(11) Lügengeschichten
An der Tür angekommen, wird diese sofort von Franco geöffnet. Sein Gesichtsausdruck spricht Bände und er kann sich wohl zwischen Freude und Standpauke nicht festlegen. "Wenn du motzen willst, dann spare es dir. Tom wird mir nachher schon nen Einlauf verpassen!" Der Italiener tritt einen Schritt zurück und lässt mich rein. "Hast du nicht geschlafen oder geht es dir nicht gut?", begegnen mir wieder besorgte Blicke. "Mir geht's gut und geschlafen hab ich wie ein Baby!"
Ein von Schmerzen geplagtes Baby.
Ich ziehe meine Jacke und Schuhe aus und dolge Franco ins Wohnzimmer. Dort sitzen Alex, Phil und Florian auf dem Sofa und schauen Fernsehen. "Hi Leute!" Erschrocken drehen sich alle um und springen dann auf, um mich zu umarmen. Zum Glück sind alle ein Stück größer als ich, somit umarmt mich keiner in der Rippengegend. "Du rennst nie wieder so einfach weg, verstanden!", ermahnt mich Phil, noch bevor er wieder auf dem Sofa sitzt. "Ja, sorry", murre ich vor mich hin und werde sofort von Florian gelöchert, wo Susi abgeblieben ist.
Ja, wo ist sie denn? Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht.
"Die schläft, weil sie Migräne hat. Das ist immer ganz übel...", winke ich ab und hoffe, dass sich das Thema damit vorerst erledigt hat. Alex klopft neben sich aufs Sofa und fordert mich auf, mich endlich hinzusetzen. Ein unbequemer Stuhl wäre mir jetzt echt lieber. Auf dem Sofa muss ich noch aufpassen, dass ich nicht einschlafe. "Du siehst aber echt nicht fit aus!", bemerkt Alex. Florian grinst sich schon einen ab und ich sage nur, dass er die Klappe halten soll. Alex sitzt in halb liegender Position auf dem Sofa und hat die Füße auf dem Tisch, worauf ich mich neben ihn setze und die Füße seitlich anwinkele, damit es schon unbequem ist.
"Florian, hat der Typ aus dem Club es geschafft?", frage ich nach, da sich die Gelegenheit bietet und es mich wirklich interessiert. "Ja, der konnte sich glücklich schätzen, dass du da warst! Aber sag mal, das hast du nicht das erste Mal gemacht und so eine Übergabe auch nicht, oder?", ich wusste, dass er misstrauisch wird. "Was war los?" Phil ist natürlich gleich interessiert. Florian erzählt von dem Einsatz gestern und dass ich einen jungen Mann neun Minuten reanimiert habe und Oli eine saubere Übergabe abgeliefert habe. Franco, Phil und Alex starren mich ungläubig an. Noch bevor einer nachfragen kann, bekomme ich einen Anruf. "Sorry, da muss ich kurz ran!", ich bin froh, dass auf dem Display eine Nummer angezeigt wird, auch wenn ich diese nicht kenne. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Lukas ist, ist dadurch geringer.
Ich: "Hallo?"
Unbekannt: "Ja hallo, hier Kreidhof. Sie hatten vorhin das WG Zimmer besichtigt."
Ich stehe kurz auf, um den Raum zu verlassen und ungestört telefonieren zu können. Muss ja keiner mitbekommen.
Ich: "Ähm, wissen Sie, ich bin schon fündig geworden. Aber vielen Dank!"
Unbekannt: "Okay, schade. Dann schönen Abend noch."
Ich: "Danke gleichfalls."
Niemals! Und wenn es die letzte Wohnung wäre, die in Köln zur Verfügung steht.
Meinen zerknüllten Zettel aus der Hosentasche, schmeiße ich kurzerhand in den Müll und gehe zurück neben Alex aufs Sofa. Ich bekomme echt wieder Puls neben dem Mensch, was mich echt wahnsinnig macht.
Alle sind vertieft in den Film und reden kein Wort. Meine Wenigkeit kämpft gegen die Müdigkeit an. Meine Augenlider sind schwer wie Blei und der Druck auf den Augen wird immer größer.
Wenn ich jetzt ganz kurz die Augen zu mache, dann geht es bestimmt gleich wieder besser.
Ich werde alle dazu bringen dich zu hassen! Jeder Mensch auf der ganzen Welt wird dich meiden und du wirst alleine sein! Ganz alleine! Und dann wirst du angekrochen kommen und mich anflehen, dass ich dich aufnehme!
Nein! Nein! Lass mich in Ruhe. Hau ab! Josi? Nein! Josi?
Ein kleiner Schmerzreiz auf meinem Brustbein lässt mich aufschrecken, während zwei Hände gegen meine Schultern drücken. Verschwommen seh ich Alex' und Phils Gesicht. "Es war nur ein Traum!", redet Phil auf mich ein. Ich kann kaum meine Augen offen halten. Ich dreh mich seitlich weg und kuschel mich an das gut riechende Kissen unter mir.
Moment, den guten Geruch kenne ich!
Erschrocken mach ich die Augen auf und sehe, dass ich auf Alex' Bauch liege. Ich will mich hochquälen und versteife mich regelrecht. Alex streicht mir über den Rücken: "Ist okay, du kannst liegen bleiben!" Liebend gerne bleib ich liegen und entspanne mich mit der Zeit auch wieder. Alex' Hand auf meinem Rücken gibt mir Sicherheit und ich schlafe sofort wieder ein.
"Josi?", jemand rüttelt an mir. "Hmmmm?" "Willst du nicht mal aufwachen?" "Ne..." "Jetzt komm mal von Alex runter, der ist sonst bald Matsch!"
Ups, liege ich immer noch auf ihm drauf?
Schnell reiße ich meine Augen auf und fahre erschrocken hoch. "Hey, mach langsam!", zieht mich Alex wieder runter und ich bin ihm echt dankbar, denn ich muss erst meinen Kopf wieder sortieren. Als ich mich langsam umschaue, sehe ich Tom neben mir knien. Die Uhr an der Wand verrät mir, dass es kurz vor zweiundzwanzig Uhr ist und ich reib mir meine Augen. "Bist du jetzt erst gekommen?" "Nein, bin schon eineinhalb Stunden da, aber du warst nicht wach zu bekommen. Da hat dir wohl etwas Schlaf gefehlt" "Möglich...", mir fallen schon wieder fast die Augen zu, aber ich zwinge mich, sie offen zu lassen. Die zirka vier Stunden Schlaf haben einfach nicht gereicht. Eigentlich würde ich gerne ewig hier auf Alex liegen bleiben, er hat eine beruhigende und warme Ausstrahlung.
Kurz bevor ich mich erhebe, strecke ich mich ordentlich und zucke danach sofort zusammen, da meine Rippen sich wieder beschweren. "Alles gut?", fragt Alex. "Ja!", bekommt er eine knappe Antwort. Tom zieht mich an den Armen hoch und ich sitze an der Rückenlehne des Sofas angelehnt da.
Mein Bruder setzt sich neben mich. Mir fällt auf, dass Stephan und Paul plötzlich da sind und Franco und Florian fehlen.
Tom will wissen, wo Susi ist und ich bin noch so neben der Spur, dass ich sage, dass sie einkaufen ist oder irgendetwas dergleichen. Alex' Blick mustert mich skeptisch: "Hast du nicht vorhin gesagt, dass sie Migräne hat?" Kurz muss ich darüber nachdenken: "Ja, ist möglich. Dann ist sie im Hotel mit Migräne!", nicke ich vor mich hin. "Habt ihr euch gestritten?" "Hä? Tom, wieso sollten wir uns streiten?", will ich wissen, da das keinen Sinn für mich ergibt. "Ich frag ja nur!" Seinem Blick zu urteilen, glaubt er mir nicht, aber das ist mir momentan echt egal. Ich gähne unentwegt und bin total k.o. "Willst du hier schlafen? Dann reden wir morgen. Ich glaube, das bringt heute nicht mehr viel!", grinst mich Tom an. "Nein, ich gehe nach Hause... Ins Hotel meine ich und... Ja, wie auch immer!", mir ist gerade alles zu viel. "Wann fahrt ihr denn wieder?", mischt sich Paul jetzt ein. "Weiß nicht... keine Ahnung!", sage ich ohne nachzudenken und Paul bohrt nach: "Wie, du weißt nicht, wie lange du hier Urlaub machst?" Genervt sage ich ihm, dass er mit mir reden soll, wenn meine Gehirnzellen regeneriert sind und mich nicht im Halbschlaf löchern soll.
Prima Josi, du verstrickst dich immer weiter...
Mein Handy klingelt und verwundert und total unbedacht gehe ich dran:
Ich: "Hallo?"
??: "Wenn du irgendwas erzählst, bist du dran!"
Ich: "Äh, was?"
??: "Denk daran, wenn du plapperst, stehst du am Schluss alleine da."
Aufgelegt.
Scheiße, der beobachtet mich doch!
Ich starre mein Handy an und eine Träne platscht auf das Display. "Wer war das? Was ist los?" Tom dreht meinen Kopf zu sich und wartet auf eine Antwort. "Nichts wichtiges. Hat sich wohl verwählt!" "Willst du mich eigentlich verarschen? Du willst mir sagen, dass dir Tränen runterlaufen wegen irgendjemand, der sich verwählt hat?", wettert mein Bruder los, doch ich zucke nur mit den Schultern und starre ins Leere. "Also Josi, heute passt wirklich nichts zusammen! Entweder bist du so neben der Spur, durch deinen Schlafmangel oder du bekommst deine Lügengeschichten nicht mehr auf die Reihe!" "Und was denkt der Herr Polizist, was von beidem zutreffend ist?" Meine Worte gefallen Herrn Mayer nicht, denn er schüttelt nur mit dem Kopf und verzieht sich sauer in die Küche.
Was mach ich jetzt? Geh ich ins Hotel oder bleibe ich da?
Die ganzen Blicke liegen auf mir. Ich muss kurz aufstehen, das krumme Sitzen tut meinen Rippen nicht gut. Unbewusst lege ich meine Hand auf meine angeschlagenen Rippen und verziehe das Gesicht. "Was hast du denn da? Irgendwas ist doch!", reißt mich Phil aus meinen Gedanken. "Bin wohl krumm gelegen oder so", winke ich ab und will mich gerade umdrehen um zu Tom in die Küche zu laufen, da knall ich voll gegen ihn und sterbe fast vor Schmerz, da der Teller, den er gehalten hat in perfekter Rippenhöhe in mich reindrückt
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