(86) Klare Ansage
Ein starkes Würgegefühl weckt mich aus meinem Schlaf. Hastig springe ich vom Sofa auf und will es schnell umranden, um ins Badezimmer zu kommen, jedoch findet mein kleiner Zeh ein undefinierbares Möbelstück.
Vor lauter Schmerz beiße ich mir auf die Lippe, um nicht laut aufzuschreien.
Verdammt, was ist das?
Viel Zeit, um mich zu orientieren, habe ich nicht, da mich die nächste Welle mit Würgereiz überflutet. Deshalb renne ich in die Richtung, in der ich den Flur vermute und finde mit meiner Stirn ein Regal.
Verdammt, wo bin ich denn?
Ich reibe mir meine Stirn, um den Schmerz zu vertreiben, während plötzlich ein kleines Licht den Raum erhellt. "Was machst du denn? Hast du dir weh getan?" Alex' verschlafener Blick ist auf mich gerichtet.
Wie zum Teufel komme ich ins Schlafzimmer? Wir lagen doch vorhin noch auf dem Sofa!
"Josi? Ist alles in Ordnung?" Alex richtet sich skeptisch auf und stützt sich auf seinem Ellenbogen ab. Während ich wie ein Idiot neben dem Regal stehe und mir immer noch meine Hand an die Stirn halte, verstehe ich einfach die Welt nicht mehr. Meinem Freund scheint die Situation nicht geheuer zu sein, worauf er sich aus dem Bett kämpft und zu mir gelaufen kommt. Er nimmt meine Hand von meiner Stirn und kontrolliert sofort den entstandenen Schaden: "Das gibt bestimmt eine kleine Beule. Kannst du mal mit mir reden? Was ist denn los?" Die Übelkeit steigt erneut in mir auf und ohne ein Wort von mir zu geben, laufe ich im schnellen Tempo zur Türe hinaus, die Treppen hinunter, direkt ins Badezimmer.
The same shit, as every Day!
Kaum habe ich die erste Ladung Magensäure abgesondert, geht es mir auch schon besser. Alex trifft jetzt ebenfalls im Badezimmer ein. Er nimmt ein Haargummi von der Kommode und bindet mir die Haare locker zusammen, da diese sich momentan in einem gefährlichen Areal befinden.
Durch das "Training" der letzten Tage, schmerzt mir meine komplette Bauch- und Brustmuskulatur bei jedem einzelnen Würgen. Auch wenn zwischendurch Stillstand herrscht, bleibe ich über der Kloschüssel positioniert.
Alex sitzt die ganze Zeit auf dem Badewannenrand hinter mir und wacht mit Adleraugen über das Geschehen. Mittlerweile ist es mir schon egal, ob ich vor ihm kotze, ändern kann ich es eh nicht und der Herr trägt schließlich eine gewisse Mitschuld. "Ich besorge dir jetzt das Vomex, bevor du hier die ganze Nacht sitzt. Wenn das so weitergeht, müssen wir dir unbedingt ein paar Infusionen reinpumpen! Dein Flüssigkeitsverlust ist wirklich enorm!", sorgenerfüllt macht sich Alex auf den Weg um das genannte Mittel zu holen.
Ich stemme mich derweilen von der Toilette ab und spüle mir meinen Mund am Waschbecken aus, damit der ekelhafte Geschmack aus meinem Mund verschwindet. Ich merke selbst, dass mein Körper zu wenig Flüssigkeit bekommt und stelle mich gedanklich schon mal auf ein paar Infusionen ein.
Alex kommt wieder ins Badezimmer geschossen und drückt mir den Becher mit Vomex in die Hand: "Nimm das, dann geht's dir hoffentlich schnell besser." Ich leere mir den Inhalt in den Rachen und begebe mich direkt danach in Alex' Arme: "Ich kann nicht mehr! Mir tut alles weh und ich fühle mich nur noch mies". Während ich in Alex' Umarmung hänge und mich frage, ob ich mich selbst auch gleich die Toilette runterspülen soll, kommt Phil ins Badezimmer getappt: "Hey, ihr zwei. Alles okay?" "Akute Kotzattacke. Das es jetzt schon mitten in der Nacht anfängt, gefällt mir nicht. Ich schätze, wir müssen uns bald ein paar Infusionen abholen, damit Josi's Flüssigkeitshaushalt wieder auf ein normales Level ansteigt!" Während Alex mit Phil redet, schließe ich die Augen und gebe mich meiner Erschöpfung hin. Ich schaffe es gerade noch Alex zuzuflüstern, dass ich wieder ins Bett will, bevor die Müdigkeit mich überrollt und ich kraftlos in seinen Armen hänge.
"Na komm, ich trag dich hoch!" Mein Taxi lädt mich auf und bringt mich wieder in das obere Stockwerk. Die Ankunft in unserem Bett bekomme ich schon gar nicht mehr mit.
◇◇◇◇◇◇◇◇
Ein paar zärtliche Küsse auf meinem Nacken reißen mich aus dem Schlaf. "Na, Schlafmütze...Wir sollten langsam mal aufstehen, es ist schon zehn Uhr!" Alex' Grinsen verschwindet sofort, als ich mein Gesicht aus dem Kissen befreie und ihn gähnend anschaue. "Wie geht's dir denn? Du siehst wirklich nicht gut aus!" "Vergleichsweise zu heute Nacht, viel besser!" Für ihn zwinge ich mir ebenfalls ein Grinsen auf und schnappe mir seine Hand, um sie zu mir zu ziehen. "Vielleicht sollten wir das Essen einfach absagen! Ich schätze, es wäre besser, wenn du dich ausruhen würdest!" "Nein! Du siehst deine Eltern doch eh so wenig und dein Vater hat sich so gefreut. Das werde ich schon aushalten! Ein bisschen Make-Up ins Gesicht und dann ab die Post", so ohne Übelkeit fühlt sich der Morgen gleich viel besser an, da ist die bestehende Müdigkeit ein Klacks dagegen. "Ich weis nicht! Wenn es dir nachher nur schlecht geht und du dich durch den Tag quälen musst, ist mir dieses Essen wirklich herzlich egal." Ich sammle meine ganze Energie zusammen und richte mich im Bett auf: "Quatsch mit Soße. Auf jetzt! Wir sollten uns so langsam mal fertig machen." Ich klettere aus dem Bett und mache mich auf den Weg ins Badezimmer, um mich sofort ausgangstauglich zu machen, solange ich noch von meinem Tatendrang durchströmt werde.
Nachdem ich geduscht und angezogen bin, widme ich mich dem Spiegel über dem Waschbecken.
Scheiße! Du siehst ja noch schlimmer aus, als eine Leiche!
Mein Versuch, mich mit Make-Up Gesichtsfarbenmäßig wieder unter die Lebenden zu katapultieren, hat nur mäßigen Erfolg. Vielleicht kann es auch an der zusätzlich aufsteigenden Nervosität liegen, weil mir die ganze Zeit Alex' Eltern im Kopf herumschwirren. Da jetzt eh nichts mehr hilft, begebe ich mich ins Esszimmer, worauf ich Stephan, Paul und Tom begrüße: "Morgen Jungs!"
An den Blicken sehe ich schon, dass ich wirklich scheiße aussehe und ich bin froh, das ich schon mindestens eine Tonne Farbe in mein Gesicht geklatscht habe. "Sag mal, willst du heute wirklich das Haus verlassen?" Tom dreht sich in meine Richtung, während ich mir einen Ingwertee zubereite. "Ich bin mit einem Notarzt unterwegs. Der wird schon wissen wie er seine Freundin wiederbelebt!" Mein eigentlicher Scherz kommt nicht besonders gut bei den Herren an, was ich nur augenverdrehend hinnehme.
"Was macht ihr denn?" Paul mustert mich interessiert, als ich mich zwischen ihm und Tom auf dem Stuhl niederlasse. "Wir sind mit Alex' Eltern zum Essen verabredet". Ich grinse den Herren leicht entgegen und widme mich meinem Ingwertee. "Oh. Wie kommt denn das zustande?" Tom legt seinen Arm um mich und sieht mich interessiert an. "War echt ein Zufall. Christopher kam gestern vorbei, da seine Frau hier einen Vortrag hält. Ich wusste nicht, dass es Alex' Vater ist und hab mich natürlich gleich wieder bis auf die Knochen blamiert. Naja, er hat mich dann einfach aus unerklärlichen Gründen auch zu dem heutigen Essen eingeladen.” Wenn ich an gestern denke, könnte ich glatt wieder vor Scham sterben. "Mach dir keine Sorgen! Christopher ist wirklich ein sehr netter und liebevoller Mensch. Außerdem schätzt er es, wenn man sich nicht verstellt und einfach so ist, wie man eben ist!" Tom grinst mich schon wissend an, worauf ich nur mit dem Kopf schüttle: "Na, ob der heute so begeistert sein wird, wenn er erfährt, das die Durchgeknallte von gestern die Freundin seines Sohnes und zusätzlich auch noch die Mutter seiner zukünftigen Enkel ist, wird man dann ja sehen!" Schon alleine bei diesem Satz werden meine Hände eiskalt und ich frage mich, warum ich Alex' vorhin bei der Option "zuhause bleiben" nicht zugestimmt habe.
Sei nicht so egoistisch! Alex freut sich auf seine Eltern… Da musst du jetzt durch!
"Ach, hör doch auf, dich so schlecht zu machen! Warum bist du denn immer so negativ?" Stephan schüttelt den Kopf und mustert mich kritisch. "Naja, es ist ja nicht so, das ihr mir erst vor kurzem klargemacht habt, wie Scheiße ich eigentlich bin!" Dieser Satz hat jetzt wirklich gesessen, denn die drei Herren schauen mich schuldbewusst an. "Das war doch nicht auf deine komplette Persönlichkeit bezogen, sondern..." Tom wird in seinem Satz von Alex unterbrochen: "Hört doch jetzt mal auf mit diesen ständigen Diskussionen! Josi, ich will nicht, dass du dich wegen irgendwem verstellst. Du sollst so sein, wie du bist. Das Einzige, was du in den Griff bekommen solltest, ist diese abweisende Art, wenn man dir helfen will und dass du etwas mehr auf deine Gesundheit achtest. Nicht mehr und nicht weniger. Damit ist die Diskussion jetzt beendet!"
Oha, in so einem ernsten Tonfall habe ich Alex noch nie reden gehört.
Daraufhin sind wir nun wirklich alle still und trinken unsere heißen Getränke, die vor unserer Nase stehen.
Was mach ich denn jetzt? Nicht verstellen, mit der Gefahr das mich Alex' Eltern so nicht wirklich akzeptieren oder mein "neues Ich" weiterhin regieren lassen und damit eventuell Christopher zu irritieren.
Ich lege meinen Kopf seufzend in meine Hände und bin nun selbst komplett verwirrt. "Jetzt komm, wir gehen los! Du wolltest doch noch in diesen Laden und so wie ich dich kenne, brauchst du mindestens eine halbe Stunde, bis du durch bist!" Alex zieht mich mit einem Lächeln auf den Lippen vom Stuhl und umarmt mich kurz: "Mach dir nicht so viele Gedanken! Mein Vater mag dich jetzt schon und meine Mutter wirst du ebenso begeistern".
Dein Wort in Gottes Ohr!
Wir verabschieden uns von den drei Männern und machen uns auf den Weg, um nach einem Geschenk für die werdenden Großeltern zu suchen. Alex und ich verbringen tatsächlich fast vierzig Minuten in diesem Laden und werden letztendlich fündig.
Anschließend fahren wir zu dem Restaurant, in dem unser Treffen stattfindet. Als Alex auf dem Parkplatz anhält, steigt in mir die Nervosität auf.
Meine Hände werden eiskalt, mein Puls beschleunigt sich und meine Handflächen werden triefnass. "Bleib ganz locker! Wir vier schaffen das schon!” Alex dreht mein Kinn zu sich und gibt mir einen zärtlichen Kuss. Auch bei ihm kann ich eine leichte Nervosität feststellen, was mich natürlich nicht im geringsten beruhigt.
Die Trockenheit in meinem Mund nimmt unweigerlich zu und ich fühle mich, als hätte ich wochenlang nichts getrunken. "Na dann los!" Ich gebe den Startschuss, worauf wir aus dem Auto aussteigen und auf die Terrasse des Restaurants zulaufen. Ich sehe Christopher schon von weitem winken, was Alex sofort erwidert.
Josi, das schaffst du! Was soll schon großartig passieren? Sie könnten dich als unpassend für ihren Sohn einstufen, Alex ins Gewissen reden wollen und uns als Verantwortungslos hinstellen, da wir es nicht geschafft haben, ordentlich zu verhüten. Aber sonst? Konzentriere dich einfach darauf, nicht tot umzufallen!
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