(133) Zu viele Informationen
Das ich die halbe Nacht nicht geschlafen habe, da ich mir den Kopf über Alex' Problem zerbrochen habe, schreien einem meine dunklen Augenringe ohne Nachfrage sofort entgegen. Zumindest hat Alex gut geschlafen und tut dies auch immer noch.
Während ich mir kaltes Wasser ins Gesicht schmeiße und ich gar nicht wirklich selber weiß, was ich damit erreichen will, betritt mein Bruder das Badezimmer, um sich die Zähne zu putzen: "Guten Morgen! Wie kommt's, dass du schon wach bist?" "Konnte nicht sonderlich gut schlafen!", ich mache Tom gähnend Platz und putze mir ebenfalls die Zähne. Ich muss mich wirklich beherrschen, nicht im Stehen einzuschlafen und lehne mich deshalb leicht gegen Tom. "Wichst gu gich nich goch hingegen?" Der fragende Blick trifft mich im Spiegel, worauf ich ihn nur entgeistert anschaue: "Ih cherhehe gein horg!"
Tom dreht sich mit einem amüsierten Gesichtsausdruck zu mir:
"Has?" Ich muss unweigerlich lachen und ersticke fast an meinem Zahnpastaschaum, bevor ich ihn im Waschbecken in die ewigen Weiten der Abflussrohre entlassen kann.
Nachdem der Schluck Wasser durch meinen Mund gefegt ist und ebenfalls im Waschbecken seine letzte Ruhestätte gefunden hat, trockne ich meinen Mund und widme mich wieder Tom: "Was hast du gesagt? Ich habe kein Wort verstanden!" Über dem Waschbecken hängend, wiederholt Tom seine unverstandene Frage: "Ob du dich nicht noch ein bisschen hinlegen willst, hab ich gefragt!" "Achso. Ne... Ich kann eh nicht wirklich schlafen. Ist Stephan schon wach?"
"Ja, der trinkt seinen Kaffe!" Tom hält einmal seinen kompletten Kopf unter den Wasserhahn, während ich mich auf den Weg in die Küche mache.
"Guten Morgen Stephan!" Ich bin sehr bemüht ein wirklich authentisches Lächeln rüber zu bringen, aber Stephan's Blick nach, ging der Schuss nach hinten los. "Morgen Josi. Hast du heute Nacht eigentlich geschlafen? Du siehst echt fertig aus!" Herr Sindera nippt an seiner Kaffeetasse und beäugt mich kritisch. Meine Wenigkeit läuft einmal um den Tisch, worauf ich einen Stuhl ganz dicht an den Herrn ranschiebe und mich ganz dezent an seine Seite hefte. Naja, es fehlt nicht mehr viel, dann sitze ich auf seinem Schoß. "Nein, ich konnte kaum schlafen. Allerdings kannst du mir dabei helfen, damit ich wenigstens heute Nacht wieder die Augen zu bekomme!" Meine Hände finden ihren Weg und klammern sich um Stephans Oberarm. "Und das wäre?", mit hochgezogenen Augenbrauen wartet er auf die erwartete Hiobsbotschaft, doch sein Blick verändert sich innerhalb einiger Momente und er schüttelt sofort seinen Kopf: "Nein. Das sage ich dir nicht!" "Woher genau willst du wissen, was ich von Dir wissen will, wenn ich dir noch gar nicht gesagt habe, welches Wissen ich benötige?", ich muss kurz innehalten und überlegen ob dieser Satz Sinn gemacht hat, aber anscheinend hat Stephan es verstanden, denn er schüttelt erneut den Kopf: "Ich werde dir nicht verraten, was Alex mir gestern erzählt hat! Entweder er sagt es dir selbst oder eben nicht. Von mir wirst du nichts erfahren! Nein! No! Niet! Nada! Nichts!" "Was würde Herr Sindera zu einem leckeren Abendessen bei Tony's sagen?", meine wackelnden Augenbrauen scheinen ihn für ein paar Millisekunden aus dem Konzept zu bringen, doch leider fängt er sich wieder viel zu schnell: "Josi, bitte! Ich meine es Ernst. Über meine Lippen kommt kein Wort." "Stephan, es macht mich total fertig, nicht zu wissen, was Alex belastet. Er will es mir nicht sagen und ich verwette meinen Arsch darauf, dass er sich lieber mit mir bis in alle Ewigkeit streitet, als dass er mir davon erzählt!" Ich ziehe einen weiteren Trumpf und lege meinen Hundeblick auf.
"Josi, lass Stephan in Ruhe. Du spielst mit unfairen Mitteln und hör auf, so erbärmlich zu gucken! Im Zusammenhang mit deinem Augenringen, könnte man fast schon Angst bekommen!" Tom mischt sich einfach ungefragt in meine Überredungsversuche ein und bekommt dafür auch gleich die Quittung: "Halt du dich da raus! Dich habe ich nicht gefragt! Ich möchte meinem Freund doch einfach nur helfen und ihn unterstützen. Anscheinend belastet es ihn und das kann ich doch nicht einfach so hinnehmen!" "Dein Freund ist Notarzt und kann so einiges ab. Wenn es ihm dann wirklich so nahe geht, dann will ich gar nicht wissen wie du darauf reagierst." Tom lässt sich ebenfalls einen Kaffee aus der Maschine und wendet sich dann zu mir. "Ach, soll das heißen, dass so eine popelige Rettungssanitäterin etwa nur halb so viel ab kann, als ein Notarzt?", langsam werde ich echt sauer und ich befürchte, dass es hier wirklich noch in Streit ausarten wird. "Nein. Aber du bist dazu eben auch noch schwanger und sensibler als sonst. Also lass es doch einfach gut sein und finde dich damit ab!" Tom erhebt langsam seine Stimme, was mich noch viel wütender macht als seine vorher ausgesprochene Meinung. "Ihr könnt mich mal gern haben. Mit sowas wie euch rede ich doch gar nicht mehr!" Als ich gerade aufgesprungen bin und zur Türe laufe, renne ich natürlich ungebremst in Alex rein. "Langsam! Sei doch nicht schon am frühen Morgen so impulsiv! Was ist denn los?" Alex' prüfenden Blick fegt über alle Gesichter und bleibt letztendlich wieder an mir kleben. "Nichts von Bedeutung. Guten Morgen, ich hoffe du hast gut geschlafen!", nach einem halbherzigen Kuss will ich mich eigentlich in das Wohnzimmer verkrümeln, aber Herr Hetkamp hält mich schnell am Arm fest: "Warum siehst du so schlecht aus und warum regst du dich so auf?" "Weil ich unheimlich schlecht geschlafen habe und....." Ich stocke in meinem Satz und schüttle den Kopf, da ich jetzt keine Lust habe, auch noch mit Alex zu streiten. "Und?" "....und ich müde bin!" Was blöderes fällt mir auf die Schnelle nicht ein, da ich sehe, dass Alex ziemlich unentspannt wird. "Warum hast du so schlecht geschlafen?" Die hochgezogene linke Augenbraue signalisiert mir schon, dass Herr Hetkamp keinen Nerv für Diskussionen hat. "Kommt halt auch mal vor. Jetzt trink deinen Kaffee, wir müssen bald zu Finn!" Mit Schwung befreie ich meinen Arm aus Alex' Griff und verkrümele mich dann tatsächlich ins Wohnzimmer.
Tzzzzz, solche Verräter... Wehe, die plaudern jetzt aus, weshalb ich so muffelig bin.
Ich versuche, mich noch etwas auf dem Sofa zu entspannen, schließe die Augen und genieße schmunzelnd die Tritte meiner Bauchbewohner. Ab und zu sind die Kindsbewegungen echt unangenehm, vor allem wenn die zwei auf meiner Blase Samba tanzen oder meine Rippen als Boxsack benutzen, doch ich beschwere mich kein einziges Mal, da man so sicher sein kann, dass die Beiden leben. Nach ein paar Minuten legt sich eine weitere Hand auf meinen Bauch, worauf ebenfalls ein paar Küsse folgen: "Guten Morgen Baby's! Trampelt die Mama nicht so zusammen, die brauchen wir noch!"
Ein leichtes Schmunzeln trifft auf meinen Lippen ein, bevor Alex auch auf diesen einen sanften Kuss aufdrückt. "Du solltest nicht so viel auf dem Rücken liegen Schatz!" "Ja, ich weiß. Aber ab und zu muss das sein. Ich muss jetzt ja eh aufstehen und mich anziehen!" Ich öffne meine Augen und greife nach der mir entgegen gestreckten Hand, die mir beim Aufstehen behilflich ist. "Dankeschön der Herr!" Nach einem weiteren Kuss, verkrümele ich mich in unser Zimmer und krame im Kleiderschrank herum, um irgendein warmes Oberteil rauszukramen.
Mir ist nicht wirklich kalt, aber angesichts der klirrenden Kälte da draußen, sollte ich mich etwas besser einpacken. Da meine Pullover nicht einmal mehr ansatzweise über den Bauch gezogen werden können, kralle ich mir von Alex einen Hoodie.
"Das geht auch nicht mehr lange gut!" Heute fällt mir mal wieder auf, wie riesig meine Kugel doch schon ist und frage mich, ob da wirklich noch mehr geht oder ob ich bald dann doch noch platze. Eigentlich kann ich mich wirklich nicht beschweren, bisher habe ich ausschließlich eine riesige Kugel und etwas an den Oberschenkeln zugenommen, mehr nicht. Wenn Pit mich nicht immer mit Muffins, Kuchen und allerlei Süßkram versorgen würde, wäre es vielleicht etwas weniger. Allerdings ist seine Frau im Backwahn und packt auch für mich immer fleißig Futter ein, da sie nicht will, dass ich vom Fleisch falle. Was wiederum die Herren Doktoren mehr als freudig stimmt.
"Schatz, bist du fertig?" Alex steht in der offenen Tür und beäugt mich leicht belustigt. "Was?", ich drehe mich in seine Richtung und verstehe nicht, warum er jetzt so doof grinst. "Ich schätze, wir sollten dir dringend ein paar Pullover kaufen, bevor du mir meine kompletten Klamotten ausleierst!" "Tja. Mitgehangen, mitgefangen! Du bist gar nicht so unschuldig daran, dass mir nichts mehr passt!", mit rausgestreckter Zunge, laufe ich die Treppe runter, schnappe mir meine Schuhe und setze mich auf einer der Stufen. Langsam wird auch das Schuhe anziehen etwas beschwerlich. "Soll ich dir helfen?" Mein Bruder wartet auf gar keine Bestätigung, sondern bindet mir einfach meine Schuhe zu, worauf ich erleichtert aufseufze. "Danke, Tom! Wenn du jetzt noch einen Kran bestellen könntest, um uns drei von der Treppe zu ziehen, wäre das wirklich genial!" Der zukünftige Onkel übernimmt die Krandienste und zieht mich langsam in einen aufrechten Stand. Als wir dann endlich alle soweit sind, begeben wir uns zu Alex' Auto und fahren zu Finn's Praxis.
Dort angekommen, darf ich das übliche Prozedere über mich ergehen lassen: Urinprobe abgeben, Blutdruck messen und Gewichtskontrolle. Nachdem das alles erledigt ist, dürfen wir auch sofort zu Finn, der uns drei schon freudig erwartet: "Hallo zusammen! Na, wie geht's denn der Mama und den Kindern?" Noch bevor ich meinen Mund öffnen kann, labert der Papa gleich los: "Wir hätten da Schwindelanfälle im Programm, vermutlich auch zu hohen Blutdruck, ihr Bauch verhärtet sich des Öfteren und geschlafen hat sie heute Nacht auch kaum!" Finn's Aufmerksamkeit liegt voll und ganz bei Alex und nach dessen Verkündung, wirft er einen kritischen Blick auf mich: "Dein Blutdruck ist tatsächlich wieder etwas erhöht. Das müssen wir unbedingt im Auge behalten. Jetzt schauen wir mal, was die Babys machen und dann kommt alles andere, okay?" Finn erhebt sich von seinem Stuhl und bittet mich, auf der Liege Platz zu nehmen.
Als ich bequem liege, packe ich meinen Bauch aus und lasse Finn das "Babywatching" starten.
Das kalte Gel auf meinem Bauch verschafft mir eine Gänsehaut, was man deutlich auf meinem Bauch sehen kann. Finn schallt wie ein Verrückter und versucht Tom alles ganz genau zu zeigen, was dieser sehr aufmerksam mit etwas Pipi in den Augen verfolgt.
Mein Herz ist gerührt von seiner Freude.
"Wollt ihr eigentlich wissen, welche Geschlechter wir hier am Start haben? Man kann es heute ziemlich gut sehen!" Der fragende Blick trifft auf Alex und mich, worauf ich mir ziemlich unsicher werde. Alex schüttelt sofort seinen Kopf, während ich mir überhaupt nicht sicher bin, was ich will.
"Josi scheint sich unschlüssig zu sein, mh? Wisst ihr was? Ich schreibe es auf einen Zettel und gebe es dem Onkel zur Verwahrung. Wenn das Bedürfnis besteht, könnt ihr nachschauen und wenn nicht, dann eben nicht!" Wir sind alle drei mit Finn's Vorschlag zufrieden und segnen seinen Vorschlag ab. Letztendlich schallt Finn eine halbe Ewigkeit in der Nähe des Gebärmutterhalses herum und verzieht dabei mehrmals sein Gesicht. Ich ahne nichts Gutes und Alex scheint auch schon eine gewisse Vorahnung zu haben. Finn's erster Blick wandert zu Alex: "Wir haben ein klitzekleines Problemchen. Der Gebärmutterhals ist um einige Zentimeter verkürzt". Die Gesichtszüge meines Freundes werden härter, während sich seine Stirn in Falten legt. Finn schaut nochmal genauer nach, zeigt Alex auf dem Ultraschall alles ganz genau und bläst dann zum Schluss hin, die Backen auf: "Josi, wir haben hier jetzt folgendes Problem: Alles was über drei Komma fünf Zentimeter Länge, beim Gebärmutterhals, liegt, ist normal. Werte zwischen zwei Komma fünf und drei Komma fünf Zentimeter sollten regelmäßig kontrolliert werden. Unter zwei Komma fünf Zentimeter haben wir ein hohes Risiko für eine Frühgeburt. Wir liegen ungefähr bei zwei Komma sechs Zentimeter". "Hört sich nicht so gut an!", ich muss hart schlucken und warte auf die weitere Aufklärung. "Nein, nicht so optimal. Wir werden deine Kontrolltermine auf einmal wöchentlich terminieren. Des Weiteren erhältst du von mir, ab dem heutigen Tag, ein Arbeitsverbot. Du darfst dich nicht überanstrengen und musst dich wirklich schonen. Wir kontrollieren nachher noch den Muttermund, sobald der auch noch Probleme macht, muss ich dich in die Klinik schicken!" Finn's Worte treffen mich wie ein Faustschlag ins Gesicht.
Am liebsten würde ich jetzt aufstehen und davonrennen.
"Ich weiß, das ist jetzt echt hart und alles etwas viel, aber wir müssen auch noch demnächst über die Geburt sprechen. Ob du, wenn möglich, deine Kinder normal bekommen möchtest oder ob wir von vornherein einen Kaiserschnitt planen. Natürlich hängt das von vielen weiteren Faktoren ab, die sich noch bis kurz vor der Geburt alle mit einbringen. Aber wir sollten beide Optionen einmal durchsprechen!" Finn's Worte kommen momentan nur gedämpft bei mir an. Mein Kopf platzt fast vor lauter Gedanken, während das Rauschen in meinen Ohren fast die komplette Geräuschkulisse meiner Umgebung verschlingt. Ich spüre, wie langsam meine Muskulatur erschlafft, wogegen ich absolut nicht ankämpfen kann. Das Letzte, was ich höre, ist Alex' gedämpfte Stimme, bevor sich meine Augen schließen und die Schwärze über mich herfällt.
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