(7) In seinen Armen
Der Streifenwagen fährt in Schrittgeschwindigkeit neben mir her und die Scheibe wird heruntergelassen: "Guten Morgen!" "Morgen!", erwidere ich so freundlich wie möglich den Gruß, bleibe aber nicht stehen. "Alles in Ordnung bei Ihnen?" "Ja, ich denke nicht, dass ich hilflos aussehe, oder?" "Naja, sie laufen ohne Schuhe und ohne Jacke hier draußen rum", gibt der Polizist zu bedenken, was ich aber sofort mit einer einfachen Erklärung abtue: "Mir ist warm und ich muss mich bewegen!" "Ohne Schuhe?" "Ja, das ist gesund!" "Bleiben Sie bitte kurz stehen?" Genervt halte ich an und verschränke die Arme, damit der Herr Beamte auch gleich weis, dass ich keine Lust auf ein Gespräch mit ihm habe. Die beiden Polizisten steigen aus ihrer Karre und stellen sich als Marc Westerhoven und Cem Kaya vor. "Josi Mayer", ich bin so freundlich und gebe auch meinen Namen bekannt, damit ich nicht unverschämt wirke. "Hätten Sie bitte einmal einen Ausweis für uns?", fordert dieser Kaya. "Nein, der liegt leider im Hotel" "Wo ist das?" "Wenn ich das wüsste, würde ich hier nicht so dumm rumlaufen!", grinse ich verlegen und der Schlaumeier vor meiner Nase fasst die Situation richtig zusammen: "Aha, also wissen Sie nicht, in welches Hotel Sie müssen!" "Naja, mein Auto steht da in der Nähe und ich muss es nur finden!" "Dann steigen Sie doch bitte mal ein!” Herr Westernhoven öffnet mir die hintere Türe des staatlichen Taxis, in das ich ohne Widerstand meinen Hintern schwinge. Als auch die beiden Herren wieder in ihrer Karre sitzen, erkläre ich ihnen, was ich noch von der Umgebung weis.
Trotz der mageren Beschreibung finden wir nach zwanzig Minuten mein Auto und somit auch das Hotel. Zu meinem Glück habe ich wenigstens die Schlüsselkarte in meiner Hosentasche und erspare mir somit eine weitere Blamage.
Ich finde ja, die Schlüsselkarten sollte man mit dem Hotelnamen bedrucken...
Die zwei Herren folgen mir zu dem gebuchten Zimmer. Vor der Türe sehe ich von weitem einen Blumenstrauß stehen. Der gleiche, den ich auch in meiner Wohnung gestern bekommen habe. Ich bleibe stehen und mich beschleicht langsam aber sicher wieder die Angst. "Was ist los?", forscht Herr Westerhoven nach. "Nichts.." Langsam steuere ich auf die Türe zu. Den Blumenstrauß ignoriere ich.
Nachdem ich die Abtrennung geöffnet habe, stoße ich die Türe auf und schaue prüfend in die Dunkelheit.
"Wollen Sie nicht reingehen?"
Nein, will ich nicht. Aber ich habe ja zwei Polizisten dabei, da wird mir schon nichts passieren.
Vorsichtig schleiche ich in das Zimmer hinein und taste nach dem Lichtschalter. Nichts Verwerfliches ist zu sehen und ich krame in meinem Koffer nach meinem Ausweis. Nachdem Herr Kaya meine Personalien überprüft hat, ziehen die beiden auch wieder ab.
Ich lasse mich auf das Bett fallen und hoffe, dass ich schnell einschlafe. Mit der vorhandenen Müdigkeit sollte das eigentlich kein Problem darstellen, wenn da nicht nach einigen Minuten ein Klopfen an meiner Zimmertüre zu hören wäre.
Super... drei Uhr morgens und es klopft an der Hoteltüre.. Herzlich willkommen bei "Mord im Hotel"...
Vorsichtig schleiche ich mich zur Türe und schaue durch den Spion.
Niemand da.
Zurück auf dem Bett, klopft es erneut. Wieder schaue ich nach und niemand ist zu sehen. Dieses Spiel dauert eine ganze Stunde, bis ich allmählich die Nerven verliere. Ich schnappe mir irgendwann die Bettdecke und drücke mich in die hinterste Zimmerecke, um die Tür zu beobachten. Vor lauter Angst fange ich an zu weinen, da mir die verschiedensten Szenarien durch den Kopf gehen, wie ich hier zum Beispiel ermordet werde, wie ich entführt werde und meine blühende Fantasie nimmt kein Ende.
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"Josi?" Eine Hand streicht mir über die Wange.
Scheiße, ich muss eingeschlafen sein!
Ich liege eingerollt in der Zimmerecke und sterbe fast an einem Herzinfarkt als ich die Anwesenheit fremder Personen wahrnehme. "Nein, nein, lass mich in Ruhe, bitte", schreie ich flehend los und drücke mich so weit wie möglich in die Ecke. "Pssssscccht! Ich bin’s Tom!" Er sitzt neben mir auf dem Boden und zieht mich auf seinen Schoß,um mich zu beruhigen. Ich wehre mich wie verrückt und drücke und stoße gegen ihn, da ich nicht realisiere, das er es ist: "Nein, nein, bitte...", flehe ich weiter. "Hey, komm mal zu dir! Dir passiert nichts!", versucht mich irgendjemand zu beruhigen, aber ich bin so weggetreten, dass ich darauf nicht reagiere.
Erst als ich festgehalten werde und einen Schlag auf meiner Wange verspüre, öffne ich die Augen und sehe halb verschwommen in Toms Gesicht. Er nimmt mich wieder in den Arm und drückt mich fest an sich. Meine Hände umklammern ihn und ich weine wieder ohne Ende. "Josi, beruhig dich! Ich bin da!", flüstert Tom mir zu.
Als ich verschiedene Stimmen hinter meinem Rücken wahrnehme, bekomme ich das absolut nicht auf die Reihe und fange an, viel zu schnell zu atmen. "Tom, dreh sie um, schnell!"
Nachdem ich umgedreht wurde und zwischen Toms Füßen gegen seinen Oberkörper gelehnt sitze, legt sich eine Hand auf meinen Brustkorb: "Josi, atme nach meinem Druck!" Trotz dem guten Zureden und der Hand, die mir vorgibt, wie ich zu atmen habe, kommt nicht genug Luft in meiner Lunge an. "Okay, anders: Ich halte dir jetzt den Mund zu und du atmest nur durch die Nase, okay?" Wer das vor mir ist, realisiere ich gar nicht, da ich in meinen Gedanken bereits mit der Welt abgeschlossen habe. "Josi!! Hör auf das, was Alex sagt!", schreit mich Tom an. Ich gebe mir solche Mühe, obwohl die Panik mich immer wieder übermannt, und schaffe es letztendlich doch, meine Atmung halbwegs zufriedenstellend unter Kontrolle zu bringen, so dass die Hand wieder von meinem Mund verschwindet. Mein Körper hängt wie ein Sack Kartoffeln an Tom gelehnt und ich spüre, wie mir auch noch die letzte Kraft entweicht. "Phil, ich glaub sie schmiert uns gleich ab!" "Ich habe den Notfallrucksack aus dem Kofferraum da, ich lege einen Zugang!" Das Pieksen an meinem Handrücken bekomme ich noch mit, danach wird alles Schwarz.
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Als ich wieder zu mir komme, muss ich mich zuerst orientieren. Das ich in einem Bett liege und dicht neben mir eine Person liegt, beruhigt mich nicht unbedingt.
Scheiße wo bin ich? Wer ist das?
Nachdem ich einigermaßen klar werde, fahre ich wieder runter, da es nur Tom ist, was ich im Schein der Nachttischlampe erkennen kann. Er schläft tief und fest und sein leises Atmen ist zu hören. Erinnerungen von früher steigen in mir auf.
Als ich noch kleiner war, so neun oder zehn, war die Welt noch in Ordnung und wir beide hatten ein super Verhältnis. Ich lag abends oft in seinen Armen, wenn ich nicht einschlafen konnte. Er gab mir immer den Zufluchtsort, den ich brauchte. Er strahlte die Wärme und Geborgenheit aus, die unseren Eltern ein Stück weit fehlte. Manchmal vermisse ich es. Wann haben wir uns so auseinandergelebt? Josi, das hast du selbst verbockt! Du hast dich von ihm abgewandt und hast ihn gemieden.
Ich krieche ein Stück zu ihm und überprüfe immer wieder, ob er noch schläft. Dann packe ich all meinen Mut zusammen und leg mich in seinen Arm. Meinen Kopf platziere ich auf seiner Schulter und meine Hand liegt auf seinem Oberkörper.
Nur ganz kurz die Geborgenheit und Wärme meines Bruders spüren... Es fühlt sich verdammt gut an und mein Körper entspannt immer mehr. Hoffentlich bekommt er es nicht mit, ich...
Sein Arm zieht mich näher an sich ran.
Okay, vielleicht hat er es doch mitbekommen.
Für den Moment ist es mir dann doch egal, ich genieße es einfach und schlafe wieder ein
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