(90) Plauderstunde mit Phil
Nachdem mein zukünftiger Schwiegervater meinen Rücken bearbeitet hat und ich Alex fast alle fünf Finger seiner Hand gebrochen habe, ist die Infusion auch endlich durch und wir dürfen nach Hause.
Anne ist nach dem Restaurantbesuch direkt in die WG gefahren und hat sich mit den dort anwesenden Herren die Zeit vertrieben. Als wir die WG betreten, werden wir von Anne, Phil, Tom und Paul begrüßt. "Hi zusammen. Sorry, ich muss erst duschen. Bin gleich wieder da!" Nach den ganzen Schweißausbrüchen und dem Rumgefummele an meinem Körper, fühle ich mich total ekelhaft. Nachdem ich die Abtrennung der Räume verbarrikadiert habe, rutsche ich mit meinem Rücken an der Türe entlang auf den Boden und genieße die Ruhe.
Das war heute definitiv zu viel Wirbel um meine Person und das kann ich nunmal auf den Tod nicht ab. Irgendwie merke ich gar nicht, wie die Zeit vergeht, denn irgendwann klopft es an der Türe: "Josi, alles in Ordnung?" Ich rappel mich schnell auf und ziehe meinen Bruder ins Badezimmer rein. "Alles okay! Muss nur noch schnell duschen." "Was hast du jetzt die ganze Zeit gemacht?" Er mustert erst mich und schaut dann auf die Uhr. "Ich musste kurz die Ruhe genießen! Das war mir vorhin alles zu viel. Du weißt, dass ich es nicht leiden kann, wenn der komplette Fokus auf mir liegt!" Ich atme schwerfällig auf und schnappe mir schonmal ein Handtuch. "Du hast dich aber super geschlagen. Christopher und Anne schwärmen in den höchsten Tönen von dir. Alex versucht sie aber gerade irgendwie abzuwimmeln, der hat allem Anschein auch genug hahahaha."
"Super, außer einem Kreislaufkollaps und einem Krankenhausbesuch habe ich heute wirklich nichts Großartiges vollbracht. Naja, wenns dir nichts ausmacht, würde ich dich jetzt rausschmeißen, damit ich endlich unter die Dusche komme", mit einem frechen Grinsen schiebe ich Tom zur Türe raus und springe schnell unter das erfrischende Wasser.
Nach insgesamt einer Stunde geselle ich mich zu den restlichen Personen, die draußen im Garten sitzen. Alex zieht mich sofort auf seinen Schoß und umarmt mich so fest, als würde ich gleich wieder davonrennen. "Du siehst wieder viel besser aus! Ich drücke Dir die Daumen, dass die Übelkeit nach den drei Monaten endet. Ich hatte das Vergnügen, die komplette Schwangerschaft über mit dieser Übelkeit zu kämpfen. Alexander hat es mir nicht gerade einfach gemacht." Anne wirft einen rügenden Blick auf ihren Sohn, allerdings merkt man ihr an, dass es nur ein Spaß sein soll. "Die Hoffnung stirbt zuletzt und ich lasse mich einfach überraschen. Es bleibt sowieso nichts anderes übrig!" Ich lehne mich in Alex' Umarmung und genieße die Geborgenheit, die er ausstrahlt. "Da Alexander morgen arbeiten muss, haben wir uns überlegt, dass wir dich zum Mittag abholen. Anne kennt da ein gutes vegetarisches Restaurant, das dürfte dir besser behagen!" Obwohl ich innerlich gerade sterbe, schaffe ich es irgendwie, Christopher ein Lächeln zu schenken.
Vielleicht sollte ich mich für die nächsten zwei Tage ins Krankenhaus einweisen lassen.... Dann bin ich vielleicht sicher!
Alex räuspert sich kurz und richtet sich ein kleines Stück auf: "Es werden morgen aber noch keine Babysachen gekauft! Das hat noch Zeit!" Anne und Christopher schauen Alex ertappt an und für eine kurze Zeit herrscht Stille.
"Weißt du Alexander, die Zeit geht schnell vorbei und dann sind plötzlich die Kinder da und nichts ist vorbereitet. Wir wollen für unsere Enkel etwas beisteuern und wer weiß, wann wir uns das nächste Mal sehen!" Anne ist schon fast empört und ich weiß ganz genau, dass sie auf Alex' Meinung scheißen wird. Ich werfe Phil, Paul und Tom einen Blick zu, der ihnen deuten soll, dass ich gerne gerettet werden möchte. Vermutlich könnte das Wesen hinter mir bald explodieren und ich möchte nur ungern zwischen den Fronten stehen. Phil ist zum Glück gleich auf Zack: "Josi, kommst du bitte kurz mit? Wir sollten deine Folsäuretabletten suchen, damit du die einnehmen kannst!" Tom springt ebenfalls vom Sofa auf: Ich muss noch einkaufen. Wie wäre es mit Fruchtsalat für dich, Schwesterherz? Nicht, dass du mir noch verhungerst!" "Ich komme mit. Neulich habe ich gelesen, dass roter Saft gut ist wegen dem ganzen Eisenmangel bei Schwangeren. Da wollte ich mal nachschauen, was es gibt". Paul rennt sofort Tom hinterher und schneller, als man gucken kann, fällt die Haustüre zu.
Phil zieht mich hinter sich her, ins Haus und wir verkrümeln uns in sein Zimmer. "Mann o Mann. Das wird noch was. Alex' Eltern sind echt lieb, nett und zuvorkommend, aber wenn die sich was in den Kopf gesetzt haben, zieht Alex meist den kürzeren. Da ist es besser, wenn man schnell aus der Schusslinie geht. Setz oder leg dich ruhig aufs Bett. Wir sollten denen da unten etwas Zeit geben!" Phil legt sich mit dem Bauch voran auf sein Bett, was ich ihm gleich tue.
"Wann gehst du zu Susi?", mein Grinsen steckt Phil an: "Gleich morgen nach der Arbeit!" "Hmm. Schön. Die freut sich schon riesig..." Ich lege meinen Kopf auf meine Arme und mustere Phil, wie er vor sich hin träumt. "Was unternimmt sie denn gerne? Ich wäre wirklich um jeden Tipp dankbar!" Eine leichte Röte schleicht sich auf sein Gesicht, während er immer noch vor sich hin grinst. "Susi ist total unkompliziert. Sie geht gerne schwimmen, ins Kino oder in ein Café in dem sie die ganzen Menschen beobachten kann und erfindet dann Geschichten, die zu den Menschen passen könnten. Sie verbringt aber auch gerne den Abend zuhause, mit einem Glas Sekt und einem guten Film. Außerdem mag sie Spaziergänge im Regen mit anschließendem heißen Kakao der mehr Schlagsahne als Flüssigkeit beinhaltet. Hahahaha. Sie liebt ebenfalls den kleinen See, der etwas außerhalb liegt. Sie bildet sich allerdings ein, das dort auf dem Grund des Bodens ein Monsterfisch lebt und einmal wäre sie mir fast abgesoffen vor Panik, da sie dachte, der Fisch hätte sie in die Tiefe ziehen wollen. Dabei hatten sich nur Algen um ihr Fußgelenk gewickelt. Hahahaha. Oder der Freizeitpark, der ungefähr zwanzig Minuten entfernt liegt. Susi fährt alles, aber du musst dir wirklich Ohrenstöpsel mitnehmen! Das letzte Mal hatte ich einen halben Tag lang Tinnitus, wegen ihrem Geschrei. Dort liebt sie auch das Spiegelkabinett und diese bescheuerte Teppichrutsche. Einmal konnte sie es nicht erwarten bis ich meinen Teppich hingelegt habe und wollte etwas nachhelfen. Letztendlich saß ich dann mit gebrochenem kleinen Finger in der Notaufnahme", meine ganzen Erinnerungen schwappen einfach über und ich texte Phil ohne Punkt und Komma zu. Aber anstatt genervt zu sein, lacht er mit mir mit und hört sich gespannt alles an, was ich erzähle.
Nachdem wir mit Bauchschmerzen auf dem Rücken liegend nach Luft japsen, verzieht Phil leicht sein Gesicht: "Du vermisst sie sehr, oder?" "Ja. Sie fehlt mir wirklich! Wir haben uns früher fast jeden Tag gesehen. Naja, man kann eben nicht alles haben!" Mir wird etwas schwer ums Herz, aber ich hege die Hoffnung, dass aus Susi und Phil etwas wird und ich meine beste Freundin somit öfter zu Gesicht bekomme. "Diese Seite von dir, solltest du viel öfter zeigen. Ich höre dir verdammt gerne zu, wenn du etwas erzählst. Vor allem, wenn es so wie das eben erzählte, direkt von Herzen kommt!" "Ich kann das halt nicht immer....Bin irgendwie zu verkorkst”, ich zucke mit den Schultern und werde daraufhin gleich wieder ermahnt: "Du bist nicht verkorkst! Du musst es einfach nur zulassen. Im Grunde bist du wie Tom. Du kannst einen mit deinen Erzählungen fesseln und es fühlt sich an, als wäre man live dabei gewesen. Du verlierst nie ein schlechtes Wort über deine Freunde oder die Menschen, die dir am Herzen liegen." Phil's Worte hauen mich wirklich um und irgendwie bin ich Anne und Christopher dankbar, dass sie mir das in gewisser Weise ermöglicht haben.
"Oh, deine Folsäure... Jetzt hätte ich das auch fast vergessen! Komm mit, wir schauen dann ebenfalls mal, ob dein Freund noch lebt oder ob er mit wehenden Fahnen untergegangen ist!"
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