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Mittlerweile sitze ich, mit einer Decke über meinen Schultern, auf dem Badezimmerboden und habe meinen Hinterkopf auf dem Wannenrand abgelegt. Mir ist die andauernde Wanderung langsam zu anstrengend geworden.
Der Erste, der mir Gesellschaft leistet, ist Paul. "Hey, was machst du hier?", fragt er verwundert und nähert sich mir, nachdem er die Türe hinter sich geschlossen hat. "Versuche zu schlafen!", murmel ich ihm entgegen, öffne aber keinesfalls meine tonnenschweren Augenlider. "Meinst du nicht, dass ein Bett bequemer wäre?" "Bestimmt. Aber ich habe keine Lust andauernd die Treppen runter zu rennen!", allem Anschein nach schläft meine Stimme schon, denn die ist so leise, dass ich mich selbst kaum verstehe. "Gespräche mit der Kloschüssel?", vermutet Paul und setzt sich neben mich auf dem Boden nieder. "Ne, Blasenentzündung!", mein Kopf wird fast wie von einem Magnet zu Pauls Schulter gezogen. Leider trifft meine verletzte Augenbraue zuerst auf das knöcherne Gelenk, was mich kurz aufzischen lässt, bevor ich meinen Kopf etwas geschickter positioniere.
"Da ist der kalte Boden aber nicht die beste Wahl!" "Egal... Ich gehe nachher zu Finn und dann bekomme ich ja irgendetwas! Wo kommst du her?", ich rutsche noch etwas näher an Paul, da dieser eine extreme Wärme ausstrahlt, worauf dieser einen Arm um mich legt: "War bei Phoebe. Die musste jetzt aber zum Arbeiten und deshalb bin ich um diese Uhrzeit noch unterwegs!"
"Wer ist Phoebe? Ist das die vielleicht/ vielleicht auch nicht Freundin?" Ich drehe mein Gesicht zu Herrn Richter, damit ich sein Gesicht sehen kann, um keine Reaktion zu verpassen. Tatsächlich legt sich ein breites Grinsen auf Paul's Lippen: "Freundin!"
"Aaaah, wie schön!" Die Freude lässt mich sofort etwas wacher werden und ich lege sofort meine Arme um Pauls Körper, was ihn leise auflachen lässt. "Seit wann? Wie ist die so? Wann bringst du sie mal mit?" "Also, so offiziell seit gestern. Mit dem Vorstellen lasse ich mir noch ein bisschen Zeit, vor allem will ich das machen, wenn Francos Tussi nicht in der Nähe ist. Phoebe ist etwas schüchtern und nicht so charakterstark wie achtzig Prozent der weiblichen Haushaltszugehörigen oder Freundinnen!" "Hmmm, aber ich bin ja auch etwas schüchtern, dann passt das doch ganz gut!" "Hahahahahaha!" Paul fängt an lauthals zu lachen, was ich nicht ganz nachvollziehen kann: "Warum zum Teufel lachst du jetzt?" "Du und schüchtern, hahahaha. Wo denn, am kleinen Zeh oder wie?" "Jaaaa man. Klar, so stark ausgeprägt ist das jetzt nicht, aber es ist vorhanden! Erzähl doch... Ich will mehr wissen!", ich richte mich weiter auf, um Paul direkt in die Augen sehen zu können.
In mir tobt ein riesiges Feuerwerk, da ich mich so sehr für Herrn Richter freue.
"Sie ist Köchin, zweiunddreißig Jahre alt, sehr liebevoll, schüchtern... keine Ahnung... Sie ist einfach toll!", der verträumte Blick und das leichte Schmunzeln machen mich richtig glücklich. Ich gönne es Paul von ganzem Herzen. Wie es aussieht, sind jetzt alle versorgt, obwohl ich mir wünsche, dass eine gewisse Person bald ausgetauscht wird. "Ich freue mich so sehr für dich!" "Das ist lieb von dir, danke!", grinst mir Paul entgegen und drückt mir einen Kuss auf die Stirn. "Ich muss jetzt allerdings echt noch ein bisschen schlafen. Willst du nicht wenigstens aufs Sofa?", forscht Paul gähnend nach, doch ich wehre sofort ab: "Nein, ich bewege mich nur aufs Klo. Außer du brauchst kurz Privatsphäre, dann mache ich eine Ausnahme und verlasse den Raum!" "Quatsch, bleib sitzen!", nachdem sich der Polizist aufgerappelt hat und sich die Zähne putzt, wird mir aufgrund der fehlenden Wärme richtig kalt. Deshalb ziehe ich die Decke wieder fester um meinen Körper und schließe meine Augen. Das Paul das Badezimmer verlässt, bekomme ich gar nicht mehr mit.
Durch ein Gerüttel werde ich aus meinem dringend benötigten Schlaf gerissen, was mich leise brummen lässt. So wie es sich anfühlt, werde ich auf zwei Arme aufgeladen. Ich lasse meine Augen geschlossen, da ich gerne noch ein bisschen schlafen möchte.
"Hat sie im Badezimmer geschlafen?" "Ja, lag auf dem Boden! Sie ist eiskalt, deswegen verfrachte ich sie jetzt auf das Sofa!" Allem Anschein nach sind Tom und Stephan um mich herum.
Ich drücke mein Gesicht an die Männerbrust vor meinem Gesicht und erkenne am Geruch, dass Stephan mich hier herumträgt. Leider ist der Weg bis zum Wohnzimmer ziemlich kurz und schneller als mir lieb ist, werde ich auf dem Sofa abgelassen.
"Wie spät ist es?", grummel ich in die Richtung, in der ich Stephan vermute. "Kurz vor sechs. Schlaf noch ein bisschen!", antwortet mein Bruder aus dem Flur, worauf ich lauthals stöhne, da die Blase wieder anfängt zu drücken.
Total verspult richte ich mich auf und kämpfe mich aus meinem Deckencocon, um ins Badezimmer zu torkeln. Unterwegs ramme ich versehentlich Herrn Sindera, da er nicht aufpasst, wo ich hinlaufe.
Kaum kehre ich von meiner "Tröpfchen-Mission" zurück, schlendert auch Alex mit den Zwillingen die Treppe hinunter: "Morgen Schatz. Wie geht's?" Ich zucke nur mit den Schultern und laufe meinem Verlobten in die Küche hinterher. "Mama! Aon esse!" "Mhm, ich mach dir was!", gähne ich meinem Sohn entgegen und zücke kurz darauf einen Teller aus einem der Hängeschränke. Alex gibt mir nebenher einen Kuss, fühlt meine Stirn und lässt den ersten Kaffee rauslaufen. Malea kreischt mir entgegen, dass sie auch unbedingt etwas zu essen möchte, für den Fall, dass ich vergessen könnte, dass ich zwei Kinder habe. Nachdem zwei Brotscheiben mit Marmelade bestrichen und in mundgerechte Happen zerlegt wurden, stelle ich den gierigen Schlunden ihre Beute vor die Nase.
Als ich mich auf einen der Stühle platziert habe, stellt Tom mir eine Flasche Wasser vor die Nase und schenkt mir einen mitleidigen Blick: "Trink genug, damit nachher bei Finn auch was zustande kommt!" "Wahrscheinlich werde ich über Stunden auf der Schüssel sitzen und den Becher voll tropfen. Aber egal, Hauptsache er gibt mir irgendwas und der Scheiß wird bald besser!", ich sehne das Gefühl herbei, wieder ohne Brennen in der unteren Region leben zu können. "Tammy kommt dann gegen Mittag vorbei! Wenn du mal endlich Zeit hast, trittst du der Gruppe bei, okay?" "Ja, Tom! Eins nach dem anderen!" Herr Hetkamp legt einen Arm auf meinen Schultern ab und zieht mich näher zu sich: "Wenn du wieder zuhause bist, legst du dich bitte hin und machst rein gar nichts! Ich komme erst später nach Hause, da ich nach der Arbeit noch auf den Bauernhof gehe. Wenn was sein sollte, kannst du dich jederzeit melden!" "Geht klar. Bin heute glaube ich eh zu nichts anderem zu gebrauchen. Weißt du eigentlich, bis wann meine Mutter kommt? Hab vergessen, Nico zu fragen", ich schmiege mich an Alex' Brust und gähne herzhaft auf. "Die kommt um sieben!", verkündet Stephan, der sich im Flur gerade eine Jacke überstreift.
"Danke!" "Kommst du, Tom?", anscheinend müssen die Polizisten ihrem Dienst nachkommen, denn die verschwinden keine fünf Minuten später aus dem Haus.
Die Raubtiere sind nach ihrer Fütterung nicht mehr im Hochstuhl zu halten, deshalb entlasse ich sie auf den Boden. Die zwei sausen sofort ins Wohnzimmer und scheinen sich, den Geräuschen nach, über die Bauklötze herzumachen.
"Ich rede heute Abend mal mit Tom, wegen Lukas. Mach dich wegen ihm aber bitte nicht verrückt. Wie gesagt, der müsste noch eine Zeit lang weggesperrt sein. Falls dich das aber zu sehr belastet, dann rede mit mir. Friss es nicht in dich rein!", am liebsten würde ich meinem Verlobten jetzt eine übers Dach ziehen, da ich überhaupt nicht mehr an diesen abscheulichen Mensch gedacht habe, aber er meinen Gedanken wieder etwas Futter zugeworfen hat. "Gut, danke. Aber ich möchte, wenn es nicht nötig ist, nicht über ihn reden. Vielleicht löst sich dieses Problem auch von alleine!", ich sehe Alex an, dass ihn das alles auch sehr zu belasten scheint, weshalb ich ihm einen Kuss gebe und ihm aufmunternd zu lächle. "Hätten wir damals doch nur nicht so nachlässig gehandelt und eine Therapie gemacht. Du hast alles nur verdrängt und nicht wirklich verarbeitet", seinem Blick nach zu urteilen, würde er mich am liebsten sofort zu einem Therapeuten schleppen, aber da werde ich bestimmt nicht zustimmen. "Boah, Alex. Jetzt mach doch kein Drama daraus, dass mir gestern mal die Nerven durch sind. Ich werde das bestimmt nicht wieder alles mit einem Psychofuzzi aufwühlen und in tausend Teile zerlegen. Falls du dich an deine eigenen Worte erinnerst, ist Stress gerade das was ich am wenigsten brauche!" Mein Verlobter fährt sich mit beiden Händen durchs Gesicht und seufzt laut auf. Natürlich kann er sich jetzt nicht seinen eigenen Worten widersetzen, was wiederum bedeutet, dass ich gewonnen habe. "Ich geh mich mal Außenwelttauglich herrichten, Eva kommt bald", erhobenen Hauptes verlasse ich die Küche und bearbeite meinen Körper und mein Gesicht im Badezimmer.
Zwischendurch throne ich noch ein paar Mal auf dem Klo und stapfe anschließend zurück in die Küche. Alex hat zwischendurch die Windelhintern erfrischt und die Zwillis in anständige Klamotten gesteckt, womit ich nur noch die Gesichter und das Zähneputzen übernehmen muss.
"Ich muss dann los. Bis später!", der Reihe nach bekommen Aaron, Malea und letztendlich ich einen Kuss. Anscheinend ist Herr Hetkamp etwas angepisst, versucht es allerdings so gut wie möglich zu verbergen. Wie es aussieht, schwappen in dieser Schwangerschaft die Hormone auch mal auf den Herrn Hetkamp über, auch wenn das nur ein paar Stimmungsschwankungen mit sich bringt.
Alex und meine Mutter drücken sich quasi die Klinke in die Hand: "Morgen, Josi! Na, wie geht es dir?" "Hey. Geht so. Bin froh, wenn ich das lästige Brennen endlich wieder los bin!", ich umarme Eva zur Begrüßung und mache anschließend Platz für Aaron und Malea, die sich sehr über die Oma zu freuen scheinen. "Übrigens, solltest du mal dein Handy ab und an in Augenschein nehmen. Dein Vater hat dir mindestens zwanzig Nachrichten geschickt und ist vorhin etwas grummelig gewesen, weil keinerlei Antwort von dir kommt!" "Hmmm. Muss erst einmal suchen, wo das ist. Manchmal vergesse ich halt, dass ich da mal draufschauen könnte. Der soll sich nicht so aufregen!", damit nicht die Patienten unter Papa's schlechter Laune leiden müssen, mache ich mich auf die Suche nach dem Elektronikteil.
Meiner Vermutung nach, müsste es in der Wickeltasche liegen, wo ich es dann letztendlich auch finde. Mein Blick auf das Display verrät mir, dass ich dringend den Akku laden sollte. Ausserdem finde ich eine Menge Nachrichten vor:
Papa, 5:04 Uhr
Guten Morgen, Josi.
Wie geht es dir?
Papa, 5:35 Uhr
Du könntest dann übrigens auch mal der WhatsApp-Gruppe beitreten 😉
Papa, 5:57 Uhr
Meldest du dich später, was der Arzt gesagt hat?
Papa, 6:35 Uhr
🧐 Manchmal frage ich mich wirklich, wozu du eigentlich ein Handy besitzt...
Papa, 6:45 Uhr
Mama fährt jetzt los und ist dann gleich bei dir.
Papa, 7:10 Uhr
🤨🤨🤨🤨
Ich, 7:15 Uhr
Guten morgen😁
Meine Blase hat mich über Nacht ganz schön auf Trab gehalten.
Wir fahren jetzt aber gleich los und dann wird es hoffentlich bald eine Schmerzlinderung geben!
Klar, ich melde mich nachher.
Bis dann❤️
PS: Sei doch froh, das ich nicht so oft am Handy rumhänge und ich mehr am realen Leben teilnehme 😏
So, das sollte reichen, damit er beruhigt ist und ein kleines bisschen aufregen kann er sich auch noch. Gesunde Mischung würde ich sagen hahaha
Bevor wir rausstürmen, fahre ich den Kindern noch schnell mit einem nassen Waschlappen durch die Gesichter. Heute muss eben Katzenwäsche reichen.
"Soll ich fahren?", fragt mich Eva, als wir die Haustüre hinter uns schließen und die Treppen hinunterlaufen. "Wäre bestimmt sinnvoll", so kann ich wenigstens ein bisschen mit meinen Füßen herumzappeln und den Schmerz etwas lindern. "Kinder, heute fährt die Oma!" Aaron nimmt die Hände von dem Marv und schaut sich fragend um. Als er einen Kombi, ein paar Meter hinter dem Marv, entdeckt, guckt er mich fragend an: "Da Oma?" "Ja genau. In das Auto müssen wir!", bestätigt meine Mutter und verfrachtet sofort die Zwillinge in den Sitzen, damit ich mich ganz faul auf den Beifahrersitz schmeißen kann. Ich dirigiere uns, wie ein menschliches Navi, zu Finn's Praxis.
Die Praxisräume betrete ich alleine, da die Kinder herumlaufen möchten und somit nur unendliches Theater im Wartezimmer veranstalten würden. Am Empfang wird mir gleich ein Becher in die Hand gedrückt, mit dem ich mich sofort auf die Toilette verziehe. Ich brauche doch tatsächlich geschlagene zwanzig Minuten, bis annähernd eine sichtbare Sabberbrühe in dem Plastikteil sichtbar wird. Da ich großer Hoffnung bin, dass diese Menge reicht und auch einfach die Geduld für weitere zwanzig Minuten Klodeckelwärmen fehlt, stelle ich den Becher in die dafür vorgesehene Klappe. Als ich dann die Toilette verlasse, werde ich von Finn abgefangen: "Josi! Komm gleich mal mit!" Total überrumpelt, folge ich meinem Gynäkologen in eines der Behandlungszimmer. "Setz dich. Wie geht es dir?" "Bis auf das dauernde Brennen und massenhafte Klo Gerenne eigentlich relativ gut!" Finn nickt vor sich hin, notiert irgendetwas auf dem Tablet und sieht mich dann wieder an: "Hat es sich eher verschlechtert oder verbessert mit den Schmerzen?" "Verschlimmert. Ich habe mich gestern Abend ganz brav ausgeruht, eine Wärmflasche auf den Unterbauch gelegt und Tee getrunken. Aber so schnell hilft das ja eh nicht!" "Wie lange hast du die Beschwerden schon? Hat es offensichtliche Gründe gegeben, dass sich eine Blasenentzündung entwickelt hat?" "Die Schmerzen haben gestern Abend angefangen!", ich stoppe nach dem Satz, da Finn plötzlich breit grinst.
"Was ist?" "Ich bin überrascht, dass du dich dann so schnell überwunden hast, die Beschwerden preiszugeben. Sehr gut!", lobt er mich und nickt mir anschließend zu, damit ich weiter reden kann: "Ich habe vor kurzem ziemlich lange den Urin verhalten und bin auf einem kalten Boden gesessen", meine Schultern zucken selbstständig vor sich hin, worauf Finn tief einatmet: "Gut, wenn du wenigstens weißt, woran es gelegen hat. Ich würde dir außerdem empfehlen, darauf zu achten, dass deine Füße immer warm sind und du solltest genug trinken. Nach dem Sex ist es auch empfehlenswert, auf die Toilette zu gehen. Während der Schwangerschaft ist man durch die Hormonumstellung empfindlicher. Okay.... Ich würde liebend gerne noch einen Blick auf die Kleinen werfen, ob da auch alles in Ordnung ist". Mir kommt es sehr entgegen, dass Finn nach den Bauchbewohnern sehen will, denn ein bisschen Sicherheit kann nie schaden.
Auf dem Stuhl der Hölle angekommen, durchforstet der Arzt mit dem vaginalen Ultraschall meinen Unterleib. Finn grinst immer wieder vor sich hin, was mich leicht irritiert: "Was ist denn?" Fast schon ertappt, verschwindet sein Grinsen sofort: "Die zwei präsentieren sich da schon ordentlich!" "Was heißt das?" "Soweit ist alles in Ordnung. Einer der Beiden ist etwas kleiner als der Andere, aber es ist noch im Rahmen!" Finn zieht nebenher das unliebsame Teil aus mir raus, worauf ich nochmal nachhake:
"Das hört sich gut an, aber das war nicht die Antwort auf meine Frage. Kann es sein, dass du schon die Geschlechter erkannt hast?" "Selbst wenn.... Ich darf vor Ende der zwölften Schwangerschaftswoche keine Infos darüber preisgeben!" "Wieso? Könnte es sich noch ein Kind überlegen und dann schnell seinen Penis abwerfen oder was?", leider muss ich auf meine doofe Frage hin selbst lachen und auch Finn kann sich nicht beherrschen: "Hahaha. Nein. Aber so früh ist es einfach noch zu unsicher".
Die Worte "Einer" und "als der Andere" sind doch wohl eindeutig, oder?
"Dann sind es nach deiner Wortwahl anscheinend zwei Jungen. Interessant!" Finn wirkt kurz erschrocken und scheint zu überlegen, was er genau gesagt hat. "Danke für die versteckte Info!", lache ich ihm entgegen und setze meine Beine wieder auf dem Boden ab. Herr Gröhlich verdreht die Augen und schüttelt den Kopf: "Wie gesagt, ich darf dir jetzt noch nichts sagen!"
Nachdem ich wieder angezogen bin, setzen wir uns auf die Stühle an seinem Schreibtisch, auf dem die Ergebnisse meines Urins schon auf uns warten. "Uiuiui. Ich verschreibe dir ein Antibiotikum. Keine Angst, das ist in der Schwangerschaft zugelassen. Wenn du es nicht nimmst, riskieren wir das Aufsteigen der Bakterien. Folglich bekommst du dann einen Harnwegsinfekt, der weiter in die Nieren aufsteigen könnte und das kann ganz schön gefährlich für die Kinder werden!" "Wenn es nicht anders geht... Du sag mal... Ich wollte dich mal noch was fragen...", ich bin mir nicht sicher, ob ich mich wirklich trauen soll, aber natürlich habe ich die Neugier von Finn jetzt schon geweckt: "Schieß los. Du kannst alles fragen!" "Ähm", vor lauter Unbehagen zupfe ich an meiner Nagelhaut herum und senke meinen Blick: "Kann es denn sein, dass durch die hormonelle Umstellung gewisse... Ängste wieder auftreten? Oder man psychisch total Gaga wird?"
Da eine Zeit lang keine Antwort kommt, schaue ich dem Gynäkologen wieder ins Gesicht, der sich mittlerweile in seinem Stuhl zurückgelehnt hat und mich genauer mustert: "Wie meinst du das genau?" "In meiner letzten Schwangerschaft hat sich diese bescheuerte Spritzenphobie entwickelt und dieses Mal... Ich hatte früher ein unschönes Erlebnis und habe das eigentlich erfolgreich hinter mir gelassen... Aber aus heiterem Himmel steigen da wieder gewisse Ängste auf und ich weiß nicht warum. Es gab keinen wirklichen Anlass, was das ausgelöst haben könnte!" Momentan denke ich, dass ich eine falsche Entscheidung getroffen habe und ich einfach den Mund hätte halten sollen. "Wie einschneidend waren die Erlebnisse?" "Schon ziemlich", ob er mit dieser Aussage etwas anfangen kann, weiß ich auch nicht wirklich, doch er macht es mir etwas einfacher: "Bildlich gesprochen?" Ich gehe davon aus, dass er das in Bezug auf das "einschneidend" wissen will: "Bis auf den Knochen!"
Mein Gegenüber bläst die Backen auf und scheint kurz zu überlegen. Als ich gerade den Mund aufmachen will, um zu sagen, dass er es einfach vergessen soll, fängt er an zu reden: "Du brauchst das jetzt nicht entschuldigen oder als Lappalie abtun. Ich musste kurz überlegen.... Angstzustände bei Schwangeren sind alles andere als ungewöhnlich! Meistens bezieht sich das auf die Geburt und alles drumherum, da das alles neu und unbekannt und somit nicht kontrollierbar ist. Bei dir scheinen da allerdings Türen deines Unterbewusstsein geöffnet zu werden. Es ist gut, dass du das ansprichst, denn damit solltest du dich nicht durch die Schwangerschaft durchquälen. Ich gehe davon aus, dass du das alles nicht aufgearbeitet, sondern nur verdrängt hast?!" Jetzt bin ich an der Reihe, die Augen zu verdrehen. "Dachte ich mir schon... Wenn wir nichts unternehmen, werden sich diese Ängste manifestieren und schlimmstenfalls chronifizieren. Die gängigste Methode wäre eine Psychotherapie und zusätzlich leichtes körperliches Training. Auch Achtsamkeits- oder Meditationsübungen können sinnvoll sein.... hmmm, vielleicht auch eine Lichttherapie, Massagen oder Hypnose...." "Auf eine Psychotherapie habe ich echt keine Lust. Ich will den ganzen Mist nicht nochmal aufwühlen!"
"Aber genau das ist das Problem! Du solltest das dringend aufarbeiten, denn wenn du es nur irgendwo in ein Hintertürchen drückst, wird es immer wieder auftauchen und dich fertig machen. Überlege es dir zumindest. Ich könnte mir vorstellen, dass eine Hypnosetherapie vielleicht ganz gut bei dir wäre!" "Weil man da plappert und nichts verschweigt?" "Richtig erfasst!" "Ich weiß nicht...." "Überlege es dir und wir sprechen dann nochmal darüber. Aber nicht erst in zwei Monaten!" "Na gut. Danke, Finn!" "Ich bin wirklich schon ein bisschen stolz auf dich, dass du dieses Thema überhaupt angesprochen hast!" Finn's kleines Kompliment tut mir wirklich gut und ich hoffe, dass es meinem Gehirn endlich klar macht, dass ich nicht immer alles bis in die Unendlichkeit hinauszögern sollte.
Letztendlich nehme ich das Rezept entgegen und befördere meinen Körper vor die Praxis. Gerade, als ich denke, dass die Schmerzen sich schon lange nicht mehr gemeldet haben, fährt es mir mit voller Karacho in die Harnröhre.
Nächster Stopp: Apotheke!
Meine Mutter, samt Kindern, ist nirgends zu sehen. Wer weiß, wo die Zwillis sie hingezogen haben. Da gegenüber, an einem der Gebäude, ein Apothekenschild erkennbar ist, überquere ich schnell die Straße und verschaffe mir meine benötigten Antibiotika. Ein paar Schritte später befinde ich mich wieder neben dem Auto meiner Mutter und will gerade mein Handy zücken, als ich zwei lauthals schreiende Kinder höre.
"Babong. Mama. Babong!" Ich könnte mich kringeln vor Lachen, als ich die Sabberschnuten auf mich zustürmen sehe und beide jeweils einen Luftballon in der Hand haben. "Hey, was habt ihr denn da?", ich begebe mich sofort in die Hocke, damit ich die völlig überdrehten Zwerge mit meinen Armen empfangen kann. "Ea fallt. Ma Babong!", erklärt mir Aaron ganz aufgeregt, worauf mir Malea gleich ihre abgeschrammte Hand ins Gesicht drückt. "Oh, hast du dir weh getan?", es scheint nicht allzu schlimm zu sein, doch der kleine Kuss auf die verletzte Handfläche scheint dringend benötigt zu werden. "Ea fallt!", murrt mir Aaron empört entgegen, da er mir das zuvor schon einmal gesagt hat. "Ja, stimmt. Du hast schon erklärt, was passiert ist. Und hast du dich auch verletzt?" "Nein!" "Aon au Babong!" Der Kleine zuckt mit den Schultern und betrachtet den grünen schwebenden Luftballon.
"Da vorne ist eine Neueröffnung von einem Geschäft und die verteilen Luftballons. Nachdem Malea hingefallen ist, da sie über ihre eigenen Füße gestolpert ist, haben wir dort als Trost zwei geholt!", erklärt meine Mutter jetzt etwas genauer. "Das ist ein super Trost! Können wir dann zurück? Ich möchte jetzt endlich nach Hause, die Tabletten nehmen und mich ausruhen!" Meine Mutter nickt mir verständnisvoll zu und verfrachtet mit mir zusammen die Kids im Auto.
"Ich würde nachher etwas kochen und wenn es okay ist, gehe ich heute Mittag mit den zwei auf den Spielplatz", verkündet Eva ihre Pläne, gegen die ich rein gar nichts einzuwenden habe: "Wenn du das möchtest, gerne!"
Ein paar Minuten später fällt mir ein, dass ich meinem Vater noch Bescheid geben sollte und krame mein Handy heraus.
Ich, 8:57 Uhr
Hey. Hab Antibiotika bekommen.
Den Kindern geht's auch gut 😁😁 Mein Gyn hat spontan einen Ultraschall gemacht. Fahren jetzt in die WG.
Da ich eh schon am Handy hänge, schreibe ich Alex auch noch gleich.
Ich, 9:05 Uhr
Hi Schatz. Habe Antibiotika bekommen. Den beiden Jungs geht es auch gut, Finn hat spontan einen Ultraschall gemacht. Fahren jetzt nach Hause
❤️
Alex, 9:08 Uhr
Super! Dann nimm das gleich, wenn du zuhause bist und leg dich ein bisschen hin. Kommt deine Mutter noch mit? Schön, dass auch bei den Kindern alles in Ordnung ist!
❤️
Alex, 9:10 Uhr
Warte mal.... Jungs?
Ich, 9:12 Uhr
Finn darf erst ab Ende der zwölften Woche genaue Infos geben, aber er hat sich verplappert. Wie es aussieht, werden es zwei Jungs 💙👶💙👶
Alex, 9:15 Uhr
💙💙 Dann sind wir Männer eindeutig in der Überzahl 😬
Ich, 9:16 Uhr
Stört uns Frauen nicht. Wir haben ein Mundwerk und Temperament für zehn!
💪💪
Alex, 9:18 Uhr
🤣 Stimmt
Ich, 9:20 Uhr
Um zu deiner Frage zurückzukommen, meine Mutter kommt noch mit. Sie kocht nachher was und geht heute Mittag mit den Kids auf den Spielplatz.
Jetzt geh Menschenleben retten!🤪❤️
Alex, 9:23 Uhr
Alles klar Chef😄❤️
Schon auf der kurzen Fahrt in die WG, schwirren mir tausend Jungennamen im Kopf herum, die ich zuhause unbedingt aufschreiben muss. Das momentane Glücksgefühl würde ich am liebsten einfrieren, damit ich es jederzeit abrufen kann.
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