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"Hallo Paul! Wo ist... Oh, schläft Josi?" Christopher verringert die Lautstärke seiner Stimme, als er fast schon neben mir am Sofa steht. "Ja. Lass sie bitte schlafen. Sie war echt fertig! Sollen wir in der Küche einen Kaffee trinken?" Paul scheint zum Glück erfolgreich zu sein, denn ich höre, wie sich die Schritte aus dem Wohnzimmer entfernen und kurz darauf in der Küche ein paar Stimmen ein Gespräch beginnen. Ich atme erleichtert auf und öffne meine Augen.
Was mach ich denn jetzt?
Ich kann schlecht den kompletten Abend hier rumliegen und so tun, als ob ich schlafe...
"Hi!", meine nächste Rettung kommt ebenfalls nach Hause und seine erste Anlaufstelle ist bei mir. Vorsichtshalber stelle ich mich nochmals schlafend, da man ja nie weiß, ob das Böse sich auch gleich nähert.
Sanfte Lippen treffen auf meine:
"Ich weiß, dass du nicht wirklich schläfst!" Mein grinsen kann ich mir natürlich nicht verkneifen und öffne darauf dann meine Augen: "Verrate mich nicht. Ich kann das Gelaber jetzt wirklich nicht ertragen und flüchten kann ich nur schlecht!" Alex' Hand streicht zärtlich über meinen Kopf: "Ich sorge dafür, dass er sich verkrümelt. Ruh dich noch schön aus!" Nach einem weiteren Kuss begibt sich Alex zu den restlichen Personen in die Küche. Der steigenden Lautstärke zu urteilen, bietet er seinem Vater gerade die Stirn, was mich innerlich total zufrieden stellt.
Keine zehn Minuten später kommen Tom und Susi nach Hause. Die Beiden lassen sich erst gar nicht bei mir blicken, vermutlich werden sie gerade über mein Missgeschick aufgeklärt.
Die Warterei, bis Herr Doktor Hetkamp senior endlich abdampft, lässt mich letztendlich doch in einen leichten Schlaf verfallen. Erst als der Raum von mehreren Stimmen erhellt wird, komme ich wieder zu mir. Natürlich spickel ich erst leicht mit einem Auge, ob die Gefahr gebannt ist. "Schatz, du kannst die Augen aufmachen, mein Vater ist weg!", mein Verlobter setzt sich lachend neben meine Füße und drückt unbedacht mein lädiertes Bein.
"Aua!" "Oh, Sorry. Soll ich dir ein frisches Coolpack bringen?" Alex wartet eigentlich gar nicht auf eine Antwort, sondern läuft gleich in Richtung Küche los.
"Josi, können wir die Sache mit der Blumendeko kurz hinter uns bringen? Dann kann ich auch planen und muss dich nicht weiter damit nerven!" Susi's fast schon flehender Blick kann ich kaum widerstehen. "Jaaaaa. Fangen wir an!" Ich drehe meinen Kopf zu Susi und seufze leise vor mich hin, damit sie weiß, dass ich eigentlich gar keine Lust darauf habe. Genau in diesem Moment kommt auch Alex um die Ecke, packt mir das frische Coolpack unter die Wade und widmet Susi seine Aufmerksamkeit, nachdem er sich wieder auf das Sofa gesetzt hat.
"Wunderbar. Also, welche Blumen möchtet ihr denn?" Susi nimmt nebenher einen Block von Stephan entgegen, der gerade zu unserer kleinen Blumen Runde dazustößt. "Pfffff. Keine Ahnung. Was nimmt man denn normalerweise für Blumen?" "Oh, Josi. Also die geläufigsten sind Rosen, Tulpen, Sonnenblumen, Ginster, Mimosen, Freesien, Traubenhyazinthen...", der Wasserfall sprudelt unaufhörlich, während meine Ohren eigentlich schon nach den Sonnenblumen kapituliert haben. "Die Mimosen würden doch absolut zu meiner Schwester passen!" Tom, der alte Witzbold, kommt mit einem Sandwich und einem Glas Wasser in das Wohnzimmer gelaufen und übergibt alles, überraschenderweise, an mich. "Oh, danke. Das kommt wirklich genau zur richtigen Zeit. Ich habe Bärenhunger!", ich beiße genüsslich in mein Essen, während Alex neben mir verlauten lässt, dass er gerne Lilien hätte. "Was?", mir fällt fast das Essen aus dem Mund, da ich von Alex' genauer Vorstellung mehr als überrascht bin. "Ja... Ich habe ein bisschen gegoogelt und bin dann auf die Lilien gestoßen. Die gibt es in wahnsinnig vielen Farbvariationen und gefallen mir von allen Blumen einfach am Besten!" "Ähm...okay...kannst du mir mal ein Bild zeigen. Ich kann mir jetzt echt nichts darunter vorstellen!" auf meine Bitte hin, zückt der wunderschöne Mann an meiner Seite sein Handy und zeigt mir ein Bild seines auserwählten Grünzeugs. "Genehmigt. Susi? Geht das klar?" Da diese Blumen meine Vorraussetzung erfüllen und weder eine Rose oder Tulpe darstellen, kann ich Alex' Vorschlag getrost zustimmen. "Natürlich. Das ist super! Farbwunsch?" Susi hält sich jetzt eher an meinen Verlobten, da er sich doch eher Gedanken über dieses Themengebiet gemacht hat. "Schau mal, diese hier passen, denke ich, ganz gut!" Alex zeigt Susi ein Bild auf dem Handy, worauf sie zustimmend nickt. "Zeig mal", auch wenn es mir größtenteils egal ist, will ich schon wissen, was mich auf unserer Hochzeit erwartet. Alex dreht den Bildschirm zu mir und nach einer kurzen Musterung, stimme ich seiner Auswahl zu: "Ich wusste gar nicht, dass du so viel Geschmack hast!" Der mir entgegenkommende Blick offenbart mir, dass ich jetzt mein blaues Wunder erleben würde, wenn ich nicht verletzt wäre.
"Josi, du alte Sticheltante! Zeig mal Alex, ich will auch wissen was du rausgesucht hast!" Stephan streckt seine Hand nach dem Handy aus und begutachtet ebenso die getroffene Auswahl. "Passt doch gut: Die helle, strahlende Farbe steht für Alex und das dunkle, düstere für unsere Hexe!" Herr Sindera bringt die komplette Mannschaft zum lachen, ausser mir natürlich: "Normalerweise solltest du auf meiner Seite stehen. Du kannst nicht einfach auf die Hetkamp Seite flüchten! Das ist unfair." "Ach Josi. Ist doch nur Spaß!" Stephan zwinkert mir zu und übergibt das Handy wieder seinem rechtmäßigen Besitzer. "Super, dann ist das ja geklärt. Ich mache mir Gedanken über die Tischdeko, die Blumendeko für die Kirche und deinen Brautstrauß und zeige euch dann die Entwürfe. Ihr gebt mir doch sicherlich freie Hand, oder?" Susi's Blick sagt uns schon, dass sie keine Widerrede duldet. "Ja, natürlich!" Alex und ich stimmen ihr gleichzeitig, wie aus einem Mund, zu. "Sehr gut. Dann haben wir diese Sache auch erledigt! Ich gehe jetzt mal zu Phil und helfe ihm bei der Raubtierfütterung! Bis später!", dass die Blumen Tussi heute so gut gelaunt sein wird, hätte ich mir im Traum nicht gedacht.
Ich werfe einen Blick auf meinen Bruder: "Welches Thema darf ich mit Ihnen heute noch breittreten?" Tom visiert mich für einen kurzen Augenblick nachdenklich an, schüttelt aber kurz darauf seinen Kopf: "Lass mal. Heute nicht mehr. Du hattest genug Aufregung. Wir vertagen das auf morgen oder so, das eilt nicht!" Innerlich startet ein riesiges Feuerwerk in mir und irgendwie scheint die Verletzung wenigstens ein paar gute Aspekte mit sich zu bringen.
Meine Wenigkeit verbringt den restlichen Tag auf dem Sofa, während die Meute um mich herum die Kinder versorgt und auch mich etwas verwöhnt. Ehrlich gesagt, genieße ich das in vollen Zügen, denn ich weiß, dass die nächsten Tage gewiss kein Zuckerschlecken werden: Erstens, steht noch ein Gespräch mit meinem Schwiegervater an, um das ich nicht ewig drum herum kommen werde. Zweitens, möchte auch Tom ein Gespräch mit mir führen, bei dem ich mich sicherlich auch auf heiße Diskussionen einstellen muss. Drittens, kann ich mich nicht tagtäglich von allen betüddeln lassen und muss den Alltag mit den Sabberschnuten irgendwie überstehen. Nicht zu vergessen wäre da auch noch die tägliche Betstunde, damit der Bluterguss nicht doch noch punktiert werden muss.
Da ich schon alleine von diesen vielen Gedanken geschafft bin, kuschel ich mich ganz dicht an Alex, als er zu mir aufs Sofa gekrochen kommt, nachdem er die Kleinen ins Bett gebracht hat. Ich schmiege mich fest gegen seine Brust, während wir uns alle zusammen von einem Action Film berieseln lassen und ich irgendwann mein Ticket bei dem Sandmännchen einlöse.
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