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Ich parke absichtlich auf dem am weitesten abgelegenen Parkplatz, den ich finden kann. "Warum parkst du so weit weg?" Susi sieht mich an, als hätte ich nicht mehr alle Tassen im Schrank. "Muss mir noch einen Plan einfallen lassen!", murmele ich fast schon geistesabwesend vor mich hin.
"Du weißt doch jetzt gar nicht, wie Tom reagiert. Lass es einfach auf uns zukommen und dann handeln wir spontan!" Susi scheint das ganze ziemlich locker zu nehmen, aber es ist ja auch nicht ihr Bruder, dem sie gleich gegenüber stehen muss. "Das Spontane hat vorhin auch so gut geklappt!", mein Satz trieft nur so vor Ironie. "Hey, mach dich locker. Wir haben zumindest die Beweise gegen Tonia! Damit sind wir sie hoffentlich bald los. Wenn Franco darüber hinwegsehen würde, wäre er ein Fall für die Psychiatrie!", meine Freundin öffnet somit ihre Seitentüre und steigt aus dem Marv aus. Ich tue es ihr gleich und knalle die Tür mit so viel Schwung zu, dass es ordentlich scheppert. Da ich mir jetzt schon ausmale, was Tom gleich wieder rum wettern wird, werde ich richtig miesepetrig.
Marc und Robin stehen mit verschränkten Armen vor dem Haupteingang des Reviers und warten mit genervten Fußtapsen auf uns. "Seid ihr Türsteher oder was? Oh, wir kommen bestimmt nicht durch die Gesichtskontrolle. Da können wir gleich wieder umdrehen!", bevor ich meine Worte in die Tat umsetzen kann, packt Robin mich am Ellenbogen und zieht mich mit sich durch die Türe.
"Ne, oder?" Paul scheint nicht sehr begeistert zu sein, als er uns sieht, was mich sofort die Augen verdrehen lässt: "Warum bist du nicht längst zuhause? Du warst doch schon heute morgen hier!" "Es sind so viele krank... Wie geht es Stephan und was habt ihr angestellt?" "Keine Ahnung. Phil hat ihn in die KaS mitgenommen und seitdem habe ich ihn nicht mehr gesehen. Prinzipiell haben wir nichts angestellt!" "Deswegen kommt ihr auch mit Marc und Robin hier angetanzt?" Paul stützt seinen Ellenbogen auf dem Tresen ab und legt sein Kinn in die Handfläche. "Die lassen überhaupt nicht mit sich reden und sind total pissig. Habt ihr die beiden heute schon zu viel geärgert?", ich werfe den zwei Genannten einen bösen Blick zu und wende mich dann wieder zu Paul.
Ein lautes Stöhnen erreicht mein Ohr, worauf ein leicht schnaubendes Geräusch ertönt: "Sagt mir bitte, dass nicht ihr beide die Frauen seid, die die Hotelgäste belästigt haben!" Paul lacht lauthals los: "Hahaha. Ihr habt Hotelgäste belästigt? Was ist mit euch los?" "Nein, wir haben gar niemanden belästigt. Keine Ahnung, was der Melder für einen Film geschoben haben muss. Wir haben nur geguckt!", verteidige ich uns schnell, worauf Tom sich in Bewegung setzt und ganz dicht an meinem Rücken stehen bleibt: "Sicher, sicher. Das könnt ihr mir jetzt schön ausführlich erklären. Bin schon total gespannt!" Mein Bruder legt seine Hände auf meine Schultern und schiebt mich in eines der Büros.
"Ich kann selber laufen! Warum werde ich hier eigentlich wie ein Straftäter behandelt?" "Weil das alles bestimmt wieder auf deinem Mist gewachsen ist!" Herr Mayer zieht einen der Stühle vor dem Schreibtisch zurück und deutet mir mit einer Handgeste an, dass ich mich setzen soll. "Klar. Das Böse hat einen Namen: Josi Mayer! Uuuuuh!", ich stapfe beleidigt auf den Stuhl zu und lasse mich wie ein nasser Sack auf die Sitzfläche fallen. Susi platziert sich direkt neben mir und schlägt die Beine übereinander.
Warum ist die denn so gefasst?
Nachdem sich Tom in seinen eigenen Stuhl bequemt hat, stellen sich Robin und Marc jeweils seitlich von Tom auf und nehmen uns scharf ins Visier. Ich möchte gar nicht wissen, wie die abgehen, wenn wir wirklich mal was ausgefressen haben. "Dann legt mal los. Was habt ihr bei dem Hotel gemacht?" "Wir haben die Hecke bewundert, da ich auch so eine in meinem neuen Zuhause haben will!" Die drei Polizisten starren mich verdutzt an und Susi muss sich neben mir ein Lachen verkneifen, was man an der vorgehaltenen Hand gut erkennen kann. Marc fängt an zu lachen und lockert seine Haltung ein wenig: "Du bist um keine Ausrede verlegen. Wie kommst du nur immer auf so einen Schrott? Erst das Model, dann das mit der Freundin und jetzt findest du die Hecke schön."
Oh, stimmt... Die Freundin.
"Das mit der Freundin ist doch nicht gelogen!", gibt jetzt Susi von sich, worauf Tom die Augenbrauen zusammenzieht: "Was für eine Freundin?" Susi nimmt eine etwas aufrechte Sitzhaltung ein und legt eine ernste Miene auf: "Eine Freundin von uns hatte den Verdacht, dass ihr Freund fremdgeht und hat uns um Hilfe gebeten. Wir haben den halt verfolgt, da er sich mit einer Frau getroffen hat. Tatsächlich hat er sich sehr innig mit der Fremden unterhalten und sie auch begrabscht. Davon haben wir ein paar Fotos gemacht, die wir Alisa zeigen können!" "Hieß die vorhin nicht noch Alicia?", fragt Robin nach. Meine Nebensitzerin überspielt das gekonnt: "Hab ich doch gesagt!" “Nein, du hast gerade Alisa gesagt!" "Pffff, Alisa, Alicia... ist doch alles dasselbe!" Die Schwangere winkt ab und wirkt völlig unbeeindruckt. "Nebenbei fand ich dann eben die Hecke noch schön", merke ich an, damit alles Hand und Fuß hat. Mein Bruder fährt sich mit beiden Handflächen durchs Gesicht und kratzt sich am Hinterkopf. Er scheint sich irgendwie unsicher zu sein: "Kann ich mal die Fotos sehen, bitte?" Bei dieser Frage werden wir zwei Frauen stocksteif, was den Herrn vor unserer Nase nicht entgeht. "Nein?", die zukünftige Frau Funke schüttelt vorsichtig den Kopf. "Warum nicht?", forscht mein Bruder jetzt nach. "Das greift in die Privatsphäre unserer Freundin Anastasia und darum dürft ihr das nicht sehen!", eile ich schnell zur Hilfe, doch Susi rammt mir einen Ellenbogen in die Rippen und knurrt mir "Alisa!" zu. "Ähm, ich meine Alisa. Neee, warte, die heißt Alicia!", bei dem letzten Satz drehe ich mich zu Susi und verbessere sie.
"Handy her bitte!" Tom's Handfläche zeigt nach oben, während er Susi auffordernd ansieht und auf einmal ziemlich energisch wirkt. "Nö. Das ist mein privater Eigentum. Da musst du dir erst einmal eine richterliche Verfügung zulegen!", kontert sie ganz gelassen und wie aus der Pistole geschossen. "Dann setze ich auf Gefahr im Verzug!" "Hahaha, ja klar!", ich schüttel den Kopf und schaue meinen Bruder ungläubig an. "Weiß doch ich nicht, ob ihr einen Mordanschlag plant und euer Opfer vorher beobachtet habt. Marc und Robin sind jedenfalls Zeugen und würden sicherlich auf meiner Seite stehen!"
Du bist der Erste, der stirbt, wenn du so weiter machst!
"Sag mal, spinnst du? Als ob wir sowas tun würden! ICH BIN DEINE SCHWESTER VERDAMMT NOCHMAL!" Ich kann es echt nicht fassen, dass er uns sowas unterstellen würde. "Ich bin im Dienst und da kann ich nicht auf familiäre Gefühlsduseleien Rücksicht nehmen!" "Das sagst du doch nur, weil du unbedingt wissen willst, wen wir da ausspioniert haben!", ich platze fast vor Wut. Toms Mundwinkel zucken kaum merklich, doch so gibt er mir die Bestätigung, dass ich mit meiner Vermutung richtig liege. "Du bist so ein Arsch, Tom Mayer!"
Robin schüttelt amüsiert den Kopf:
"Nana, auch noch Beamtenbeleidigung!" Bevor das ganze noch eskaliert, schmeißt Susi ihr Handy über den Tisch auf meinen Bruder zu und verschränkt ihre Arme wieder vor der Brust. Der Blödmann tippt ein paar mal auf dem Display herum, hält sich dann das Handy näher ans Gesicht und bekommt riesengroße Augen: "Ist das....?"
"Ja, sieht man doch!", pampe ich ihn an. "Scheiße... Haben die sich anschließend noch aufs Zimmer verzogen? Das sieht aus, als wenn es da heiß hergegangen wäre!" Tom ist entsetzt und kann es kaum fassen. "Kann ich dir nicht sagen, da deine liebreizenden Kollegen uns leider bei unserer Observation gestört haben!" "Warum hast du das nicht schnell erklärt?" Marc hat zwischenzeitlich auch einen Blick auf das Display erhascht und schaut mich jetzt total verständnislos an. "Ich weiß nicht, ob du es mitbekommen hast, aber du warst total pissig und dann bin ich hormonüberflutet und kann nicht immer normal denken!", gifte ich ihm zu und verdrehe die Augen. Die drei Männer schauen mich jetzt schuldbewusst an. Während ich die drei so mustere, fällt mir auf, das wir eigentlich gar nicht in der Scheiße sitzen, sondern gerade total die Heroes sind.
Keiner weiß, dass Vinzent engagiert ist und wir eigentlich abgrundtief böse sind. In mir startet ein großes Feuerwerk und ich versuche die Geschichte jetzt einfach mal etwas glaubwürdig erscheinen zu lassen. Ich seufze laut auf und lasse so gut wie möglich meine Mundwinkel hängen: "Weißt du, Tom, wir waren selbst geschockt. Klar, Franco und ich kommen gerade nicht gut miteinander aus, aber als wir Tonia mit diesem Typ gesehen haben.... Mir hat es fast das Herz zerrissen. Ursprünglich waren wir dort in der Nähe um uns einen...", ich schaue unsicher zu Marc und Robin, da ich denen jetzt eigentlich nicht auf die Nase binden will, dass ich eine Therapie brauche. Allerdings muss man manchmal Opfer bringen und diese Sache erscheint mir momentan weniger schlimm, als unseren ausgedachten Plan preiszugeben. Susi spielt perfekt mit, greift meine Hand und schenkt mir einen aufmunternden Blick, worauf ich ihr zunicke und meine Erzählung fortführe: "... Therapeuten anzuschauen. Als wir aus der Praxis raus kamen, haben wir Tonia mit diesem Typ gesehen. Neugierig wie wir sind, haben wir dann die Verfolgung aufgenommen und geschaut, was die beiden machen. Es kam uns schon irgendwie seltsam vor. Nachdem wir dann gecheckt haben, was da abgeht, waren wir einfach nur geschockt. Das ist jetzt auch nichts, was man jedem auf die Nase binden sollte, da das Franco eh sehr verletzen wird und..." "Ich verstehe schon! Ist ja gut, du musst nicht weiter erzählen. Was machen wir denn jetzt?" Herr Mayer scheint etwas überfordert zu sein und gibt Susi nebenbei ihr Handy zurück. "Wir müssen es ihm schonend beibringen. Aber ich weiß nicht, ob es gut ist, wenn gerade ICH ihm das sage, verstehst du?" "Mhm. Verstehe ich. Soll ich das in die Hand nehmen? Könnte doch gut sein, dass ich auf Streife unterwegs war und die beiden entdeckt habe." Tom wirft uns einen fragenden Blick zu, worauf wir beide synchron nicken. "Wir wissen von nichts, keine Sorge. Und sorry, dass ich so pissig war!" Marc lächelt mich leicht an und auch Robin entschuldigt sich bei uns, womit das ganze Thema doch noch ein gutes Ende nimmt.
"Susi, kannst du mir dann bitte die Fotos schicken? Ich werde sie dann ausdrucken und morgen gleich mit Franco reden. Nicht das er sich weiterhin verarschen lässt. Dann geht mal nach Hause! War viel Aufregung heute... Kommt der Therapeut denn in Frage, bei dem ihr wart?"
Was für ein Therapeut?
Zum Glück merkt Susi, das ich gerade etwas auf dem Schlauch stehe und übernimmt ganz schnell das reden: "Nein. Der war so schroff. Mag sein, dass der in Behandlung anders ist, aber der erste Eindruck zählt bekanntlich!" "Das stimmt. Wird sich bestimmt noch was finden!" Tom erhebt sich von seinem Stuhl, was wir ihm gleich tun, und kommt auf uns zu, um uns zu umarmen: "Habt ihr gut gemacht. Jetzt geht heim. Bis später!" "Bis dann. Ciao Marc, Ciao Robin!" "Tschüss ihr zwei!", rufen uns die beiden Streifenpolizisten hinterher.
Mehr als erleichtert verlassen wir das Büro und treffen am Empfang nochmals auf Paul. "Naaa? Ihr seht gar nicht so aus, als hätte man euch durch die Mangel genommen." Paul mustert jeden Zentimeter unserer Gesichter, worauf ich fett grinsen muss: "Nö. Bald wird jemand anders richtig durch die Mangel genommen!"
Erstaunt über diese Aussage, schiebt Herr Richter seinen Kopf näher zu uns: "Wer denn?" "Unser Hassobjekt Nummer eins!" Paul muss gar nicht lange überlegen: "Was hat Tonia jetzt mit der ganzen Geschichte zu tun?"
Ich drehe mein Gesicht zu Susi und nicke ihr zu: "Zeig’s ihm!" Meine Freundin zückt sofort ihr Handy, wählt die Bilder aus und gibt dem Polizist ihr Handy. Dieser reagiert fast genauso wie Tom: "Is nich wahr... So eine falsche Schlange. Ich habe von Anfang an gewusst, dass die hinterlistig ist. Mädels, super gemacht!" Paul erhebt seine Hand zu einem High-five, auf den wir sofort reagieren. "Erwähne gegenüber Franco aber erstmal nichts. Tom übernimmt die Verkündung. Wenn ich das mache, wäre es bestimmt nicht so vorteilhaft, da wir zur Zeit eh ein angespanntes Verhältnis haben!" "Meine Lippen sind versiegelt! Ihr seid meine Lebensretter, ohne Witz. Ich hatte mich gedanklich schon darauf eingestellt, ebenfalls auszuziehen wenn ihr alle weg seid. Das hätte ich niemals ausgehalten. Danke Mädels, Danke!" Paul drückt uns beiden jeweils einen Kuss auf die Wangen und schickt uns dann ebenfalls nach Hause.
Als wir das Revier verlassen, müssen wir plötzlich beide loslachen. "Josi! Das hätte sowas von in die Hose gehen können! Gut, dass du so schnell reagiert und denen die Geschichte aufgetischt hast. Jetzt sind wir sogar noch die Helden!" "Zum Glück kam mir dieser Gedankenblitz. Ich will mir nicht vorstellen, was passiert wäre, wenn die die Wahrheit herausbekommen hätten! Wir sind einfach ein tolles Team!" Kurz darauf fällt mir ein, dass ich mal auf mein Handy schauen sollte, ob Cora sich gemeldet hat. "Na toll.... Cora hat bis jetzt noch nicht geschrieben... Sollen wir da vorbeifahren? Die Kinder sind eh bei Alex und somit versorgt". "Ja, lass uns nachschauen gehen. Hoffentlich ist alles in Ordnung!"
Cora's Sicht
Schon seit zehn Minuten stehe ich vor diesem enormen Haus und überlege, ob ich da wirklich auflaufen soll. Wenn Josi und Susi erfolgreich sind, würde das eigentlich reichen. Allerdings wäre es von Vorteil, wenn Tonia's Ex sie wieder zurück will und die Tussi somit aus dem Verkehr gezogen ist.
Auf Cora! Was hast du zu verlieren?
Nach einem Blick in den Spiegel, richte ich meine Oberweite noch etwas, da die fast von dem Kleid eingequetscht wird, und steige aus dem Auto aus. Mit erhobenem Haupt schließe ich die Autotüre und steuere auf das Haus zu. Nachdem ich das große Gittertor hinter mir gelassen habe, stöckle ich auf meinen unbequemen High Heels auf die Haustüre zu. Der Typ muss viel Geld haben, was mir schon der Fingerprint und die Kamera, die oberhalb der Türe angebracht ist, verdeutlichen.
Mein Finger betätigt die Klingel und ich hoffe sehr, dass der Herr des Hauses überhaupt anwesend ist. Im Vorfeld habe ich mir schon durch den Kopf gehen lassen, was Tonia's Ex wohl für ein Typ ist. In meiner Vorstellung ist er ein gutaussehender Italiener, schlanker Statur. Vielleicht sogar ein kleines bisschen muskulös, dunkler Teint und schwarze Haare.
Als sich die Haustüre öffnet, empfängt mich ein kleiner hässlicher Gnom, mit mindestens hundert Goldkettchen um den Hals. Sein kleiner, dicker Körper steckt in einem weißen Unterhemd, während sein Untergeschoss in eine gammelige Jogginghose gehüllt ist.
Seine schwarzen, ungepflegten Haare hat er zu einem Zopf zusammengebunden und in seinem Gesicht ragt ein fast schon verwucherter Bart. "Si?"
Ob das einer vom Personal ist? Bei dem Reichtum können die sich das sicherlich leisten.
"Hi. Ich bin auf der Suche nach Herrn Esposito!" "Steht vor ihnen. Wer sind sie und was wollen sie?" Ich falle gerade fast vom Glauben ab.
Das ist ihr MANN? Ach du scheiße...
Meine Emotionen wissen gerade nicht, in welche Richtung sie gehen sollten.
Lachen, kotzen oder heulen?
"Haben Sie Schmerzen? Sie gucken so komisch!" Der Mann betrachtet mich etwas skeptisch, da ich momentan kein Wort aus dem Mund herausbekomme. "Ne, alles in Ordnung. Ich bin Cora, Hallo!", ich strecke dem verratzten Etwas meine Hand entgegen, die er sofort annimmt und mich immer noch fragend mustert.
"Ich bin eine... Freundin von Tonia und", leider werde ich sofort in meinen Worten unterbrochen: "Die wohnt nicht mehr hier!" "Jaja, ich weiß. Aber ich wollte mich gerne mit Ihnen über etwas unterhalten. Hätten Sie denn Zeit für ein Gespräch?", ich lasse immer wieder meinen Blick über diesen Mensch wandern und frage mich ernsthaft, ob Tonia ihr vorheriges Leben nonstop zugedröhnt war oder warum gerade Frau Schikimiki so einen schmuddeligen Typen geheiratet hat. Das passt überhaupt nicht zu ihr. "Um was geht es denn?", der italienische Akzent ist unüberhörbar, doch zu dieser schönen Stimme passt dieser Körper absolut nicht.
Vielleicht solltest du dich mit geschlossenen Augen mit ihm unterhalten… Wäre aber sehr unhöflich...
"Um gleich auf den wesentlichen Punkt zu kommen: Wollen Sie Tonia vielleicht zurückgewinnen?" Um den heißen Brei zu reden, bringt meistens nichts, deswegen greife ich direkt an. "Aber Sie ist doch ausgezogen!", gibt der Italiener etwas gekränkt von sich. "Ja, aber vielleicht hat sie gehofft, dass Sie sie aufhalten. Umgekehrte Psychologie. Ist bei Frauen manchmal gar nicht so verkehrt. Tonia braucht es umgarnt und bestätigt zu werden. Nach so einer langen Beziehungszeit geht das bestimmt irgendwann unter, aber wenn sie sich ein bisschen reinhängen, klappt es vielleicht wieder mit ihnen!" Kurz bin ich mir nicht sicher, ob das jetzt alles ein bisschen zu schnell war, aber zurückspulen kann ich nicht mehr. Das Gehirn, in dem Kopf gegenüber, scheint zu arbeiten.
Anscheinend ist ihm seine Tonia doch nicht so egal, wie er tut:."Komm rein. Dann reden wir!" Mir scheint von diesem Typ keine größere Gefahr auszugehen, darum trete ich in den marmorierten Hausflur ein, während der Herr die Haustüre schließt. "Komm mit!" Ich folge dem Italiener in ein großes, lichtdurchflutetes Wohnzimmer. An einer der Wänden hängt ein riesengroßes Selbstporträt unserer unliebsamen Dame. Ich schaffe es gerade so, nicht die Augen zu verdrehen. "Setz dich. Willst du auch ein Glas Wein?"
Hmmm, ein Glas geht schon!
"Ja, gern. Danke!", antworte ich, während ich meinen Hintern auf der sauteuren Ledergarnitur niederlasse. "Du bist sehr hübsch!", wirft mir Tonia's Ex beiläufig zu, was meine Wangen leicht erröten lässt: "Danke!"
Du nicht....
Nachdem er mit zwei Weingläser und einer dementsprechenden Flasche zurückgekehrt ist, füllt er unsere Trinkbehältnisse und stößt mit mir an. "Dann erzähl mal, was du mir zu sagen hast!" Von dem sehr guten Deutsch bin ich mehr als überrascht. Rein vom Aussehen hätte ich eher mit sehr gebrochenem Deutsch gerechnet.
"Also, die Sache ist folgende: Tonia weiß nicht, dass ich hier bin. Wir sind noch nicht allzulange befreundet, aber in dieser kurzen Zeit konnte ich deutlich heraushören, das du ihr wahnsinnig fehlst. Sie redet oft über alte Zeiten und hin und wieder fällt der Satz 'Das hat mein Mann auch immer gesagt'. Natürlich würde sie niemals zugeben, dass sie wieder zurückkommen möchte.... Aber wenn man sie kennt, dann spürt man das!", ich duze den Typ jetzt auch einfach, da mir somit das Reden etwas leichter fällt. Ein leichtes Schmunzeln erscheint auf den Lippen meines Gegenüber.
Mehr Honig, Cora! Schmier ihm das ganze Maul voll.
"Sie wirkt oft sehr traurig und scheint mit sich selbst nicht zurechtzukommen. Man merkt, wie sehr sie ihr Gegenstück vermisst. Ständig ist sie auf der Suche nach etwas, aber sie findet es nicht. Wie sieht es bei dir aus? Liebsten du Tonia denn noch oder vermisst du sie?", mir fällt gerade leider nicht allzu viel ein, da ich weder Tonia noch Mister Schmierlappen richtig kenne. "Mein Herz schmerzt jede einzelne Sekunde, in der sie nicht bei mir ist! Ich habe ihr die freie Entscheidung gelassen, ob sie bei mir bleiben oder gehen möchte. Sie hat sich entschieden, mich zu verlassen!", er leert das ganze Weinglas in einem Zug und schüttelt dann den Kopf: "Ich bin so unhöflich. Ich heiße übrigens Angelo!" Ich lächle leicht und nicke ihm zu. Wirklich viel Grundlage liefert mir Angelo nicht für mein Gespräch. "Was ist denn genau passiert? Wenn ich überhaupt fragen darf..." "Si. Sie hat gemeint, dass wir uns auseinandergelebt haben. Es sei nicht mehr wie früher. Vielleicht bin ich ihr auch zu alt oder zu langweilig geworden. Ich weiß nicht genau!", seufzt er traurig vor sich hin und scheint wirklich ratlos zu sein. "Also Angelo, es ist nunmal so, dass die Beziehung nach ein paar Jahren gut und gerne einschläft. Ich schätze, dass du einfach ein bisschen Pep in euer Leben bringen musst. Außerdem ist Tonia ein sehr unsicherer Mensch. Sie braucht Bestätigung und zwar nicht nur einmal im Jahr. Wenn du sie noch liebst, dann sollte das kein Problem darstellen!" "Aber wie?"
Kann ein Mensch auch so unbeholfen sein und das auch noch als Italiener?
"Zeig ihr, dass du sie brauchst. Sag ihr, dass sie die schönste Frau für dich ist und du.... Sie auch nach all den Jahren noch furchtbar liebst und sie begehrenswert findest. Schnapp sie dir, macht euch ein paar schöne Tage in einem Wellnesshotel oder in einer anderen Stadt. Schenk ihr Rosen, Aufmerksamkeit, Komplimente..." Am liebsten würde ich ihm sagen, dass er die ganze Klischeescheiße abziehen soll, da Tonia darauf total anspringt. Angelo wirkt sehr nachdenklich: "Vielleicht habe ich ihr in letzter Zeit wirklich nicht viel Aufmerksamkeit gewidmet... Ich war viel auf Arbeit und mit Freunden unterwegs.... Mamamia, ich bin selbst schuld daran!"
Sein Herz scheint am richtigen Fleck zu sitzen.
Ich lasse die Erkenntnis wirken und leere mein Weinglas, da ich bald wieder abhauen will. Schneller, als ich reagieren kann, füllt Angelo mein Weinglas wieder auf. "Wie kann ich dir danken, dass du mir geholfen hast?"
"Ach du", ich winke ihm ab, "passt schon!"
Hauptsache wir sind deine Alte wieder los, hahaha.
"Möchtest du essen? Ich koche für uns!" Angelo ist schon dabei, sich von dem Sofa zu erheben, aber ich schüttel vehement den Kopf: "Nein, nein. Ich habe keinen Hunger, trotzdem danke!" "Na gut.... Zuerst muss ich mich wieder um mein Aussehen kümmern! Das habe ich die letzten Tage etwas vernachlässigt", gibt er fast schon beschämt zu. "Gute Idee! Du wirst das schon schaffen. Ich bin guter Dinge, dass ihr das wieder hinbekommt". "Kira, ich weiß wirklich nicht, wie ich mich revanchieren kann!"
Kira? Vielleicht ist es ganz gut, dass er sich meinen Namen nicht merken kann...
Nach einem Blick auf die Uhr an der Wand, stelle ich erschrocken fest, dass ich mich schon vor einer halben Stunde bei Josi und Susi hätte melden sollen. Ich hoffe, dass die beiden nicht gleich hier eintreffen und voller Sorge das Haus stürmen. "Sei nicht böse Angelo, aber ich muss los. Mein Freund wartet!", ich trinke den letzten Schluck aus meinem Weinglas, sage ihm noch, in welchem Hotel Tonia zu finden ist und erhebe mich, was mir Angelo gleich tut. Er begleitet mich noch zur Haustüre und verabschiedet sich mit Handkuss. Ich hoffe stark, dass ich in meinem Auto noch irgendwo Desinfektionstücher habe. "Tausend Dank meine Liebe!", winkt der Italiener mir hinterher, worauf ich ihm ein "Gern geschehen" zuwerfe und das schwere Eisentor öffne, um schnell hindurch zu schlüpfen.
In meinem Auto angekommen, schnappe ich mir mein Handy vom Beifahrersitz und lasse schnell bei Susi durchklingeln, damit wir uns nicht aus Versehen verpassen. Leider nimmt Susi den Anruf nicht an, deshalb schicke ich ihr und Josi eine Nachricht, dass ich jetzt in die WG fahre. Doppelt hält besser. Anschließend fahre ich los und bin völlig zufrieden, dass meine Mission so erfolgreich ausgegangen ist.
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