt nach Hause, machen uns fertig und dann holst du mich um zehn Uhr ab und wir stürmen das Geschäft! Abgemacht?" Ich werfe einen Blick auf die Uhrzeit, die uns vom Mediadisplay des Marv entgegen strahlt und rechne aus, dass uns dafür fünfundsiebzig Minuten bleiben: "Meinst du, die Zeit reicht für Cora?" "Muss!" "Na gut. Dann mal los!", ich starte erneut den Motor und gebe wieder ordentlich Gas, damit uns keine wertvolle Zeit durch die Lappen geht.
In diesem Zuge wird auch das erste Foto unseres Hochzeitstag gefertigt und zwar in Form eines Blitzer-Bild. "Hast du wenigstens gelächelt?", fragt Josi lachend, worauf ich energisch mit dem Kopf schüttele: "Nein. Habe ich leider vergessen. Hahaha".
Als ich wieder vor der Holzapfel-Behausung abbremse, kommt auch bei Josi leichte Hektik auf: "Bis später. Mach langsam, aber nicht zu langsam. Ich liebe dich!" Nach einem schnellen Kuss springt meine Verlobte aus dem Marv und rennt im Affenzahn auf die Haustüre zu. Meine Wenigkeit fährt gleich weiter in die WG und stürmt das Haus. "Oh, hallo Herr Hetkamp!" Der Erste, der mir begegnet, ist der Fotograf. "Hi. Sagen Sie doch Alex. Tut mir leid, bei uns herrscht etwas... Chaos..", ich kratze mich verlegen am Kopf und werfe nebenher einen Rundumblick, um die Männerschar ausfindig zu machen. "Kein Problem. Ich bin Tobias. Tun Sie einfach so, als wäre ich gar nicht da. Ich werde mich im Hintergrund halten und den morgendlichen Hergang dokumentieren. Das ist immer wahnsinnig...", da ich nicht ewig Zeit habe, unterbreche ich Tobias einfach bei seinem Gelaber: "Wahnsinnig trifft es auf den Punkt. Sorry, ich muss mich beeilen. Entweder halten sie Schritt oder begnügen sich mit den anderen Herrschaften. Ich muss nachher mit meiner Zukünftigen noch Ringe kaufen!" "Das hatte ich auch noch nie...." Tobias starrt mich verblüfft an und scheint gedanklich seinen Ablauf neu planen zu müssen. "Glauben Sie mir, wenn ich sage, dass sie heute all ihre Pläne über Bord werfen und ganz spontan sein sollten. Bei uns läuft manches etwas anders!", ich hoffe, ich verschrecke den Fotograf nicht mit meinen Worten, aber er sollte doch gleich wissen, auf was er sich einstellen muss. "Alex? Wow, ihr wart jetzt aber schnell!" Stephan kommt grinsend aus dem Badezimmer und bleibt direkt hinter Tobias stehen.
"Hahaha. Ja. Ich habe bis um zehn Uhr Zeit, dann muss ich Josi wieder holen und zum Juwelier!" "Ähm..." "Es hatte noch keiner geöffnet. Die meisten machen erst ab halb elf oder elf auf. Einen haben wir gefunden, der um zehn Uhr öffnet!" Stephan bläst die Backen auf und läuft zurück ins Bad: "Tom!!! Beweg deinen Arsch da raus, Alex muss sich fertig machen!" Tobias wirft verwirrte Blicke zwischen uns hin und her. Leider kann ich auf seine Gefühlswelt keine Rücksicht nehmen und schiebe mich an ihm vorbei, Richtung Bad. Wenn er ein Profi ist, wird er das schon irgendwie hinbekommen. Als Tom die Türe öffnet, steht er nur mit einem Handtuch umwickelt da und zieht die Augenbrauen zusammen: "Das ging viel zu schnell. Was ist los?" Ich schiebe Herrn Mayer mit beiden Händen in das Rauminnere und schließe die Türe mit meinem Fuß.
Während ich Tom die Situation erkläre, putzt er sich die Zähne und ich stutze ein klein wenig meinen Bart. Normalerweise wollte ich das gestern Abend noch über die Bühne bringen, aber da kam mir unerwartet mein Schlafdrang dazwischen. So lange wie Tom unter der Dusche steht, style ich meine Haare und überlege, ob ich wirklich schon meinen Anzug für das Standesamt anziehen soll. Bei meinem Glück schwitze ich nachher alle Wasservorräte aus meinem Körper und versaue mir damit noch mein Hemd. "Was überlegst du so angestrengt? Du siehst gut aus!" Der Polizist hat gerade seinen Säuberungsvorgang beendet und tritt aus der Duschkabine heraus. "Ich überlege, ob ich meinen Anzug nicht erst nachher anziehen soll!" "Willst du dich vor dem Standesamt nackig machen?" "Nein. Im Marv ist genug Platz, dann kann ich mich schnell noch umziehen!" "Sicher? Zieh doch einfach nur die Hose und das Hemd an. Dein Jacket kannst du später anziehen. Das wird sonst zeitlich in die Hose gehen!"
"Nein, das klappt. Für das Standesamt ziehe ich doch nur den schlichten Anzug an und bin gleich fertig. Ich mache das jetzt einfach so!", kaum ausgeredet, stürme ich aus dem Badezimmer und werfe einen Blick auf die Uhr.
Noch zwanzig Minuten, dann musst du los!
"Stephan?" "Jaaaa?" "Wo habe ich den schlichten Anzug verstaut?" Es ist wirklich peinlich, aber mein Kopf ist so vollgeladen, dass ich nicht mehr weiß wo was genau ist. "Hat Phil den denn nicht mitgebracht?", der Stimme nach muss sich der Angesprochene in seinem Zimmer befinden.
Stimmt.. Den hat Phil nach unserer zweiten Shoppingtour ebenfalls mitgenommen… Scheiße!
"Kommt Phil nochmal hierher oder fährt der direkt mit Susi zum Standesamt?" "Sag nicht, dass der Anzug noch bei ihm ist... Ihr macht mich echt fertig!", stöhnt Herr Sindera aus der oberen Etage und das ist mir schon Antwort genug. "Ich geh dann mal! Muss noch schnell bei Herrn Funke einbremsen!", langsam werde ich wieder nervös, da die Zeit enorm knapp wird. Phil und Susi's Wohnung liegt entgegengesetzt zu Nico's Haus und kostet mich somit unnötige Zeit. "Ich komme mit!" Tobias kommt die Treppen runtergerannt und steht breit grinsend vor mir. "Wegen mir. Wir müssen uns aber wirklich beeilen!" "Alex nimm deine Schuhe mit!!", brüllt Franco aus der Küche, worauf ich verwirrt die Schuhe an meinen Füßen mustere: "Ich hab doch welche an!" Es folgt eine längere Ruhephase, in der kein Mensch irgendetwas sagt.
Anschließend bringt mir Franco meine Anzugsschuhe und drückt mir diese wortlos in die Hände. Tobias knipst das ein oder andere Foto, worauf wir uns dann auch schnellstmöglich auf den Weg machen.
Während der Fahrt herrscht Totenstille. Der Herr neben mir scheint zu verstehen, dass ich mich konzentrieren muss, nicht wieder einen Blitzer mitzunehmen. Ich hoffe, ihm wird durch das dauernde Beschleunigen und Abbremsen nicht schlecht.
Vor der Zielwohnung stelle ich den Marv etwas unvorteilhaft ab, aber ich habe auch nicht vor ewig viel Zeit bei Herrn Funke verstreichen zu lassen. Ich klingele wie ein Verrückter und atme erleichtert auf, als Phils Stimme in der Gegensprechanlage ertönt: "Wer hat es denn da so eilig?" "Phil, mach die Türe auf. Ich brauche meinen Anzug. Hopp, hopp!" "Oh shit!", meinem Kumpel scheint bisher noch nicht aufgefallen zu sein, dass er einen Anzug zu viel bei sich hängen hat und lässt sofort das Surren des Türöffners erklingen. Ich spurte die Treppen nach oben und stürme direkt durch die bereits geöffnete Türe: "Wo?" "Schlafzimmer!" Als ich die besagte Türe aufreiße, steht Susi in Unterwäsche vor dem Spiegel und zuckt heftig zusammen. "Sorry. Brauche nur meinen Anzug!", meine Augen visieren sofort die zwei Anzüge, die an dem zweiten Kleiderschrank auf einem Bügel an der Außentüre hängen, an.
Wie konnte ihm nicht auffallen, dass hier ZWEI Anzüge hängen?
"Geht es dir heute besser?" Nachdem ich mir meine Klamotte geschnappt habe, werfe ich einen Blick auf Josi's Freundin. "Heute geht es mir wirklich blendend. Danke. Bei euch alles klar?"
"Ja. Muss nur schnell wieder los und Josi abholen!", während meinem Satz, bin ich schon wieder auf dem Weg aus dem Schlafzimmer. "Fahrt ihr zusammen zum Standesamt?", schreit mir Susi verwirrt hinterher. "Gezwungenermaßen ja. Wir müssen aber zuerst noch Ringe kaufen!" "IHR.MÜSST.WAS?" Susi scheint leicht entsetzt zu sein, doch für ausführliche Erklärungen bleibt keine Zeit, das kann schön der Herr Funke übernehmen. Mit einem "Bis nachher!" stürme ich wieder an Phil vorbei und haste das Treppenhaus hinunter.
Am Marv angekommen, öffne ich die seitliche Schiebetüre und hänge meinen Anzug an den Haltegriff über der Türe. Ich höre, dass Tobias wieder ein paar Fotos knipst, achte aber nicht weiter darauf, da ich leider in meinem Zeitplan hinterherhinke.
Unsere nächste Haltestelle ist vor Nico's Haus. Dieses Mal steht Josi schon am Straßenrand bereit. Die gute Frau hat die selbe Idee wie ich, denn die trägt ihre Standesamtklamotte über einem ihrer Arme und scheint sich auch erst später umziehen zu wollen.
Tobias schießt ein Foto nach dem anderen und scheint bester Laune zu sein. "Hey. Ich muss mich nachher erst noch umziehen. Wenn ich das jetzt schon an hätte, wäre es bis zu seinem Einsatz völlig durchgeschwitzt!" Sobald Josi die hintere Sitzreihe in Beschlag genommen hat, plappert sie vergnügt vor sich hin und macht sich nebenbei mit dem Fotograf bekannt. Ich werfe einen Blick in den Rückspiegel und muss Cora gedanklich loben, da sie wirklich gute Arbeit geleistet hat. Sie hat Josi keinesfalls mit Schminke zugekleistert und doch besondere Akzente gesetzt, die meiner Zukünftigen ausgezeichnet ins Gesicht passen. Josi's Haare sind kunstvoll nach oben gesteckt und ein paar hängende Strähnchen lockern den Look soweit auf, dass sie nicht streng aussieht, sondern eher verspielt. Wenn mich nicht alles täuscht, befinden sich im hinteren Teil ein paar eingearbeitete Perlen im Haar. "Gefällt’s dir?", fragt mich Josi ein bisschen unsicher. "Du siehst perfekt aus! Du könntest nicht schöner sein!", ich werfe Josi einen verliebten Blick durch den Rückspiegel zu, den der Fotograf wieder bildlich festhält.
Mit der Hilfe von Googlemaps finden wir ohne Probleme zu unserem Zielort. Zu dritt stürmen wir den Juwelier und treffen auf einen netten jüngeren Herrn, der sich uns sofort widmet: "Guten Tag! Kann ich Ihnen behilflich sein oder möchten Sie sich erst in Ruhe umschauen?" "Oh hi. Wir kennen uns doch. Ich war damals mit einem Kumpel hier. Wissen Sie noch? Mit dem Foto vor dem Gesicht und so?" "Hahaha. Wie könnte ich das vergessen? Das ist mir bisher nicht noch einmal untergekommen! Wem müssen Sie dieses Mal behilflich sein?" "Mir selbst. Wir brauchen Eheringe!" Josi lächelt den Verkäufer zuckersüß an und versucht somit schonmal ein bisschen gute Laune verbreiten zu wollen, damit der Herr bei Eröffnung der gegebenen Tatsachen nicht sofort umfällt. "Super! Wann heiraten Sie denn?" Neugierig betrachtet der Verkäufer Josi's Haarpracht und mustert anschließend mich. Ich werfe einen schnellen Blick auf meine Handyuhr, um die verbleibende Zeit zu überprüfen: "In fünfunddreißig Minuten!" "Okay. Dann folgen sie mir mal!" Der junge Mann klatscht in die Hände, dreht sich um und will eigentlich gerade loslaufen, da erstarrt er in seiner Bewegung. In Zeitlupentempo wendet er sich wieder unseren Personen zu: "In vierzig Minuten?" "Ja", entweicht es gleichzeitig aus Josi's und meinem Mund. "Boah... also... kommen Sie bitte mit!" Der Blondhaarige führt uns zu einem Tisch und bittet uns, auf den dabei stehenden Stühlen Platz zu nehmen. Als er sich selbst gesetzt hat, ergreift er wieder das Wort: "Das ist zeitlich etwas knapp ausgewählt. Wissen Sie, wir haben nur ein paar Ringgrößen auf Lager, den Rest müssen wir bestellen. Ich würde es ziemlich schade finden, wenn sie ihre Auswahl nur auf die tatsächlich vorhandenen Ringgrößen reduzieren. Des Weiteren nehme ich an, dass sie schwanger sind?" Josi nickt vor sich hin, worauf der Verkäufer weiter redet:
"Bei Schwangeren befinden sich gerne Wassereinlagerungen in den Fingern. Mit höchster Wahrscheinlichkeit müsste ihr Ring im Nachhinein verkleinert werden. Suchen Sie doch lieber nach der Geburt in aller Ruhe ein paar schöne Ringe aus. Ich bin mir nicht so sicher, ob sie sich mit solch einem Spontankauf einen großen Gefallen tun. Wissen Sie, heutzutage heiraten viele Paare ohne Ringe!" "Haben Sie denn nicht ein paar Rohlinge? Würde auch gehen!" Josi muss über ihren Vorschlag schon fast selbst lachen und steckt ihren Gegenüber damit an: "Sie sind wirklich für allerlei Überraschungen zu haben. Ich sehe schon, sie hätten gerne ein Symbol für ihre Heirat. Darf ich ihnen einen Vorschlag machen?" Da die Zeit immer knapper wird, nicke ich wie wild vor mich hin und hoffe, dass der Herr jetzt etwas Gas gibt. "Sehr schön. Viele Paare kaufen sich auch gerne eine Partneruhr oder eine Partnerkette. Wäre das eine Alternative?" Der Vorschlag findet in meinem Kopf interessanterweise großen Anklang. Auch Josi scheint davon nicht abgeneigt zu sein: "Gar nicht so übel. Allerdings würde ich auf eine Kette plädieren und ich schätze, dass mein Verlobter eher eine Uhr bevorzugen würde!" "Dann gehen Sie doch dort nach hinten und schauen sich die Uhren an. Vielleicht gefällt Ihnen etwas. Für die Dame hätte ich da schon eine Kette im Kopf und werde Ihnen diese auch sofort zeigen!"
Ich erhebe mich von meiner Sitzgelegenheit und steuere auf den riesigen Schaukasten zu, in dem Unmengen von gutaussehenden Uhren präsentiert werden. Zu meiner Erleichterung gefallen mir auf Anhieb zwei Modelle. "Gefällt Ihnen davon etwas?" Tobias erscheint an meiner Seite und mustert die Uhren ebenfalls neugierig. "Ja, die mit dem blauen Zifferblatt und diese hier. Allerdings ist mir das zweite Modell etwas zu protzig. Tendenz liegt bei der Ersten!"
"Sehr gute Wahl! Ich organisiere uns einen anderen Verkäufer, damit es schneller geht. Wir haben nur noch zwanzig Minuten!" Tobias macht sich sofort auf den Weg und kehrt kurze Zeit später mit einem weiteren Verkäufer zurück. Anscheinend hat der Fotograf ihn schon über die knappe Zeit informiert, denn der kugelrunde ältere Mann lässt keine Zeit verstreichen und entnimmt dem Glaskasten mit flinken Fingern meine potenzielle neue Uhr. Heute scheint mir das Glück doch auch mal etwas zu gönnen, denn das Gefühl der Uhr an meinem Handgelenk ist sehr angenehm. Somit punktet sie in Sachen Aussehen und Tragekomfort auf ganzer Länge: "Die nehme ich!" Zusammen mit den beiden Herren kehre ich zu Josi zurück. Diese trägt gerade die Kette um den Hals und betrachtet sich im Spiegel: "Die ist richtig schön, was meinst du?" "Genauso bezaubernd wie die Person, die diese Kette trägt!" Nach einem kleinen Kuss in den Nacken nickt Josi dem Verkäufer zu, nimmt die Kette wieder ab und reicht sie dem Blondschopf. Nach weiteren zehn Minuten sitzen wir endlich mit Uhr und Kette im Marv.
Während ich wieder Vollgas durch die Straßen brettere und den zweiten Blitzer für heute mitnehme, versucht sich Josi im hinteren Teil umzuziehen.
Neben der Straße, behalte ich auch Tobias im Auge, damit dem nicht einfällt, einen Blick nach hinten zu werfen. Der Fotograf starrt allerdings hochkonzentriert auf die Straße und scheint sich selbst kaum bewegen zu wollen, um nichts zu riskieren.
Als wir auf dem Parkplatz des Standesamtes eintreffen, sehen wir ein Grüppchen Menschen vor dem Gebäude stehen, die allesamt immer wieder nervös um sich schauen. Als Stephan und Tom mich gleichzeitig entdecken, lockern sich sofort ihre Gesichtszüge. Die beiden kommen eilig auf den Marv zugesprungen und auch Cora und Susi wollen Josi wohl noch etwas behilflich sein. So kommt es, dass Alexander Hetkamp sich direkt vor dem Standesamt die Klamotten wechselt und halb Köln seinen in Boxershorts verpackten Arsch präsentiert. Ich muss schon sagen, dass Tom und Stephan wirklich ein super Team abgeben, denn während Herr Sindera meine Schuhe zubindet, knöpft Herr Mayer mein Hemd richtig zu. Ich selbst stehe nur da und winke den Kindern zu, da die auch endlich mal gesehen haben, das Mama und Papa eingetroffen sind.
Fast zeitgleich mit mir scheint auch Josi bereit zu sein. Als sie aus dem Innenraum unseres Gefährts aussteigt, verschlägt es mir schon fast die Sprache. Sie sieht einfach umwerfend aus. "Hey, noch nicht heulen! Das kannst du nachher in der Kirche machen!" Tom klopft mir sanft auf die Wange und grinst vor sich hin. "Ich versuche es!" Die zwei Männer schauen uns auffordernd an, da es jetzt endlich losgehen sollte.
"Bist du bereit?", ich drehe meinen Kopf zu Josi und greife nach ihrer Hand. "Bereit!", meine Verlobte verschränkt unsere Finger miteinander und atmet tief durch. "Na dann los!", murmeln wir vor uns hin und treten den Weg zum Standesamt an.
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