(160) Die Rettung naht
Update 2
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Alex' Sicht
"Tom, drück bitte auf's Gas! Unsere erste Haltestelle ist unser Zuhause!", ich fahre mir mit den Händen über mein Gesicht und schüttel den Kopf.
"Was ist los?" Tom drückt das Gaspedal des Sprinter bis zum Anschlag durch, damit wir schneller ans Ziel kommen. "Aaron und Malea sind krank. Sie haben Bauchschmerzen, übergeben sich und haben Durchfall...." "Nein! Ausgerechnet wenn Josi alleine ist. Kommt sie klar?" Josis Bruder versucht, einen Blick auf mein Gesicht zu werfen, schafft es aber nicht wirklich, da hier auf der Autobahn wieder viel zu viel Idioten unterwegs sind. "Sie ist verständlicherweise heillos überfordert. Außerdem hat sie sich verbrannt, ist verwirrt und heult nonstop. Muss ich mehr sagen?", ich wähle nebenher Francos Nummer, der im Sprinter hinter uns sitzt.
Franco: "Hey Alex, was gibt's?"
Ich: "Stellst du mal kurz auf Lautsprecher, bitte?"
Franco: "Erledigt. Schieß los!"
Ich: "Phil, wir müssen als erstes zuhause vorbei. Malea und Aaron haben anscheinend Magen-Darm! Josi ist total fertig..."
Phil: "Normalerweise gilt doch noch der Nestschutz und die beiden dürften gar nichts abbekommen!"
Ich: "Was ist denn bei uns schon normal?"
Phil: "Scheiße. Wann haben Stephan, Paul oder Flo Dienstschluss?"
Ich: "Keine Ahnung. Wenn es dumm läuft, kommen wir alle erst zur gleichen Zeit nachhause. Ich versuche jemanden zu erreichen!"
Phil: "Wie geht's Josi?"
Ich: "Nicht gut. Sie heult an einem Stück... Außerdem hat sie sich verbrannt. Die wird wieder ohne Ende an sich zweifeln..."
Phil: "Aber da kann sie doch nichts dafür.. Krankheiten durchstehen ist mit einem Kind manchmal schon eine Herausforderung und sie hat zwei, die gleichzeitig krank sind..und ist ganz auf sich alleine gestellt..."
Ich: "Dann versuch mal, ihr das nachher klar zu machen! Also, wir drücken aufs Gas!"
Phil: "Wir kommen auch mit! Dann könnt ihr euch beide um die Kinder kümmern und wir schauen nach Josi, ok?"
Ich: "Das hört sich gut an! Bis nachher!"
"Ich habe ein mega schlechtes Gewissen! Irgendjemand hätte zuhause bleiben sollen!" Tom fährt sich mit einer Hand durch die Haare und wird merklich nervös. "Wer konnte denn ahnen, dass so etwas passiert? Wäre alles normal gelaufen, hätte Josi es locker geschafft, das beweist sie gerade fast jede Nacht. Während ich schlafe, versorgt sie ganz alleine die Kleinen und ich bekomme keinen einzigen Muckser mit!" Trotz allem mache ich mir ebenfalls Vorwürfe ohne Ende.
Während der Fahrt versuche ich vergeblich, unsere drei arbeitenden Männer zu erreichen, jedoch war mir schon fast klar, dass ich erfolglos bleibe. "Müssen wir dann gleich zum Arzt mit den Kleinen?" "Das ist jetzt schwer zu sagen. Ich schau mir Malea und Aaron mal an und entscheide spontan. Es kommt jetzt auch drauf an, wie oft sie sich übergeben haben und Durchfall hatten. Wenn die beiden trotzdem genug trinken, ist es kein Problem.. Aber... Ich weiß es nicht, Tom!", diese absolute Hilflosigkeit, da wir momentan noch viel zu weit von meiner Familie entfernt sind, macht mich wirklich fertig. "Josi wird ihr Bestes geben, Alex! Wenn es kritisch wird, kann Sie das auch gut einschätzen und wird mit den Kindern in die KaS gehen!" Herr Mayers Versuch mich zu beruhigen klappt nicht wirklich: "Daran habe ich überhaupt keine Zweifel! Ich ahne nur, dass deine Schwester hundert Prozentig nichts gegessen und nichts getrunken hat und darum habe ich ein bisschen Panik, dass auch ihr irgendetwas passieren könnte. Soll ich Oli, Marc oder Robin mal anrufen? Kann ja nicht sein, dass heute alle arbeiten müssen, oder?", nervös tippe ich auf dem Display herum und lasse auch bei diesen drei Herren durchklingeln. "Marc arbeitet glaub ich... und Robin schläft bestimmt, weil der Spätschicht hat. Alex, noch zwanzig Minuten, dann sind wir da!" Der Blondhaarige neben mir ist ebenfalls komplett aufgewühlt und umklammert mittlerweile das Lenkrad so fest, dass seine Knöchel weis hervortreten. "Tom, entspann dich ein bisschen. Ich brauch dich nachher!", dass meine Worte ihn zum Augenverdrehen bringen, kann ich irgendwie verstehen. Leider Gottes erreiche ich absolut keine Menschenseele, die bei uns zuhause nach dem Rechten schauen könnte und hoffe jetzt einfach, dass es meinen drei Schätzen gut geht.
Endlich am Ziel angekommen, parkt Tom den Sprinter schlampig an den Straßenrand, worauf wir fluchtartig das Gefährt verlassen und zur Haustüre stürmen. Phil kommt auch gerade auf den gekennzeichneten Parkflächen an und lässt seinen Sprinter einfach halb auf dem Gehweg stehen. Nachdem Tom die Haustüre geöffnet hat, trifft uns nicht, wie erwartet, ein unerbittliches Geschrei, sondern eine unheimliche Stille.
Das Einzige, was ich höre, ist mein eigener Herzschlag und das Blut, das mir durch die Ohren rauscht.
Als wir im Flur stehen, hören wir leises Gequengel, dem wir sofort folgen und in der Küche ankommen. "Ist was passiert?" Stephan kommt ebenfalls mit Phil, Franco und Susi in die Küche gestürmt. Ich atme schwer auf, als ich das Chaos sehe und werfe dann einen Blick auf Josi und die Kinder. Meine Freundin sitzt auf dem Boden zwischen den zwei Maxi-Cosis und hält die kleinen Hände unserer Babys fest. Während die Kinder hellwach sind, ist die Mama am schlafen.
"Hey Aaron, was macht ihr denn für Sachen, mh?" Ich nehme meinen Sohn auf den Arm, der weiterhin ruhig bleibt und nur leise vor sich hin gluckst. Tom nimmt derweil Malea an sich und stellt ebenfalls fest, dass diese ziemlich zufrieden ist. "Pass auf Tom, da liegen Scherben!" Stephan zieht unseren Kumpel auf die Seite und sieht sich weiter um: "Auf jeden Fall hätte sie was gegessen, wenn sie Zeit gehabt hätte und Kaffee getrunken. Oh, Mädchen!" Der Schwarzhaarige kniet sich zu meiner Freundin und rüttelt leicht an ihr, worauf sie sofort aufschreckt und sich verwirrt umsieht: "Wo sind die Kinder? Haben sie geschrien? Ich habe... Oh Gott, ich bin eingeschlafen!" "Hey, hey, hey. Ganz ruhig! Wir sind da, den Kindern geht es prima. Wie geht es dir?" Stephan streicht Josi über den Kopf, während Phil sich die Verbrennung ansieht, die schon sichtbare Blasen gebildet hat. Von der Frau am Boden kommt kein weiteres Wort mehr, dafür umso mehr Tränen.
"Susi, nimmst du kurz Aaron, bitte?", ich reiche den kleinen Fratz an Josis Freundin weiter und geselle mich kurz darauf neben meine Freundin auf den Boden, um sie in den Arm zu nehmen:
"Schatz, du brauchst nicht weinen! Es ist alles in Ordnung. Aaron und Malea geht es gut. Jetzt schauen wir mal nach dir, okay? Hast du dich sonst noch irgendwo verletzt, außer an deiner Hand?" Frau Mayer schüttelt nur mit dem Kopf und drückt sich näher an mich ran. "Was hast du da an? Pauls Pullover und Stephans Jogginghose?" Phils kann sich sein Grinsen kaum verkneifen, sammelt sich aber gleich wieder, als von der Frau in meinen Armen so gar keine Reaktion kommt. "Mir wäre es jetzt wirklich lieb, wenn du was essen würdest, bevor dein Kreislauf bald wieder einen Abgang macht und danach gehst du erstmal in Ruhe duschen, okay?" Ich spüre, wie ihr ganzer Körper zittert, was wiederum ein enorm schlechtes Gewissen in mir aufkommen lässt.
"Ich schau mir schnell die Kinder an! Bei Josi machen wir nachher Brandsalbe drauf und einen Verband drum!" Phil verkrümelt sich mit Tom, Susi und den Kindern ins Wohnzimmer, damit er sie ungestört untersuchen kann. "Es tut mir leid, dass ich es nicht geschafft habe!" Die geflüsterte Entschuldigung der Zwillingsmama zerreißt mir fast das Herz. "Schau mich mal an Schatz!" Der Kopf, der bisher an meiner Brust lag, hebt sich und gibt mir die Sicht auf ein rot geflecktes, nasses Gesicht frei.
"Dir muss absolut nichts leid tun. Was denn auch? Die Kinder sind blitzeblank sauber und sogar sehr zufrieden. Ihr lebt alle und das ist das Wichtigste. Das bisschen Unordnung ist doch nicht schlimm. Wen juckt das schon? Es wäre viel schlimmer gewesen, wenn es hier blitzeblank ist und die Kinder unter aller Sau aussehen würden. Tun sie aber nicht!" Meine Worte scheinen endlich anzukommen, denn ein kleines Lächeln macht sich auf dem einst traurigen Gesicht breit.
Stephan hat zwischenzeitlich für Josi etwas zu essen gezaubert, ihr ein Glas Wasser und eine Tasse heißen Kaffee auf den Tisch gestellt. Mit einem ausgestreckten Arm steht er nun vor ihr: "Darf ich bitten?" Frau Mayer nimmt die Aufstehhilfe an, hält aber mit einer Hand die Jogginghose fest, damit sie nicht komplett runter rutscht.
"Ich musste leider eure Klamotten anziehen, da ich keine Zeit hatte, frische zu holen und.." Stephan zieht Josi in eine Umarmung und drückt sie fest an sich: "Ist doch scheißegal. Jetzt setzt du dich bitte hin und isst was, okay? Ich mache hier sauber und wenn alles im Lot ist, dann können die Herrschaften ihren Umzug beenden. Ich bin ja jetzt da!" "Neee, ich bleib auch hier. Hätte ich gleich tun sollen!", mein schweres Aufatmen wird von Stephan nur mit einem Kopfschütteln kommentiert, worauf ich ebenfalls in die Umarmung mit einbezogen werde.
Zwei Stunden später sieht die Welt schon wieder anders aus. Herr Sindera hat in der Küche wieder Klar Schiff gemacht, während ich unser Bett frisch bezogen und mich um die Wäsche gekümmert habe. Tom, Phil, Susi und Franco haben Unterstützung von Paul und Florian bekommen, nachdem diese von der Arbeit zurückgekehrt sind und liegen somit sehr gut in der Zeit. Die Zwillinge haben sich bisher noch einmal übergeben, ansonsten rumort nur ab und zu mal das Bäuchlein. Josi hat gegessen, war duschen, hat sich ihre Hand von mir versorgen lassen und liegt jetzt schlafend auf dem Sofa, während Stephan und ich neben ihr liegen und jeweils ein Kind auf der Brust geparkt haben.
"Ehrlich gesagt vermute ich, dass es bei mir schlimmer ausgesehen hätte, wenn ich an Josi's Stelle gewesen wäre! Schon allein die Kinder wären bestimmt nicht so blitzeblank gewesen!" Stephan grinst mir zu, worauf ich lachen und ihm nickend zustimmen muss: "Genau das gleiche dachte ich vorhin von mir selbst auch. So eine Situation ist echt nicht einfach. Josi darf sich nicht immer selbst so fertig machen.. Sie hat meine geringen Erwartungen meilenweit im positiven überboten und alles mit bravour gemeistert!" "Weißt du, es ist bestimmt nicht einfach, seinen eigenen Erwartungen als Mutter gerecht zu werden. Dann werden sich die Hormone noch umstellen und ebenfalls muss man noch die anderen Sachen bedenken." Stephan gähnt lauthals auf und streicht Aaron leicht über das Köpfchen. "Welche anderen Sachen?", ich schaue Herrn Sindera fragend an, doch dieser winkt mir nur ab: "Alle anderen Sachen, die es halt so gibt...." "Bei dir verändern sich die Hormone auch irgendwie, mh?" "Unter Umständen mein Freund", sein blödes Lachen macht mich für einen Augenblick stutzig, jedoch bin ich viel zu müde vom ganzen Stress, um mir weiterhin über diese seltsame Aussage Gedanken zu machen.
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